T 2448/18 01-10-2021
Download und weitere Informationen:
Heizungsumwälzpumpe
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.
In dieser hatte die Einspruchsabteilung u.a. festgestellt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 hat die Kammer die vorläufige Auffassung geäußert, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu ist, der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 jedoch ursprünglich offenbart und neu ist sowie auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
III. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand in Anwesenheit aller Parteien statt.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Rahmen eines der Hilfsanträge 1, 1a und 2 - 9, eingereicht mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung vom 18. April 2019.
V. Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Heizungsumwälzpumpe mit einem Pumpengehäuse (1) mit darin angeordnetem Pumpenlaufrad (5), das von einem Elektromotor angetrieben ist, der in einem axial an das Pumpengehäuse (1) anschließenden Motorgehäuse (8) angeordnet ist, mit einem axial an das Motorgehäuse (8) anschließenden Klemmenkasten (12) zur Aufnahme von elektrischen und/oder elektronischen Bauteilen der Motorsteuerung und mit einem/einer außen am Klemmenkasten (12) angeordneten Stecker oder Muffe (34) einer elektrischen Steckverbindung zum elektrischen Anschluss, dadurch gekennzeichnet, dass der Stecker oder die Muffe (34) axial versetzt zum Klemmenkasten (12) und benachbart zum Motorgehäuse (8) so angeordnet ist, dass das Gegenstück der Steckverbindung in axialer Richtung (19) zum Pumpengehäuse (1) hin aufsteckbar ist.".
Am Ende des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist folgender Wortlaut hinzugefügt worden:
"und die elektrische Steckverbindung in einem Bereich neben dem Motor angeordnet ist und den Klemmenkasten axial nicht überragt".
VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: EP 2 151 897 A1
D5: EP 1 437 819 A1
D8: EP 1 239 152 B1
D10: Technische Zeichnung Bosch Nr. 871861054A
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Heizungsumwälzpumpe nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 ist nicht neu gegenüber der Offenbarung der D1 und D10 oder beruht ausgehend von D1 und 10 zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit unter Berücksichtigung von Fachwissen, D5 und D8.
Anspruch 1 des Hilfsantrags ist zudem gegenüber der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert worden.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) lässt sich wie folgt zusammenfassen:
D10 sollte nicht im Verfahren berücksichtigt werden.
Im übrigen genügt Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ, insbesondere dem der ursprünglichen Offenbarung, der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im Lichte des zitierten Stands der Technik.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das Patent und sein technischer Hintergrund
Das Patent ist mit Heizungsumwälzpumpen befasst. Diese weisen für gewöhnlich eine Pumpe in einem Pumpengehäuse, einen elektrischen Motor zum Antrieb der Pumpe in einem Motorgehäuse und einen sogenannten Klemmenkasten auf, ein weiteres Gehäuseteil, das außen elektrische Versorgungsanschlüsse wie Steckeraufnahmen und innen elektronische Komponenten der Motorsteuerung beherbergt. Bei einer gattungsgemäßen Heizungsumwälzpumpe schließt sich das Motorgehäuse (bezogen auf die Rotationsachse des Pumpenlaufrades) axial an das Pumpengehäuse und der Klemmenkasten wiederum axial an das Motorgehäuse an.
Gemäß dem erteilten unabhängigen Anspruch soll ein(e) für einen elektrischen Anschluss der Pumpe von außen zugängliche(r) Stecker oder Muffe axial versetzt zum Klemmenkasten und benachbart zum Motorgehäuse angeordnet sowie derart orientiert sein, dass sich das jeweilige Gegenstück der elektrischen Steckverbindung in Richtung auf das Pumpengehäuse aufstecken lässt. Dadurch soll die elektrische Steckverbindung platzsparend und geschützt untergebracht werden, siehe Absätze [0008], [0009] der Patentschrift.
3. Hauptantrag - Neuheit
3.1 Unstreitig offenbart D1 eine Heizungsumwälzpumpe 1 mit einem Gehäuse 2, das mechanische und elektrische Teile beherbergt, Absatz [0025]. Das Gehäuse 2 weist ein Pumpengehäuse (rechts in Fig. 1 mit Anschlussstutzen) und ein axial an das Pumpengehäuse anschließendes Motorgehäuse auf. Die axiale Richtung im Sinne des Patents ist die Richtung der Drehachse des Rotors (Absatz [0026] der Patentschrift) und verläuft in der Figur 1 der D1 von rechts nach links entlang der Längsachse des Gehäuses 2. In den Fig. 1, 2, 4, 5 und 8 ist eine Trennlinie zwischen einem Motor-Gehäuseteil (rechts der Trennlinie in Fig. 1) und einem axial daran anschließenden Deckelteil zu erkennen, auf das in Fig. 1 das Bezugszeichen 2 weist. Ein Klemmenkasten zur Aufnahme von elektrischen und/oder elektronischen Bauteilen der Motorsteuerung trägt außen eine Muffe 6 einer elektrischen Steckverbindung 4, Absatz [0027]. Die Muffe 6 ist insofern axial versetzt zum Klemmenkasten angeordnet, als sie diesen überragt, nach links in Fig. 1. Die Muffe 6 ist ferner derart orientiert, dass ein Stecker als Gegenstück der Steckverbindung 4 von links nach rechts in der Fig. 1 , d.h. in axialer Richtung zum Pumpengehäuse hin aufsteckbar ist.
3.2 Strittig ist hingegen, ob der Klemmenkasten in D1 axial an das Motorgehäuse anschließt bzw. welche der Teile des Gehäuses 2 in D1 dem Motorgehäuse und welche dem Klemmenkasten zuzuordnen sind.
In Fig. 8 ist ein Gehäusebereich zu erkennen, auf den das Bezugszeichen 2 weist, und der einen offenbar abgeschlossenen Innenraum aufweist (teilweise aufgebrochen dargestellt). In diesen ragt über die Aufnahme 5 die Muffe 6 der elektrischen Steckverbindung 4 hinein, siehe Fig. 2, weswegen dieser seitliche oder radial äußere Gehäusebereich in jedem Fall dem Klemmenkasten zuzuordnen ist. Zudem ist in Fig. 8 zu erkennen, dass der seitliche Gehäusebereich zusammen mit dem Deckelteil ein separates Gehäuseteil oder Endteil des Gehäuses 2 bildet, das mit dem Motor-Gehäuseteil über eine Art Rastverbindung verbunden ist.
Demnach kann das separate End- oder Deckelteil nach Auffassung der Kammer durchaus in seiner Gesamtheit als Klemmenkasten betrachtet werden, der einen Aufnahmeraum für elektrische und elektronische Bauteile und einen integral daran angeformten Gehäusedeckel aufweist. Über diesen schließt das Gehäuseteil "Klemmenkasten" dann wie beansprucht axial an das Gehäuseteil "Motorgehäuse" an.
Die Beschwerdegegnerin sieht den Klemmenkasten als auf den seitlichen Gehäusebereich beschränkt an, der nicht axial, sondern radial außen zum Deckelteil und damit zum Motorgehäuse angeordnet sei. Es sei nämlich nicht eindeutig in D1 offenbart, dass auch in diesem Deckelteil elektronische oder elektrische Komponenten untergebracht seien, womit es dem Motorgehäuse zuzurechnen sei. Dies entspräche auch dem Verständnis des Fachmanns.
Nach Ansicht der Kammer ist eine solche engere, rein funktionale Definition des Klemmenkastens aber nicht von der Patentschrift gestützt. Dort weist der Klemmenkasten 12 axial in Richtung Motorgehäuse 8 vorspringende und dieses überlappende Bereiche auf, die die Muffe 34 und die Rastzungen 15, 16 tragen und nicht Gehäusewände des eigentlichen Aufnahmebereichs darstellen, siehe Fig. 5, 6. Zudem übernimmt der Klemmenkasten hier ebenso die Funktion eines Gehäusedeckels 29, der das Gesamtgehäuse axial abschließt.
3.3 Im Fall eines breiteren, strukturellen Verständnisses des Begriffs "Klemmenkasten" in D1 als Gehäuseteil mit Aufnahmeraum und Gehäusedeckel sieht die Beschwerdegegnerin die Muffe 6 nicht als anspruchsgemäß benachbart zum Motorgehäuse, sondern vielmehr als benachbart zum (Deckelteil des) Klemmenkasten(s) an.
Zunächst schließen sich eine benachbarte Anordnung einer Muffe sowohl zum Motorgehäuse, als auch zum Klemmenkastens nicht zwangsläufig gegenseitig aus.
Aus einer Zusammenschau der Fig. 1, 2 und 4 lässt sich weiters entnehmen, dass sich die in die Aufnahme 5 eingesetzte Muffe 6 etwas über das an das Deckelteil anschließende axiale Ende des Motor-Gehäuseteils hinaus (nach oben in Fig. 4) sowie nahe dem Motorgehäuse parallel dazu erstreckt. Eine derartige Anordnung der Muffe 6 hält die Kammer durchaus für "benachbart" zum Motorgehäuse.
Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin erfordert der Begriff "benachbart" nämlich kein unmittelbares aneinander Angrenzen, sondern umfasst laut Duden auch "nahe gelegen" und "in der Nähe befindlich". Wie die Beschwerdeführerin zutreffend anmerkt, ist Anspruch 1 eben nicht ausdrücklich auf eine unmittelbare Nachbarschaft von Stecker/Muffe und Motorgehäuse beschränkt.
Aus diesem Grund ist auch die axiale Versetzung des Steckers/der Muffe in Anspruch 1 nicht auf eine Versetzung in Richtung des Motorgehäuses beschränkt, so dass eine axiale Versetzung in entgegengesetzter Richtung vom Motorgehäuse weg wie in D1 nicht umfasst wäre. Denn letztere schließt unter Zugrundelegung des obigen Verständnisses von "benachbart" nicht bereits aus, dass Stecker/Muffe und Motorgehäuse trotzdem benachbart zueinander angeordnet sein können, wovon die Beschwerdegegnerin ausgeht.
3.4 Da somit die Heizungsumwälzpumpe der D1 sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aufweist, ist dessen Gegenstand nicht neu im Sinne von Artikel 54(1), (2) EPÜ.
4. Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung
4.1 Die im erteilten Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen beruhen auf Absatz [0006] der Offenlegungsschrift, in dem es heißt:
"Grundgedanke der erfindungsgemäßen Lösung ist es, den Stecker oder Muffe zum elektrischen Anschluss des Motors nicht im Bereich des Klemmenkastens, sondern axial versetzt dazu und benachbart zum Motorgehäuse anzuordnen. Diese Anordnung hat den Vorteil, dass die elektrische Steckverbindung in einem typischerweise ungenutzten Bereich neben dem Motor angeordnet ist und somit den Klemmenkasten axial nicht überragt."
Der erste Satz, der den Grundgedanken definiert, entspricht im Großen und Ganzen den bereits im ursprünglichen und im erteilten Anspruch 1 enthaltenen Merkmalen. In Anspruch 1 des Hilfsantrags wurden nun die wesentlichen Teile des zweiten Satzes, der den Vorteil des Grundgedankens beschreibt, mitaufgenommen.
4.2 Die Beschwerdeführerin erkennt eine erste unzulässige Zwischenverallgemeinerung darin, dass der Ausdruck "nicht im Bereich des Klemmenkastens" nicht in Anspruch 1 des Hilfsantrag übernommen wurde. Dieser umfasse daher nunmehr auch ursprünglich nicht offenbarte Anordnungen von Stecker/Muffe sowohl im Bereich des Klemmenkastens, als auch neben dem Motor.
Zunächst entstammt dieser Ausdruck dem den "Grundgedanken" wiedergebenden Satz, dessen Merkmale an sich bereits im ursprünglichen Anspruch 1 in der vom Patentinhaber gewählten Form enthalten sind.
Sodann steht er in offensichtlichem Widerspruch zu dem Merkmal des Oberbegriffs, wonach Stecker/Muffe 34 außen am Klemmenkasten 12 angeordnet sind, wie auch in den Fig. 1 - 7 der Offenlegungsschrift gezeigt. Der Ausdruck "nicht im Bereich des Klemmenkastens" scheint also aus gutem Grund nicht Eingang in den ursprünglichen Anspruch 1 gefunden zu haben.
Nach Ansicht der Kammer ergibt der etwas missverständlich absolute Ausdruck "nicht im Bereich des Klemmenkastens" in Absatz [0006] der Offenlegungsschrift mit der nachfolgenden Gegenüberstellung "sondern axial versetzt dazu" nur dann Sinn, wenn er relativiert als "nicht vollständig im Bereich des Klemmenkastens" verstanden wird. Eine solche Anordnung ist aber bereits in "axial versetzt zum Klemmenkasten" enthalten, stellt also keine zusätzliche Einschränkung dar, durch deren Weglassen der Gegenstand des Anspruchs 1 erweitert werden könnte.
4.3 In der Beschwerdebegründung ist auf Seite 10, unten ferner vorgetragen worden, das Weglassen des in Absatz [0006] der Offenlegungsschrift enthaltenen Ausdrucks "typischerweise ungenutzt" führe ebenfalls zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.
Dazu hatte die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK wie folgt Stellung genommen:
"In dem auf obige Passage folgenden Satz wird erläutert, dass "typischerweise" sich auf eine bestimmte Art von "modernen" Heizungsumwälzpumpen bezieht, also lediglich auf bestimmte Ausführungsformen. Dabei ist der typischerweise ungenutzte Bereich offensichtlich allgemein ein ringförmig den Motor umgebender Bereich, nicht etwa nur ein bestimmter Abschnitt oder Sektor desselben. Es scheint also kein unmittelbarer funktioneller oder struktureller Zusammenhang zwischen den Bereichsmerkmalen "typischerweise ungenutzt" und "neben dem Motor" zu bestehen.
Selbst wenn solche Ausführungsformen mittlerweile "üblich" wären, also "typischerweise" im Sinn von "üblicherweise" zu verstehen wäre, wäre dem Fachmann in diesem Fall bewusst, dass der umlaufende Bereich neben dem Motor "üblicherweise ungenutzt" ist, auch ohne dass dies einer expliziten Erwähnung bedürfte. Mit anderen Worten würde er "typischerweise ungenutzt" bei einem Bereich neben dem Motor ohnehin mitlesen, so dass die zusätzliche Aufnahme dieses Begriffs zu keiner weiteren Einschränkung der beanspruchten Heizungsumwälzpumpe führen würde."
Da die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung nehmen wollte, besteht für die Kammer keine Veranlassung, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen.
4.4 Folglich ist Anspruch 1 des Hilfsantrag 1 nicht derart geändert worden, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung hinausgeht, Artikel 123(2) EPÜ.
5. Hilfsantrag 1 - Neuheit
5.1 Es besteht Einigkeit, dass die hinzugefügten Anspruchsmerkmale "(gesamte) Steckverbindung in einem Bereich neben dem Motor überragt Klemmenkasten nicht axial" zusammen mit den bereits im erteilten Anspruch 1 vorhandenen Merkmalen "Gegenstück der Steckverbindung in Richtung auf das Pumpengehäuse aufsteckbar" eine axiale Versetzung des Steckers/der Muffe in Richtung des Motorgehäuses und Pumpengehäuses voraussetzen und implizieren.
5.2 Wie oben unter Punkt 3.1 dargelegt, ist in D1 die Muffe 6 aber in entgegengesetzter Richtung axial zum Klemmenkasten versetzt, nämlich über den vom Motorgehäuse entfernten axialen Endbereich des Klemmenkastens hinausragend, siehe Fig. 1.
Folglich überragt dort auch eine Steckverbindung - wie immer das Gegenstück aussehen mag - das freie axiale Ende des Klemmenkasten.
5.3 D10 zeigt eine Heizungsumwälzpumpe mit einem Gehäuse, das dem der D1 nicht unähnlich ist. Insbesondere ist ein voluminöser seitlicher Gehäusebereich zu erkennen, der eine Muffe (connector) 40 (Figur rechts unten) einer elektrischen Steckverbindung trägt, und deshalb wohl einem Klemmenkasten zuzuordnen ist.
Ob dieses Seitenteil in D10 zusammen mit einem axial an das Motorgehäuse anschließenden Deckelteil einen Klemmkasten wie in D1 bildet bzw. wie weit sich ein solches Deckelteil axial erstreckt und wo das Motorgehäuse beginnt, kann den nur spärlich mit Teilebezeichnungen versehenen technischen Zeichnungen der D10 nicht eindeutig und zweifelsfrei entnommen werden.
Desgleichen liegt der Kammer kein mit der Muffe 40 verwendbarer Stecker als Gegenstück vor, so dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob ein solcher Stecker als Teil einer hergestellten Steckverbindung das freie Ende des Klemmenkastens überragt oder nicht.
In jedem Fall überragt die Muffe 40 selbst aber den seitlichen Gehäusebereich des Klemmenkastens nicht axial, wie insbesondere in der Draufsicht im Sektor C4 der D10 zu erkennen ist.
5.4 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin weist der Klemmenkasten der D10 ein dem der D1 sehr ähnliches Deckelteil auf, das sich lediglich über einen schmalen axialen Endbereich des Gehäuses bis zu der obersten der drei horizontalen Linien in der oberen Seitenansicht links in D10 erstreckt, die als einzige "durchgängig" in den seitlichen Gehäusebereich verlaufe. Somit reiche der Klemmenkasten axial nicht über die Höhe dieser Linie hinaus, und der Großteil des seitlichen Gehäuseteils sei nicht mehr als Klemmenkasten zu betrachten. Dies ergäbe sich in Analogie zur Ausführungsform der Patentschrift (Fig. 1), bei der die Muffe 34 auch außen auf einem axialen Vorsprung angeordnet sei, der nicht mehr zum eigentlichen Klemmenkasten 12 gehöre. Folglich sei auch die Muffe 40 in D10 axial zum Klemmenkasten versetzt und neben dem Motorgehäuse angeordnet, wie beansprucht.
Nachdem Anspruch 1 fordert, dass die Muffe außen am Klemmenkasten angeordnet ist, sieht die Kammer sowohl die axialen Vorsprünge des Klemmenkastens 12 der Patentschrift, die dort Muffe 34 und Rastzungen 15, 16 tragen, als auch in gleicher Weise die vollständigen seitlichen Gehäusebereiche in D1 und D10, die die Muffe 40 tragen, als zum Klemmenkasten gehörend an. Diese Sichtweise hat sie bereits bei der Beurteilung der Neuheit des erteilten Anspruchs gegenüber der Offenbarung der D1 zugrunde gelegt, siehe oben Punkt 3.2. Folglich überragen beim Ausführungsbeispiel des Patents Muffe 34 und Rastzungen 15, 16 den Klemmenkasten 12 axial in Richtung Motorgehäuse, wohingegen im Fall von D10 die Muffe 40 eben nicht axial zum Klemmenkasten versetzt angeordnet ist.
5.5 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 neu im Sinne Artikel 54(1), (2) EPÜ gegenüber den in D1 und D10 offenbarten Heizungsumwälzpumpen.
6. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit
6.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von den Heizungsumwälzpumpen der D1 und D10 dadurch, dass der Stecker/die Muffe derart axial zum Klemmenkasten (in Richtung Motorgehäuse) versetzt ist, dass die (gesamte) herzustellende elektrische Steckverbindung aus Stecker/Muffe und entsprechendem Gegenstück nicht über den Klemmenkasten bzw. dessen freies Ende hinausragt.
Als objektiv zu lösende Aufgabe kann in Anlehnung an die Absätze [0006], [0008] und [0009] der Patentschrift betrachtet werden, die elektrische Steckverbindung in Einbaulage der Heizungsumwälzpumpe sicher und platzsparend unterzubringen.
6.2 Die Beschwerdeführerin trägt vor, dem Fachmann sei bereits aus dem Stand der Technik bekannt, dass bei elektrischen Pumpen der radial außen neben dem Motorgehäuse liegende Raum sinnvoll genutzt werden könne, insbesondere zur Unterbringung der elektrischen Steckverbindung. Dies entnähme er z.B. der D5, Fig. oder D8, Fig. 2, 3. Hier sei sofort ersichtlich, dass die Steckverbindung sicher und platzsparend angeordnet und demnach die Aufgabe gelöst sei.
Die naheliegende Übertragung dieses Lösungsgedankens auf die Heizungsumwälzpumpen der D1 oder D10 führe unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1.
6.3 Letzterem kann sich die Kammer nicht anschließen.
Denn in keinem der zitierten Dokumente wird vorgeschlagen oder angeregt, diese Anordnung der Steckverbindung durch eine axiale Versetzung der Muffe zum Klemmenkasten in Richtung des Motorgehäuses zu erreichen.
Weder in der Heizungsumwälzpumpe der D1, noch in der der D10 mit ihren relativ "langgestreckten" Muffen 6, 40 ist es offensichtlich ohne weiteres möglich, die Aufnahmen 5 für den Fuß der Muffen 6, 40 so weit auf dem seitlichen Gehäusebereich in Richtung Pumpengehäuse zu verschieben, dass die Muffen 6, 40 diesen Gehäusebereich und damit den Klemmenkasten axial überragen, die gesamten Steckverbindungen dies in entgegengesetzter Richtung jedoch nicht tun. Da in D1 zudem der Fokus auf der komplexen und widerstandsfähigen Ausgestaltung der Aufnahme 5 liegt (siehe Absätze [0008] - [0010], Fig. 6 - 14), wird der Fachmann von Änderungen an ihr, wie ihrer axialer Versetzung, eher absehen. Gerade durch dieses Merkmal wird aber im angegriffenen Patent erreicht, dass die für den elektrischen Anschluss vorteilhafte Einsteckrichtung des Gegenstücks zum Pumpengehäuse hin beibehalten werden kann.
In D5, Fig. 1 und D8, Fig. 2 kann die Steckverbindung neben dem Motorgehäuse platziert werden, weil die Muffe zum Pumpengehäuse hin orientiert ist, so dass die Einsteckrichtung des Steckers vom Pumpengehäuse weg weist. Eine möglicherweise naheliegende Übernahme dieses konkreten Lösungsansatzes führt aber weg vom Gegenstand des Anspruchs 1.
6.4 Somit ist nach Auffassung der Kammer also ein Schritt des axialen Versetzens nötig, der aus dem zitierten Stand der Technik weder bekannt, noch nahegelegt ist, um ausgehend von der Heizungsumwälzpumpe der D1 oder D10 zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
Deshalb beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 unter Berücksichtigung des zitierten Stands der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
7. Da die D10 den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 weder neuheitsschädlich trifft, noch in Zusammenschau mit den genannten Entgegenhaltungen nahelegt, kann die Frage, ob die Einspruchsabteilung D10 zurecht in ihrer Entscheidung (Gründe 13 bis 17) als "öffentlich verfügbar" berücksichtigt hat, dahingestellt bleiben.
8. Schlussfolgerung
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Einsprechende erfolgreich gegen die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) sei neu gegenüber der Offenbarung der D1. Die angefochtene Entscheidung ist folglich aufzuheben.
Unter Berücksichtigung der in Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderungen genügt das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit. Deshalb kann es nach Artikel 101(3)a), 111(1) in geänderter Fassung des Hilfsantrags 1 aufrechterhalten werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche
Nr. 1 - 10 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht am 18. April 2019
- Beschreibung
Seiten 2 - 7 der veröffentlichten Patentschrift
- Zeichnungen
Figuren 1 - 8 der veröffentlichten Patentschrift.