T 1046/18 04-02-2021
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Methode zur Datenkonfiguration und Bereitstellung für landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 9. April 2018 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Streitpatent zu widerrufen. Die Beschwerde wurde am 23. April 2018 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr eingelegt. Am 27. Juni 2018 folgte die Beschwerdebegründung.
II. In ihrer Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung u.a. festgestellt, dass die Methode des erteilten Anspruchs 1 nicht erfinderisch sei hinsichtlich der Offenbarung der Dokumente D1, D2 und D4.
III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
"Methode zur Datenkonfiguration und -bereitstellung für landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen (2), wobei der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine (2) in einem übergeordneten Datenkonfigurator (6, 7) ein auf die jeweilige landwirtschaftliche Arbeitsmaschine (2) bezogener individualisierter Datensatz (10) zugeordnet wird und die landwirtschaftliche Arbeitsmaschine (2) den auf sie bezogenen individualisierten Datensatz (10) abruft, dadurch gekennzeichnet, dass der übergeordnete Datenkonfigurator (6) von einem Internet (7) gebildet wird und der Datensatz (19) als Internetseite in dem Internet (7) ausgebildet ist und die Internetseite (9) der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine (2) zum Zeitpunkt der Auslieferung von einem Hersteller (3) an einen Abnehmer (4) der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine individualisiert zugeordnet wird und wobei der Datensatz (10) in dem übergeordneten Datenkonfigurator (6, 7) von externen Anbieter ( 18) generiert wird und der oder die Datensätze (10) von der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine (2) und/oder dem externen Anbieter (18) so editierbar sind, dass die Datensätze (10) die landwirtschaftliche Arbeitsmaschine (2) in die Lage versetzen sich in ein Arbeitsumfeld einzuordnen und/oder eine Selbstorganisation der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine (2) ermöglichen und die Datensätze (10) Prozessketten abbilden und die jeweilige landwirtschaftliche Arbeitsmaschine (2) Bestandteil einer oder mehrerer Prozessketten ist."
V. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: DE 100 65 675 A1
D2: DE 10 2004 006 848 A1
D4: EP 1 633 105 A1.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Methode des Anspruchs 1 beruht ausgehend von der in D4 offenbarten Methode auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Fachmann erhält die Methode des Anspruchs 1 in naheliegender Weise ausgehend von der Methode der D4 unter Berücksichtigung von Fachwissen sowie ggf. der D1.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Im Streitpatent geht es um ein möglichst reibungsloses und vollumfänglich ausbaubares Datenmanagement für eine landwirtschaftliche Maschine. In einer Internet-basierten Datenbank, dem sog. "Datenkonfigurator" können von Hersteller, Eigentümer oder externen Anbietern alle Arten von maschinenbezogenen und einsatzbezogenen Daten abgelegt und abgerufen werden. So lassen sich ganze Arbeitseinsätze in Form sog. "Prozessketten" unter Einbeziehung mehrerer landwirtschaftlicher Arbeitsmaschinen effizient planen und durchführen, aber auch Aspekte wie Reparatur, Service und selbst Vermarktung des Ernteguts einbeziehen.
Erfindungsgemäß ist die Datenbank so organisiert, dass jeder landwirtschaftlichen Maschine eine eigene Internet-Seite vom Hersteller zugewiesen wird.
3. D2 befasst sich primär mit dem Austausch von Referenzdaten zur Schadensdiagnose zwischen landwirtschaftlicher Maschine und internet-basierter Hersteller-Datenbank 66, siehe Absätze [0009], [0033], [0034]. Den nächsten Stand der Technik und erfolgversprechenderen Ausgangspunkt bildet wegen des Fokus auf "Prozessketten" und der konzertierten Organisation mehrerer landwirtschaftlicher Maschinen in den Prozessketten die Methode der D4 (Absätze [0020], [0021], Fig. 1). Dieser bereits in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK unter Punkt 2.3.1 geäußerten Auffassung der Kammer hat die Beschwerdegegnerin nicht widersprochen.
3.1 Gegenstand der D4 ist unstreitig eine Methode zur Datenkonfiguration und -bereitstellung für landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen. Dabei beschafft zunächst eine Anwendung 24 als übergeordneter Datenkonfigurator aus Informationen zu den örtlichen Gegebenheiten und Eingaben von externen (Dienste)Anbietern 26 maschinenbezogene Einstellparameter als Ergebnisdaten 37, die zugleich als Prozess- und Planungsdaten 38 das Zusammenspiel mehrere landwirtschaftlicher Maschinen innerhalb einer oder mehrerer Prozessketten 2 umfassen, Absatz [0030], Fig. 1. Demnach wird ein auf die jeweilige landwirtschaftliche Arbeitsmaschine 5 bezogener individualisierter Datensatz (37, 38) von den externen Anbietern 26 (mit)generiert und so editiert, dass er die landwirtschaftliche Arbeitsmaschine in die Lage versetzt, sich in ein Arbeitsumfeld einzuordnen. Dieser maschinenbezogene, individualisierte Datensatz wird über das Internet als Datenaustauschsystem 25 (Absatz [0022]) ausgetauscht und bildet entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin Prozessketten 2, 42 ab, z.B. "Ernten und Bergen" oder "Pflanzenproduktion - Lagerung - Transport - Verarbeitung - Verbraucher" (Absätze [0023], [0033]). Insbesondere letztere bilden eine sog. "globale" Prozesskette 2, 41, bei der das Internet als Datenaustauschssystem zugleich die Funktion eines globalen Prozesskettenmanagers 42 übernimmt, also ebenfalls als übergeordneter Datenkonfigurator angesehen werden kann, Absatz [0033], Fig. 3.
3.2 Fraglich ist, ob die einzelnen, in eine Prozesskette 2, 42 eingebundenen landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen 5 die ihnen jeweils zugeordneten Prozess- und Planungsdaten 37 bzw. 38 selbsttätig und aktiv "abrufen". Normalerweise stellt der übergeordnete Datenkonfigurator 24, 25 diese lediglich ihren Fahrern 40 zur Verfügung bzw. übermittelt sie diesen "automatisch", wobei es dann wohl Sache der Fahrer ist, die übermittelten Einstellparamater und Anweisungen auszuführen, Absatz [0030]. Selbst wenn die Anwendung 24 auf jeder Arbeitsmaschine 5 hinterlegt ist und betrieben wird, so dass alle Anwendungen 24 direkt untereinander kommunizieren können, heißt das noch nicht, dass die maschinenbasierten Anwendungen zwangsläufig maschinenbezogene Datensätze 37, 38 "abrufen". Vielmehr könnten sie ebenso lediglich passive Empfänger dieser Datensätze sein, die von der Anwendung 24 in der zentralen stationären Einrichtung 19 aktiv übermittelt wird.
Noch weniger lässt sich aus der bloßen Tatsache, dass die landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen 5 mit Sende- und Empfangseinheiten 18 ausgestattet sind (siehe Absatz [0020, Fig. 1), bereits unmittelbar und eindeutig darauf schließen, dass über diese die Datensätze 37, 38 nicht nur passiv empfangen, sondern aktiv abgerufen werden, wie die Beschwerdegegnerin behauptet.
3.3 Es besteht jedoch Einigkeit, dass sich die Methode nach Anspruch 1 zumindest dadurch von der in D4 offenbarten unterscheidet, dass ein maschinenbezogener, individualisierter Datensatz als Internetseite in dem Internet ausgebildet ist und die Internetseite der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine zum Zeitpunkt der Auslieferung von einem Hersteller an einen Abnehmer der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine individualisiert zugeordnet wird.
4. Durch diese Unterschiedsmerkmale wird eine maschinenbezogene, umfassende Datenbereitstellung ermöglicht (siehe Absatz [0007] der Patentschrift), die nicht nur prozesskettenbezogene Datensätze aufweist, sondern auch prozesskettenunabhängige, rein maschinenbezogene Datensätze. So ließe sich z.B. bei der Methode der D4 die maschinenbezogene Informationsabfrage bei den externen Dienstanbietern 26 weiter automatisieren, und damit die Planung effizienter gestalten.
Als zu lösende Aufgabe kann demnach angesehen werden, die gattungsgemäße Methode zur Datenkonfiguration und -bereitstellung der D4 effizienter zu gestalten.
5. Ausgehend von der D4 allein findet der Fachmann keine Anregung, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen.
5.1 Um die landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen 5 statt über die Fahrer 40 direkt über das Internet ansteuern zu können, würde ihnen üblicherweise eine Geräte- oder IP-Adresse zugeordnet werden, keine Internet- oder URL- Adresse.
5.2 Wird der am Ende des Absatzes [0030] vorgeschlagene Ansatz einer breiten Kommunikation zwischen verschiedenen Nutzern 27, 40 und Diensteanbietern 26 im Datenaustauschsystem 25 weiter verfolgt, so wäre der nächste Schritt, die Anwendung 24 auch bei den Diensteanbietern 26 zu hinterlegen. Damit könnte ein direkter und automatisierter Datenaustausch mit der zentralen Anwendung 24 erfolgen.
Dass der Datenaustausch mit den Diensteanbietern 26 z.B. über "standardisierte ... Web-Techniken" erfolgt, Absatz [0025], beinhaltet entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin keinen Hinweis auf eine Internet-Adresse für maschinenbezogene Datensätze, sondern bedeutet lediglich, dass die Daten in standardisierten Organisations- und Übertragungsformaten wie HTML, XML vorliegen und übermittelt werden.
6. Der Fachmann würde die D1 weder in naheliegender Weise zur Lösung der Aufgabe heranziehen, noch würde ihn eine hypothetische Kombination von D4 mit D1 unmittelbar zur Methode des Anspruchs 1 führen.
6.1 D1 betrifft ein Verfahren zur Kommunikation und zum Datenaustausch zwischen einem elektrischen Gerät und einer Datenbank, Absatz [0001], insbesondere für gerätespezifische Service- und Kundendienstinformationen, Absatz [0007].
Anders als bei D2 bestehen zwischen den Methoden nach D4 und D1 keinerlei Gemeinsamkeiten. Weder offenbart D4 eine bereits im Vorfeld existierende, gerätebezogene Datenbank, schon gar nicht auf Herstellerseite, noch beziehen die Prozess- und Planungsdaten der D4 in irgendeiner Weise Reparatur und Service der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen mit ein.
Es ist demnach objektiv nicht ersichtlich, inwiefern die Lehre der D1 zu einer effizienteren Bereitstellung und Konfiguration von prozesskettenabhängigen Daten in der Methode von D4 beitragen könnte.
6.2 Lediglich in rückschauender Betrachtung, in der Absicht, darüber hinaus auch Fehlerdiagnose, Reparatur und Service der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen durch Hinterlegung entsprechender maschinenbezogener Daten zu unterstützen, würde der Inhalt der D1 dem Fachmann als relevant erscheinen. Selbst dann gibt die D1 aber keinen Hinweis darauf, in einem individualisierten maschinenbezogenen Datensatz mit eigener Internet-Adresse (siehe D1, Absätze [0008], [0012]) auch die beanspruchten prozesskettenabbildenden Daten zu integrieren, die gemäß D4 bereits über die Anwendung 24 verwaltet und kommuniziert werden.
7. Da somit die Methode des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 im Lichte des angezogenen Standes der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht, wendet sich die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) mit ihrer Beschwerde erfolgreich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Diese ist folglich aufzuheben.
Die Kammer stellt ferner fest, dass unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) im Rahmen des Hilfsantrags 2 vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügt, Artikel 101(3)a) EPÜ.
Auch die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) machte in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Einwände gegen die Fassung nach Hilfsantrag 2 und die entsprechend angepasste Beschreibung geltend.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in folgender geänderter Fassung aufrecht zu erhalten:
Ansprüche:
1 bis 12 laut Hilfsantrag 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer
Beschreibung:
Seiten 1 bis 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.