T 2222/18 07-04-2021
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Trommelmotor für lärmempfindliche Umgebung
Entscheidung im schrifltichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung - (ja)
Klarheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 14 193 334.1 form- und fristgemäß Beschwerde eingelegt.
II. Folgende Dokumente wurden in der angefochtenen Entscheidung erwähnt:
D1: DE 10 2006 049327
D2: WO 2004/045995 A1
D3: DE 20 2012 005380 U1
D4: DE 101 46 138 A1
D5: US 6 183 368 B1
D6: JP 2006 250275 A
D7: US 2008/035414 A1
D8: CN 202251508 U
D9: CN 103 343 783 A
D10: US 2011/062000 A1.
III. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass keiner der vorgelegten Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 1-5) die Erfordernisse des EPÜ erfüllte, und zwar wegen mangelnder Klarheit und/oder mangelnder erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Lehre der D3 und unter Berücksichtigung der Lehre der D1.
IV. Nachdem die Beschwerdeführerin zunächst eine Patenterteilung auf der Basis eines der mit der Beschwerdebegründung als Hauptantrag und als Hilfsanträge 1 bis 6 eingereichten Anspruchssätze begehrte, beschränkte sie dieses Begehren in Reaktion auf eine telefonische Rücksprache mit dem Berichterstatter (siehe Vermerk vom 28. Juli 2020) schließlich auf den Hilfsantrag 1 als neuen Hauptantrag und beantragte mit Schriftsatz vom 13. August 2020
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
die Erteilung eines Patents auf Grundlage des
mit der Beschwerdebegründung vom 15. Juni 2015 als
Hilfsantrag 1 eingereichten Anspruchssatzes sowie
nebst der mit Schriftsatz vom 13. August 2020
eingereichten geänderten Beschreibung nach
Hauptantrag und den Zeichnungen.
V. Anspruch 1 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag sind von der Kammer hervorgehoben):
"Fördereinrichtung, umfassend:
- Eine Achse, die sich entlang einer Längsachse erstreckt,
- Einen Trommelkörper, der auf der Achse drehbar um die Längsachse gelagert ist,
- Eine Antriebseinheit mit einem elektrischen Antriebsmotor, die innerhalb des Trommelkörpers angeordnet ist und der einen Rotor und einen Stator umfasst, [deleted: wobei einer von] der Rotor [deleted: und Stator] mit einer um eine Antriebsachse drehbar gelagerten Antriebsausgangswelle drehmomentfest gekoppelt ist und der[deleted: ]andere von Rotor und Stator eine Drehmomentstütze darstellt und mit der Achse drehmomentfest gekoppelt ist,
- Ein Verbindungselement, das innerhalb des Trommelkörpers angeordnet ist und drehmomentfest mit dem Trommelkörper und der Antriebsausgangswelle des Antriebsmotors gekoppelt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
zwischen die Drehmomentstütze und die Achse eine erste biegeelastische Kupplung eingesetzt ist, und dass zwischen die Antriebsausgangswelle und den Trommelkörper eine zweite biegeelastische Kupplung eingesetzt ist."
1. Verfahrensaspekte
Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020 unter Wahrung der Verfahrensrechte der Verfahrensbeteiligten nach Artikel 113 und 116 EPÜ.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113 (1) EPÜ ist uneingeschränkt beachtet, da die Beschwerdeführerin umfangreich zur Sache vorgetragen und die Kammer diesen Vortrag in ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Der von der Beschwerdeführerin hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 (1) EPÜ steht unter der Bedingung, dass die Kammer nicht schon ihrem einzigen Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents auf der Basis eines des Anspruchssatzes gemäß dem Hilfsantrag 1 stattgibt. Somit wird der vorgenannte Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung verfahrensrechtlich nicht wirksam.
2. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Die Klarheitsbeanstandungen der Prüfungsabteilung gegenüber dem Anspruch 1 nach dem damaligen Hauptantrag (und nach einigen der damaligen Hilfsanträge) richteten sich zum einen gegen den Ausdruck "biegeelastische Kupplung" und zum anderen gegen die wahlweise Anbindung von Rotor oder Stator mit der Drehmomentsstütze (siehe Punkte 12.1.1 bis 12.1.4 der angefochtenen Entscheidung).
2.1 Biegeelastische Kupplung
Eine Kupplung gilt als "biegeelastisch", wenn diese sich bei Biegemomenten, die in Richtungen quer zu der Drehachse wirken, verformt.
Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin an (siehe Punkt 4.a) der Beschwerdebegründung), dass das Adjektiv "biegeelastisch" im Kontext des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ohne weiteres vom Fachmann verstanden werden kann und keine vom fachüblichen Verständnis abweichende Bedeutung hat.
Für den Fachmann ist klar, dass sich die Kupplung elastisch gegenüber Biegebeanspruchungen verhält, wobei die aus dem Kontext des Anspruchs resultierenden Torsionsbeanspruchung keine solchen Biegebeanspruchungen darstellen, siehe Seite 5, zweiter vollständiger Absatz der Beschreibung.
Das Merkmal "biegeelastische Kupplung" ist somit klar.
Weder Artikel 84 EPÜ noch die Prüfungsrichtlinien schreiben vor, dass dann, wenn - wie vorliegend - eine Beschreibungspassage ein bereits für sich genommen klares Merkmal in einem Patentanspruch näher definiert, diese Definition aus Klarheitsgründen in den Patentanspruch aufzunehmen ist.
2.2 Rotor oder Stator
Die Prüfungsabteilung befand, dass die Formulierung "einer von Rotor und Stator[. .. ] und der andere von Rotor und Stator[. .. ]" unklar war, weil logischerweise das sich drehende Teil des Antriebs (der Rotor) mit der Ausgangswelle drehmomentfest gekoppelt sein müsste, und der Stator müsste mit der Drehmomentstütze gekoppelt sein (siehe Punkt 12.1.6 der angefochtenen Entscheidung).
Das Gegenteil stehe im Widerspruch mit dem was der Fachmann als Rotor und Stator verstünde.
Der Gegenstand des nunmehr zur Entscheidung stehenden Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 wurde dahin gehend klargestellt, dass die Möglichkeit einer Kopplung des Rotors mit der Drehmomentstütze entfernt wurde.
Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind somit als erfüllt zu betrachten.
3. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Unterscheidungsmerkmale gegenüber D3
3.1.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet zutreffend die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, derzufolge der Gegenstand des Anspruchs 1 des damaligen Hauptantrags sich von der aus D3 bekannten Fördereinrichtung nur dadurch unterscheidet, dass zwischen die Drehmomentstütze und die Achse eine erste biegeelastische Kupplung eingesetzt ist (siehe Punkt 12.2.3 der angefochtenen Entscheidung und Punkt 5.a) der Beschwerdebegründung).
D3 offenbart keine biegeelastische Kupplung.
D3 lehrt (siehe Absatz [0024]), dass zur Geräuschreduktion ein elastomeres Kupplungselement in der Spannbuchse anwesend ist, so dass dadurch eine Drehmomentübertragung mit Ruckdämpfung ermöglicht wird.
D3 offenbart somit lediglich eine Elastizität der Kupplung in Bezug auf die Drehmomentübertragung, also in Bezug auf das Torsionsmoment, und keine Kupplung, die sich bei Biegemomenten, die in Richtungen quer zu der Drehachse wirken, verformt.
D3 schließt eigentlich jegliche solche Verformung aus, weil das Dokument lehrt, dass, um eine Geräuschverringerung zu erreichen, das Wichtigste eine Kupplung (die Spannbuchse) ist, welche die Koaxialität verbessert (siehe [0006], [0007], [0009]).
3.1.2 Der Gegenstand des zur Entscheidung stehenden Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von der Fördereinrichtung gemäß D3 durch seine kennzeichnenden Merkmale, nämlich dadurch, dass
zwischen die Drehmomentstütze und die Achse eine erste biegeelastische Kupplung eingesetzt ist, und dass zwischen die Antriebsausgangswelle und den Trommelkörper eine zweite biegeelastische Kupplung eingesetzt ist.
3.2 Unterscheidungsmerkmale gegenüber D1
3.2.1 D1 offenbart eine Fördereinrichtung, umfassend:
- eine Achse (6a, siehe Figur 5), die sich entlang einer Längsachse erstreckt,
- einen Trommelkörper (5), der auf der Achse drehbar um die Längsachse (6a, ) gelagert ist ([0043], siehe Figur 5),
- eine Antriebseinheit (2) mit einem elektrischen Antriebsmotor, die innerhalb des Trommelkörpers angeordnet ist und der einen Rotor (4) und einen Stator (3, siehe [0033]) umfasst, wobei der Stator eine Drehmomentstütze darstellt und mit der Achse (6a) drehmomentfest gekoppelt ist.
Figur 5 zeigt auch, dass zwischen der Drehmomentstütze (6a) und der Achse (6b) eine Klauenkupplung (8) eingesetzt ist.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass durch die in D1 verwendete Klauenkopplung keine biegeelastische Kupplung zwischen der Antriebsausgangswelle und den Trommelkörper offenbart sei.
Die Kammer kann sich diesem Verständnis nicht anschließen, weil eine Klauenkopplung in der Lage ist, bei Drehmomenten, die in Richtungen quer zu der Drehachse wirken, nachzugeben, so dass sie ist somit als biegelastisch zu betrachten ist.
3.2.2 Weil aber D1 einen Außenläufermotor (2) offenbart, ist der Rotor (4) mit dem Trommelkörper verbunden (5), und nicht, wie beansprucht, an einer um eine Antriebsachse drehbar gelagerten Antriebsausgangswelle drehmomentfest gekoppelt.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Struktur des Antriebs, ergeben sich weitere Unterschiede, nämlich
dass ein Verbindungselement (14, siehe [0043]), das innerhalb des Trommelkörpers angeordnet ist und drehmomentfest mit dem Trommelkörper (5) und dem Rotor (4) des Antriebsmotors gekoppelt ist, was eine elastische Kupplung realisiert.
D1 offenbart somit nicht, dass zwischen einer Antriebsausgangswelle und dem Trommelkörper eine zweite biegeelastische Kupplung eingesetzt ist.
3.3 Nächstliegender Stand der Technik
Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass das Dokument D3, in dem ein Innenläufermotor mit einer Antriebsausgangswelle identifizierbar ist, strukturell näher zum Gegenstand des Anspruchs 1 kommt als die Fördereinrichtung gemäß D1, bei der ein Außenläufermotor den Trommelkörper direkt antreibt.
3.4 Wirkung - zu lösende Aufgabe
Die Unterscheidungsmerkmale gegenüber D3 bewirken, dass die Antriebseinheit weniger mit Kräften beansprucht wird, die aufgrund fertigungsbedingter Toleranzen oder aufgrund den im Betrieb der Fördereinrichtung auftretenden Belastungen entstehen (siehe Seite 6, Zeilen 17-22 der ursprünglichen Beschreibung).
Die zu lösende Aufgabe bleibt somit, ausgehend von der Fördereinrichtung gemäß D3, die Geräuschentwicklung im Betrieb zu reduzieren (siehe Punkt 12.2.4 der angefochtenen Entscheidung).
3.5 Diskussion der erfinderischen Tätigkeit
Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann ausgehend von D3, die Klauenkupplung der D1 zur Geräuschreduktion nicht zurate gezogen hätte, weil die Verwendung einer solchen biegelastische Kupplung gegen die Grundidee der D3 gerichtet wäre, eine Geräuschverringerung durch eine verbesserte Koaxialität zu erreichen (siehe [0006], [0007], [0009]).
Hinzu kommt, dass, weil weder D3 noch D1 das Merkmal offenbaren, dass zwischen einer Antriebsausgangswelle und dem Trommelkörper eine biegeelastische Kupplung eingesetzt ist (siehe oben, die Punkte 3.1.2 und 3.2.2) , eine Kombination der Lehren der D3 und der D1 die erfinderische Tätigkeit auch nicht infrage stellte.
D2 lehrt diese Merkmale auch nicht, sondern offenbart eine biegeelastische Geräuschminderungsvorrichtung zwischen Antriebsausgangswelle und Stator (siehe Figur 1 und Anspruch 1).
D5, D6, D7, D8, D9 beschreiben biegeelastische Kupplungen, haben aber keinen Bezug zur Fördertechnik.
D4 und D10 betreffen zwar die Fördertechnik, lehren aber nicht, dass zur Geräuschreduktion zwischen Antriebsausgangswelle und Trommelkörper eine biegeelastische Kupplung eingesetzt werden sollte (siehe D10, Absätze [0006] und [0007]; D4 Absätze [0024] und [0025]).
Es liegt somit eine erfinderische Tätigkeit vor, weil, wie die Beschwerdeführerin zutreffend bemerkt hat, dem Fachmann im im Prüfungsverfahren diskutierten Stand der Technik keine Lehre zur Verfügung stand, eine Reduzierung des Geräuschs durch eine beidseitige Entkopplung, also im Bereich zwischen Abtriebswelle und Trommelkörper einerseits und im Bereich zwischen Drehmomentstütze und Achse andererseits, zu erreichen.
4. Ergebnis
Mithin hat die Beschwerdeführerin in überzeugender Weise gezeigt, dass die in der angefochtene Entscheidung getroffenen Feststellungen nicht einer Patenterteilung auf der Basis des nunmehr zur Entscheidung gestellten Antrages entgegen stehen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten 1 bis 16, eingereicht mit Schriftsatz vom
13. August 2020
Ansprüche:
Nr. 1 bis 15, eingereicht als Hilfsantrags 1 mit
der Beschwerdebegründung vom
15. Juni 2018.
Zeichnungen:
Blätter 1/2-2/2, eingereicht mit Schriftsatz vom
13. August 2020.