T 2821/18 (LED Betriebsgerät / Tridonic) 26-04-2022
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Betriebsgerät zum Betreiben einer Lichtquelle, insbesondere LED
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Europäische Patentanmeldung zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung begründete die Zurückweisung damit, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge I und II wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands der jeweiligen unabhängigen Ansprüche nicht gewährbar seien. Die Begründung basiert auf dem Dokument
D4: US 4 988 889 A,
wobei zur Stützung der Argumentation auf
D6: SEMTECH SC4910A/B: "High Performance Secondary Side Controller with Synchronous Rectifier", www.semtech.com, 1. Juni 2005
verwiesen wird.
III. Während des Prüfungsverfahrens wurden außerdem zitiert:
D1: US 6 369 525 B1
D2: EP 1 608 206 A
D3: US 6 504 267 B1
D5: Laszlo Balogh et al: "Unique Cascaded Power Converter Topology For High Current Low Output Voltage Applications", 31. Dezember 2001
D7: US 2007/108956 A1
IV. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Erteilung eines Patents gemäß Hauptantrag oder gemäß erstem oder zweitem Hilfsantrag in der Fassung, in der die besagten Anträge der Zurückweisung zugrunde liegen.
V. In einer gemeinsam mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Haltung mit. Danach sei der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, dass die Erfindung ausgehend von D4, auch unter Berücksichtigung von D6, nicht naheliegend gewesen sei. Allerdings bestünden Zweifel an einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 5 ausgehend von D5. Es wurde auch auf mehrere Unklarheiten in den Ansprüchen hingewiesen. All dies gelte in ähnlicher Weise sowohl für den Hauptantrag als auch für die Hilfsanträge.
VI. In einer Erwiderung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen ersten und zweiten Hilfsantrag an. Die vorherigen Hilfsanträge wurden als dritter und vierter Hilfsantrag aufrechterhalten.
VII. Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag ein und zog sämtliche anderen Anträge zurück.
VIII. Die Ansprüche 1 und 3 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags lauten (ohne Referenzzeichen):
1. Betriebsgerät zum Betreiben einer Lichtquelle, insbesondere einer LED, aufweisend:
- Eine erste, mit einer Spannung UIN versorgte und potentialgetrennte Leistungswandlerstufe mit einem ersten Bezugspotential,
- Eine zweite Leistungswandlerstufe mit einem zweiten Bezugspotential, die mit der Sekundärseite der ersten potentialgetrennten Leistungswandlerstufe verbunden ist,
- Eine vorzugsweise digitale Steuereinheit, die über eine Potentialtrennungseinheit einen Leistungsschalter der ersten Leistungswandlerstufe ansteuert und die zweite Leistungswandlerstufe ohne Potentialtrennung ansteuert,
indem die Steuereinheit einen Leistungsschalter des Betriebsgeräts ansteuert, der die zweite Leistungswandlerstufe taktet, und
- Ein Leuchtmittel, das von der zweiten Leistungswandlerstufe mit Energie versorgt wird.
3. Betriebsgerät zum Betreiben einer Lichtquelle, insbesondere einer LED, aufweisend:
- Eine erste mit einer Spannung UIN versorgte und potentialgetrennte Leistungswandlerstufe mit einem ersten Bezugspotential,
- Eine zweite Leistungswandlerstufe mit einem zweiten Bezugspotential, die mit der Sekundärseite der ersten Leistungswandlerstufe verbunden ist,
- eine digitale Steuereinheit, die ohne Potentialtrennung einen Schalter der ersten Leistungswandlerstufe ansteuert und über eine Potentialtrennungseinheit die zweite Leistungswandlerstufe ansteuert, indem sie einen Leistungsschalter des Betriebsgeräts ansteuert, der die zweite Leistungswandlerstufe taktet, und
- Ein Leuchtmittel, das von der zweiten Leistungswandlerstufe mit Energie versorgt wird.
Gegenstand der Anmeldung
1. Die Patentanmeldung beschreibt ein Betriebsgerät zum Betreiben einer Lichtquelle, insbesondere einer Leuchtdiode (LED). Das Betriebsgerät weist eine einzige Steuereinheit auf, die die Leistungsschalter von zwei voneinander potentialgetrennten Leistungswandlerstufen ansteuert. Eines der Ansteuersignale läuft dabei über eine Potentialtrennungseinheit. Je nach Ausführung kann die Steuereinheit dabei entweder auf dem Potential der einen oder der anderen Leistungswandlerstufe liegen. Diese zwei unterschiedlichen Ausführungsformen werden durch die zwei unabhängigen Ansprüche 1 und 3 definiert.
Erfinderische Tätigkeit gegenüber D4 und D6
2. Die Prüfungsabteilung befand, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 5 in ihrer am 27. März 2013 eingereichten Form angesichts D4 naheliegend gewesen seien. Dabei wurde D6 als Beispiel für das Fachwissen und für die technischen Möglichkeiten der Bauteilintegration herangezogen.
3. Die Argumente der Prüfungsabteilung sind ebenfalls auf die gegenwärtigen Ansprüche 1 und 3 anwendbar, deren Gegenstände sich nicht wesentlich von denen der besagten Ansprüche 1 und 5 unterscheiden. Die Argumente der Prüfungsabteilung sind jedoch nicht gänzlich überzeugend.
4. D4 offenbart einen zweistufigen, potentialgetrennten Leistungswandler. Die erste Leistungswandlerstufe, dargestellt in der Figur 1A, besteht aus einem "Flyback"-Konverter, der von einer ersten Steuereinheit U1 geregelt wird. Das zur Regelung verwendete Messsignal wird dabei über eine Kontrollspule NC am Transformator des Konverters abgegriffen. Die zweite, in der Figur 1B dargestellte Leistungswandlerstufe ist am Ausgang der Transformatorspule NS an der Sekundärseite der ersten Stufe angeordnet. Sie besteht aus einem "Buck-Boost"-Konverter, der durch eine zweite Steuereinheit unabhängig von der ersten Stufe geregelt wird.
5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von D4 dadurch, dass eine Steuereinheit
... über eine Potentialtrennungseinheit einen Leistungsschalter der ersten Leistungswandlerstufe ansteuert und die zweite Leistungswandlerstufe ohne Potentialtrennung ansteuert, indem die Steuereinheit einen Leistungsschalter ... ansteuert, der die zweite Leistungswandlerstufe taktet ... .
6. Im Gegensatz zur D4 ist somit eine einzige Steuereinheit vorgesehen, die unter Beibehaltung der Potentialtrennung die Leistungsschalter beider Leistungswandlerstufen ansteuert. Entsprechendes gilt für den Anspruch 3.
7. Der Unterschied entspricht den Feststellungen der Prüfungsabteilung und wird auch von der Anmelderin nicht bestritten.
8. Die Prüfungsabteilung sieht die Aufgabe darin, den Steuerkreis zu verbessern. Generell sei darunter eine Verbesserung im Hinblick auf Preis, Kompaktheit oder Schnelligkeit zu verstehen. Da D4 zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung bereits alt gewesen sei, wäre die Fachperson dem generellen Trend der Modernisierung gefolgt, und hätte eine Integration mehrerer funktioneller Module durch einen digitalen IC Chip erwogen. Angewandt auf die Leistungsregelung in D4 hätte dies bedeutet, dass die Fachperson einen einzigen, digitalen IC Chip vorgesehen hätte, der die Funktionen der beiden getrennten, analogen Steuerungen in D4 übernommen hätte. Um die Potentialtrennung zu wahren, wäre dabei eines der Rückführsignale über eine Potentialtrennungseinheit, wie etwa einen Trafo oder einen Optokoppler, geführt worden. D6 wurde als Beleg angeführt, dass die Steuerung zweier potentialgetrennter Stufen einer Leistungsregelung durch einen einzigen IC Chip machbar und bekannt gewesen sei. Folglich wäre die Fachperson im Zuge einer üblichen Modernisierung oder Verbesserung der Schaltung in D4 zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 gelangt.
9. Die Haltung der Beschwerdeführerin, wonach die Fachperson nicht ohne Kenntnis der Erfindung zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 gekommen wäre, ist jedoch überzeugender.
10. Die erste Steuereinheit U1 in D4, die durch den analogen IC Chip UC3842 realisiert ist (Figur 1A in D4), ist speziell auf die Regelung eines "Flyback"-Konverters zurechtgeschnitten (siehe Spalte 2, Zeile 60 - 62 der D4). Die zweite Steuereinheit U2A, die die zweite "Buck-Boost" Leistungswandlerstufe steuert, ist mit Hilfe des Komparator-Bausteins LM339 (Figur 1B) realisiert. Die beiden gesamten Regel-Schaltkreise sind auf diese besonderen Steuereinheiten so zurechtgeschnitten, dass ein Betrieb sowohl durch Netzspannung als auch durch Batteriespannung möglich ist, und eine entleerte Batterie auch noch geladen werden kann (siehe Spalte 6, Zeile 63 - Spalte 7, Zeile 8). Keine der beiden Steuereinheiten in D4 ist in der Lage, die unabhängige Regelung einer weiteren Leistungsstufe zusätzlich zu übernehmen.
11. Auch wenn der Trend zur Integration mehrerer Funktionen durch digitale IC Chips durchaus vorhanden sein mag, so ist der Ersatz der beiden Steuereinheiten U1 und U2A durch einen einzigen, digitalen Chip in D4 nicht trivial und nicht naheliegend. Beide Steuereinheiten in D4 sind über mehrere Leitungen mit anderen Komponenten der jeweiligen Leistungswandlerstufen verbunden, mindestens jedoch mit einem (Mess-) Signal Eingang und mit einem (Steuer-) Signal Ausgang. Auf welche Weise hier ein einziger IC Chip eingebunden werden könnte, ist der Fachperson nicht unmittelbar ersichtlich. Noch dazu müssten in einem solchen Fall zumindest sowohl ein Eingangssignal als auch ein Ausgangssignal jeweils galvanisch getrennt werden, was zusätzliche Komplexität einbringt und dem Ziel einer Vereinfachung und Kostenreduzierung entgegenläuft. Dies umso mehr, als die Steuerung U2A bereits sehr einfach mit kostengünstigen Elementen ausgestaltet ist und keine galvanische Trennung erfordert. Es würde sich bei einer Modernisierung eher anbieten, die erste und zweite Regelung getrennt zu digitalisieren, oder aber den gesamten Schaltkreis völlig neu zu gestalten, was unter Wahrung der Funktionalität das Vermögen der Fachperson übersteigen würde.
12. Diese Überlegungen behalten auch dann ihre Gültigkeit, wenn D6 berücksichtigt wird. D6 beschreibt eine integrierte Schaltung, die dazu ausgelegt ist, eine einstufige Leistungsregelung in Form eines "Flyback"-Konverters mit einer sekundärseitigen Synchrongleichrichtung zu verbinden. Diese Schaltung kann nicht dazu verwendet werden, zwei Leistungswandlerstufen unabhängig voneinander anzusteuern, schon gar nicht, wenn diese unabhängig voneinander getaktet sind, wie in D4. Die D6 enthält auch keinen Beleg für Fachwissen, das die Fachperson ausgehend von der D4 zur beanspruchten Erfindung leiten könnte. Die von der Prüfungsabteilung behauptete Lehre eines Trends zur Integration mehrerer Funktionen in einem Bauteil ist nur insofern vorhanden, als dass in D6 eine Leistungsregelung mit einer anschließenden, synchron ablaufenden Gleichrichtung zu einer AC - DC Konverterstufe verbunden wird. Diese Lehre kann jedoch keine Anwendung in der D4 finden.
13. Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 auch von D4 in Zusammenschau mit D6 nicht nahegelegt. Dies gilt aus entsprechenden Gründen auch für den Gegenstand des Anspruchs 3.
Erfinderische Tätigkeit gegenüber D1, D2, D3, D5 und D7
14. D1 beschreibt anhand der Figur 5 eine zweistufige Leistungsregelung. Die durch eine erste Regeleinheit geregelte, erste Leistungsregelstufe besitzt drei Ausgänge, an denen eine jeweils unabhängig geregelte zweite Leistungsregelstufe angeordnet ist. Es hätte nicht nur keinen Anlass gegeben, die vier unabhängigen Regelungen (oder eine Teilmenge davon) durch eine einzige Regeleinheit zu ersetzen, ein solcher Ersatz wäre auch technisch schwierig umzusetzen gewesen. Noch dazu liegen die Leistungsregelstufen in D1 auf demselben Potential, weshalb eine Potentialtrennungseinheit überflüssig wäre.
15. D2 beschreibt eine Leistungsregelung durch einen Flyback-Konverter (Figur 3). Ein Feedbacksignal aus der vom ersten Kreis galvanisch isolierten Sekundärseite wird der Regelelektronik in der Primärseite über einen Optokoppler (links im Bild der Figur 3) zugeführt. Es ist keine zweite Leistungsregelstufe vorgesehen, weshalb auch kein Ansteuersignal über eine Potentialtrennungseinheit verläuft. D2 lehrt somit nicht mehr als die allgemeine Möglichkeit, Signale über einen Optokoppler zu übertragen. Die Lehre, einen Leistungsschalter über eine Potentialtrennungseinheit anzusteuern, vermittelt D2 nicht.
16. D3 beschreibt eine sekundärseitige Leistungsregelung eines Flyback-Konverters. Ein Feedback Signal der Sekundärseite wird verwendet, um die primärseitige Pulsweitenmodulation (PWM) zu beeinflussen (siehe Figur 5). Wie in D2 ist hier weder eine zweite Leistungsregelstufe vorhanden, noch wird ein Leistungsschalter über eine Potentialtrennungseinheit hinweg angesteuert. D3 würde deshalb auch in einer nicht naheliegenden Kombination mit D1 oder D4 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.
17. D5 offenbart einen Leistungswandler für Anwendungen, die niedrige Spannungen bei hohen Strömen verlangen, beispielsweise in der Telekommunikation (erster Absatz der Einleitung). LEDs sind zwar Lichtquellen, die im Vergleich zu konventionellen Leuchtmitteln bei niedrigen Spannungen betrieben werden und dabei, zum Beispiel durch Parallelschaltung mehrerer LEDs, relativ hohe Ströme verlangen. Allerdings stellt das einzige, in D5 angegebenen Beispiel Strom- und Spannungswerte von 1,5 Volt und 20 Ampere zur Verfügung (siehe die Zusammenfassung und das Ausführungsbeispiel nach Figur 17), was außerhalb der üblicherweise für LEDs verwendeten Werte liegt (eine einzelne LED benötigt typischerweise eine Spannung von über 2 Volt und einen Strom von deutlich unter 1 Ampere). Es ist deshalb schon allein aufgrund der in D5 angegebenen Strom- und Spannungswerte fraglich, ob die Fachperson den Betrieb von LEDs überhaupt erwogen hätte. Noch deutlicher spricht gegen eine Erwägung von D5, dass der darin beschriebene Leistungswandler die Ausgangsspannung regelt, während LEDs eine Stromregelung verlangen. Die Fachperson hätte deshalb den Betrieb von LEDs (und noch weniger den von anderen Lichtquellen) überhaupt nicht erst als mögliche Anwendung des in D5 beschriebenen Betriebsgeräts in Betracht gezogen. Falls sie dies doch getan hätte, so wäre der Umbau des Geräts auf eine Stromregelung nicht nahe gelegen, unter anderem, weil er das Gerät für die in D5 eigentlich beabsichtigten Anwendungen untauglich gemacht hätte.
18. D7 beschreibt eine Leistungsregelung für hochinduktive, niederohmige Lasten, wie supraleitende Spulen. Eine Regelung solcher Lasten ist für Lichtquellen ungeeignet, da sie gänzlich anderen Erfordernissen (hohe Spannungen über kurze Zeiten) genügen muss.
19. Die Dokumente D1, D2, D3, D5 und D7 ändern folglich nichts an der im Hinblick auf D4 und D6 festgestellten erfinderischen Tätigkeit der Ansprüche 1 und 3, und damit auch der von ihnen abhängigen Ansprüche 2, 4 und 5.
Gewährbarkeit
20. Es gibt keine Bedenken zur Gewährbarkeit der Anmeldung in der während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten geänderten Fassung.
21. Es wurden weder im Prüfungsverfahren noch im Beschwerdeverfahren Einwände unter Artikel 84, 123(2) oder einem anderen Artikel des EPÜ erhoben, die auf die Ansprüche 1 - 5 anwendbar wären. Insbesondere sind in den Ansprüchen die Formulierungen nicht mehr vorhanden, gegen die in der zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung der Kammer Bedenken wegen mangelnder Klarheit vorgetragen wurden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten: 1, 2 und 5 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2022.
Seiten: 6 bis 25 wie ursprünglich eingereicht.
Ansprüche:
Nr.: 1 bis 5 der "Ansprüche gemäß Hauptantrag" wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2022.
Zeichnungen:
Figuren: 1 bis 8 wie ursprünglich eingereicht.