T 2122/18 13-01-2021
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Druckluftaufbereitungseinrichtung für ein Nutzfahrzeug
Knorr-Bremse
Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 789 512 in geändertem Umfang eingelegt.
II. In der angefochtenen Entscheidung wird von folgenden Entgegenhaltungen ausgegangen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
D1: DE 10 2006 034 762 B3;
D2a: EP 2 129 566 B1,
D2b: DE 10 2007 013 671 A1 (prioritätsbegründend);
D3: DE 10 2008 031 318 B3;
D4a: EP 2 139 735 B1,
D4b: DE 10 2007 013 672 A1 (prioritätsbegründend).
Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns ein:
D16: "Zeichnungs- und Funktionssymbole -
Grundlehrgang 3" der Firma WABCO
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die geänderten Patentansprüche gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag nach Art. 123 (2) und (3) EPÜ zulässig sind und die Klarheit des Anspruchs 1 anzuerkennen ist. Der Gegenstand von Anspruch 1 wurde als neu gegenüber D4a und gegenüber D1 angesehen. Ein pneumatisches Und-Glied gemäß Anspruch 2 war nach Auffassung der Einspruchsabteilung im Stand der Technik nicht gezeigt. Ausgehend von D1 wurde der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen.
IV. Am 13. Januar 2021 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit Beschwerdeerwiderung vom 8. April 2019 definierten Hilfsanträge 1 bis 14.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet in der Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin wie folgt:
M1.1 Druckluftaufbereitungseinrichtung (1) für ein
Nutzfahrzeug
M1.2.1 mit einem elektrisch angesteuerten Ventil (24),
Ml.2.2 welches sowohl einen Kompressor (6) ansteuert
als auch ein für eine Regeneration und/oder
Druckregelung genutztes Entlüftungsventil (36)
ansteuert,
Ml 3 wobei das Entlüftungsventil sowohl von dem
elektrisch angesteuerten Ventil (24), welches
den Kompressor (6) ansteuert, als auch von einem
weiteren elektrisch angesteuerten Ventil (23)
angesteuert ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
Ml.4 das Entlüftungsventil (36) zwei auf gleichen
Seiten angeordnete Steueranschlüsse (83, 84)
besitzt,
Ml.5 wobei ein Steueranschluss (84) mit dem
elektrisch angesteuerten Ventil (24), welches
den Kompressor (6) ansteuert, verbunden ist und
Ml.6 ein Steueranschluss (83) mit dem weiteren elek-
trisch angesteuerten Ventil (23) verbunden ist.
Anspruch 2 gemäß Hauptantrag lautet in der Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin wie folgt:
M2.1 Druckluftaufbereitungseinrichtung (1) für ein
Nutzfahrzeug
M2.2.1 mit einem elektrisch angesteuerten Ventil (24),
M2.2.2 welches sowohl einen Kompressor (6) ansteuert
als auch ein für eine Regeneration und/oder
Druckregelung genutztes Entlüftungsventil (36)
ansteuert,
M2.3 wobei das Entlüftungsventil sowohl von dem
elektrisch angesteuerten Ventil (24), welches
den Kompressor (6) ansteuert, als auch von einem
weiteren elektrisch angesteuerten Ventil (23)
angesteuert ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M2.4 ein pneumatisches Und-Glied (41) vorhanden ist,
M2.5 von dem ein Eingang (42) mit dem Ventil (24)
verbunden ist und dessen Ausgang (40) das
Entlüftungsventil (36) ansteuert,
M2.6 wobei der andere Eingang (43) des pneumatischen
Und-Glieds (41) mit dem weiteren elektrisch
angesteuerten Ventil (23) verbunden ist.
VI. Das für die vorliegende Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Nachweis des allgemeinen Fachwissens mit D16
D16 (Seite 4, Norm DIN ISO 1219, Ausgabe August 1978) zeige die Ansteuerung eines Ventils über Steuereingänge durch gestrichelte Linien, wie in den Figuren der Druckschriften D1, D3 sowie D4a/D4b offenbart.
Mangelnde Klarheit und unzulässige Erweiterung
Das in Anspruch 1 aus der Figurenbeschreibung aufgenommene Merkmal "auf gleichen Seiten angeordnete" Steueranschlüsse sei unklar, da bei Auslegung anhand Absatz [0060] und Figur 9 nicht ersichtlich sei, ob die Steueranschlüsse des Entlüftungsventils gehäuseseitig gleichseitig (aber z. B. gegenüberliegende Wirkflächen ansteuernd) oder schaltkolbenseitig gleichseitig (aber z. B. gehäuseseitig gegenüberliegend) oder auf sonstige pneumatische Bauteile des Schaltventils bezogen gleichseitig angeordnet seien. Der Wortlaut eines Anspruchs dürfe hinsichtlich der Kategorie keinen Zweifel zulassen (s. Richtlinien für die Prüfung F-IV, 4.1). Anspruch 1 sei ein Vorrichtungsanspruch. Werde darin eine relative Beziehung von Bauteilen zueinander beansprucht, gehe der Fachmann nicht grundsätzlich von einem rein funktionalen Verständnis dieses Merkmal aus.
Diese Konkretisierung in Merkmal M1.4 führe auch zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung des Anspruchs 1 gegenüber dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 9 und zugehörigem Absatz [0060], da die Art der Verbindung zwischen Entlüftungsventil 36 und dem weiteren Ventil 23 nicht als unmittelbare Verbindung spezifiziert sei. Bei der von der Beschwerdegegnerin geforderten funktionalen Auslegung müsse zwingend in den Anspruch aufgenommen werden, dass eine Umschaltung des Entlüftungsventils 36 lediglich erfolge, wenn beide Steueranschlüsse 83, 84 druckbeaufschlagt seien.
Ferner seien die Merkmale M1.5 und M1.6 nicht von den ursprünglichen Unterlagen gestützt, da diese nicht forderten, dass einer der zwei auf der gleichen Seite angeordneten Steueranschlüsse mit dem elektrischen bzw. dem weiteren elektrischen Ventil verbunden seien.
Neuheit - Anspruch 1 des Hauptantrags
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der D1 (Figur 1). Das Druckregler-Magnetventil 51 in D1 diene zur gleichzeitigen Ansteuerung des Kompressor-Steuerausgangs 4 und des Ablassventils 50 über dessen unteren Steuereingang. Das Regenerationsventil 47 sei an eine Steuerleitung angeschlossen, die von einer Abzweigung zwischen diesem Ventil und Rückschlagventil 48 zu einem weiteren (oberen) Steuereingang des Ablassventils 50 führe, sowie an eine Steuerleitung, die an einen weiteren unteren (links von dem direkt mit dem Druckregelventil 51 verbundenen) Steueranschluss des Ablassventils 50 führe. Streitig sei insbesondere Merkmal M1.4, nämlich ob die in Figur 1 der D1 unten links am Ablassventil 50 gestrichelte dritte Linie eine Steuerleitung sei. Diese Steuerleitung diene als Überdrucksicherung und könne einer Steuerungsfunktion zugeordnet werden. Das Ablassventil 50 besitze damit zwei auf gleichen Seiten angeordnete Steueranschlüsse. Dies entnehme der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens (siehe D16, Seite 4, rechte Spalte, zweite Zeile von oben: Steuerkanal als gestrichelte Linie) der genormten Darstellung in Fig. 1 der D1 insbesondere für den weiteren unterhalb angeordneten Steueranschluss.
Auch die Merkmale M1.5 und M1.6 seien in D1 offenbart, da sie nicht forderten, dass einer der Steueranschlüsse aus Merkmal M1.4 (sondern irgendein Steueranschluss) mit dem elektrischen bzw. dem weiteren elektrischen Ventil verbunden sei. Selbst bei einer engen Auslegung seien diese Merkmale durch D1 vorweggenommen, da im Regenerationsmodus eine Regenerationsluft-Verbindung zwischen dem weiteren (unteren, nicht ganz drucklosen) Steueranschluss und dem elektrisch angesteuerten Regenerationsventil 47 entstehe (strukturelle Auslegung von Merkmal M1.6). Der Steueranschluss laut Merkmal M1.6 sei nicht nur bezogen auf die Regeneration definiert und könne auch bei einer Entlüftung Steuerungsaufgaben übernehmen, z. B. das Ablassventil 50 in D1 schließen. Selbst wenn man von einer innenliegenden Steuerleitung ausgehe, wie von der Beschwerdegegnerin mit D16 argumentiert, sei von einer Wirkung in gleicher Richtung wie durch den auf gleicher Seite liegenden Steueranschluss unten auszugehen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neuheitsschädlich vorweggenommen durch D4a und D4b (Figur 1). Ventil 16 diene zur Ansteuerung des Ablassventils 20 und des Energiesparsteuerausgangs 28 zum Kompressor. Das Regenerationsventil 18 diene zur Ansteuerung des zweiten Steuereingangs des Ablassventils 20 über dessen zweiten Steueranschluss während der Regenerationsphase über den Regenerationsluftpfad durch ein entlüftendes Steuersignal. Der Kompressor könne das in D4a und D4b offenbarte Druckbegrenzungsventil auch aktiv ansteuern.
Neuheit - Anspruch 2 des Hauptantrags
D4a/D4b offenbarten auch den Gegenstand des Anspruchs 2 (Figur 2, mit Ausführungen zu Figur 1, siehe Absatz [0026]), da das Förderleitungsabsperrventil 68 als pneumatisches 2/2-Wege-Ventil, also gemäß Lehre des Streitpatents als pneumatisches Und-Glied ausgebildet sei. Dessen Steuereingang 70 sei als Eingang gemäß Merkmal M2.5 aufzufassen, wobei das Ventil 68 während der Regeneration umgeschaltet werde, so dass eine Ansteuerung des Ablassventils 20 erfolge. Während des Regenerationsbetriebs sei der rechte Arbeitsanschluss des Ventils 68 ein Arbeitseingang und mit dem weiteren Magnetsteuerventil 18 verbunden.
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 sei unter Berücksichtigung der Offenbarung der D2a/D2b und der D3 sowie dem allgemeinen Fachwissen (Nachweis gemäß D16) nahegelegt.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Lehre der D2a anhand der Merkmale M1.4 und M1.5. Es stelle sich die objektive technische Aufgabe wie in Absatz [0010] des Streitpatents formuliert. Beim Studium der D2a würde der Fachmann auf Absatz [0046] stoßen, wonach das einstellbare Überdruckventil 5 auch in das Ablassventil 20 integriert sein könne, ohne dass konkrete konstruktive Anleitungen zur Integration zu entnehmen seien. Auf der Suche nach Lösungen stoße der Fachmann auf die D3, die diese Überdruckventilfunktion offenbare (Figur 1 und Absatz [0031]: in genormter Darstellung gestrichelte Steuerleitung 66). Anhand seines allgemeinen Fachwissens (in Form der D16) würde der Fachmann die Funktion der Leitung 66 zweifelsfrei erfassen und in D2a einen dritten Steuereingang neben dem Steuereingang 30 vorsehen, so dass Merkmal M1.4 nahegelegt sei sowie Merkmal M1.5 (über die Verbindung der Steuerleitung mit der Hauptförderleitung und über den Regenerationspfad mit Ventil 16).
Der Gegenstand von Anspruch 2 unterscheide sich von D2a anhand von Merkmal M2.5 dahingehend, dass der Ausgang des Und-Glieds (Figur 2: Regenerationsventileinrichtung 34 in Form eines pneumatischen 2/2-Wege-Ventils) das Entlüftungsventil nicht ansteuere. Wie zu Anspruch 1 vorgetragen würde der Fachmann D2a und D3 kombinieren und in Figur 2 der D2a einen dritten Steuereingang am Ablassventil 20 neben dem Steuereingang 30 zusammen mit der Steuerleitung 66 aus D3 vorsehen. Durch Ansteuerung des Magnetsteuerventils 16 in die nicht in Figur 2 der D2a dargestellte Schaltstellung werde das Ablassventil und die Regenerationsventileinrichtung 34 umgeschaltet und der (gemäß D3 integrierte) dritte Steuereingang entlüftet, was einer Ansteuerung gemäß Merkmal M2.5 entspreche, das keine belüftende Ansteuerung verlange.
VII. Die Beschwerdegegnerin entgegnete dem Vorbringen der Beschwerdeführerin wie folgt:
Klarheit und ursprüngliche Offenbarung
Es gehe nicht um eine konstruktive Gestaltung des Gehäuses des Entlüftungsventils 36 und die Anordnung der pneumatischen Anschlussstecker am Ventilgehäuse. Das Entlüftungsventil 36 sei in der Patentschrift lediglich funktional mittels eines Symbols dargestellt, d. h. der Fachmann werde auch eine funktionale Auslegung des Merkmals M1.4 vornehmen.
Entscheidend für die ursprüngliche Offenbarung des Merkmals M1.4 sei S. 7, Z. 14-20 der eingereichten Anmeldungsunterlagen (vgl. Absatz [0015] der Patentschrift), nicht Absatz [0060] der Patentschrift.
Neuheit - Anspruch 1 des Hauptantrags
Das Ablassventil 50 aus D1 habe zwei unterschiedliche Funktionen: Als Druckbegrenzungsventil wirkend werde der Eingangsanschluss 1 bei Überschreiten des vorgegebenen Maximaldrucks mit der Entlüftung verbunden. Über die elektrische Ansteuerung der Vorsteuerventile 47, 51 könne das Ablassventil auch elektronisch bedarfsgerecht zwischen der in Fig.1 wirksamen Sperrstellung und der Durchlassstellung umgeschaltet werden, wobei bei Umschaltung in die Entlüftungsstellung im Regenerationsbetrieb kein Betrieb des Kompressors erfolge und keine Nutzung der Druckbegrenzungsfunktion stattfinde. Der gedrosselte Regenerationsluftstrom ströme durch das Ablassventil 50 unmittelbar zur Entlüftung 3. Die nicht steuernd wirkende Verbindung des Regenerationsventils mit dem Druckbegrenzungsanschluss des Sperrventils 50 könne nicht als Verbindung des elektrisch angesteuerten Ventils 47 mit einem Steueranschluss angesehen werden. Wie in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten D16 zu Funktionssymbolen zur Ansteuerung gemäß DIN ISO 1219 gezeigt (siehe Seite 4), befinde sich der zum unteren linken Anschluss führende Steuerkanal innerhalb der Einheit, das Druckbegrenzungsventil habe also keinen Steueranschluss - der vermeintliche Steueranschluss sei gleichbedeutend mit dem Versorgungsanschluss. D1 zeige nur zwei Steueranschlüsse oben und unten und keine steuernde Verbindung zwischen Regenerationsventil 47 und Ablassventil 50. Somit sei insbesondere die Merkmalskombination M1.4 bis M1.6 nicht aus D1 bekannt.
Die in D4a, D4b gezeigte passive Steuerfunktion eines Druckbegrenzungsventils durch das Ablassventil 20 stelle keine Ansteuerung des Entlüftungsventils gemäß Merkmal M1.3 dar. Zudem erfolge (wie in D1) keine funktionale Verbindung zwischen Regenerationsventil 18 und der für die passive Steuerung genutzten Leitung 60, womit Merkmale M1.4, M1.6 nicht bekannt seien.
Neuheit - Anspruch 2 des Hauptantrags
In D4a, D4b sei keine Steuerung des Ablassventils 20 durch Regenerationsventil 18 möglich (Merkmal 2.3). Selbst wenn man das Förderleitungsabsperrventil 68 aus Figur 2 als pneumatisches Und-Glied ansehe, sei zudem Merkmal M2.5 im Regenerationsbetrieb nicht gezeigt, da das Ventil 68 sich in Sperrstellung befinde und keine Ansteuerung des Entlüftungsventils 20 möglich sei.
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
Die neue Angriffslinie zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2a sei nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Bei Kombination der Offenbarungen von D2a und D3 ergäbe sich allenfalls eine Ausführungsform wie in D1 gezeigt und damit eine von Anspruch 1 abweichende Lösung.
Dem Angriff auf Anspruch 2 sei die Grundlage dadurch entzogen, dass die Regenerationsventileinrichtung 34 in D2 kein Und-Glied (druckbeaufschlagter Ausgang, wenn beide Eingänge druckbeaufschlagt) gemäß Merkmal M2.4 offenbare. Zudem hätte die Kombination von D2a mit D3 allenfalls zu einer passiven Überströmfunktion in dem Ablassventil 20 gemäß D2a geführt.
1. Berücksichtigung des Dokuments D16
Dokument D16 betrifft die Darstellung von Bremsschemata mittels Zeichnungs- bzw. Funktionssymbolen und verweist u.a. (Seite 1, erster Absatz) auf die DIN ISO 1219, Ausgabe August 1978. Die Kammer berücksichtigt D16 als Nachweis des allgemeinen Fachwissens zum Anmeldetag auf dem einschlägigen Fachgebiet.
Die Beschwerdegegnerin erkennt den Inhalt von D16 als dem Fachmann bekannt an und bezog sich bei Diskussion der Neuheit in der mündlichen Verhandlung gegenüber D1 selbst auf D16.
2. Änderungen Anspruch 1 (Artikel 84 und 123 (2) EPÜ)
2.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Das in Anspruch 1 aus der Figurenbeschreibung aufgenommene Merkmal "auf gleichen Seiten angeordnete" Steueranschlüsse mag nicht klar erkennen lassen, ob es sich auf gehäuseseitig gleichseitig, schaltkolbenseitig gleichseitig oder auf sonstige pneumatische Bauteile des Schaltventils bezogen gleichseitig angeordnete Steueranschlüsse beziehe.
Damit ist dieses Merkmal nach Auffassung der Kammer aber nicht unklar, sondern lediglich breit definiert, was bei Diskussion der Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist. Diese Definition des Merkmals "auf gleichen Seiten ..." beinhaltet dabei nicht nur eine geometrische (topographische) Auslegung, sondern auch eine auf die Funktion bezogene, nämlich dass der Ventilkolben gleichseitig gesteuert wird. Ein funktionales Verständnis eines Merkmals ist auch im Falle eines Vorrichtungsanspruchs nicht ausgeschlossen.
2.2 Der geänderte unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist auch nicht unzulässig erweitert und genügt somit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
Anspruch 1 ist eine Kombination der erteilten Patentansprüche 1 und 2, die bis auf die Korrektur eines Fehlers in Anspruch 1 den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 2 entsprechen, wobei die Steueranschlüsse des Merkmals M1.4 noch zusätzlich spezifiziert wurden als "auf gleichen Seiten angeordnete" Steueranschlüsse. Dieses zusätzliche Merkmal ist - nicht in funktionalem oder strukturellem Zusammenhang mit weiteren Merkmalen - im allgemeinen Teil der ursprünglich eingereichten Beschreibung (siehe Seite 7, Zeile 15: "Für eine Ausgestaltung der Erfindung besitzt das Entlüftungsventil zwei Steuer-anschlüsse, die auf gleichen oder gegenüberliegenden Seiten des Entlüftungsventils angeordnet sein können.") als eine von zwei Alternativen offenbart.
Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Einwand einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung gegenüber der Offenbarung in Absatz [0060] (Seite 25, erster Absatz, der ursprünglich eingereichten Beschreibung) und Figur 9 der Patentschrift ist somit unbeachtlich.
Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Merkmale M1.5 und M1.6 nicht von den ursprünglichen Unterlagen gestützt seien, da sie sich nicht auf die mit Merkmal M1.4 definierten auf der gleichen Seite angeordneten Steueranschlüsse beziehen würden, kann nicht überzeugen. Der geforderte Bezug ist nach Auffassung der Kammer aufgrund der Einleitung von Merkmal M1.5 mittels "wobei" gegeben.
3. Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ)
3.1 Die Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag im Hinblick der Dokumente D1 bzw. D4a/D4b ist anzuerkennen (Artikel 54 (1) EPÜ).
3.2 Die Kammer folgt der angefochtenen Entscheidung darin (siehe Punkt 2.3.2), dass die untere gestrichelte Linie am Ventil 50 links von dem mit dem Druckregelventil 51 verbundenen Steueranschluss, deren Funktion in D1 nicht einmal erwähnt wird, nicht als Steueranschluss des Entlüftungsventils anzusehen ist. Die Neuheit von Anspruch 1 gegenüber D1 ist damit bereits mangels Offenbarung des Merkmals M1.4 in D1 gegeben.
Der Beschwerdeführerin folgend versteht der Fachmann unter den gestrichelt gezeichneten Leitungen in Figur 1 in D1 zwar Steuerleitungen, wie auch durch die D16 belegt (siehe Funktionssymbole der DIN ISO 1219). Wie aber von der Beschwerdegegnerin unter Verweis auf D16 vorgetragen, ist die links unten am Ablassventil 50 gestrichelt gezeichnete dritte Linie nicht als Zuführung zu einem Steueranschluss des Ablassventils 50 im Sinne von Merkmal M1.4 zu verstehen, sondern als eine innerhalb der Ventileinheit ausgebildete Druckbegrenzungsfunktion, welche bei Überschreiten eines vorgegebenen Maximaldrucks den Eingangsanschluss mit der Entlüftung verbindet. Die mit Merkmal M1.4 spezifizierten Steueranschlüsse des Entlüftungsventils sind hingegen als steuernde Anschlüsse zu verstehen, die bei Ansteuerung Eingangs- und Ausgangsanschluss des Ventils zur Entlüftung verbinden (entsprechend der für das Ventil geforderten Entlüftungsfunktion). Selbst wenn man die in D1 nicht erwähnte Funktion der mit dem Ablassventil 50 links unten verbundenen gestrichelten Linie implizit als Druckbegrenzungsfunktion erkennen sollte, ist damit also nach Auffassung der Kammer kein steuernder Anschluss des Entlüftungs-/Ablassventils 50 gezeigt, sondern allenfalls eine weitere Funktion, die dem mit der Druckluftversorgung verbundenen Eingangsanschluss des Ventils 50 zuzuordnen ist.
Nach Auffassung der Kammer sind zudem die Merkmale M1.4 bis M1.6 nicht isoliert voneinander zu betrachten, da aufgrund der einleitenden Formulierung "wobei" in Merkmal M1.5 die mit den Merkmalen M1.5 und M1.6 näher spezifizierten Steueranschlüsse den beiden auf gleichen Seiten angeordneten Steueranschlüssen des Entlüftungsventils aus Merkmal M1.4 entsprechen. Selbst wenn man der Beschwerdeführerin folgt, dass das Ablassventil 50 im Regenerationsmodus zumindest leitungsmäßig mit dem Regenerationsventil 47 in D1 verbunden sei, ist damit immer noch kein Steueranschluss gemäß Merkmal M1.6 (in Verbindung mit Merkmal M1.4) in D1 gezeigt.
3.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist zudem neu gegenüber D4a und D4b, da das in D4a/D4b gezeigte Ablassventil 20 nicht von dem weiteren Ventil 18 ansteuerbar ist, wie im zweiten Teil von Merkmal M1.3 gefordert und in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 2.3.1) festgestellt.
3.4 Damit ist auch das zu Merkmal M1.3 identische Merkmal M2.3 bereits nicht in D4a/D4b offenbart und der Gegenstand von Anspruch 2 neu gegenüber D4a oder D4b. Zudem ist Merkmal 2.5 in D4a/D4b nicht gezeigt, selbst wenn man der Beschwerdeführerin folgt und den rechten Arbeitsanschluss des Förderleitungsabsperrventils 68 in Figur 2 während des Regenerationsbetriebs als Eingang ansieht, da in diesem Betriebsmodus der belüftete Steuereingang 70 das Ventil 68 in die Sperrstellung schaltet und somit gerade keine Ansteuerung des Ablassventils 20 möglich ist.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag wird als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen(Artikel 56 EPÜ), ausgehend von D2a in Kombination mit D3 und dem allgemeinen Fachwissen.
4.2 Der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend führt eine Integration des einstellbaren Überdruckventils aus D2a in das Ablassventil 20, angeregt in D2a und in D3 unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens zu Steuerleitungen (siehe D16) gezeigt, allenfalls zu einer Druckluftaufbereitungseinrichtung mit einem Ablassventil 50 wie in D1 gezeigt, also mit einer vom Versorgungseingang zum Ablassventil 50 unten (neben den Steuereingang 30) geführten gestrichelten Linie. Damit gelangt der Fachmann aus den zur Neuheit gegenüber D1 genannten Gründen bereits nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag.
4.3 Auch die Argumentation der Beschwerdeführerin zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 2 ausgehend von D2a als nächstliegendem Stand der Technik führt zu einem Ablassventil wie in D1 gezeigt. Die Beschwerdeführerin sieht dabei in der in D2a in Figur 2 gezeigten Regenerationsventileinrichtung 34 ein pneumatisches Und-Glied gemäß Merkmal M2.4, das gemäß Streitpatent auch als 2/2-Wege-Ventil ausgebildet sein kann. Bei belüftender Ansteuerung der beiden Eingänge 36, 38 der Regenerationsventileinrichtung 34 wird kein Druck zum Ausgang durchgeschaltet, da der gesperrte Zustand der Regenerationsventileinrichtung 34 erhalten bleibt (siehe D2a, Absatz [0054]), d. h. bei dieser Betrachtungsweise ist kein Und-Glied und somit Merkmal M2.4 nicht gezeigt. Aber auch wenn man nur die Ansteuerung durch das Magnetsteuerventil 16 betrachtet, mittels der die Regenerationsventileinrichtung 34 und das Ablassventil 20 in D2a umgeschaltet werden, so ist (nachdem das Ablassventil 20 gemäß D3 modifiziert, also wie in D1 gezeigt ausgebildet wurde) weiterhin kein steuernder Anschluss des Entlüftungs-/Ablassventils 50 realisiert, wie bereits bei Diskussion der Neuheit von Anspruch 1 gegenüber D1 dargelegt. Die mit der Förderleitung verbundene Steuerleitung (66 aus D3) entlüftet im Regenerationsmodus und ermöglicht damit keine Ansteuerung des Entlüftungsventils, wie nach Auffassung der Kammer mit Merkmal M2.5 gefordert.
5. Vor diesem Hintergrund kann die Frage der Zulassung der erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Angriffslinie mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D2a dahingestellt bleiben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.