T 1560/18 02-07-2021
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REINIGUNGSVORRICHTUNG MIT ENERGIESPEICHER
Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit - (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 720 598 in geändertem Umfang nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags (erteilte Fassung) nicht neu sei, und dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Daher entschied die Einspruchsabteilung, das Patent auf Basis des Hilfsantrags 2 aufrechtzuerhalten.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgende Entgegenhaltung berücksichtigt:
D8 US 2011 / 0 125 337 A1
III. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 19. Juni 2018 Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 4. September 2018 eingereicht. Mit dem Schreiben vom 30. November 2020 nahm sie ihre Beschwerde zurück.
IV. Auch die Patentinhaberin hat als Beschwerdeführerin gegen diese Entscheidung am 4. Juli 2018 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung folgte am 4. September 2018.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 2. Juli 2021 in Anwesenheit aller Parteien als Videokonferenz statt.
VI. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, d.h. Aufrechterhaltung des Europäischen Patents wie erteilt, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents auf Basis des mit Schreiben vom 5. Januar 2018 eingereichten Hilfsantrags 1.
VII. Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
VIII. Die für diese Entscheidung relevanten unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags haben den folgenden Wortlaut:
"1. Reinigungsvorrichtung (110) zum Reinigen von Reinigungsgut (116), wobei die Reinigungsvorrichtung (110) mindestens eine Fluidvorrichtung (120) zum Beaufschlagen des Reinigungsguts (116) mit mindestens einem Reinigungsfluid (118) aufweist, wobei die Reinigungsvorrichtung (110) mindestens eine Reinigungskammer (114) aufweist, in welcher die Beaufschlagung des Reinigungsguts (116) mit dem Reinigungsfluid erfolgt, wobei die Reinigungsvorrichtung (110) mindestens einen elektrischen Verbraucher (158) aufweist, wobei die Reinigungsvorrichtung (110) mindestens einen elektrischen Anschluss (160) zur Versorgung der Reinigungsvorrichtung (110) mit elektrischer Energie aufweist, wobei die Reinigungsvorrichtung (110) mindestens einen Energiespeicher (162) aufweist, wobei die Reinigungsvorrichtung (110) eingerichtet ist, um über den elektrischen Anschluss (160) elektrische Energie aufzunehmen und in dem Energiespeicher (162) zwischenzuspeichern und wobei die Reinigungsvorrichtung (110) weiterhin eingerichtet ist, um den mindestens einen elektrischen Verbraucher (158) mit elektrischer Energie aus dem Energiespeicher (162) zu versorgen, dadurch gekennzeichnet, dass die Reinigungsvorrichtung (110) eingerichtet ist, um den mindestens einen elektrischen Verbraucher (158) wahlweise mit elektrischer Energie aus dem Energiespeicher (162) und wahlweise direkt mit über den elektrischen Anschluss (160) aufgenommener elektrischer Energie zu versorgen, wobei die Reinigungsvorrichtung (110) eingerichtet ist, um den mindestens einen elektrischen Verbraucher (115) gleichzeitig mit elektrischer Energie aus dem Energiespeicher (162) und direkt mit über den elektrischen Anschluss (160) aufgenommener elektrischer Energie zu versorgen."
"15. Verfahren zum Reinigen von Reinigungsgut (116), wobei das Reinigungsgut (116) mittels mindestens einer Fluidvorrichtung (120) mit mindestens einem Reinigungsfluid (118) beaufschlagt wird, wobei bei dem Verfahren mindestens ein elektrischer Verbraucher (158) verwendet wird, wobei mindestens ein elektrischer Anschluss (160) zur Versorgung des Verfahrens mit elektrischer Energie verwendet wird, wobei mindestens ein Energiespeicher (162) verwendet wird, wobei über den elektrischen Anschluss (160) elektrische Energie aufgenommen wird und in dem Energiespeicher (162) zwischengespeichert wird, wobei der mindestens eine elektrische Verbraucher (158) mit elektrischer Energie aus dem Energiespeicher (162) versorgt wird, wobei eine Reinigungsvorrichtung (110) nach einem der vorhergehenden Ansprüche verwendet wird."
IX. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Anspruch 1 des Hauptantrags enthalte zulässige Änderungen. Außerdem sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags neu gegenüber D8.
X. Die Beschwerdegegnerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Die Änderungen in Anspruch 1 des Hauptantrags gingen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Zudem sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber der Offenbarung der D8.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Reinigungsvorrichtung, z.B. eine Geschirrspülmaschine oder eine Vorrichtung zur Reinigung von Gefäßen für menschliche Ausscheidungen, die mindestens einen elektrischen Verbraucher und mindestens einen Energiespeicher aufweist. Die Reinigungsvorrichtung nimmt über einen elektrischen Anschluss elektrische Energie auf und speichert sie im Energiespeicher zwischen, um den mindestens einen elektrischen Verbraucher daraus mit elektrischer Energie zu versorgen. Dabei kann die Reinigungs-vorrichtung den mindestens einen elektrischen Verbraucher wahlweise mit elektrischer Energie aus dem Energiespeicher, wahlweise direkt mit über den elektrischen Anschluss aufgenommener elektrischer Energie, oder gleichzeitig mit elektrischer Energie aus dem Energiespeicher und direkt mit über den elektrischen Anschluss aufgenommener elektrischer Energie versorgen. Durch die gleichzeitige Nutzung des Energiespeichers und des elektrischen Anschlusses kann die maximale elektrische Leistungsaufnahme der Reinigungsvorrichtung gesenkt werden (Patentschrift, Absatz 0013).
Außerdem betrifft das Streitpatent ein Verfahren zum Reinigen von Reinigungsgut unter Verwendung einer solchen Vorrichtung.
3. Änderungen - Hauptantrag
3.1 Die Beschwerdegegnerin Einsprechende bestreitet den Befund der Entscheidung, wonach die Änderungen in Anspruch 1 des Hauptantrags nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgingen.
3.2 In ihrer Mitteilung, Abschnitt 2.1, hat die Kammer zu den Änderungen die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags scheint auf einer Kombination der in der Beschreibung genannten Ausführungsformen 1, 3 und 4 (als WO2012/171942 veröffentlichte Patentanmeldung, Seite 19, Zeilen 23-32 und Seite 20, Zeilen 1-9), ergänzt um die Offenbarung auf der Seite 9, Zeilen 1-3 der Anmeldung, zu beruhen."
3.3 Die Beschwerdegegnerin hat dazu nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen. Somit bestätigt sie den Befund der angefochtenen Entscheidung zu den Änderungen, wonach der Einspruchsgrund unter Artikel 100(c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.
4. Neuheit - Hauptantrag
4.1 Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin bestreitet den von der Beschwerdegegnerin Einsprechenden geteilten Befund der Entscheidung, wonach der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber D8 sei.
4.2 In ihrer Mitteilung, Abschnitte 3.2 bis 3.4, hat die Kammer zur Neuheit die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"3.2 Im Gegensatz zum Befund in der angegriffenen Entscheidung scheinen die Merkmale M1.8 ("Reinigungsvorrichtung eingerichtet ist, um den mindestens einen elektrischen Verbraucher wahlweise mit elektrischer Energie aus dem Energiespeicher und wahlweise direkt mit über den elektrischen Anschluss aufgenommener elektrischer Energie zu versorgen") und M1.9 zu verlangen, dass eine anspruchsgemäße Reinigungsvorrichtung zumindest die folgenden drei Energieversorgungsarten besitzt: ausschließlich aus dem Energiespeicher, ausschließlich über den elektrischen Anschluss, und gleichzeitig aus dem Energiespeicher und über den elektrischen Anschluss. Diese nach Meinung der Kammer bereits aus dem Wortlaut von Anspruch 1 ("wahlweise" bzw. "gleichzeitig") hervorgehende Auslegung scheint durch die Patentschrift bestätigt zu werden (Absätze 32 und 35).
3.3 Zur Offenbarung dieser Energieversorgungsarten verweist die Einsprechende auf die Absätze 42 und 149 der D8. Diese Absätze scheinen jedoch nicht zu offenbaren, dass das Gerät ausschließlich aus dem Energiespeicher mit elektrischer Energie versorgt werden kann (Absatz 42: "fully or partially powered from the external supply"; Absatz 149: "supplied with power directly from external supply ... power may also be supplied to load from storage", wobei "also" nicht auf eine alternative, sondern eine zusätzliche Versorgung mit elektrischer Energie gerichtet zu sein scheint). Aus diesen Gründen scheint das Merkmal M1.8 nicht in D8 offenbart zu sein, so dass Anspruch 1 des Hauptantrags bereits deswegen neu gegenüber D8 zu sein scheint.
3.4 Dessen ungeachtet ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass D8 unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Waschmaschine bzw. der Geschirrspüler nach einem der Absätze 32, 117&118 oder 171 mit den Energieversorgungsarten nach Absatz 42 oder 149 betrieben wird.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es bei der Beurteilung der Neuheit nicht zulässig, verschiedene Bestandteile jeweils spezifischer Ausführungsarten, die in ein und demselben Dokument beschrieben sind, miteinander zu verbinden, sofern nicht im Dokument selbst eine solche Verbindung nahegelegt wird (RdBK, 9. Auflage 2019, I.C.4.2 und die darin genannte Entscheidung T 305/87).
Im vorliegenden Fall verweisen die Absätze 42 und 149 lediglich auf ein "(utility) appliance" mit einem Motor (Absatz 42) oder mit einem Verbraucher z.B. in Form eines Kompressors (Absatz 149 i.V.m. Absatz 153), ohne explizit eine Wasch- oder Geschirrspülmaschine zu nennen. Da der in Absatz 167 und in Figur 4 genannte Kühlschrank ebenfalls einen Motor besitzt, und da eine Waschmaschine bzw. ein Geschirrspüler keinen Kompressor besitzt, scheinen die in den Absätzen 42 oder 149 genannten Betriebsarten nicht unmittelbar und eindeutig für eine Waschmaschine bzw. einen Geschirrspüler offenbart zu werden. Der Verweis der Einsprechenden auf die T56/87 führt zu keiner anderen Sichtweise, da diese Entscheidung die Darstellung in einer Figur betrifft, welche nicht losgelöst von den anderen Teilen der Offenbarung betrachtet werden soll."
4.3 Die Beschwerdegegnerin hat dazu nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.
Somit gelangt sie zum Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags neu gegenüber der Offenbarung der D8 ist. Die Kammer fügt hinzu, dass diese Sichtweise auch für den unabhängigen Verfahrensanspruch 15 gilt.
5. Die Kammer bejaht aus den obengenannten Gründen die Zulässigkeit der Änderungen und die Neuheit für den Hauptantrag, Patent wie erteilt, im Lichte der D8.
Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 dieser als neu angesehenen drei unterschiedlichen Versorgungsarten gegenüber der Offenbarung der E8 als Ausgangspunkt hat die Beschwerdegegnerin Einsprechende keine Argumente vorgetragen, und während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auch nicht geltend gemacht.
Somit steht keiner der erhobenen Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegen, Artikel 101(2) EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.