Informationen
Diese Entscheidung ist nur auf Französisch verfügbar.
T 1243/18 25-01-2022
Download und weitere Informationen:
BESCHICHTETER KÖRPER UND VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG
Erfinderische Tätigkeit - Verbesserung nicht glaubhaft
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Patentansprüche - Product-by-Process-Anspruch
Ausreichende Offenbarung - Stützung durch die Beschreibung (ja)
Neuheit - (ja)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
I. Das europäische Patent EP 2 686 462 B1 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer mehrlagigen Beschichtung, die eine Beschichtungslage aus AlxTi1-xN aufweist.
II. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) geltend gemacht.
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in eingeschränkter Fassung gemäß dem während der mündlichen Verhandlung am 06. Oktober 2017 eingereichten Hilfsantrag 3 den Erfordernissen des EPÜ genügt.
IV. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde ein. Nachdem beide Verfahrensbeteiligte sowohl Beschwerdeführerinnen als auch Beschwerdegegnerinnen sind, werden sie einfachheitshalber weiter als Patentinhaberin und Einsprechende adressiert.
V. Stand der Technik
a) Die folgenden in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Dokumente werden in dieser Entscheidung genannt:
D1: WO 2008/031768
D6: DE 10 2008 013 966 A1
D7: PLANSEE SEMINAR 2013, 3.-7. Juni 2013, Reutte/
Austria, Programm, 44 Seiten
D7a: R. Pitonak et al, 18th Plansee Seminar HM 37/1,
12 Seiten
D8: J.Keckes et al, Thin Solid Films 545, 2013,
Seiten 29 bis 32
D10: DE 10 2008 013 965 A1
D11: DE 10 2008 013 964 A1
D13: DE 1 0 2007 000 512 B3
b) Mit Schreiben vom 16. September 2021 reichte die Einsprechende folgende weitere Dokumente ein:
D20: Search result from the database "SEMANTIC
SCHOLAR" regarding the author R. Pitonak
D21: Wikipedia entry "Self-organization",
edited July 24, 2021
D22: Wikipedia entry "Self-assembly",
edited June 25, 2021
D23: A. Köpf et al., "Nanostructured coatings for
tooling applications", Int. Journal of Refractory Metals and Hard Materials 62 (2017),
Seiten 219 bis 224
D24: A. Köpf et al., "Nanostructured coatings for
tooling applications", Materials Science Forum 2015, Seiten 597 bis 604
D25: R. Pitonak, "High Performance Coating",
Kapfenberg, 27.06.2014
VI. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit. Unter anderem wies die Kammer darin darauf hin, dass für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit maßgeblich das Dokument D13 relevant sei und die entsprechenden Einwände ausgehend von D1 und D11 nicht erfolgversprechender seien.
VII. Eine mündliche Verhandlung fand am 25. Januar 2022 in Form einer Videokonferenz statt.
VIII. Anträge
Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:
Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage des Hauptantrags oder des Hilfsantrags 1, jeweils eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder auf Grundlage eines der Hilfsanträge 2 bis 4, jeweils eingereicht mit der Erwiderung auf die Beschwerde der Einsprechenden, aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in seiner Gesamtheit zu widerrufen.
IX. Wortlaut der unabhängigen Ansprüche der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Anträge
a) Hauptantrag
Anspruch 1 ist gerichtet auf ein
"Verfahren zur Herstellung eines beschichteten Körpers (1), wobei der Körper (1) bereitgestellt und auf dem Körper (1) eine mehrlagige Beschichtung abgeschieden wird, die zumindest eine mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN auf einer TiCN-Beschichtungslage (3) mit länglichen Kristallen von TiCN abgeschieden wird, bei der Titan optional bis zu 40 Mol-% durch Aluminium ersetzt sein kann."
Anspruch 15 lautet:
"Beschichteter Körper (1) mit einer mehrlagigen Beschichtung, die zumindest eine mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN auf einer TiCN-Beschichtungslage (3) mit länglichen Kristallen von TiCN abgeschieden ist, bei der Titan optional bis zu
40 Mol-% durch Aluminium ersetzt sein kann."
b) Hilfsantrag 1
Der Wortlaut von Anspruch 1 entspricht dem des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.
Der Wortlaut von Anspruch 15 entspricht dem des Anspruchs 15 gemäß Hauptantrag wobei der Ausdruck "Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN" durch "Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN" ersetzt wurde.
c) Hilfsantrag 2 (entsprechend Hilfsantrag 3 der angefochtenen Entscheidung)
Der Wortlaut von Anspruch 1 entspricht dem des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, der um folgendes Merkmal ergänzt wurde:
"wobei die Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN ganz oder zumindest teilweise Kristalle mit einer lamellaren Struktur aufweist."
Der Wortlaut von Anspruch 15 entspricht dem des Anspruchs 15 gemäß Hilfsantrag 1, der um folgendes Merkmal ergänzt wurde:
"wobei die Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN ganz oder zumindest teilweise Kristalle mit einer lamellaren Struktur aufweist."
X. Das für diese Entscheidung relevante schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung der Dokumente D20 bis D25
Die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Dokumente D20 bis D25 seien aufgrund ihres ungerechtfertigten, verspäteten Vorbringens und aufgrund ihrer mangelnden Relevanz nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
b) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von D13 sei es nicht naheliegend, eine Anbindungsschicht mit länglichen Kristallen aus Ti(C,N) einzusetzen, um die Anbindung der Beschichtungslage aus AlxTi1-xN zu erhöhen. Insbesondere den Einsatz einer Anbindungsschicht aus Ti(C,N) würde der Fachmann aufgrund der möglichen Verkohlung des Substrats nicht in Betracht ziehen.
c) Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit
In Bezug auf den Gegenstand des Hilfsantrags 1 gälten die gleichen Argumente wie für den Hauptantrag.
d) Hilfsantrag 2 - Änderungen
Der geänderte Ausdruck "Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN" in Anspruch 15 spiegele unmittelbar nur das wider, was der Fachmann ohnehin im Kontext von CVD-Beschichtungen unter dem ursprünglich verwendeten Begriff "Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN" verstanden hätte.
e) Hilfsantrag 2 - Klarheit
Eine Definition eines beschichteten Körpers anhand seines Herstellungsprozesses sei für mittels CVD-Verfahren hergestellte Beschichtungslagen angebracht und zweckdienlich. Zudem generiere eine derartige Definition für einen Fachmann auf diesem Gebiet keinerlei Unklarheit.
Eine Anpassung des Wortlauts der Ansprüche 17 bis 19 an den geänderten Wortlaut des Anspruchs 15 ("mit" ersetzt durch "aus") sei nicht erforderlich. Ein Fachmann verstehe den Ausdruck "Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN" ohnehin im Sinne von "Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN".
f) Hilfsantrag 2 - Ausführbarkeit
Das Patent beschreibe im Detail ein Ausführungsbeispiel zur Herstellung eines beschichteten Körpers nach Anspruch 15 mit einem CVD-Verfahren. Insbesondere offenbare das Patent, dass die Reaktionsgase getrennt einzuleiten seien, welche Reaktionsgase bei welchen Partialdrücken eingeleitet, und bei welchen Temperaturen die einzelnen Schichten abgeschieden werden müssen.
Gegebenenfalls nötige Anpassungen dieser im Patent beschriebenen Bedingungen an einen jeweiligen Reaktor lägen im Rahmen der experimentellen Routine des Fachmanns. Die geringfügigen Widersprüche in Bezug auf die im Ausführungsbeispiel angegebenen Temperaturbereiche hinderten den Fachmann nicht an der Herstellung des beanspruchten Körpers.
g) Hilfsantrag 2 - Zulassung der Neuheitseinwände in Bezug auf D6 und D10
Weder im Einspruchsverfahren noch im schriftlichen Teil des Beschwerdeverfahrens habe die Einsprechende einen Neuheitseinwand in Bezug auf D6 oder D10 erhoben.
Dies sei vielmehr erstmalig im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erfolgt. Dieses überraschende neue Vorbringen sei nicht zu berücksichtigen, da für das verspätete Vorbringen keinerlei rechtfertigende außergewöhnliche Umstände vorlägen.
h) Hilfsantrag 2 - Neuheit
D1 offenbare einen mittels PVD-Verfahren beschichteten Körper, der sich von einem mittels CVD-Verfahren beschichteten Körper gemäß Anspruch 15 zweifelsfrei anhand der beim CVD-Verfahren unvermeidbar abgeschiedenen Verunreinigungen und der beim PVD-Verfahren typischerweise auftretenden Abschattungseffekte unterscheiden lasse.
i) Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von D13 sei es nicht naheliegend, eine Anbindungsschicht mit länglichen Kristallen aus Ti(C,N) und eine lamellaren Beschichtungslage aus AlxTi1-xN einzusetzen, um die im Ausführungsbeispiel des Patents beschriebene Verbesserung der Standzeit zu erzielen, zumal keines der zitierten Dokumente überhaupt mittels CVD-Verfahren abgeschiedene Beschichtungslagen aus AlxTi1-xN mit einer lamellaren Struktur offenbare.
XI. Das entsprechende Vorbringen der Einsprechenden lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Zulassung der Dokumente D20 bis D25
Die Einreichung der Dokumente D20 bis D25 stelle eine Reaktion auf die Mitteilung der Kammer dar und ergänze die Argumentation zur inhärenten Ausbildung einer lamellaren Beschichtungslage aus AlxTi1-xN basierend auf der Lehre der D7a und D8. Es lägen daher außergewöhnliche Umstände vor, die eine Zulassung der Dokumente rechtfertigten.
b) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von D13 stelle es eine einfache Auswahl dar, eine in D13 selbst bereits vorgeschlagene Anbindungsschicht aus Ti(C,N) für die Beschichtung eines Werkzeugeinsatzes einzusetzen. Die Ausbildung dieser Anbindungsschicht in Form länglicher Kristalle erfolge im Rahmen der experimentellen Routine, da derartige Ausführungsformen dem Fachmann hinlänglich bekannt seien, beispielsweise aus D1.
c) Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit
In Bezug auf den Gegenstand des Hilfsantrags 1 gälten die gleichen Argumente wie für den Hauptantrag.
d) Hilfsantrag 2 - Änderungen
Für die Änderung des Ausdrucks "Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN" zu "Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN" in Anspruch 15 fände sich keinerlei Offenbarung in der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Insbesondere müsse das Merkmal "Beschichtungslage aus" im Sinne von "Beschichtungslage bestehend aus" interpretiert werden, während die Formulierung "Beschichtungslage mit" dem Begriff "Beschichtungslage umfassend" entspreche. Eine "Beschichtungslage bestehend aus AlxTi1-xN" sei nicht ursprünglich offenbart gewesen.
e) Hilfsantrag 2 - Klarheit
Eine Definition des beschichteten Körpers anhand seines Herstellungsprozesses sei nicht angebracht und zweckdienlich. Das Herstellungsverfahren sei nämlich am fertigen Produkt nicht mehr eindeutig erkennbar. Daher sei es aus Gründen der Klarheit erforderlich und möglich, die Beschichtungslagen anhand ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrer Struktur genau zu definieren.
Ein Anpassung des Wortlauts der Ansprüche 17 bis 19 an den geänderten Anspruchswort des Anspruchs 15 ("mit" ersetzt durch "aus") sei zwingend erforderlich, da der unterschiedliche Wortlaut in Anspruch 15 ("Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN") und den abhängigen Ansprüchen 17 bis 19 ("Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN") Zweifel am beanspruchten Gegenstand generiere.
f) Hilfsantrag 2 - Ausführbarkeit
Der Fachmann sei nicht ohne unzumutbaren Aufwand in der Lage, lamellare Kristalle gemäß Anspruch 1 oder 15 bereitzustellen und eine lediglich vage definierte Beschichtungslage aus AlxTi1-xN abzuscheiden, für die noch nicht einmal der Anteil x definiert werde.
Das Patent beschreibe weder allgemein noch im Ausführungsbeispiel wie ein beschichteter Körper nach Anspruch 15 konkret hergestellt werden könne. Insbesondere beschreibe das Ausführungsbeispiel nicht, bei welchen Partialdrücken gearbeitet und welcher Reaktor eingesetzt werden müsse. Zudem enthalte das Ausführungsbeispiel widersprüchliche Angaben in Bezug auf die einzuhaltenden Reaktionstemperaturen.
g) Hilfsantrag 2 - Zulassung der Neuheitseinwände in Bezug auf D6 und D10
Aus den in der Beschwerdebegründung zitierten Textstellen zu D11 sei unmittelbar erkennbar, dass sich der in Bezug auf D11 erhobene Einwand zur erfinderischen Tätigkeit eigentlich auf D10 bezogen habe. Da das in der Beschwerdebegründung identifizierte Unterscheidungsmerkmal bei der Nacharbeitung der D10 inhärent erzielt werde, sei ein Neuheitseinwand angebracht. Entsprechendes gelte für den Neuheitsweinwand in Bezug auf D6.
h) Hilfsantrag 2 - Neuheit
D1 offenbare einen mittels PVD-Verfahren beschichteten Körper. Ein mittels CVD-Verfahren beschichteter Körper gemäß Anspruch 15 lasse sich nicht zweifelsfrei von diesem mittels PVD-Verfahren beschichteten Körper unterscheiden, denn die mittels CVD-Verfahren abgeschiedene Beschichtungslage sei in Anspruch 15 weder hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung noch hinsichtlich ihrer Dicke definiert.
i) Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von D13 sei es nicht nur naheliegend, eine Anbindungsschicht mit länglichen Kristallen aus Ti(C,N) auszubilden, sondern auch, eine Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mit einer lamellaren Struktur einzusetzen, um eine einfache alternative Ausführungsform zu erzielen. Eine lamellare Ausbildung der Beschichtungslage aus AlxTi1-xN ergebe sich im industriellen Maßstab ohnehin inhärent, wie die Dokumente D7a und D8 belegten.
1. Anwendbare Verfahrensordnung der Beschwerdekammern
Die Beschwerde ist vor dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) am 1. Januar 2020 eingelegt worden. Entsprechend den in Artikel 25 VOBK 2020 getroffenen Übergangsregelungen ist für am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden die VOBK 2020 ebenso anwendbar wie für danach eingelegte Beschwerden (Artikel 25 (1) VOBK 2020).
2. Zulassung der Dokumente D20 bis D25
Die Dokumente D20 bis D25 wurden erstmals nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden eingereicht.
Gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Soweit die Einsprechende argumentiert, dass die Dokumente D20 bis D25 eine Reaktion auf die Mitteilung der Kammer darstellten, ist dies nicht überzeugend. In Punkt 7.4 der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 wies die Kammer zwar darauf hin, dass im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sei, ob sich eine lamellare Beschichtungslage aus AlxTi1-xN inhärent ausbilde, wenn der CVD-Abscheidungsprozess in großem Maßstab erfolge. Dieser Hinweis wirft jedoch keine neue Fragestellung seitens der Kammer auf, sondern greift lediglich die entsprechenden Argumente in Bezug auf D7a und D8 auf, die von der Einsprechenden in ihrer Beschwerdebegründung auf den Seiten 17 und 18 vorgebracht wurden.
Das bloße Erwähnen eines von einer Verfahrensbeteiligten selbst vorgebrachten Diskussionspunkts in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 stellt mithin keinen außergewöhnlichen Umstand dar, der diese Verfahrensbeteiligte dazu veranlassen sollte, eine Vielzahl neuer Dokumente zur weiteren Untermauerung ihres Einwands einzureichen.
Unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(2) VOBK 2020 lässt die Kammer daher die Dokumente D20 bis D25 nicht in das Verfahren zu.
3. Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ
3.1 D13 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von verschleißbeständigen Werkzeugen, bei dem eine Hartstoffbeschichtung mittels eines CVD-Verfahrens aufgebracht wird, siehe Absätze [0001] und [0020].
D13 weist daher die gleiche Zielsetzung wie das Patent auf (vgl. Absätze [0001] und [0008]) und stellt im Einklang mit dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
3.2 D13 offenbart den Einsatz einer Phasengradientenschicht aus AlxTi1-xN auf einer "Anbindungsschicht aus TiN, Ti(C,N) oder TiC", vgl. Absätze [0014],[0020] oder Anspruch 1 von D13. Die Phasengradientenschicht gemäß D13 weist unstreitig eine Zusammensetzung AlxTi1-xN im Sinne der Patentansprüche 1 und 15 auf (D13, Absatz [0030]).
Auch wenn D13 in den Absätzen [0027] bis [0032] ein Ausführungsbeispiel beschreibt, bei dem eine Anbindungsschicht aus TiN zum Einsatz gelangt, offenbart D13 wiederholt sowohl in den Absätzen [0014] und [0020] als auch in Anspruch 1 jeweils TiN, Ti(C,N) und TiC als gleichwertige Alternativen für die Anbindungsschicht.
Durch einmalige Auswahl aus dieser allgemeinen Lehre offenbart D13 direkt und unmittelbar einen beschichteten Körper mit einer Anbindungsschicht aus Ti(C,N). Etwaige Überlegungen zu einer möglichen Verkohlung des Substrats, die den Einsatz einer kohlenstoffhaltigen Anbindungsschicht wenig erstrebenswert erscheinen lassen sollen, sind folglich aufgrund der unmittelbaren Lehre der D13 zum möglichen Einsatz einer Anbindungsschicht aus Ti(C,N) unerheblich.
Zur Morphologie der Anbindungsschicht aus Ti(C,N) macht D13 jedoch keine Angaben.
3.3 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 15 unterscheidet sich mithin von der Offenbarung in D13 jeweils dadurch, dass die Anbindungsschicht aus Ti(C,N) längliche Kristalle von Ti(C,N) aufweist.
3.4 In den in Absatz [0031] des Patents beschriebenen Vergleichsversuchen werden Werkzeugeinsätze eingesetzt, deren Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mittels PVD-Verfahren abgeschieden werden. Deren Ergebnisse sind daher in Hinblick auf die Offenbarung der D13 nicht aussagekräftig, da in D13 ein anderes Abscheidungsverfahren, nämlich bereits ein CVD-Verfahren (so wie es auch beansprucht ist), eingesetzt wird. Zudem finden sich im Patent keine näheren Angaben zu den Substraten und der Morphologie der darauf abgeschiedenen Anbindungsschichten, die in den Vergleichsversuchen eingesetzt werden.
Auch ist ein Vergleich der im Patent und in D13 jeweils beschriebenen Versuchsergebnisse nicht aussagekräftig. In beiden Fällen werden zwar Vergleiche zu mittels PVD-Verfahren beschichteten Werkzeugeinsätzen gezogen. Jedoch ist aufgrund der fehlenden Charakterisierung der Beschichtungslagen der jeweils zum Vergleich eingesetzten PVD-beschichteten Werkzeugeinsätze nicht ableitbar, dass es sich bei den jeweils im Patent und in D13 zum Vergleich eingesetzten PVD-beschichteten Werkzeugeinsätzen um die gleichen Werkzeugeinsätze handelt.
In Hinblick auf die Offenbarung der D13 ist mithin im Patent entgegen der Argumentation der Patentinhaberin kein Effekt glaubhaft gemacht worden, der auf das Unterscheidungsmerkmal, nämlich den Einsatz einer Anbindungsschicht mit länglichen Kristallen, zurückzuführen ist.
3.5 Folglich kann die objektive technische Aufgabe nicht, wie von der Patentinhaberin vorgeschlagen, in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens oder beschichteten Körpers liegen, sondern muss weniger ambitioniert dahingehend formuliert werden, einen weiteren gattungsgemäßen hartstoffbeschichteten Körper mit einer mittels CVD-Verfahren abgeschiedenen Beschichtungslage aus AlxTi1-xN bereitzustellen.
3.6 Vor dieser Aufgabe stehend würde der Fachmann ausgehend von D13 Dokumente wie D1 zu Rate ziehen, in denen hartstoffbeschichtete Körper mit einer Anbindungsschicht aus Ti(C,N) beschrieben werden. D1 offenbart auf Seite 6, Zeilen 1 bis 4 eine innere, mittels CVD-Verfahren aufgetragene Anbindungsschicht aus Ti(C,N) mit länglichen ("columnar") Kristallen für mittels PVD-Verfahren abgeschiedene Beschichtungslagen aus
AlxTi1-xN, siehe Seite 4, Zeilen 26 bis 32. D1 verdeutlicht daher die Möglichkeit, eine Anbindungsschicht aus Ti(C,N) einzusetzen, die längliche Kristalle aufweist.
Der Fachmann erkennt ausgehend von D13, dass er die in D13 allgemein vorgeschlagene Anbindungsschicht aus Ti(C,N) ohne technische Schwierigkeiten gemäß der Lehre der D1 realisieren kann, um weitere gattungsgemäße hartstoffbeschichtete Körper bereitzustellen.
3.7 Die Kammer stimmt daher der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Punkt B.4.2.4 der angefochtenen Entscheidung zu und kommt zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 15 gemäß Hauptantrag ausgehend von D13 unter Berücksichtigung von D1 naheliegend ist.
4. Hilfsantrag 1 - Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht unverändert Anspruch 1 gemäß Hauptantrag.
In Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 gelten daher die gleichen Argumente wie für Anspruch 1 des Hauptantrags.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ausgehend von D13 naheliegend ist.
Da weder der Hauptantrag noch Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ genügt, ist die Beschwerde der Patentinhaberin unbegründet.
5. Hilfsantrag 2 - Artikel 123(2) EPÜ
Anspruch 1 beruht unstreitig auf der technischen Lehre der Ansprüche 1 und 15 wie ursprünglich eingereicht und den Ausführungen auf Seite 7, Zeilen 14 bis 16 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
Anspruch 15 beruht entsprechend auf den Ansprüchen 17 und 26 wie ursprünglich eingereicht und den Ausführungen auf Seite 7, Zeilen 14 bis 18 und Seite 3, Zeilen 26-30 der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Zudem wurde in Bezug auf die Beschichtungslage (2) der Ausdruck "mit AlxTi1-xN aufweist" durch "aus AlxTi1-xN aufweist" ersetzt.
Auch wenn für den Austausch von "mit" durch "aus" im Wortlaut des Anspruchs 15 keine wortgleiche Formulierung in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen zu finden ist, so entspricht die geänderte Formulierung "Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN" dem fachmännischen Verständnis dessen, was durch die unmittelbare und direkte Offenbarung der Anmeldung hervorgeht. Insbesondere aus den Tabellen des Ausführungsbeispiels wird unmittelbar deutlich, dass AlxTi1-xN unter Verwendung von CVD-Verfahren auf Körper aufgebracht wird und damit eine Beschichtungslage aus AlxTi1-xN gebildet wird. Aus technischen Gründen kann dabei die Entstehung zusätzlicher Phasen nicht ausgeschlossen werden, so dass der Fachmann die Formulierung "Beschichtungslage aus" nicht im strikten Sinne von "bestehend aus" verstehen würde, sondern weiß, dass in gewissem Masse auch andere Phasen als AlxTi1-xN vorhanden sein können.
Im speziellen technischen Kontext der Anmeldung versteht der Fachmann daher unter einer "mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN" nichts anderes als eine "mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN".
Die Änderungen gemäß Hilfsantrag 2 gehen daher nicht über die technische Lehre der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Der Gegenstand des Hilfsantrags 2 erfüllt mithin die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
6. Hilfsantrag 2 - Artikel 84 EPÜ
6.1 Im Rahmen des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens wurde der Wortlaut von Anspruch 15 dahingehend geändert, dass das Erzeugnis anhand seines Herstellungsverfahrens konkretisiert wurde ("product-by-process"-Merkmal).
Die Definition des beschichteten Körpers anhand seines Herstellungsverfahrens ist im vorliegenden Fall angebracht und führt nicht zur Unklarheit des beanspruchten Gegenstands:
Zum einen sind dem Fachmann CVD-Verfahren bekannt. Die Maßgabe, ein CVD-Verfahren einzusetzen, stellt für den Fachmann daher eine als solches klare Handlungsanweisung dar.
Des Weiteren sind mittels eines CVD-Verfahrens aufgebrachte Beschichtungslagen anhand der in der Beschichtung unweigerlich vorhandenen Reaktionsnebenprodukte wie Chloride und/oder Kohlenstoff eindeutig von Beschichtungslagen abgrenzbar, die mittels anderer Verfahren wie beispielsweise eines PVD-Verfahrens hergestellt werden.
Mit PVD-Verfahren hergestellte Beschichtungen weisen außerdem typischerweise am beschichteten Körper erkennbare Abschattungseffekte auf.
Da die mittels eines CVD-Verfahrens aufgebrachten Beschichtungslagen aus AlxTi1-xN hinsichtlich ihrer gebildeten Phasen und ihrer Zusammensetzung variieren können, würde es ferner eine ungebührliche Einschränkung darstellen, die in Anspruch 15 definierte Beschichtungslage aus AlxTi1-xN konkret anhand ihrer chemischen Zusammensetzung und der gebildeten Phasenzusammensetzung zu definieren.
6.2 Obwohl der Ausdruck "Beschichtungslage (2) mit
AlxTi1-xN" zwar in Anspruch 15 durch den Ausdruck "Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN" ersetzt wurde, erfolgte keine entsprechende Änderung in den weiteren Ansprüchen 17 bis 19.
Wie in Punkt 6 oben dargelegt, versteht der Fachmann im speziellen technischen Kontext von CVD-Beschichtungen allerdings unter einer "mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN" nichts anderes als eine "mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN".
Der unterschiedliche Wortlaut in Anspruch 15 einerseits und den davon abhängigen Ansprüchen 17 bis 19 andererseits liefert folglich bei fachmännischer Lesart keine unterschiedliche technische Lehre und generiert damit auch keinen Widerspruch oder Unklarheit.
6.3 Die im Vergleich zur erteilten Fassung vorgenommenen Änderungen in den Ansprüchen erfüllen daher die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
7. Hilfsantrag 2 - Artikel 100 b) EPÜ
7.1 Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass zur Beurteilung der Ausführbarkeit der Erfindung gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Patentschrift als ganzes und nicht der Anspruch 1 als solches eine nacharbeitbare Lehre für den Fachmann vermitteln muss (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, Kapitel II.C.3.1).
Ein Einwand bezüglich mangelnder Offenbarung kann insbesondere nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtbare Zweifel an der Ausführbarkeit glaubhaft gemacht werden können (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, Kapitel II.C.9.).
Derartige nachprüfbare Fakten wurden von der Einsprechenden nicht vorgelegt, die in ihrem Einwand vielmehr im Wesentlichen auf die Klarheit und Breite des Anspruchswortlauts abstellt.
7.2 Der Begründung in Punkt B.2.1 der angefochtenen Entscheidung ist dahingehend zuzustimmen, dass sich die Offenbarung einer Patentschrift an Fachleute richtet, die mit CVD-Beschichtungslagen vertraut sind und für die eine Bestimmung einer Schichtzusammensetzung und Schichtmorphologie geläufige Arbeitsschritte darstellen.
Dementsprechend erkennt ein Fachmann auf dem Gebiet der CVD-Verfahren unmittelbar die sprachliche Ungenauigkeit ("Kristalle mit einer lamellaren Struktur") in den Ansprüchen 1 und 15 und legt die Ansprüche mit fachmännischen Verständnis aus, wonach Beschichtungslagen mit einer lamellaren Struktur erzielt werden sollen.
Auch ist die Angabe der Zusammensetzung einer Beschichtungslage als Formel der Form AlxTi1-xN fachüblich und stellt den Fachmann vor keinerlei technische Probleme. Ohne einschränkende Angaben zu x mag diese Angabe in den Ansprüchen 1 und 15 sehr breit sein, hindert den Fachmann allerdings nicht an der Umsetzung des in Anspruch 1 definierten Verfahrens, zumal in der Beschreibung, beispielsweise in Absatz [0022] oder in Tabelle 2, diesbezüglich auch weiterführende Angaben zu finden sind.
Die bloße Tatsache, dass ein Anspruch wie im vorliegenden Fall weit gefasst ist oder sprachliche Ungenauigkeiten erkennen lässt, stellt daher noch keinen Grund zu der Annahme dar, dass das Patent das Erfordernis einer ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt.
7.3 Ferner hat die Einsprechende keine ernsthaften Zweifel streuen können, dass der einschlägige Fachmann mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens in der Lage ist, ohne unzumutbaren Aufwand die beanspruchte Erfindung beispielsweise anhand des im Patent beschriebenen Ausführungsbeispiels auszuführen.
Darin wird dem Fachmann in den Absätzen [0029] bis [0031] des Patents dargelegt, welche Reaktionsgase getrennt in den Reaktor eingeleitet werden müssen und welche Reaktionstemperaturen bei der Abscheidung der einzelnen Beschichtungslagen eingehalten werden sollen.
Zwar werden im Rahmen des Ausführungsbeispiels in Absatz [0029] und in der Tabelle 1 verschiedene teils überlappende oder teils widersprüchliche Temperaturbereiche für die Abscheidung der einzelnen Beschichtungslagen angegeben. Nichtsdestotrotz erhält der Fachmann durch diese Angaben einen hinreichend genauen Anhaltspunkt, um eine Nacharbeitung im Rahmen des üblichen experimentellen Aufwands zu ermöglichen, denn die Temperaturbereiche liegen jeweils in der gleichen Größenordnung und sind hinreichend eng definiert.
Zudem stellt es den Fachmann vor keinerlei Probleme, dass im Ausführungsbeispiel selbst keine Angaben zum Partialdruck der Reaktionsgase angegeben werden, denn diesbezüglich erhält der Fachmann genaue Angaben bereits im voranstehenden Absatz [0016] des Patents.
Auch ist kein Grund erkennbar, warum die fehlende Angabe eines konkreten Reaktortyps den Fachmann von der Nacharbeitung des Ausführungsbeispiels abhalten soll. Die Anpassung der Reaktionsbedingungen an die Besonderheiten eines speziellen Reaktortyps gelingt üblicherweise aufgrund der experimentellen Routine des Fachmanns.
8. Hilfsantrag 2 - Zulassung der Neuheitseinwände in Bezug auf D6 und D10
8.1 Im ersten vollständigen Absatz auf Seite 11 der Beschwerdebegründung stellt die Einsprechende fest, dass das Dokument D6 weniger relevant und vom beanspruchten Gegenstand weiter entfernt sei als D13. Dementsprechend wurde D6 im schriftlichen Vorbringen des Beschwerdeverfahrens von ihr lediglich als sekundäres Dokument im Rahmen des Einwands zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 und D13 verwendet.
Der erstmalig im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhobene Einwand zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes des Hilfsantrags 2 in Bezug auf D6 stellt daher ein gänzlich neues Vorbringen seitens der Einsprechenden zum spätest möglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren dar.
Die Einsprechende hat keine stichhaltige Gründe für die Annahme außergewöhnlicher Umstände dafür geltend gemacht, dass dieser Einwand nicht bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, sondern erst in der mündlichen Verhandlung erhoben werden konnte.
Abgesehen davon ist die Kammer nicht überzeugt, dass sich bei einer Abscheidung einer Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mittels CVD-Verfahren inhärent immer eine lamellare Struktur ausbildet, siehe nachfolgenden Punkt zur erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf den Gegenstand des Hilfsantrags 2 ausgehend von D13. Ferner ist auch eine inhärente Ausbildung einer Anbindungsschicht aus Ti(C,N) in Form länglicher Kristalle in Bezug auf D6 nicht unmittelbar erkennbar. Der Einwand ist folglich auch nicht prima facie relevant.
Die Kammer lässt daher den Neuheitseinwand ausgehend von D6 unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht in das Verfahren zu.
8.2 In der Beschwerdebegründung erhob die Einsprechende erstmalig einen Einwand zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D11. Einen Grund dafür, diesen Einwand nicht bereits im Einspruchsverfahren vorzubringen, hat die Einsprechende nicht vorgebracht.
Obwohl der Einwand zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D11 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht weiterverfolgt wurde, stellte die Einsprechende im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klar, dass dieser Einwand nur versehentlich D11 genannt habe, aber eigentlich das Dokument D10 gemeint gewesen sei. Zudem änderte sie ihr Vorbringen dahingehend, dass D10 nicht als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, sondern vielmehr als Grundlage eines Neuheitseinwands dienen solle.
Selbst wenn man aufgrund der in der Beschwerdebegründung zitierten Textpassagen akzeptiert, dass der in der Beschwerdebegründung erhobene Einwand zur erfinderischen Tätigkeit nicht D11, sondern D10 adressiert habe, ist für die Kammer kein Grund erkennbar, warum der Einwand der mangelnden Neuheit weder im Einspruchsverfahren noch in der Beschwerdebegründung erhoben wurde.
Auch ist nicht erkennbar, weshalb der Offenbarungsgehalt von D10 erstmals während der Verhandlung neu interpretiert werden, und warum die von der Einsprechenden selbst auf Seite 16 der Beschwerdebegründung noch als Unterscheidungsmerkmal identifizierte Mikrostruktur der Anbindungsschicht unvermittelt als implizit offenbart angesehen werden sollte.
Abgesehen davon ist die Kammer nicht überzeugt, dass sich bei einer Abscheidung einer Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mittels CVD-Verfahren inhärent immer eine lamellare Struktur ausbildet, siehe nachfolgenden Punkt zur erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf den Gegenstand des Hilfsantrags 2 ausgehend von D13. Der Einwand ist folglich auch nicht prima facie relevant.
Die Kammer lässt daher den Neuheitsweinwand in Bezug auf D10 unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht in das Verfahren zu.
9. Hilfsantrag 2 - Artikel 54 EPÜ
9.1 D1 offenbart einen beschichteten Körper mit einer mehrlagigen Beschichtung, die aus einer mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedenen Anbindungsschicht aus Ti(C,N) und einer mittels eines PVD-Verfahrens abgeschiedenen Beschichtungslage aus (TixAly)N gebildet wird (D1, Ansprüche 1,3 und 8, Seite 8 "Insert E"). Gemäß Seite 6, Zeilen 1 bis 4 kann die Anbindungsschicht aus Ti(CxNy) eine kolumnare Struktur, also längliche Kristalle aufweisen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich folglich von dem in D1 beschriebenen Verfahren dadurch, dass die Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mittels eines CVD-Verfahrens aufgetragen wird.
9.2 Der Produktanspruch 15 wird unter anderem ebenfalls durch das eingesetzte Herstellungsverfahren der Beschichtungslage aus AlxTi1-xN charakterisiert: "mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN".
Durch den definierten Einsatz eines CVD-Verfahrens zur Aufbringung der Beschichtungslage aus AlxTi1-xN sind darin unweigerlich Chloride, andere Halogenide und/oder Kohlenstoff in der mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedenen Beschichtungslage zu erwarten. Keine dieser Verunreinigungen sind bei mittels eines PVD-Verfahrens hergestellten Lagen aus AlxTi1-xN gegeben.
Daher ist eine mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedene Beschichtungslage aus AlxTi1-xN gemäß Anspruch 1 von einer mittels eines PVD-Verfahrens abgeschiedenen Beschichtungslage aus AlxTi1-xN gemäß der Offenbarung in D1 abgrenzbar. Insbesondere wurde kein Nachweis für die Behauptung erbracht, dass technisch wirksame Beschichtungslagen (und nur solche würde der Fachmann als unter den Anspruch fallend verstehen) derart dünn sein können, dass keinerlei Reaktionsprodukte eines CVD-Verfahrens nachweisbar wären.
Der Gegenstand des Anspruchs 15 unterscheidet sich mithin von dem in D1 beschriebenen beschichteten Körper dadurch, dass die Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mittels eines CVD-Verfahrens aufgetragen wird.
9.3 Die Ansprüche des Hilfsantrags 2 erfüllen daher die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.
10. Hilfsantrag 2 - Artikel 56 EPÜ
10.1 Ausgehend von D13 als nächstliegendem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand der Ansprüche 1 und 15 jeweils dadurch, dass
i) die Anbindungsschicht aus Ti(C,N) längliche
Kristalle aufweist,
und
ii) die Beschichtungslage (2) aus AlxTi1-xN ganz oder
zumindest teilweise Kristalle mit einer lamellaren Struktur aufweist.
10.2 Wie oben in Bezug auf den Hauptantrag dargelegt, sind die in Absatz [0031] des Patents beschriebenen Vergleichsversuche in Hinblick auf die Offenbarung der D13 nicht aussagekräftig.
Im Patent ist entgegen der Argumentation der Patentinhaberin kein Effekt glaubhaft gemacht worden, der auf die beiden Unterscheidungsmerkmale, nämlich den Einsatz einer Anbindungsschicht mit länglichen Kristallen und die Ausbildung einer Beschichtungslage mit lamellarer Struktur, zurückzuführen ist.
10.3 Folglich kann die objektive technischen Aufgabe dahingehend formuliert werden, einen weiteren (alternativen) gattungsgemäßen hartstoffbeschichteten Körper mit einer mittels eines CVD-Verfahrens abgeschiedenen Beschichtungslage aus AlxTi1-xN bereitzustellen.
10.4 Weder in D13 noch im Patent sind Hinweise darauf enthalten, dass mit den in D13 beschriebenen Abscheidungsbedingungen inhärent eine Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mit lamellarer Struktur erhalten werden kann. Dies ist auch nicht ohne weiteres zu erwarten, da bei dem in D13 beschriebenen CVD-Verfahren andere Reaktionsbedingungen zum Einsatz gelangen als im Patent. Der Partialdruck der Reaktionsgase liegt gemäß Absatz [0028] der D13 beispielsweise bei 0,5 kPa (5 mbar), während gemäß Absatz [0016] des Patents bei einem Partialdruck von 20 bis 40 mbar gearbeitet werden soll.
10.5 Soweit die Einsprechende mit Verweis auf die Dokumente D7a und D8 argumentiert, dass bei Beschichtungslagen aus AlxTi1-xN eine lamellare Struktur automatisch erhalten wird, wenn das CVD-Verfahren im industriellen Maßstab durchgeführt wird, ist dies ebenfalls nicht überzeugend.
Sowohl in D7a (zweiter Absatz auf Seite 37/4, letzter Absatz auf Seite 37/5, Figur 3) als auch in D8 (Seite 30, rechte Spalte, Zeilen 3 und 10) wird die Ausbildung einer lamellaren Beschichtungslage nur für eine Lage aus AlxTi1-xN mit spezieller chemischer Zusammensetzung, nämlich für Al0,95Ti0,05N, unter bestimmten Reaktionsbedingungen beschrieben.
10.5.1 Von der Einsprechenden wurde nicht gezeigt, dass die in D13 beschriebenen Reaktionsbedingungen den in D7a oder D8 beschriebenen Reaktionsbedingungen entsprechen.
10.5.2 Ferner bleibt die Lehre der D13 bezüglich der chemischen Zusammensetzung der Beschichtungslage aus AlxTi1-xN unbestimmt. Berücksichtigt man die Offenbarung in Absatz [0010] der D13, wonach Hartstoffschichten aus AlxTi1-xN mit x>0,75 bis x = 0,93 bekannt sind, mag ein Fachmann in Abwesenheit weiterer ergänzender Angaben zur chemischen Zusammensetzung der Beschichtungslage aus AlxTi1-xN gemäß D13 davon auszugehen, dass für diese im Rahmen der D13 ebenfalls x>0,75 bis x = 0,93 zu gelten hat.
Die Beschichtungslage aus AlxTi1-xN gemäß D13 weist jedoch nicht zweifelsfrei einen noch höheren Anteil von Aluminium auf (x= 0,95), bei dem es gemäß D7a und D8 möglich ist, eine Beschichtungslage mit lamellarer Struktur zu erhalten.
10.6 Darüber hinaus ist ausgehend von der sehr allgemein gehaltenen Offenbarung in D13 auch keinerlei Anreiz für einen Fachmann dafür erkennbar, eine Beschichtungslage aus AlxTi1-xN mit einem sehr hohen Aluminiumanteil
(x = 0,95) einerseits und unter den in D7a und D8 genannten großtechnischen Bedingungen andererseits aufzubringen.
10.7 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 15 gemäß Hilfsantrag 2 erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ. Deswegen ist auch die Beschwerde der Einsprechenden unbegründet.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.