T 1741/18 19-05-2022
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Strangführungsvorrichtung
Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung
I. Das europäische Patent EP 2 583 772 B1 ("das Patent") betrifft eine Strangführungsvorrichtung zum Führen eines Metallstrangs nach seinem Austritt aus einer Kokille in einer Stranggießanlage.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, den Einspruch auf Grundlage der Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ zurückzuweisen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende ("die Beschwerdeführerin") Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 19. Mai 2022 in Form einer Videokonferenz statt.
V. Anträge
Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf Grundlage eines der im Einspruchsverfahren bereits eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.
VI. Ansprüche
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung betraf den folgenden Anspruch 1 mit einer an die Entscheidung angelehnten Merkmalsgliederung:
M1 Strangführungsvorrichtung (100) zum Führen eines
Metallstrangs (300) nach seinem Austritt aus einer Kokille (210) in einer Stranggießanlage (200),
M2 wobei die Strangführungsvorrichtung mit einer
Sekundärkühleinrichtung (110) zum Kühlen des Metallstrangs in der Strangführungsvorrichtung ausgebildet ist, und
wobei die Sekundärkühleinrichtung aufweist:
M3 ein Netz aus Kühlleitungen (112) mit mindestens einer
in der Strangführungsvorrichtung ausgebildeten Kühlzone (114-i) als Teil des Kühlleitungsnetzes;
M4 mindestens eine der Kühlzone zugeordnete
Düseneinrichtung (115) zum Aufsprühen eines Kühlmediums auf den Metallstrang;
M5 eine Pumpeneinrichtung (116) zum Pumpen des Kühlmediums
durch das Kühlleitungsnetz hindurch zu der der Kühlzone (114-i) zugeordneten Düseneinrichtung (115);
M6 mindestens ein der Kühlzone zugeordnetes und - in
Strömungsrichtung des Kühlmediums gesehen - vor der Spannplatte (140-l) angeordnetes Ventil (118) zum Einstellen des Volumenstromes oder des Druckes des Kühlmediums in der Kühlzone (114-i);
M7 mindestens ein Rollensegment (120-k) zum Führen des
Metallstrangs nach seinem Austritt aus der Kokille;
M8 wobei dem Rollensegment die Kühlzone zumindest
teilweise zugeordnet ist;
M9 mindestens einen Segmentträger (220) zur Aufnahme und
Fixierung des mindestens einen Rollensegmentes;
M10 mindestens eine Spannplatte (140-l) als Koppelstelle
der Kühlleitungen (112) zwischen dem Segmentträger und dem Rollensegment (120-k);
dadurch gekennzeichnet, dass
M11 die Pumpeneinrichtung (116) abseits des Segmentträgers
und des Rollensegmentes in einem Wasserverteilraum (250) angeordnet ist; und
M12 a das mindestens eine Ventil (118) für das Kühlmedium
b außerhalb des Verteilraums (250)
c - in Strömungsrichtung des Kühlmediums gesehen - vor
der Spannplatte (140-l)
d im Bereich (II.) des Segmentträgers angeordnet ist.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 15 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Strangführungsvorrichtung.
Die weiteren Hilfsanträge 1 bis 3 sind für diese Entscheidung unerheblich.
VII. Stand der Technik
Die Beschwerdeführerin verweist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auf folgenden Stand der Technik:
D1: Weckx, R. et al, "Slab Caster Revamp at Ugine &
ALZ Genk/Belgium: Innovative Solutions in Project Management and First Operational Results", CCR'04, Linz/Austria, Stainless Steel Session, Paper No. 3.2, Juni 2004;
D1a: Konferenzprogramm CCR'04;
D2: Video: "Slab Caster Revamp at Ugine & ALZ Genk/
Belgium: Innovative Solutions in Project Management and First Operational results",
CCR'04, Linz/Austria (CD);
D2a: Eidesstattliche Versicherung, H. Pennerstorfer,
8. Juli 2016;
D11: Baumann, Hans G., "Stahlstrang-Gießanlagen",
Verlag Stahleisen, 1976; Seiten 233 bis 240, 257 bis 260;
D15: Videomitschnitt der Konferenz CCR'04, Linz/
Austria, Juni 2004;
D16: Eidesstattliche Versicherung von Herrn Paul
Pennerstorfer zu D15, 9. Februar 2018.
In der Beschwerdebegründung verweist die Beschwerdeführerin zusätzlich auf
D17: KR 20030052577 A
D18: Nussdorfer, W. "Water Management in the Iron and
Steel Industry", VAI/Austria, CCR'04, Linz, Austria, June 2004, Workshop - Maintenance and Services - Paper No.14.6, Seiten 1 bis 8;
D19: Tober, W. et al.,"Future-Oriented Pollution
Control", CCC2000, Linz, Austria, June 2000, Services & Systems Session - Paper No. 63, Seiten 1 bis 9.
VIII. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Artikel D1 und das Video D2 beträfen den gleichen Sachverhalt, nämlich den Umbau einer Stranggießanlage in Belgien. Der Videomitschnitt D15 belege, dass in einem Vortrag, der von D1 zusammengefasst werde, auf das Video D2 verwiesen worden sei.
D1 und D2 stellten daher einen gemeinsamen Stand der Technik dar.
Sowohl D1 als auch D2 zeigten ein Stranggießanlage, bei der die Kühlmittelleitungen mittels einer Schnellkupplung angeschlossen würden. Aufgrund der breiten und rein funktionalen Definition des Begriffs "Spannplatte" im Patent stelle eine in D2 im Detail gezeigte Schnellkupplung eine derartige Spannplatte dar.
Bei der in D1 und D2 beschriebenen Anlage seien die komplette Verrohrung und die "valve stands" bereits vormontiert. Daraus folge unmittelbar, dass auch die Ventile für die Sekundarkühlung am Segmentträger vormontiert seien. Der Einwand der Beschwerdegegnerin, wonach es sich bei dem gezeigten Kühlsystem gar nicht um Teile der Sekundärkühlung, sondern vielmehr um Teile der Segmentkühlung handle, sei verspätet vorgebracht und daher nicht zu berücksichtigen.
Ausgehend von D1 bzw. D2 unterscheide sich der Gegenstand von Anspruch 1 nur dadurch, dass die Pumpeneinrichtung abseits des Segmentträgers und des Rollensegmentes in einem Wasserverteilraum angeordnet sei.
Ein derartige Anordnung sei unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens naheliegend, wonach der Einsatz eines Kühlsystem mit einem separaten Pumpenhaus fachüblich sei. Dieses Allgemeinwissen werde jeweils auch von D17 bis D19 reflektiert. Selbst wenn eine in D2 gezeigte Schnellkupplung für den Wasseranschluss nicht unter den Begriff Spannplatte gemäß Anspruch 1 fallen sollte, so sei der alternative Einsatz einer Spannplatte anstelle einer Schnellkupplung für den Fachmann naheliegend.
IX. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Auch wenn D1 und D2 den gleichen Sachverhalt beträfen, handele es sich bei D1 und D2 nichtsdestotrotz um zwei separate Veröffentlichungen, die jeweils einen eigenen Informationsgehalt aufwiesen.
Weder D1 noch D2 offenbare Ventile für die Sekundärkühlung, die vor einer Spannplatte im Bereich des Segmentträgers angeordnet seien. Bei den von der Beschwerdeführerin als Ventile angesehenen Handrädern handele es sich lediglich um Absperrhähne, nicht um Ventile im Sinne des Anspruchs. Ferner werde in D1 und D2 keine Pumpeneinrichtung abseits des Segmentträgers und des Rollensegmentes in einem Wasserverteilraum beschrieben.
Eine räumliche Separierung der Pumpeneinrichtung und der Ventile gemäß Anspruch 1 werde auch durch den weiteren zitierten Stand der Technik D17 bis D19 nicht nahegelegt. Allenfalls befänden sich Ventile und Pumpen gemeinsam im Wasserverteilraum, d.h. in einem Bereich entfernt vom Segmentträger, wie im Patent, Spalte 6, letzter Absatz beschrieben.
1. Anwendbare Verfahrensordnung der Beschwerdekammern
Die Beschwerde ist vor dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) am 1. Januar 2020 eingelegt worden. Entsprechend den in Artikel 25 VOBK 2020 getroffenen Übergangsregelungen ist für am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden die VOBK 2020 ebenso anwendbar wie für danach eingelegte Beschwerden (Artikel 25 (1) VOBK 2020).
2. Zulassung der Dokumente D17 bis D19 - Artikel 25 VOBK 2020, Artikel 12(4) VOBK 2007
Die Dokumente D17 bis D19 wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht und sollen die Argumente der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit stützen und untermauern, wonach der Einsatz eines separaten Pumpenhauses in einer Stranggießanlage im Rahmen des Fachwissens liege. Sie ändern nicht maßgeblich die Argumentation der Beschwerdeführerin im Vergleich zum Vorbringen im Einspruchsverfahren, insbesondere dienen sie nicht dazu, neue Argumentationslinien zu eröffnen.
Die Beschwerdekammer hat daher entschieden, ihr Ermessen nach Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin auszuüben und die Dokumente D17 bis D19 im Verfahren zu berücksichtigen.
3. D1 und D2 als ein gemeinsamer Stand der Technik
3.1 D1 ist ein Artikel zu einem auf der Konferenz CCR'04 gehaltenen Vortrag über das ,,Slab Caster Revamp at UGINE & ALZ Genk/Belgium" und beschreibt den Umbau ("Revamp") der betroffenen Stranggießanlage und die umgebildete Stranggießanlage.
Weiterhin wurde auf der Konferenz CCR'04 ein Video präsentiert, das im Beschwerdeverfahren in Form der D2 vorliegt. In dem Video D2 wird ebenfalls der in D1 beschriebene Umbau einer Stranggießanlage gezeigt und mit gesprochenem und eingeblendetem Text erklärt.
3.2 Auch wenn D1 und D2 den gleichen Sachverhalt betreffen und teilweise identische Bilder zeigen, so stellen doch beide Offenbarungen einen eigenständigen Offenbarungsgehalt parat, da weder D1 auf D2 noch D2 auf D1 verweist. Ein interessierter Fachbesucher der Konferenz CCR'04 hatte somit zwar die Möglichkeit, sowohl die D1 als auch die D2 zur Kenntnis zu nehmen. Daraus folgt allerdings nicht, dass es sich bei einer möglichen Zusammenschau von D1 und D2 um einen einzigen Stand der Technik handelt.
3.3 Diesbezüglich ändert auch das im Verfahren befindliche Video D15 nichts, das die Präsentation zu D1 bei der Konferenz CCR'04 wiedergibt, da darin die während des Vortrags gezeigten Folien nicht erkennbar sind. Der Vortrag als solches beschreibt und zeigt die einzelnen Baugruppen der neuen Strangführungsvorrichtung nicht im Detail, insbesondere zeigt er nicht die genaue Ausgestaltung des Kühlsystems.
Zwischen den Zeitangaben 4:33:00 und 4:33:20 von D15 wird von Herrn Gert Heylen mit den Worten "And as I told you already, a lot of effort was put in an integration test here in Linz of the new caster equipment and a short film will show you how this was handled" auf ein kurzes Video verwiesen, bei dem es sich gemäß der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Pennerstorfer D16 um das Video D2 handelt. Allerdings wurde dieses Video D2 nicht im Rahmen der in D15 wiedergegebenen Präsentation gezeigt.
Da während der von D15 wiedergegebenen Präsentation das Video D2 nicht gezeigt wurde, der Artikel D1 nicht einfach vorgelesen wurde und zudem aus D15 nicht deutlich wird, welche in D1 abgedruckten Figuren konkret während der Präsentation vorgestellt wurden, belegt auch D15 nicht, dass D1 und D2 einen gemeinsamen Stand der Technik bilden.
3.4 Ein Besucher der Fachmesse mag aufgrund der Präsentation gemäß D15 dazu motiviert worden sein, D2 auf dem Messestand anzusehen und mag daher einen Anreiz haben, die Lehre der beiden Informationsquellen D1 bzw. D15 und D2 zu kombinieren. Dies bedeutet aber nicht, dass die in D15 wiedergegebene Präsentation bzw. deren Zusammenfassung D1 und das thematisch zugehörige Video D2 eine einzige Offenbarung darstellen. Diese stellen vielmehr jeweils einen eigenen Stand der Technik dar, die im folgenden hinsichtlich ihres Informationsgehalts auch separat diskutiert werden.
4. Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ -ausgehend von D1 bzw. D2
4.1 Offenbarung in D1
4.1.1 D1 zeigt in dem die Seiten 2 und 3 überbrückenden, eingerahmten Absatz und Figur 5 unstreitig einen Teststand für eine Strangführungsvorrichtung mit Kühlleitungen gemäß den technischen Merkmalen 1 bis 9 des Anspruchs 1.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
4.1.2 Allerdings ist in Figur 5 von D1 ein Einsatz von Spannplatten als Koppelstelle der Kühlleitungen zwischen den Segmentträgern und den Rollensegmenten nicht erkennbar. Auch wird dieser nicht in der zugehörigen Beschreibung in D1 offenbart.
4.1.3 Aus der Bezeichnung "valve stands" in dem die Seiten 2 und 3 überbrückenden, zusammen mit Figur 5 eingerahmten Absatz ist zudem nicht unmittelbar ableitbar, dass Ventile zur Regulierung des Kühlmittels der Sekundärkühlung in Strömungsrichtung vor einer Spannplatte am Segmentträger angebracht sind.
Zwar können in Figur 5 mit einem Handrad manuell betätigbare Absperrhähne identifiziert werden. Dabei handelt es sich allerdings nicht unmittelbar und eindeutig um Ventile zur Regelung der Sekundärkühlung im Sinne von Anspruch 1, sondern es kann sich - wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht - auch lediglich um einfache Absperrhähne für die Leitungen des Sekundärkühlungssystems handeln, die bei Reparatur oder Austausch der Segmente den Wasserfluss unterbrechen. Die Kammer geht hier zu Gunsten der Beschwerdeführerin davon aus, dass die gezeigten Rohrleitungen Teil der Sekundärkühlung sind und nicht, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, Teil der Segmentkühlung. Die Frage, ob der entsprechende Einwand zu berücksichtigen ist, kann daher dahingestellt bleiben.
Die Auslegung der als "valve" bezeichneten Elemente als Absperrhähne steht in Einklang mit der Bedeutung des englischen Begriffs "valve", der nicht nur Ventile, sondern eben auch Absperrhähne umfasst. Zudem ist diese Auslegung auch im technischen Kontext, in dem die Offenbarung von D1 erfolgt, plausibel. D1 betrifft schließlich den Umbau einer bestehenden Stranggießanlage, bei dem die Stillstandzeit minimiert werden soll. Traditionelle Stranggießanlagen weisen, wie im Patent Spalte 6, letzter Absatz, beschrieben, typischerweise einen Wasserverteilraum auf, in dem sich neben den Pumpen auch alle notwendigen Mess- und Regeleinrichtungen für einen Pumpenregelkreis sowie für Kühlzonenregelkreise im Bereich der Strangführungsvorrichtung befinden. Auch die Beschwerdeführerin argumentiert selbst, dass eine Anordnung der Pumpeneinrichtung in einem separaten Wasserverteilraum im Stand der Technik üblich gewesen sei. Ein Hinweis darauf, dass dies bei der ursprünglichen Anlage gemäß D1 nicht der Fall gewesen sein sollte, bzw., dass bei dem Umbau ("Revamp") der Anlage, bei dem die Stillstandzeit der Anlage möglichst kurz gehalten werden sollte, siehe D1, Zusammenfassung, und den Filmabschnitt in D2 zwischen 0:18 min und 0:22 min ("to minimize on-site construction time ...") auch die aufwändige Regelungstechnik und insbesondere die Position der Ventile zur Steuerung des Sekundärkühlmittels geändert wurde, findet sich in D1 nicht. Daher ist es bei fachkundiger Auslegung plausibel, dass die bereits vor dem Umbau bestehende Pumpen- und Ventilanordnung auch weiterhin eingesetzt werden sollte, und es sich bei den erkennbaren Handrädern auch, wie die Beschwerdegegnerin ausgeführt hat, durchaus um einfache Absperrventile handeln kann und keineswegs zwingend um Ventile im Sinne von Anspruch 1 zur Steuerung der Sekundärkühlung.
Diese Verständnis von D1 steht auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen von Herrn Dipl.-Ing. Paul Pennerstorfer in D2a.
Aus der Beschreibung zu Figur 5 von D1, wonach das komplette Kühlrohrleitungssystem zusammen mit "valve stands" an der Strangführungseinrichtung angebracht und getestet wurde, kann daher nicht implizit abgeleitet werden, dass die in D1 genannten "valve stands" Ventile zur Steuerung des Kühlmittels im Sinne des Anspruchs umfassen.
4.1.4 Weiterhin ist weder aus dem Foto der Figur 5 erkennbar noch im zugehörigen Text beschrieben, wo die dafür nötige Pumpeneinrichtung gegebenenfalls untergebracht sein sollte. Auch dies unterstützt nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin.
4.2 Offenbarung in D2
4.2.1 Eine zu D1 entsprechende Offenbarung zeigt unstreitig auch das Video D2.
Das folgende Standbild der D2 lässt in Bezug auf die Verrohrung und die "valve stands" im wesentlichen die gleiche Offenbarung erkennen wie Figur 5 von D1.
Standbild bei 0:43 min Laufzeit von D2
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
4.2.2 In dem Video werden zusätzlich zwischen 0:32 min und 0:36 min Schnellkupplungen gezeigt und auch als solche benannt ("quick couplings"), siehe folgende Standbilder aus D2
bei 0:32 min und 0:35 min:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Bei einer nach Anspruch 1 erforderlichen Spannplatte im Sinne des Patents (siehe Spalte 5, Zeilen 43 bis Spalte 6, Zeile 20) handelt es sich nicht nur um eine beliebige, rein funktional definierte Schnellkupplung zum Ankoppeln der Kühlzonen auf einem Segment an eine Kühlmedienversorgung. Vielmehr definiert der Begriff Spannplatte eine Kupplung in Form zweier Flanschplatten mit Öffnungen/Bohrungen für den Durchtritt des Kühlwassers. Diese Auslegung ergibt sich schon aus dem Begriff "Spannplatte" selbst und wird zudem durch die Ausführungen im Patent von Spalte 5, Zeilen 43 bis Spalte 6, Zeile 20 durchgehend bestätigt.
Die in D2a von Herrn Dipl.-Ing. Paul Pennerstorfer aufgestellte Behauptung, dass D2 Spannplatten zeige, ist daher nicht überzeugend.
4.2.3 Ferner zeigt das oben wiedergegebene Standbild von D2 bei 0:43 min Laufzeit Vorrichtungen, die mittels eines Handrads bedient werden können, und weitere Einbauten, bei denen es sich gemäß dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin, das die Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt hat, beispielsweise um Durchflussmessgeräte handeln kann.
In Analogie zu den Ausführungen in Hinblick auf D1 sind in D2 im Bereich der Segmentträger jedoch nicht unmittelbar und eindeutig Ventile zur Steuerung des Sekundärkühlmittels im Sinne des Anspruchs identifizierbar.
4.2.4 Weiterhin wird auch in D2 unstreitig die Pumpeneinheit nicht gezeigt.
4.3 Unterscheidungsmerkmale
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents unterscheidet sich daher von der jeweiligen Offenbarung der D1 und D2 dadurch, dass
die Pumpeneinrichtung in einem Wasserverteilraum
angeordnet ist und
das mindestens eine Ventil für das Kühlmedium außerhalb des Verteilraums - in Strömungsrichtung des Kühlmediums gesehen - vor der Spannplatte im Bereich des Segmentträgers angeordnet ist und
eine Spannplatte als Koppelstelle der Kühlleitungen zwischen dem Segmentträger und dem Rollensegment eingesetzt wird
(Merkmale 10 bis 12 von Anspruch 1).
4.4 Technische Effekte
Das Patent beschreibt in den Absätzen [0006], [0007] und [0009], dass durch eine Anordnung der Ventile für das Kühlmedium außerhalb des Pumpenhauses und Verteilerraums, nämlich stromaufwärts der Spannplatte, im Bereich des Segmentträgers eine Vereinfachung des konstruktiven Aufwands für die Sekundärkühleinrichtung, eine Verkürzung der Länge der Kühlleitungen und damit eine Verringerung der Reibungs- und Strömungsverluste innerhalb der Kühlzone und dadurch eine präzisere Einstellung der Düseneinrichtungen und damit deren Spritzbilder ermöglicht wird.
4.5 Objektive technische Aufgabe
In Anbetracht der im Patent beschriebenen und nicht bestrittenen technischen Effekte kann die von Anspruch 1 zu lösende Aufgabe daher darin gesehen werden, eine Stranggießanlage mit verbesserter Sekundärkühlung bereitzustellen.
4.6 Naheliegen der Lösung
4.6.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert zwar zutreffend, dass Wasserspannplatten eine dem Fachmann bekannte alternative Form zu den in D2 gezeigten lösbaren Kupplungsstellen für einen Kühlmittelanschluss darstellen, siehe D11, Bild 212 und den in Absatz [0004] des Patents zitierten Stand der Technik. Auch kann der Argumentation der Beschwerdeführerin des Arguments wegen soweit zugestimmt werden, dass der Einsatz der Pumpeneinheit in einem separaten Wasserverteilungsraum eine fachübliche Ausgestaltungsform darstellt. Diese Ansicht wird beispielsweise durch die Ausführungen in D17 (Figur 1), D18 (Figuren 1 und 11) und D19 (Figur 1) zumindest indirekt untermauert. Allerdings offenbart zumindest D17, auch die Ventile im Bereich der Pumpen anzuordnen, und zwar abseits des Segmentträgers (vgl. die Doppeltilde in D17, Figur 1). Die gemeinsame Anordnung der Pumpeneinrichtung und aller notwendigen Mess- und Regeleinrichtung für einen Pumpenregelkreis sowie für Kühlzonenregelkreise in einem Wasserverteilraum ist außerdem auch im Patent für "traditionelle Strangführungsvorrichtungen" beschrieben.
4.6.2 Weder D1 oder D2 noch der weitere zitierte Stand der Technik offenbart, dass durch eine Anordnung der Ventile im Bereich des Segmentträgers und damit außerhalb und getrennt von dem die Pumpeneinheit aufweisenden Wasserverteilungsraum die in den Absätzen [0006], [0007] und [0009] des Patents genannten Vorteile erzielbar sind.
Insbesondere wurde nicht überzeugend dargelegt, worin der Anreiz für einen Fachmann liegen sollte, die in D1 und D2 beschriebene Strangführungsvorrichtung so zu modifizieren, dass die Ventile der Sekundarkühlung und die Pumpeneinheit räumlich voneinander getrennt gemäß den Angaben in Anspruch 1 angeordnet werden sollten. Dies erscheint im Kontext von D1 und D2 auch nicht unmittelbar auf der Hand zu liegen, da bei dem in D1 und D2 beschriebenen Umbau der Stranggießanlage, wie bereits oben erwähnt, die Stillstandzeit möglichst kurz gehalten werden sollte. Ein weiterer Umbau des Sekundärkreislaufs würde von einem Fachmann im Rahmen des in D1 und D2 beschriebenen Umbaus mithin nicht ohne weiteren Anreiz in Betracht gezogen werden, da dies gegebenenfalls zu einer Verlängerung der Stillstandzeit führen könnte.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher ausgehend von D1 oder D2 nicht naheliegend.
4.7 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
5. Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.