T 2389/18 21-04-2021
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HARZVERNETZUNG VON KAUTSCHUKEN
Zulassung von Dokumenten
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und erster Hilfsantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - zweiter Hilfsantrag (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 20. Juli 2018 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent Nr. 2 871 212 widerrufen wurde.
II. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung beruhte auf den erteilten Ansprüchen und auf dem während der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2018 eingereichten Hilfsantrag 1.
Anspruch 1 wie erteilt lautete wie folgt:
"1. Kautschukzusammensetzung, umfassend:
einen Kautschuk,
ein Butylphenol-Formaldehyd-Harz als Vernetzungsmittel, und
ein Aktivierungssystem;
wobei das Aktivierungssystem umfasst:
- Zinkoxid,
- ein chloriertes Polymer und
- 2 bis 6 phr einer C6-24 Carbonsäure".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterschied sich von Anspruch 1 des Hauptantrags, indem die Menge an Zinkoxid mit 1 bis 6 phr spezifiziert wurde.
III. Folgende Dokumente wurden unter anderem in der Entscheidung zitiert:
D1: EP 2 441 797 A1
D2: US 2009/005509 A1
D6: EP 0 230 212 A2
D8: US 3 008 915 A
D9: DE 12 85 731 B
D11: DE 36 50 140 T2
IV. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, soweit relevant für die vorliegende Beschwerde, kann wie folgt zusammengefasst werden:
- Anspruch 1 des Hauptantrags sei ausreichend offenbart und neu gegenüber D1, D2 und D8. Insbesondere offenbare D8 zwar die Verwendung eines Butyl-Phenol-Formaldehyd-Harzes als meta substituiertes Polymethylol-Phenol-Harz, die Menge an Carbonsäure von 2-6 phr sei jedoch innerhalb des offenbarten Bereiches auszuwählen, um den Gegenstand des Anspruchs 1 zu erhalten.
- D8 sei der nächstliegende Stand der Technik. Einziger Unterschied gegenüber dessen Beispiel 1 sei die Menge an Carbonsäure. Gegenüber D8 sei kein eindeutiger Effekt über den gesamten beanspruchten Bereich aufgezeigt worden, weder im Hinblick auf die Eignung für Trinkwasseranwendungen, noch auf die Druckverformungsrest und Vernetzungsgeschwindigkeit und -grad.
- Ausgehend vom Beispiel 1 der D8 sei deshalb die Aufgabe des Streitpatents die Bereitstellung einer alternativen Lösung zur Kautschukvernetzung mithilfe von Harzen. Die erfindungsgemäße Zusammensetzung ergebe sich auf naheliegende Weise ausgehend von D8. Die jeweiligen Komponenten seien in D8 genannt und deren Mengenangaben willkürlich ausgewählt worden. Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher nicht erfinderisch gegenüber D8.
- Der Hilfsantrag 1 sei ausreichend offenbart, neu und finde eine Basis in der ursprüngliche Anmeldung. Die Begrenzung der Menge an Zinkoxid in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 könne keine erfinderische Tätigkeit herstellen, da die Menge von 1 bis 6 phr Zinkoxid, innerhalb des in D8 offenbarten Bereiches voll enthalten sei. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei daher nicht erfinderisch.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und reichte mit der Beschwerdebegründung elf Anspruchssätze als Hilfsanträge 1-11, sowie die Dokumente BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B ein.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterschied sich von Anspruch 1 wie erteilt dadurch, dass der Kautschuck "ein Ethylen-Propylen-Dien Kautschuk (EPDM), ein Butylkautschuk (IIR), ein chlorierter Butylkautschuk (CIIR), ein bromierter
Butylkautschuk (BIIR) oder ein Gemisch davon ist".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterschied sich von Anspruch 1 wie erteilt dadurch, dass der Kautschuck "ein Ethylen-Propylen-Dien Kautschuk (EPDM) ist".
VI. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) reichte mit der Beschwerdeerwiderung unter anderem die Dokumente D13 (EP 722850 A1) und D14 (WO 2007/043082 A2) ein.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 27. November 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.
VIII. Mit Schreiben vom 12. März 2021 reichte die Beschwerdegegnerin unter anderem das Dokument DE 10 2011 053695 A1 (D19) ein.
IX. Die mündliche Verhandlung, die im Hinblick auf entsprechende Anträge der Parteien anberaumt worden war, fand am 21 April 2021 statt.
X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung von Dokumenten
- BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B seien ins Verfahren zuzulassen. Bei der Anlage BS02 handele es sich um die eidesstattliche Versicherung von Herrn Albrecht. Die Anlagen BS03A und BS03B stellten Prüfberichte des Hygiene-Instituts des Ruhrgebiets vom 12. November 2014 bzw. 17. Februar 2015 zu den untersuchten Produkten mit der Kennung "50NL110/40" bzw. mit der Kennung "50ML276/60" dar, auf die Herr Albrecht in seiner eidesstattlichen Versicherung Bezug nehme. Diese Dokumente zeigten, dass die erfindungsgemäßen Kautschukzusammensetzungen unter für die industrielle Produktion geeigneten Bedingungen, zu vulkanisierten Kautschukprodukten führten, die aus umwelthygienischer Sicht unproblematisch für Trinkwasseranwendungen seien und selbst bei einer Lagerung in Wasser bei 85°C nach 2 Tagen wie auch nach 10 Tagen zu in Wasser abgegebene Mengen an Zink, Formaldehyd, primären aromatischen Aminen, sekundären Aminen, tert-Butylphenol und Xylol Konzentrationen führten, die jeweils um Größenordnungen unterhalb der durch die Elastomerleitlinie 2011 vorgegebenen Richtwerte lagen. Die Beibringung der Dokumente BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B sei allein durch die schriftliche Entscheidung der Einspruchsabteilung, gegen die sich die vorliegende Beschwerde richte, veranlasst worden. Diese Dokumente seien, wie bereits mit der Beschwerdebegründung dargelegt, geeignet, um umfassend prüfen zu können, ob die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich richtig sei.
- Das Dokument D13 sei wegen verspäteten Vorbringens nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Keines der in D8 nicht unmittelbar und eindeutig offenbarten Merkmale gehe aus Dokument D13 hervor. Auch sei der Einsatz dieser fehlenden Merkmale durch Dokument D13 in keiner Weise angeregt. Schließlich sei nicht einmal die dem Dokument D13 zugrunde liegende Aufgabenstellung mit der Aufgabenstellung des Dokuments D8, und auch nicht mit der der vorliegenden Erfindung in Einklang zu bringen. D13 sei somit nicht relevant.
- D14 sei wegen verspäteten Vorbringens nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Insbesondere Beispiel 3 der D14, das von der Beschwerdegegnerin für relevant gehalten sei, beschreibe eine Kautschukzusammensetzung, die ohne Zinkoxid, und auch ohne eine C6-24 Carbonsäure sowie ohne einen Butylphenol Formaldehyd-Harz sei. Überdies sei in D14 Stearinsäure wie schon in den bereits im Verfahren befindlichen Dokumenten erneut nur als allgemeine Additivkomponente erwähnt. D14 sei somit auch nicht relevant.
- D19 zeige, dass die Werte für den Druckverformungsrest der Kautschukzusammensetzungen gemäß Streitpatent signifikant unterhalb derjenigen Werte lägen, die regelmäßig auch von der Beschwerdegegnerin als hinreichend für Kautschukprodukte angesehen worden seien. D19 sei relevant für die Frage der erfinderischen Tätigkeit und deshalb zuzulassen.
Erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags
- Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich von der Kautschukzusammensetzung des Beispiels 1 der D8 dadurch, dass das Vernetzungsmittel kein Butylphenol-Formaldehyd Harz sei und die Menge an Stearinsäure (0,5 phr) nicht im beanspruchten Bereich von 2 bis 6 phr sei. Auch sei im Beispiel 1 von D8 ein Aktivierungssystem nicht erwähnt.
- Die Beispiele des Streitpatents und die Dokumente BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B zeigten, dass die Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents sich durch eine verbesserte Vernetzungsausbeute und eine verbesserte Vernetzungsgeschwindigkeit auszeichneten und zu Produkten führten, die eine hinreichende Härte und eine reversible Verformbarkeit hätten und die für Trinkwasseranwendungen und eine industrielle Fertigung geeignet seien. Dies sei auch durch das verbesserte Reiß-/Zugdehnungsverhalten sowie durch die niedrige Druckverformungsreste zu sehen. Der Vergleich von Beispiel 1 der D8 mit den Beispielen des Streitpatents zeige, dass die Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags eine verbesserte Zugdehnung besäßen. Die Aufgabe sei somit die Bereitstellung einer Kautschukzusammensetzung, die zur Gegenstände mit verbesserten mechanischen Eigenschaften führe.
- D8 führe nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags. Insbesondere betreffe D8 eine andere Anwendung als die Trinkwasseranwendung des Streitpatents. Dies sei unter anderem bei der Stearinsäure zu sehen, die in D8 als Antihaftmittel verwendet sei. Die Verwendung solche Additive sei in den Beispiele der D8 nur in kleinen Mengen von 0,5 phr gelehrt. Eine höhere Menge Stearinsäure sei in den Produkten von D8 unvorteilhaft. Darüber hinaus lehre D8 in den Beispielen den Einsatz von spezifischen Harzen als Vernetzungsmittel, die in Meta-Position mit Pentadecyl substituiert seien. Diese Lehre deute nicht auf die Butylphenole gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. D8 lehre auch nicht die Verwendung von einem Harz gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags in Verbindung mit 2 bis 6 phr Stearinsäure. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei somit erfinderisch gegenüber D8.
Zulassung der Hilfsanträge 1-11
- Die Hilfsanträge 1-11 stellten eine direkte Reaktion auf die schriftliche Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung dar. Vor der mündlichen Verhandlung fehlte es an einer konkreten Veranlassung für derartige Hilfsanträge. Die Einspruchsabteilung hatte auch mit ihrer mit der Ladung übermittelten vorläufigen Meinung ausdrücklich offengelassen, wie sie sich zur erfinderischen Tätigkeit stellen werde. In der vorläufigen Meinung seien in Bezug auf die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit weder die Vernetzungsausbeuten noch die Vernetzungsgeschwindigkeiten angesprochen worden. Die Patentinhaberin sei auch in der mündlichen Verhandlung erstmals mit einer Beweislastumkehr konfrontiert worden. Eine diesbezügliche Begründung lieferte die Einspruchsabteilung erst mit ihrer schriftlichen Entscheidung. Eine adäquate Reaktion auf das Vorbringen der Einspruchsabteilung auch hinsichtlich der für die Verteidigung des angegriffenen Patents zu verfolgenden Hilfsanträge sei erst mit der Beschwerdebegründung möglich gewesen. Die Hilfsanträge 1-11 seien somit zuzulassen.
Erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 1
- In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 1 gälten dieselben Argumente wie für den Hauptantrag. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei daher erfinderisch gegenüber D8.
Erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 2
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheide sich von Anspruch 1 des Hauptantrags, indem Ethylen-Propylen-Dien Kautschuke (EPDM) als Kautschuk definiert sei. D8 führe weg von der Verwendung von nicht halogenierten Kautschuken wie Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk. Somit könne D8 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sei daher erfinderisch gegenüber D8.
XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung von Dokumenten
- BS02, BS03A und BS03B seien nicht ins Verfahren zuzulassen. Diese Dokumente hätten von der Beschwerdeführerin bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt werden können und müssen, denn spätestens seit der Eingabe der Einsprechenden vom 29. November 2016 (vgl. hier Seite 11 zur Trinkwasseranwendung) sei der Beschwerdeführerin bekannt gewesen, dass eine der Beanstandung der Einsprechenden die fehlenden Geeignetheit der beanspruchten Kautschukmischungen nach Anspruch 1 des widerrufenen Patents für Trinkwasseranwendungen betreffe. Dies gelte auch, weil eine entsprechende Erklärung von Herrn Albrecht, welcher nach eigener Aussage bereits seit dem 1. Juli 2012 bei der Patentinhaberin angestellt sei, zweifellos bereits vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hätte gemacht werden können.
- D13 sei für den Fall eingereicht, dass die Beschwerdekammer der Meinung wäre, dass eine Menge an Carbonsäure von 2 bis 6 phr nicht aus D8 oder dem Wissen der fachkundigen Person abgeleitet werden könne. Die Kombination des Beispiels 1 des Dokuments D8 mit der Lehre des Dokuments D13 sei relevant für die erfinderische Tätigkeit. D13 sei auch als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht worden und sei somit zuzulassen.
- D14 sei für den Fall eingereicht, dass die Beschwerdekammer beispielsweise aufgrund einer anderen Aufgabenstellung oder aufgrund eines Hilfsantrages das Dokument D8 nicht als geeigneten nächstliegenden Stand der Technik erachten sollte. D14 sei auch als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht worden und sei somit zuzulassen.
- Das Dokument D19 sei von der Beschwerdeführerin sehr spät eingereicht worden und sei auch nicht relevant. Dieses Dokuments sei nicht ins Verfahren zuzulassen.
Erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags
- Im Beispiel 1 der D8 sei das Harz lediglich als meta-substituiertes Polymethylolphenolharz definiert. In der Spalte 3 der D8 sei weiter offenbart, das ein solches Harz auf Butylphenol basieren könne. Ausgehend vom Beispiel 1 der D8 sei somit das einzige unterscheidende Merkmal mit dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags die Verwendung einer höheren Menge an Stearinsäure.
- Das Streitpatent zeige keinen Effekt für diesen Unterschied. Es werde auch anhand der Dokumente BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B nicht gezeigt, dass die Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sich für Trinkwasseranwendungen eigneten. Insbesondere umfasse der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags auch solche Kautschukmischungen, welche toxikologisch bedenkliche Stoffe enthielten, da eine entsprechende Einschränkung fehle. Somit sei die Aufgabe ausgehend von D8 die Bereitstellung von alternativen Kautschukzusammensetzungen.
- D8 offenbare schon eine mögliche Menge an Stearinsäure von 0,25 bis 10 phr, sodass der in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Bereich von 2 bis 6 phr nahegelegt sei. Es sei auch unwichtig, ob Stearinsäure in D8 als Antihaftmittel verwendet sei oder nicht. Anspruch 1 des Hauptantrags sei somit nicht erfinderisch gegenüber D8.
Zulassung der Hilfsanträge 1-11
- Die Beschwerdeführerin sei schon zu Beginn des Einspruchsverfahrens in Kenntnis der von den Einsprechenden erhobenen Einwände gewesen und hätte somit in der Erwiderung zum Einspruchsschriftsatz weitere Hilfsanträge einreichen können. Die Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit seien auch im Einspruchsverfahren hinreichend diskutiert worden. Deshalb hätte die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 1-11 schon in erstinstanzlichem Verfahren einreichen sollen. Somit sei das Verhalten der Beschwerdeführerin, nun im Beschwerdeverfahren weitere Hilfsanträge zu stellen, eventuell als Versuch zu werten, das Einspruchsverfahren neu aufzurollen. Die Hilfsanträge 1 bis 11 seien von der Beschwerdeführerin somit verspätet vorgebracht worden und nicht ins Verfahren zuzulassen.
Erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 1
- In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 1 gälten dieselben Argumente wie für den Hauptantrag. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei daher nicht erfinderisch gegenüber D8.
Erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 2
- Es sei kein weiterer Effekt für die Verwendung von EPDM im Streitpatent offenbart. Die Aufgabe ausgehend von D8 als nächstliegender Stand der Technik sei somit noch die Bereitstellung alternativer Kautschukzusammensetzungen. Ausgehend von D8 sei die Frage zu beantworten, ob die zusätzliche Verwendung von EPDM in der Kautschukzusammensetzung naheliegend sei. Die Verwendung von EPDM in Kautschukzusammensetzungen für Trinkwasseranwendungen sei in BS01A schon beschrieben. Die Verwendung von EPDM in vernetzbaren Kautschukzusammensetzungen sei außerdem aus D1 schon bekannt. Anspruch 1 des Hilfsantrag 2 sei somit nicht erfinderisch.
XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang (Hauptantrag) oder hilfsweise auf Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 11, die mit der Beschwerdebegründung vom 20. November 2018 eingereicht wurden.
XIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Zulassung von Dokumenten
1.1 Das vorliegende Verfahren wird durch die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) geregelt, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 24 und 25(1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12(4) bis (6) VOBK 2020 anstelle dessen Artikel 12(4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar bleibt (Artikel 25(2) VOBK 2020).
1.2 BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht, um die Eignung der Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 für Trinkwasseranwendungen zu bestätigen. Die Begründung in Punkt 17.3 der angefochtenen Entscheidung lautete, dass die Eignung der Kautschukzusammensetzungen für Trinkwasseranwendungen nicht über die gesamte Anspruchsbreite gezeigt worden sei und somit nicht als eine besondere vorteilhafte Eigenschaft gegenüber den nächstliegenden Stand der Technik D8 zu sehen sei. Entgegen der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin wurde diese Eignung nicht schon in ihrer Eingabe vom 29. November 2016 in Frage gestellt, insbesondere nicht auf deren Seite 11, sondern frühestens in der mündlichen Verhandlung und dann in der Entscheidung ausführlich diskutiert. BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B sind deshalb als unmittelbare und verhältnismäßige Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu sehen und unter solchen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, dass die Kammer ihre Befugnis unter Artikel 12(4) VOBK 2007 dahingehend ausübt, diese Dokumente nicht in das Verfahren zuzulassen.
1.3 D13 wurde mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht und wird als Kombinationsdokument mit D8 verwendet (Punkt 4.5.2.2, Seite 22 der Beschwerdeerwiderung). D13 soll zeigen, dass eine Menge an Carbonsäure in der Kautschukmischungszusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags durch das Beispiel I-14 der D13 nahegelegt wird. Dieser Unterschied zu D8 wurde allerdings schon mit dem Hinweis auf Dokumente D6, D9 und D11 in der Einspruchsschrift behandelt (vierter Absatz, Seite 9) und es wurde nicht gezeigt, dass D13 Informationen enthielt, die nicht schon durch D6, D9 und D11 offenbart werden. Darüber hinaus wurden keine Gründe angegeben, warum ein zusätzlicher Angriff basierend auf D13 erst mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurde. Wenn die Beschwerdegegnerin so einen Angriff hätte geltend machen wollen, hätte sie D13 schon im Einspruchsverfahren einreichen müssen. Unter solchen Umständen ist es gerechtfertigt, dass die Kammer ihre Befugnis unter Artikel 12(4) VOBK 2007 dahingehend ausübt, D13 nicht in das Verfahren zuzulassen.
1.4 D14 wurde in der Beschwerdeerwiderung als alternativer nächstliegender Stand der Technik für einen neuen Einwand der mangelnden erfinderische Tätigkeit gegen den Hauptantrag verwendet (Punkt 4.5.3.1, Seite 23 und Punkt 4.5.4.1, Seite 25). Die angefochtene Entscheidung beruhte auf mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags 1. D14 ist somit nicht als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu sehen. Es gab auch keine Änderung im Beschwerdeverfahren, die die Einreichung von D14 und den darauf basierenden Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit erst im Beschwerdeverfahren rechfertigen würde. Unter solchen Umständen ist es gerechtfertigt, dass die Kammer ihre Befugnis unter Artikel 12(4) VOBK 2007 dahingehend ausübt, D14 nicht in das Verfahren zuzulassen.
1.5 D19 wurde von der Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom 12. März 2021 eingereicht, nach der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020. Gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten unter anderem nach Ablauf einer von der Kammer in einer Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ bestimmten Frist grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die Beschwerdeführerin hat allerdings zu keinem Zeitpunkt gezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Einreichung von D19 zu einem solchen späten Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens rechtfertigen würden. Darüber hinaus wurde D19 in Bezug auf die Diskussion der Druckverformungswerte der Kautschukzusammensetzungen erwähnt (Seite 9, der Eingabe vom 12. März 2021), die schon in der Beschwerdebegründung geführt wurde (Seite 9, letzter Abschnitt), weshalb dessen Einreichung nicht durch eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin oder durch die Mitteilung der Kammer verursacht wurde. Aus diesen Gründen ist D19 nicht ins Verfahren zugelassen.
1.6 Zusätzliche Dokumente wurden von der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin im schriftlichen Beschwerdeverfahren eingereicht. Da diese Dokumente aber für die behandelten Anträge und Einwände nicht relevant waren, werden sie in der folgenden Entscheidung nicht berücksichtigt.
Hauptantrag
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 D8 betrifft die Entwicklung von Vernetzungsmitteln für Kautschukzusammensetzungen und insbesondere solche, die auf Basis von halogenierten Kautschuken beruhen (Spalte 1, Zeilen 10-14). D8 und insbesondere Beispiel 1 dieses Dokuments wurde als nächstliegender Stand der Technik in der angefochtenen Entscheidung und auch von der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren angesehen. Die Kammer sieht keinen Grund, vom Beispiel 1 der D8 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit abzusehen.
2.2 Beispiel 1 der D8 (Spalte 4, Zeilen 1-24) wurde als besonders relevant für Anspruch 1 des Hauptantrags gehalten. Dieses Beispiel offenbart eine Kautschukzusammensetzung aus einem chlorierten Isobutylen-Isopren Kautschuk (100 Gew. Teilen), Stearinsäure (0,5 Gew. Teilen), Zinkoxid (5 Gew. Teilen) und einem meta-substituierten Polymethylolphenol Harz (5 Gew. Teilen) zusammen mit Ruß (50 Gew. Teilen). Insbesondere wird in einer ersten Ausführungsform des Beispiels 1 ein Harz aus m-Pentadecyl Phenol und Formaldehyd offenbart (Spalte 4, Zeilen 12-13). Dieses Harz unterscheidet sich vom Harz gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass es auf m-Pentadecyl Phenol anstatt auf Butyl Phenol basiert.
2.3 Der in der Zusammensetzung des Beispiels 1 enthaltende chlorierte Isobutylen-Isopren Kautschuk ist sowohl as Kautschuk als auch als chloriertes Polymer im Sinne von Anspruch 1 des Streitpatents zu sehen. Anspruch 1 des Hauptantrags schließt insbesondere nicht aus, dass der Kautschuk und das chlorierte Polymer dieselbe Verbindung sein können. Abschnitt 26 im Streitpatent sieht sogar eine Ausführungsform vor, in der der Kautschuk und das chlorierte Polymer derselbe chlorierte Butylkautschuk sind. Das chlorierte Polymer ist zwar in Anspruch 1 des Hauptantrags als Teil eines Aktivierungssystems definiert, es gibt allerdings weder in Anspruch 1 noch im Streitpatent einen Beleg dafür, dass das Aktivierungssystem als solche als getrennter Bestandteil der Kautschukzusammensetzung identifiziert werden kann. Somit ist die Angabe des Aktivierungssystems als funktionale Definition in Anspruch 1 des Hauptantrags für die Kautschukzusammensetzung nicht einschränkend und stellt keinen Unterschied zu D8 dar.
2.4 Die Menge der Stearinsäure in der Kautschukzusammensetzung des Beispiels 1 der D8 beträgt 0,5 Gew. Teilen für 100 Gew. Teilen chlorierte Isobutylen-Isopren Kautschuk, eine Menge, die 0,5 phr entspricht, im Sinne von Anspruch 1 des Hauptantrags und im Einklang mit der Definition in Abschnitt 17 des Streitpatents.
2.5 Aus diesen Gründen unterscheidet sich die Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags von der Zusammensetzung gemäß Ausführung 1 des Beispiels 1 der D8 durch die Menge an C6-24 Carbonsäure (2-6 phr an Stelle von 0,5 phr Stearinsäure in D8) und durch das Harz (Butylphenol-Formaldehyd-Harz an Stelle vom m-Pentadecyl-Dimethylolphenol Formaldehyd Harz).
2.6 Im Absatz 9 des Streitpatents wird gelehrt, dass durch die Verwendung von Butylphenol Formaldehyd Harze als Vernetzungsmittel mit einem Aktivierungssystem enthaltend 2 bis 6 phr einer C6-24 Carbonsäure, Zinkoxid und ein chloriertes Polymer, ausreichende Vernetzungsausbeuten und Vernetzungsgeschwindigkeiten der Kautschukzusammensetzungen erreicht werden können.
2.7 Es bleibt dann zu klären, ob ein Effekt über den nächstliegender Stand der Technik D8 anerkannt werden kann. Das Streitpatent enthält allerdings nur Beispiele von Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Es gibt kein Beispiel, in dem entweder das Harz oder die Menge an C6-24 Carbonsäure repräsentativ für die Kautschukzusammensetzung der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 der D8 angesehen werden können. Die Argumentation der Beschwerdeführerin in Bezug auf eine Verbesserung der Vernetzungsausbeuten und Vernetzungsgeschwindigkeiten basierte auf einem direkten Vergleich der Zugdehnungswerte, die im Streitpatent (Abschnitt 42) und in D8 (Tabelle 1) offenbart sind. Allerdings unterscheiden sich die Kautschukzusammensetzungen in den Beispielen des Streitpatents und in D8 nicht nur durch das Harz und die Menge an C6-24 Carbonsäure, sondern auch in allen anderen Komponenten des Harzes (Kautschuk, Ruß, Weichmacher und Carbonsäure) sowie in deren Mengen.
2.8 Vorteilhafte Eigenschaften können allerdings nur der Definition der Aufgabe zugrunde gelegt werden, wenn sie durch wirklich vergleichbare Ergebnisse in geeigneter Weise nachgewiesen werden. Hierzu eignen sich allerdings nur Vergleichsversuche, die sich an dem der Erfindung strukturell nächsten Stand der Technik orientieren, weil ausschließlich hierin die unerwartete Wirkung zu suchen ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Auflage, 2019, Kapitel I.D.4.2).
2.9 Die Kautschukzusammensetzungen der Beispiele des Streitpatents, die sich wesentlich von der Kautschukzusammensetzung des Beispiels 1 der D8 unterscheiden, können somit nicht belegen, dass die Verwendung eines Butylphenol-Formaldehyd-Harzes oder die Menge an C6-24 Carbonsäure zu verbesserten Eigenschaften der Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber D8 führen.
2.10 Die Beschwerdeführerin machte auch geltend, dass Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents niedrige Druckverformungsreste aufwiesen. In Bezug auf die Druckverformungsreste offenbart das Streitpatent lediglich (Absatz 26), dass dieser Effekt auftritt, wenn der Kautschuk und das chlorierte Polymer des Aktivierungssystems beide chlorierter Butylkautschuk (CIIR) sind. Anspruch 1 des Hauptantrags ist auf solche Kombinationen allerdings nicht beschränkt. Es wird auch durch die Beispiele des Streitpatents nicht belegt, dass die Druckverformungsreste von Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags im Vergleich zu Kautschukzusammensetzungen gemäß D8, insbesondere denjenigen aus Beispiel 1 der D8, verbessert sind.
2.11 Die Beschwerdeführerin machte auch in der Beschwerde auf Grundlage der Dokumente BS01A, BS01B, BS02, BS03A und BS03B geltend, dass Kautschukzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents sich für Trinkwasseranwendungen eignen würden. Es wurde allerdings nicht gezeigt, dass dies ein Vorteil der streitpatentgemäßen Kautschukzusammensetzungen gegenüber D8 wäre. Es wurde auch kein Nachweis erbracht, dass die Kautschukzusammensetzungen der D8 und insbesondere die Kautschukzusammensetzung der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 dieses Dokuments sich nicht für Trinkwasseranwendungen eignen würden. Aus diesem Grund kann die Eignung der Kautschukzusammensetzungen für Trinkwasseranwendungen nicht als Vorteil gegenüber D8 gesehen werden.
2.12 Es wurde auch nicht gezeigt, dass die Kombination von dem Butylphenol Formaldehyd Harz als Vernetzungsmittel und 2 bis 6 phr einer C6-24 Carbonsäure einen besonderen Effekt gegenüber D8 hätte.
2.13 Die gegenüber Beispiel 1 von D8 gelöste Aufgabe kann deshalb nur als die Bereitstellung weiterer Kautschukzusammensetzungen formuliert werden.
2.14 Es bleibt zu klären, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, mit dem Ziel, die definierte Aufgabe, zu lösen.
2.15 Die Kautschukzusammensetzung der ersten Ausführungsform im Beispiel 1 der D8 enthält ein m-Pentadecyl Phenol Formaldehyd Harz, eine Verbindung die in D8 als Vernetzungsmittel fungiert (Spalte 4, Zeilen 12/13). In Bezug auf die Vernetzung der halogenierten Butylkautschuke lehrt D8 die Verwendung von Polymethylol meta-substituierten Phenolen (Spalte 1, Zeile 29/30 und Spalte 2, Zeile 61-Spalte 3, Zeile 22). Eine Liste von geeigneten Harzen, die aus der Kondensation von Formaldehyd mit Phenolen gewonnen werden können, ist in der Spalte 3, Zeilen 16-22 offenbart. In dieser Liste von gleichwertigen Phenolen befindet sich sowohl m-Pentadecyl Phenol (das Phenol, das zum Harz der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 führt), als auch m-Butylphenol (ein Phenol, gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags).
2.16 Ausgehend von der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 der D8 und angesichts der allgemeinen Lehre über die verwendbaren Vernetzungsmittel in D8 ist die Verwendung von m-Butylphenol-Formaldehyd-Harz als Vernetzungsmittel an Stelle des m-Pentadecyl-Dimethylolphenol-Formaldehyd Harzes in der Kautschukzusammensetzung des Beispiels 1 in D8 ohne weiteres möglich. Somit ist der Einsatz eines solchen Harzes im Beispiel 1 der D8 für den Fachmann aus der Suche von weiteren Kautschukzusammensetzungen naheliegend.
2.17 Was Stearinsäure, eine C6-24 Carbonsäure, betrifft, ist diese Säure gemäß D8 ein Antihaftmittel (Spalte 3, Zeilen 52-53) und die Menge an Antihaftmittel beträgt gemäß der allgemeinen Lehre der D8 0,25 bis 10 Gew. Teilen für 100 Gew. Teilen halogenierte Butylkautschuk, was 0,25 bis 10 phr entspricht (Spalte 1, Zeilen 35-41). Die Menge an Antihaftmittel im Allgemeinen oder an Stearinsäure im Besonderen ist in D8 anderweitig nicht weiter begrenzt. Aus diesem Grund hätte der Fachmann die Menge an Stearinsäure in der Zusammensetzung der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 der D8 frei im Bereich von 0,25 bis 10 phr auswählen können, um lediglich eine weitere Kautschukzusammensetzung bereitzustellen. Somit ist die Verwendung von 2 bis 6 phr einer C6-24 Carbonsäure, wie in Anspruch 1 des Hauptantrags vorgesehen, im Lichte der D8 nicht erfinderisch.
2.18 Die Beschwerdeführerin machte in der Beschwerde geltend, dass die Verwendung von Stearinsäure als Antihaftmittel in D8 sich von der Verwendung der C6-24 Carbonsäure gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheiden würde. Da es sich aber sowohl in D8 als auch im Streitpatent um dieselbe Verbindung handelt, ist die Funktion/Verwendung der Stearinsäure in der Kautschukzusammensetzung nicht von Belang. Der Einsatz der C6-24 Carbonsäure in der Kautschukzusammensetzung des Streitpatents unterscheidet sich auch nicht vom gewöhnlichen Beimischen dieser Verbindung in der Zusammensetzung. Somit ist in diesem Kontext nur die Menge der eingesetzten Stearinsäure relevant.
2.19 Die Kombination von Butylphenol Formaldehyd Harz als Vernetzungsmittel und 2 bis 6 phr einer C6-24 Carbonsäure, die keinen besonderen Effekt hat, ist auch aus denselben Gründen im Lichte der D8 naheliegend.
2.20 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht erfinderisch gegenüber D8.
Hilfsanträge 1 bis 11
3. Zulassung
3.1 Die Hilfsanträge 1-11 wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht.
In der angefochtenen Entscheidung wurde die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D8 (Punkt 17.1) von einem Ausgangspunkt durchgeführt (Beispiel 1), der vorher im schriftlichen Einspruchsverfahren nicht diskutiert wurde. Der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber D8 als nächstliegender Stand der Technik war in der Einspruchsschrift in Bezug auf den Ausgangspunkt unspezifisch gehalten (Seite 9) und in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 14. September 2017 wurde das Beispiel 3 als Ausgangspunkt erwähnt (Seite 4), ohne jedoch eine eingehende und schlüssige Argumentation auf Basis dieses Beispiels zu entwickeln. Es ist aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin (Brief vom 10. Februar 2020, Punkt III, Seite 4 in Verbindung mit den ersten drei Absätzen auf Seite 3) ersichtlich, dass die Patentinhaberin im Hinblick auf die offengelassene Meinung der Einspruchsabteilung im Ladungsbescheid und den unspezifischen Angriff der Einsprechenden nicht in der Lage war, Rückzugspositionen in Form von Hilfsanträgen einzureichen.
Somit kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, dass die Hilfsanträge 1-11, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, eine direkte und angemessene Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung sind. Unter solchen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, dass die Kammer ihre Befugnis unter Artikel 12(4) VOBK 2007 dahingehend ausübt, die Hilfsanträge 1-11 nicht in das Verfahren zuzulassen. Die Hilfsanträge sind deshalb im Verfahren.
4. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit
4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Kautschuk "ein Ethylen-Propylen-Dien Kautschuk (EPDM), ein Butylkautschuk (IIR) , ein chlorierter Butylkautschuk (CIIR), ein bromierter Butylkautschuk (BIIR) oder ein Gemisch davon ist".
4.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist folglich auf Kautschuke eingeschränkt worden (chlorierte Butylkautschuke), die allerdings schon als Kautschuk in der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 der D8 anwesend sind. Die Einschränkung des Anspruchs 1 im Hilfsantrag 1 stellt somit keinen zusätzlichen Unterschied zum nächstliegenden Stand der Technik dar. Im Anbetracht dieses nächstliegenden Standes der Technik ist die Aufgabe, die gelöst wurde, weiterhin die Bereitstellung weiterer Kautschukzusammensetzungen. Das Naheliegend der Lösung dieser Aufgabe, nämlich die Verwendung von einem Butylphenol Formaldehyd Harz als Vernetzungsmittel und von 2 bis 6 phr einer C6-24 Carbonsäure, wurde schon in der Abhandlung des Hauptantrags festgestellt. In diesem Zusammenhang hatte die Beschwerdeführerin keine weiteren spezifischen Argumente für den Hilfsantrag 1 geltend gemacht. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist deshalb nicht erfinderisch gegenüber D8 aus denselben Gründe wie Anspruch 1 des Hauptantrags.
5. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
5.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Kautschuk auf Ethylen-Propylen-Dien (EPDM) beschränkt wurde. Diese Änderung findet eine Stütze in Anspruch 2 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht.
5.2 Die Kautschukzusammensetzung der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 der D8, die weiterhin für den Hilfsantrag 2 als nächstliegender Stand der Technik von der Parteien betrachtet wurde, enthält kein EPDM. Die Anwesenheit von EPDM ist somit ein weiterer Unterschied des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, zusätzlich zum Butylphenol-Formaldehyd-Harz als Vernetzungsmittel und die 2 bis 6 phr der C6-24 Carbonsäure.
5.3 Die Anwesenheit von EPDM in Kautschukzusammensetzungen ist im Streitpatent nicht mit einem Vorteil nachweislich verbunden. Somit bleibt die Aufgabe in Bezug auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die Bereitstellung weiterer Kautschukzusammensetzungen.
5.4 Die Verwendung von EPDM als Bestandteil der Kautschukzusammensetzungen ist in D8 weder offenbart, noch angedeutet. Im Gegenteil, die Lehre der D8 beschränkt sich auf die Vernetzung von halogenierten Kautschuken (Spalte 1, Zeilen 10-14 und Zeilen 29-35) und es wird in Beispiel 4 der D8 sogar gezeigt, dass die Vernetzung von nicht halogenierten Butylkautschuken unter den in D8 gelehrten Bedingungen entweder scheitert oder zu schlechten Ergebnissen führt.
5.5 Auch wenn die Verwendung von EPDM in anderen Kautschukzusammensetzungen des Standes der Technik beschrieben ist (z.B. D1 und BS01A), kann die Kammer in Anbetracht der Lehre der D8, die von der Verwendung von nicht halogenierten Kautschuken wegführt, nur schließen, dass ein Fachmann, ausgehend von der ersten Ausführungsform des Beispiels 1 der D8, EPDM in diesen Kautschukzusammensetzungen nicht in Betracht gezogen hätte. In dieser Hinsicht ist eine Analyse von weiteren Dokumenten wie D1 oder BS01A nicht nötig.
5.6 Aus diesem Grund ist Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 erfinderisch gegenüber D8 als nächstliegender Stand der Technik. Die Ansprüche 2 bis 12 des Hilfsantrags 2, die sich alle auf die Kautschukzusammensetzung des Anspruchs 1 beziehen, sind auch aus denselben Gründen erfinderisch gegenüber D8.
6. Die Beschwerdeerwiderung enthielt zusätzliche Einwände, insbesondere einen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ (Abschnitt 5.2.2) gegen den Hilfsantrag 2. Die Beschwerdegegnerin nahm aber in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer diesen Einwand zurück. Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit gegen den Hauptantrag (Abschnitt 4.3 der Beschwerdeerwiderung) wurde gegen den Hilfsantrag 2 nicht geltend gemacht. In dieser Hinsicht erklärte die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung, dass sie keine weiteren Einwände gegen den Hilfsantrags 2 habe.
7. Mangels weiterer Einwände braucht die Kammer über keine weiteren Punkte zu entschieden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 20. November 2018 und einer gegebenenfalls noch erforderlichen Anpassung der Beschreibung und der Figuren aufrechtzuerhalten.