T 1125/18 01-10-2021
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ZUSAMMENSETZUNG AUS POLYAMIDEN MIT NIEDRIGER KONZENTRATION AN CARBONSÄUREAMIDGRUPPEN UND ELEKTRISCH LEITFÄHIGEM KOHLENSTOFF
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Hilfsantrag - Änderung nach Ladung - zugelassen - außergewöhnliche Umstände (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 9. März 2018 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent 2 635 638 zurückgewiesen wurde.
II. Anspruch 1 des Patents lautete wie folgt:
"1. Polyamidzusammensetzung, die folgende Komponenten enthält:
a) Mindestens 40 Gew.-Teile eines Polyamids, dessen Monomereinheiten im arithmetischen Mittel mindestens 7,5 C-Atome enthalten,
b) 0,1 bis 15 Gew.-Teile mindestens eines Salzes mit einem nichtmetallischen Kation,
c) 0,1 bis 25 Gew.-Teile mindestens eines Dispergiermittels auf Basis von Estern oder Amiden, ausgewählt aus
c1) Polyacrylsäureestern, herstellbar durch Umesterung eines durch Polymerisation erhältlichen Polyacrylsäurealkylesters, dessen Alkylreste 1 bis 3 Kohlenstoffatome aufweisen, mit
a) gesättigten aliphatischen Alkoholen mit 4 bis 50 Kohlenstoffatomen und/oder
b) ungesättigten aliphatischen Alkoholen mit 4 bis 50 Kohlenstoffatomen,
wobei a) und b) in solchen Mengen verwendet werden, dass 30 bis 100 % der Estergruppen umgeestert werden,
und
c2) Polyester-Polyamin-Kondensationsprodukten, erhältlich durch die teilweise oder vollständige Umsetzung von
A) einem oder mehreren aminofunktionellen Polymeren, das mindestens vier Aminogruppen enthält, mit
B) einem oder mehreren Polyestern der allgemeinen Formeln (I)/(Ia)
T-C(O)-[O-A-C(O)]x-OH (I)
T-O-[C(O)-A-O-]y-Z (Ia)
und
C) einem oder mehreren Polyethern der allgemeinen Formel (II)/(IIa)
T-C(O)-B-Z (II)
T-O-B-Z (IIa)
worin
T ein Wasserstoffrest und/oder ein gegebenenfalls substituierter, linearer oder verzweigter Aryl, Arylalkyl, Alkyl- oder Alkenylrest mit 1 bis 24 Kohlenstoffatomen ist,
A mindestens ein zweiwertiger Rest ist, ausgesucht aus der Gruppe der linearen, verzweigten, cyclischen und aromatischen Kohlenwasserstoffe,
Z mindestens ein Rest ist, ausgesucht aus der Gruppe der Sulfonsäuren, Schwefelsäuren, Phosphonsäuren, Phosphorsäuren, Carbonsäuren, Isocyanate, Epoxide, insbesondere der Phosphorsäure und (Meth)-Acrylsäure,
B ein Rest der allgemeinen Formel (III) ist
-(ClH2lO)a -(CmH2mO)b -(CnH2nO)c-(SO)d- (III)
SO = -CH2-CH(Ph)-O- mit Ph = Phenylrest,
a,b,c unabhängig voneinander Werte von 0 bis 100 sind, mit der Maßgabe, dass die Summe aus a + b + c >= 0, vorzugsweise 5 bis 35, insbesondere 10 bis 20 ist, mit der Maßgabe, dass die Summe aus a + b + c + d > 0,
d >= 0, vorzugsweise 1 bis 5 ist,
l,m,n unabhängig voneinander >= 2, vorzugsweise 2 bis 4 ist,
x,y unabhängig voneinander >= 2 sind,
d) einem elektrisch leitfähigen Kohlenstoff, ausgewählt aus der Gruppe Ruß, Graphitpulver, Kohlenstofffasern,
Carbon Nanotubes und/oder Graphen, in einer Menge, die in der Polyamidzusammensetzung einen spezifischen
Oberflächenwiderstand gemäß IEC 60167 von 10**(-1) bis 10**(10) Omega ergibt,
e) 0 bis 5 Gew.-Teile mindestens eines Metallsalzes sowie optional
f) übliche Hilfs- und Zusatzstoffe,
wobei das Polyamid der Komponente a) kein PA12 ist, falls als Komponente d) Carbon Nanotubes enthalten sind, und
wobei die Summe der Gewichtsteile der Komponenten a) bis f) 100 beträgt."
III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf folgende Beweismittel Bezug genommen:
D1: WO 2010/046606 A1
D2: EP 1 995 274 A1
D3: WO 2006/136715 A1
D4: US 7,601,711 B2
D6: US 5,744,523
D8: EP 1 574 548 A1
Mit Schreiben der Patentinhaberin vom 2. März 2017 eingereichter Testbericht (nachstehend als "Testbericht" bezeichnet).
IV. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung können folgendermaßen zusammengefasst werden:
a) Der Einwand, dass die beanspruchte Erfindung nicht ausführbar sei, weil die Norm zur Bestimmung des im Anspruch 1 geforderten Oberflächenwiderstandes nicht ausreichend definiert sei, sei nicht überzeugend.
b) Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit würden alle als nächster Stand der Technik geltend gemachten Entgegenhaltungen D1 bis D3 elektrisch leitfähige Polyamidzusammensetzungen betreffen. Im Unterschied zu Anspruch 1 des Streitpatents würde aber keine dieser Entgegenhaltungen die Kombination der beanspruchten Dispergiermittel und Salze offenbaren. Der Testbericht würde außerdem belegen, dass die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe in der Bereitstellung verbesserter elektrisch leitfähiger Polyamidzusammensetzungen bestehe.
c) Im Testbericht seien die Additive Tegomer P121 und Tego Antistat 200 jeweils als Dispergiermittel und Salz gemäß Anspruch 1 des Streitpatents verwendet worden. Durch Messung des Durchgangswiderstands belege der Testbericht auf indirekte Weise eine synergetische Wirkung der beanspruchten Mischung aus mindestens einem Dispergiermittel und mindestens einem Salz auf den Oberflächenwiderstand. Die Einsprechende habe weder durch Gegenbeispiele noch durch theoretische Erwägungen plausibel gemacht, dass eine solche synergetische Wirkung allgemein für Additive b) und d) gemäß Anspruch 1 nicht gelte.
d) Obwohl die im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Salze und Dispergiermittel aus den Dokumenten D4, D6 oder D8 bekannt seien, sei ihre Kombination, um die elektrische Leitfähigkeit von Polyamidzusammensetzungen zu verbessern, weder durch D1, D2 und D3 alleine, noch in Kombination mit D4, D6 und/oder D8 nahegelegt.
e) Die im Streitpatent definierte Erfindung erfülle somit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
V. Gegen diese Entscheidung erhob die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde.
VI. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin die folgenden Dokumente ein:
D9: Datenblatt Tegomer P121, Evonik Nutrition & Care GmbH, 2017
D10: Datenblatt Tegomer DA 626, Evonik Nutrition & Care GmbH, 2016.
VII. Mit einem Schreiben vom 12. November 2018 nahm die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) Stellung zu den Einwänden der Beschwerdeführerin. Mit diesem Schreiben wurden ein Hilfsantrag 1 und die drei folgenden Dokumente eingereicht:
D11: Auszug aus Wikipedia "Dispergiermittel"
Dl2: BASF-Handbuch Lackiertechnik, 2002, Seite 207
Dl3: Erklärung von Kathrin Lehmann.
VIII. Gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent in der erteilten Fassung) wurde im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Textstelle für die Definition der Komponente c2) "c2) Polyester-Polyamin-Kondensationsprodukten ..... x,y unabhängig voneinander >= 2 sind," durchgestrichen.
IX. Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde eine Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK erlassen, in der Fragen hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit aufgeworfen wurden. Darüber hinaus wurde der Vollständigkeit halber angemerkt, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags aufgrund der alleinigen Durchstreichung des Merkmals c2) im erteilten Anspruch 1 als unklar zu betrachten sei, weil der geänderte Anspruch 1 ebenfalls definiere, dass das Dispergiermittel ebenfalls auf der Basis von Amiden sein konnte (Punkt 17.).
X. Mit Schreiben vom 30. Juli 2021 nahm die Beschwerdegegnerin Stellung zur vorläufigen Meinung der Kammer. Außerdem reichte die Beschwerdegegnerin mit diesem Schreiben einen korrigierten Hilfsantrag ein, welcher den vorherigen Hilfsantrag 1 ersetzt. Der neue Hilfsantrag entsprach dem vorherigen Hilfsantrag in dem lediglich in der einleitenden Textstelle für das Merkmal c) der Wortlaut "oder Amiden" durchgestrichen wurde.
XI. Mit einem weiteren Schreiben vom 1. September 2021 teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
XII. Mit Schreiben vom 6. September 2021 nahm die Beschwerdeführerin Stellung zur vorläufigen Meinung der Kammer.
XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen trug die Beschwerdeführerin vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik für den Fachmann im Hinblick auf die Lehre von D6 und D8 nahegelegt sei. Der Versuchsbericht zeige nicht, dass eine Synergie zwischen den Additiven b) und c) im gesamten beanspruchten Bereich eintrete.
XIV. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen trug die Beschwerdegegnerin vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik für den Fachmann nicht nahegelegt sei. Insbesondere belege der Versuchsbericht eine synergistische Wirkung der Additive b) und c), die vom zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt sei.
XV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
XVI. Die Beschwerdegegnerin beantragte im schriftlichen Wege die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents 2 635 638 auf der Grundlage des Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 30. Juli 2021.
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
1. Nächstliegender Stand der Technik
Es wurde nicht bestritten, dass beide auf Seite 32, Zeilen 10-12 von D1 beschriebenen Zusammensetzungen einen geeigneten Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit darstellen.
Diese Passage betrifft die Wiederholung der Beispiele 1 und 2 von D1 (Seite 29, Zeile 27 bis Seite 32, Zeile 8) mit der Ausnahme, dass Polyamid 12 durch Polyamid 11 (nachstehend jeweils als PA 12 und PA 11 bezeichnet) ersetzt wurde (Seite 32, Zeilen 10-12). Aus der Beschreibung der Beispiele 1B und 2 und der zusätzlichen Information, dass PA 12 durch PA 11 ersetzt wurde, werden in D1 sowohl
(i) für die Wiederholung des Beispiels 1B ein Verbundstoff aus 20 Gew.-% Kohlenstoffnanoröhren (nachfolgend als CNT bezeichnet), 55 Gew.-% PA 11 und 25 Gew.-% BBSA als Weichmacher (BBSA steht für N-Butylbenzolsulfonamid; siehe D1, Seite 18, Zeilen 29-30), als auch
(ii) für die Wiederholung des Beispiels 2 eine nach einem mit PA 11 durchgeführten Verdünnungsschritt erhaltene Zusammensetzung aus 2 Gew.-% Kohlenstoff-nanoröhren, 2,5 Gew.-% BBSA und 94,5 Gew.-% PA 11,
offenbart.
2. Unterscheidungsmerkmale
2.1 Im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung, war zwischen den Beteiligten nicht strittig, dass der nächstliegende Stand der Technik die kombinierte Verwendung der Additive gemäß den Merkmalen b) und c) von Anspruch 1 des Streitpatents nicht offenbart.
2.2 Es ist ebenfalls unstrittig, dass der Wortlaut von Anspruch 1 des Streitpatents die Verwendung von Weichmachern zulässt. Dies wird im Absatz [0070] des Streitpatents bestätigt, aus dem zu entnehmen ist, dass die anspruchsgemäße Polyamidzusammensetzung 1 bis 25 Gew.-% Weichmacher enthalten kann. Als möglicher Weichmacher wird im Absatz [0073] "Benzolsulfonsäure-n-butylamid" (N-Butylbenzolsulfonamid) genannt, d.h. der Weichmacher, der im Beispiel 2 von D1 verwendet wird.
2.3 Die Beschwerdegegnerin argumentiert im Schreiben vom 30. Juli 2021 (Seite 2, dritter Absatz), dass der elektrische Widerstand ein "Unterscheidungsmerkmal zum Stand der Technik darstellen würde". Gemäß ihren Angaben "können sogar Widerstandswerte für PA 10.10 erreicht werden, die laut Dl nicht erreichbar sind". Damit argumentiert die Beschwerdegegnerin aber nicht, dass der Widerstandswert der beanspruchten Polyamidzusammensetzung absolut gesehen, niedriger ist, als der, der in D1 erreicht wird, was schon aufgrund des im vorliegendem Anspruch 1 definierten sehr hohen Werts von 10**(10) Omega ersichtlich ist.
Wie dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 30. Juli 2021 zu entnehmen ist (Seite 1, drei letzten Absätze und Seite 2, 1. und 4. Absatz), argumentiert sie lediglich, dass der gleiche Widerstandswert in D1 erst mit einer Einarbeitung der CNT bei sehr hohen Verarbeitungstemperaturen zu erreichen sei, oder implizit bezugnehmend auf den Testbericht mit einer größeren Menge an CNT zu erhalten sei.
Dies entspricht der Lehre im Absatz [0078] des Streitpatents wonach eine Verbesserung des Perkolationsverfahrens als Erklärung für die geltend gemachte "Verbesserung" der elektrischen Leitfähigkeit angeben wird, womit eine geringere Menge des elektrisch leitfähigen Kohlenstoffs (Komponenten d)) benötigt wird, d.h. implizit um die gleiche Leitfähigkeit zu erzielen.
Dies steht im Einklang mit der Definition der patentgemäßen Aufgabe in Absatz [0027] wonach "in einem weiteren Aspekt der Aufgabe ....bei einem gegebenen Gehalt an elektrisch leitfähigem Füllstoff die elektrische Leitfähigkeit verbessert werden bzw. zur Erzielung einer gewünschten Leitfähigkeit ein geringerer Füllstoffgehalt erforderlich sein" sollte.
Es ist jedoch festzustellen, dass ein niedrigeres Verhältnis der Menge an elektrisch leitfähigem Kohlenstoff zu Oberflächen- oder Volumenwiderstand kein Merkmal des vorliegenden Anspruchs 1 bildet.
Gemäß Anspruch 1 des Streitpatents wird die Menge an elektrisch leitfähigem Kohlenstoff so ausgewählt, dass der Oberflächenwiderstand der Polyamidzusammensetzung gemäß IEC 60167 10**(-1) bis 10**(10) Omega beträgt. Es wurde von der Beschwerdegegnerin aber nicht vorgetragen, dass die Menge an elektrisch leitfähigem Kohlenstoff, die benötigt wird, um die funktionelle Definition eines Oberflächenwiderstandes gemäß IEC 60167 von 10**(-1) bis 10**(10) Omega zu erfüllen, ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegendem Stand der Technik implizit darstellt. Angesichts des Umstandes, dass die in Absatz [0031] des Streitpatents empfohlene Menge an CNT (d.h. 1 bis 10 Gew.-Teile, bevorzugt 2 bis 8 Gew.-Teile basierend auf die Polyamidzusammensetzung) der in Beispiel 2 von D1 verwendeten Menge entspricht, und auch in Anbetracht der Breite des vorliegenden Anspruchs 1, hat die Kammer keinen Grund daran zu zweifeln.
2.4 Folglich unterscheidet sich die im erteilten Anspruch 1 genannte Gruppe an Polyamidzusammensetzungen vom Stand der Technik lediglich, dadurch, dass sie:
- 0,1 bis 15 Gew.-Teile mindestens eines Salzes mit einem nichtmetallischen Kation, und
- 0,1 bis 25 Gew.-Teile mindestens eines Dispergiermittels auf Basis von Estern oder Amiden gemäß Merkmal c) des Anspruchs 1 vom Streitpatent aufweisen.
3. Aufgabe und Erfolg der beanspruchten Lösung
3.1 Gemäß der Gründe der angefochtenen Entscheidung, lag dem Streitpatent ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik die Aufgabe zugrunde, verbesserte elektrisch leitfähige Polyamidzusammensetzungen bereitzustellen. Dem die Seiten 4 und 5 der Entscheidung überbrückenden Absatz ist zu entnehmen, dass diese Verbesserung eine höhere elektrische Leitfähigkeit betreffen soll. Die Einspruchsabteilung stützte ihre Schlussfolgerung auf die im Testbericht enthaltenen experimentellen Daten. Sie gelangte zu der Ansicht, dass der Testbericht auf indirekte Weise durch Messung des Durchgangswiderstands den synergetischen Effekt der beanspruchten Dispergiermittel und Salze auf den Oberflächenwiderstand belege (Gründe für die Entscheidung, Punkt 4.2.3, 4. Absatz).
Diesem tritt die Beschwerdeführerin entgegen. Sie argumentiert im Wesentlichen, dass das Eintreten der behaupteten synergetische Wirkung im gesamten beanspruchten Bereich nicht zu erwarten sei, da der Umfang des Anspruchs 1 auf Grund der Definition nicht nur der Additive b) und c), sondern ebenfalls deren Mengen, und der offenen Definition hinsichtlich der Verwendung von weiteren Additiven, sehr breit sei. Ihrer Meinung nach, liege daher die durch die beanspruchte Zusammensetzung gelöste Aufgabe lediglich darin, weitere Polyamidzusammensetzungen bereitzustellen.
Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits die Aufgabe, die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik definiert werden soll, nicht formuliert. Sie hat im wesentlichen vorgetragen, dass die Additive gemäß den Merkmalen b) und c) des Anspruchs 1 des Streitpatents zu einer synergetischen Wirkung hinsichtlich der Verbesserung der Leitfähigkeit führen würden. Wie im obigen Punkt 2.3 dargelegt, argumentiert sie, dass eine geringere Menge des elektrisch leitfähigen Kohlenstoffs benötigt werde, um die gleiche Leitfähigkeit zu erzielen, wenn die Additive b) und c) zugesetzt werden. Als Beleg für die behauptete Wirkung der kombinierten Additive b) und c) hat die Beschwergegnerin auf den Testbericht und die Erklärung D13 verwiesen. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin (Schreiben vom 30. Juli 2021), belege der Testbericht, dass ein besserer Widerstandswert und eine Senkung um 75 % der verwendeten Menge an CNT mit einer Kombination der beanspruchten Additive b) und c) erreicht werde.
3.2 Bewertung des Testberichts
3.2.1 Der Testbericht betrifft das Dispergieren von CNT in zwei unterschiedlichen Polyamiden (PA612 und PA1010) mittels des Additivs Tegomer® P121 (allein), des Additivs Tego Antistat 200 (allein) und Mischungen dieser beiden Additive. Im Testbericht wird der Einfluss dieser spezifischen Additive oder deren Mischungen auf den spezifischen Durchgangswiderstand (Volumenwiderstand) der Polyamidzusammensetzung analysiert. Hinsichtlich der Natur dieser Additive wurde von der Beschwerdegegnerin lediglich vorgebracht, dass Tegomer® P121 ein Dispergiermittel nach c1) gemäß der Definition von Anspruch 1 des Streitpatents darstelle, und dass Tego Antistat 200 ein Salz mit einem nichtmetallischen Kation, d.h. ein Additiv gemäß Merkmal b) des Anspruchs 1 des Streitpatents sei. Dem schriftlichen Vorbringen der Beschwerdegegnerin und der Erklärung D13 ist keine weitere Information über die Struktur oder die chemische Zusammensetzung dieser beiden Produkte zu entnehmen.
3.2.2 Wirkung des Additivs b) allein
Dem Testbericht ist zu entnehmen, dass der Zusatz von Tego Antistat 200 allein bei ansonsten gleich bleibenden Bedingungen zu einer Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit beider getesteten Polyamide PA612 und PA1010 führt. Selbst wenn anerkannt wird, dass Tego Antistat 200 ein Salz mit einem nichtmetallischen Kation darstellt und obgleich kein experimenteller Beleg für eine Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit durch den Zusatz anderer derartiger Salze vorgelegt wurde, geht die Kammer zu Gunsten der Beschwerdegegnerin davon aus, dass der Fachmann auf Grund seines allgemeinen Wissens erwarten würde, dass die Zugabe eines Salzes (mit einem nichtmetallischen Kation) zu einem nicht leitfähigen Polymer wie Polyamid zwangsläufig zu einer erhöhten Konzentration der darin enthaltenen leitfähige(re)n Füllstoffe führt. Unter diesen Umständen erachtet die Kammer es für glaubhaft, dass sich die elektrische Leitfähigkeit durch die Zugabe eines Salzes mit einem nichtmetallischen Kation erhöht, selbst wenn die Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit durch den Zusatz dieses Salzes in einer Menge von 0,1 Gew. % bezogen auf alle Komponenten, entsprechend der im Anspruch 1 definierten Mindestmenge, als minimal zu bewerten ist.
3.2.3 Wirkung des Additivs c) allein
Dem Testbericht (Tabelle 2 und Abbildung 1 für PA612; Tabelle 4 und Abbildung 2 für PA1010) ist zu entnehmen, dass allein der Zusatz des spezifischen Produkts Tegomer® P121 zu den CNT enthaltenden Polyamiden zu einer nicht signifikanten Variation der elektrischen Leitfähigkeit führt, woraus der Schluss gezogen werden kann, dass der Zusatz von Tegomer® P121 keinen Einfluss auf die elektrische Leitfähigkeit einer CNT enthaltenden Polyamidzusammensetzung hat. Andere experimentelle Daten hinsichtlich der elektrischen Leitfähigkeit einer CNT enthaltenden Polyamidzusammensetzung nach der alleinigen Zugabe von spezifischen Polyacrylsäureestern c1) oder Polyester-Polyamin-Kondensationsprodukten c2) gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 wurden nicht vorgelegt.
3.2.4 Unabhängig davon, ob eine Mischung aus Tegomer® P121 und Tego Antistat 200 eine Mischung aus Additiven b) und c) gemäß der beanspruchten Lösung darstellt, wird von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt, dass eine synergistische Wirkung dieser beiden spezifischen Additive in Kombination hinsichtlich des Durchgangswiderstands, wenn sie einer CNT enthaltenden Polyamidzusammensetzung zugesetzt werden, vom Testbericht belegt wird.
3.3 Wirkung der beanspruchte Lösung und objektive Aufgabe
3.3.1 Selbst wenn anerkannt würde, dass es sich bei Tegomer® P121 und Tego Antistat 200 in der Tat um die Komponenten b) und c1) gemäß vorliegendem Anspruch 1 handelt, wurde von der Beschwerdegegnerin weder durch experimentelle Daten, noch anhand stützender technischer Argumente, dargestellt, warum für weitere Kombinationen der Komponenten b) und c1) oder für Kombinationen der Komponenten b) und c2) gemäß vorliegendem Anspruch 1 die behauptete synergistische Wirkung in Bezug auf den erhaltenen Durchgangswiderstand eintreten soll.
Es ist festzustellen, dass der Anspruch 1 eine Fülle unterschiedlicher Additive b) und c1) bzw. c2) abdeckt, deren Struktur breit variiert werden kann. Betreffend das Additiv b) wird dieses lediglich als Salz mit einem nichtmetallischen Kation definiert. Wie in der Passage von Seite 5, Zeile 15 bis Seite 8, Zeile 9 des Streitpatents bestätigt wird, kann sowohl für das Anion des Additivs b), als auch für sein Kation eine breite Auswahl getroffen werden. Das Additiv c1) kann durch die Anzahl der Kohlenstoffatome des Alkylrests an der Acrylsäure, den Umesterungsgrad und die Anzahl an Kohlenstoffatomen des aliphatischen Alkohols ebenfalls breit variiert werden.
3.3.2 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass der mit dem Testbericht beobachtete Synergismus für die Kombination von Tegomer® P121 oder Tego Antistat 200 für den Fachmann völlig überraschend gewesen sei, und die Tatsache, dass keine technische Erklärung, selbst aus heutiger Sicht, für das Vorhandenseins eines solchen Synergismus vorgelegt wurde, erlauben es der Kammer nicht, aufgrund etwaiger gemeinsamer struktureller Merkmale zwischen den jeweils im Anspruch 1 breit definierten Klassen an Additiven a) und b), davon auszugehen, dass die geltend gemachte synergistische Wirkung für die gesamte Breite des Anspruchs 1 besteht. Eine Extrapolation der im Testbericht beschriebenen synergistischen Wirkung auf Additive b) und c) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents, die nicht Tegomer® P121 oder Tego Antistat 200 sind, ist jedenfalls ohne Angabe der Struktur der im Testbericht getesteten spezifischen Additive Tegomer® P121 oder Tego Antistat 200 nicht möglich.
3.3.3 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern soll eine behauptete Wirkung, die auf einem Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik beruhen soll, aber nicht hinreichend belegt ist, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Acht gelassen werden. Eine Umkehr der Beweislast wie von der Einspruchsabteilung gefordert , wonach die Einsprechende mittels Gegenbeispielen oder theoretischen Erwägungen hätte plausibel machen müssen, dass die mit dem Testbericht vermeintlich gezeigte synergetische Wirkung für Additive b) und d) gemäß Anspruch 1 nicht allgemein gelte, setzt jedoch voraus, dass die Patentinhaberin ihrer Beweispflicht nachgekommen ist und glaubhaft dargestellt hat, dass die von ihr behauptete Wirkung über die gesamte Breite des Anspruchs 1 und nicht nur für eine Kombination der spezifischen Additive Tegomer® P121 und Tego Antistat 200 eintritt. Dies ist, wie in obigen Punkten 3.3.1 und 3.3.2 gezeigt, jedoch nicht der Fall. Infolgedessen kann die die Kammer die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte synergistische Wirkung nicht berücksichtigen.
3.4 Im Hinblick auf die in den obigen Punkten 3.2.2 und 3.2.3 dargelegte Wirkung der einzelnen Komponenten b) und c) und die Schlussfolgerung in obigen Punkt 3.3.3, kommt die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass die im Anspruch 1 definierte Verwendung der Additive b) und c) zu einer Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit der Polyamidzusammensetzung des nächstliegenden Stands der Technik führt, die lediglich durch den Zusatz der Komponente b) verursacht wird, ohne dass diese auf eine Wechselwirkung dieser Additive zurückzuführen ist.
Ausgehend vom im obigen Punkt 1 genannten nächstliegenden Stand der Technik lag daher dem Streitpatent die objektive Aufgabe zugrunde, nicht wie von der Beschwerdeführerin behauptet in der Bereitstellung von weiteren Polyamidzusammensetzungen, sondern in der Bereitstellung von Polyamidzusammensetzungen mit erhöhter elektrischer Leitfähigkeit.
4. Naheliegen
4.1 Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte objektive Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Zusammensetzung zu lösen. Da die Additive b) und c) über die gesamte Breite der Polyamidzusammensetzung nach Anspruch 1 nicht in einer funktionellen Wechselwirkung zueinander stehen, gilt es zu untersuchen, ob sich der Zusatz der Additive b) und c) einzeln jeweils für sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik herleiten lässt (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer des EPA, 9. Auflage, 2019, I.D.9.2.2). In diesem Zusammenhang hat die Beschwerführerin auf die Dokumente D1, D6 und D8 Bezug genommen.
4.2 Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, lehrt D1 auf Seite 27, Zeilen 22-26 die Verwendung eines antistatischen Mittels. Der Zusatz eines solchen Additivs für Polyamidzusammensetzungen wird in D8 gelehrt (Ansprüche 1 und 6), wobei diese Zusammensetzungen als elektrisch leitfähige Kohlenstoffe vorzugsweise CNT enthalten können (Absatz [0018]).
Es ist unbestritten, dass das in D8 verwendete Antistatikum, welches ein Phosphoniumsalz der Formel R**(1)R**(2)R**(3)R**(4)P**(+)X**(-) ist, wobei R**(1) bis R**(4) gewisse Alkylgruppen und X**(-) ein Tetrafluoroborat oder Hexafluorophosphat Anion bedeuten (D8, Anspruch 1), ein Additiv b) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents darstellt. Ein Bestätigung hierfür ist dem Absatz [0036], Zeilen 29 und 35-37 und dem Absatz [0041], Zeile 54 des Streitpatents zu entnehmen.
D8 lehrt des Weiteren, dass dieses Additiv vorzugsweise in Mengen von 0,1 bis 7 Gew.-Teile zugesetzt wird (Absatz [0077]), d.h. in Mengen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Wie in D8 mit den Beispielen 8 bis 10 (Absatz [0102] und Seite 16, Tabelle "Fig. 1") und mit Vergleichsbeispiel 6 (Absätze [0104] bis [0108], Tabelle "Fig. 2") gezeigt wird, führt der Zusatz dieses Antistatikums zu einer Senkung des spezifischen Oberflächenwiderstands eines PA6, was implizit auf eine Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit hinweist. Diese Lehre steht im Einklang mit dem zu Gunsten der Beschwerdegegnerin genommen Ausgangspunkt zur Feststellung der Wirkung des Additivs b) allein, nämlich, dass der Fachmann auf Grund seines allgemeinen Wissens erwarten würde, dass die Zugabe eines Salzes (mit einem nichtmetallischen Kation) zu einem nicht leitfähigen Polymer wie Polyamid zwangsläufig zu einer erhöhten Konzentration der darin enthaltenen leitfähige(re)n Füllstoffe und somit zu einer Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit führt.
Aus dem Obigen folgt, dass es für den Fachmann ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik naheliegend war, die in D8 empfohlenen Phosphoniumsalze in einer anspruchsgemäßen Menge zusätzlich zu den schon verwendeten CNT als elektrisch leitfähige Füllstoffe zu verwenden, wenn er die elektrische Leitfähigkeit der CNT enthaltenden Polyamidzusammensetzungen, selbst wenn nur minimal, weiter steigen wollte.
Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Menge an Phosphoniumsalz in den Beispielen von D8 das Erreichen des im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Oberflächenwiderstands nicht ermögliche, sodass D8 die beanspruchte Lösung nicht nahelege, vermag nicht zu überzeugen, da die in den Beispielen von D8 dargestellten Polyamidzusammensetzungen keine weiteren elektrisch leitfähigen Füllstoffe enthalten. Wie der Fachmann aus den Beispielen von D1 (Abbildungen 1 und 2) entnimmt und im Testbericht bestätigt wird, tragen die im nächstliegenden Stand der Technik verwendeten CNT maßgeblich, wenn nicht allein, zum Erreichen eines im beanspruchten Bereich liegenden Oberflächenwiderstands bei.
4.3 Hinsichtlich der Verwendung der Komponente c) wurde von der Beschwerdegegnerin Dokument D6 herangezogen. D6 beschreibt im Anspruch 1 Polyacrylsäureester, erhältlich durch Umesterung von Polyacrylsäurealkyl-estern, deren Alkylrest 1 bis 4 Kohlenstoffe aufweist, mit gesättigten oder ungesättigten aliphatischen Alkoholen mit 12 bis 22 Kohlenstoffatomen, so dass 25 bis zu 70 % der Estergruppen umgeestert werden. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass es sich bei diesen Polyacrylsäureestern um Dispergiermittel c1) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents handelt, wurde nicht bestritten.
Ferner lehrt D6, dass diese Polyacrylsäureester als Dispergiermittel für feinteilige Feststoffe, insbesondere Füllstoffe und Pigmente, in organischen Medien, wie Polyamide verwendet werden können (Spalte 3, Zeilen 46-64). Des Weiteren wird in diesem Dokument angegeben, wie von der Beschwerdeführerin betont wurde, dass solche Dispergiermittel in einer Menge von etwa 0,01 bis 10 Gew.-% bezogen auf den Feststoff eingesetzt werden können (Spalte 3, Zeile 34-36).
Die Kammer ist der Überzeugung, dass es für den Fachmann keinen Grund zur Annahme gab, dass diese in D6 beschriebenen Dispergiermittel die durch die naheliegende Zugabe des Antistatikums bewirkte Erhöhung der Leitfähigkeit beeinträchtigen würden. Wenn eine Wirkung dieser Dispergiermittel auf die elektrische Leitfähigkeit vom Fachmann überhaupt zu erwarten gewesen wäre, wäre diese eher positiv, da eine Verbesserung des Perkolationsverfahrens durch die Verwendung eines Dispergiermittel für die CNT eventuell erreicht werden könnte.
Es ist auch der Vollständigkeit halber festzustellen, dass die Verwendung im nächstliegenden Stand der Technik einer Menge an Dispergiermittel, die im D6 gelehrten oberen Bereich liegt, zu einer anspruchsgemäßen Menge an Dispergiermittel c1) führt.
Infolgedessen wäre es für den Fachmann, der die im obigen Punkt 3.4 angeführte Aufgabe lösen wollte, ebenfalls naheliegend gewesen, ein Dispergiermittel c1) gemäß vorliegendem Anspruch 1 in einer anspruchsgemäßen Menge zu verwenden.
4.4 Somit führt der Stand der Technik den Fachmann in einer naheliegenden Weise zu Polyamidzusammensetzungen, die vom Anspruch 1 des Streitpatent umfasst sind, womit der Gegenstand vom Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und das erteilte Patent nicht aufrecht erhalten werden kann.
Hilfsantrag 1
5. Die Beschwerdeführerin beantragte, den mit Schreiben vom 30. Juli 2021 eingereichten Hilfsantrag nicht ins Verfahren zuzulassen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgte am 16. November 2020, d.h. nach Inkrafttreten der VOBK 2020. Dementsprechend ist Artikel 13(2) VOBK 2020 anzuwenden (siehe Artikel 25(3) VOBK 2020).
Der Hilfsantrag unterscheidet sich von dem mit der Beschwerdeerwiderung (Schreiben vom 12. November 2018) eingereichten Hilfsantrag lediglich dadurch, dass der Wortlaut "oder Amiden" in der einleitenden Textstelle für das Merkmal c) gestrichen wurde. Diese Änderung des Hilfsantrags erfolgte als Reaktion auf die erstmals im Punkt 17 der Mitteilung der Kammer aufgeworfene Beanstandung, dass der Anspruch 1 auf Grund einer nicht vollständigen Anpassung an das Streichen des Merkmals c2) im erteilten Anspruch 1 als unklar zu betrachten sei.
Nach Artikel 13 (2) VOBK kann eine Änderung des Vorbringens in diesem Verfahrensstadium nur durch "außergewöhnliche Umstände" gerechtfertigt werden . Die Kammer ist der Auffassung, dass das Streichen der Wortfolge "oder Amiden" eine legitime und angemessene Reaktion der Beschwerdegegnerin auf den von der Kammer erstmals erhobenen Einwand darstellt. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020 vorlagen, sodass der Hilfsantrag ins Verfahren zugelassen wurde.
6. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags (erteiltes Patent) dadurch, dass der beanspruchte Gegenstand auf die Alternative c1) eingeschränkt wurde. Da der Hauptantrag, wie oben ausgeführt, auf Grund einer mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Alternative c1) des Anspruchs 1 nicht gewährbar ist, gilt demzufolge die gleiche Schlussfolgerung für den Hilfsantrag.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.