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T 0108/19 (Kabelwickelband / Coroplast) 05-04-2022
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Kabelwickelband
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, ihren Einspruch gegen das Streitpatent EP 2 824 153 unter Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Das Patent beansprucht ein Kabelwickelband umfassend einen klebstoffbeschichteten bandförmigen Träger mit Kettfäden (Längsfäden) und Schussfäden (Querfäden) aus PET-Kunststoffmaterial, der im wesentlichen durch die Anzahl der Kett- und Schussfäden pro cm und deren Fadenstärken definiert ist. Zudem sollen die Kett- oder Schussfäden intermingelt und/oder texturiert sein.
Der unabhängige Anspruch des Patents lautet wie folgt:
Kabelwickelband, umfassend einen bandförmigen Träger (1) aus textilem Gewebe mit Kettfäden (2) und Schussfäden (3) aus PET-Kunststoffmaterial, wobei die Kett- und Schussfäden (2, 3) aus Filamentgarnen gebildet sind, wobei die Fadenstärke der Schussfäden (3) größer ist als die Fadenstärke der Kettfäden (2), und eine auf den Träger (1) aufgebrachte Klebebeschichtung (4), wobei die Fadenstärke der Kettfäden (2) größer/gleich 20 dtex und kleiner/gleich 40 dtex ist und die Fadenstärke der Schussfäden (3) 155 dtex bis 200 dtex beträgt, wobei die Anzahl der Kettfäden (2) pro cm größer/gleich 20 Stück pro cm und kleiner/gleich 30 Stück pro cm ist, und die Anzahl der Schussfäden (3) größer/gleich 28 pro cm und kleiner/gleich 40 pro cm beträgt, und wobei das Flächengewicht des Trägers (1) größer/gleich 40 g/qm und kleiner/gleich 100 g/qm beträgt, wobei die Kettfäden (2) und/oder die Schussfäden (3) intermingelt und/oder texturiert sind.
III. Im Einspruchsverfahren wurde das Patent unter Artikeln 100(a) und 100(c) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ), mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) und unerlaubter Änderungen bezüglich der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Artikel 123(2) EPÜ) angegriffen.
In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, die Ansprüche des erteilten Patents seien nicht unerlaubt geändert worden. Neuheit gegenüber D1 sei gegeben. Die beanspruchten Kabelwickelbänder seien darüber hinaus erfinderisch ausgehend von D4 als nächstem Stand der Technik in Kombination mit D3 oder D6. Zwei im Laufe des Verfahrens eingereichte Dokumente D7 und D8 wurden von der Einspruchsabteilung unter Artikel 114(2) EPÜ wegen verspäteten Einreichens nicht ins Verfahren zugelassen.
IV. Auf folgende Dokumente wird in dieser Entscheidung verwiesen:
D1: |US 2010/0291820 A1 |
D3: |DE 20 2010 003 210 U1 |
D4: |DE 600 31 332 T2 |
D4a:|EP 1 074 595 B1 |
D5: |EP 2 298 845 |
D7: |Fung Walter et al. "Textiles in automotive engineering", Woodhead Publishing Ltd. 2001|
D9: |EP 1 990 393 |
D10:|US 7,012,033 B1 |
V. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens brachte die Beschwerdeführerin zu den entscheidungsrelevanten Fragen im wesentlichen folgendes vor:
Die erteilten Ansprüche gingen über die ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus. Insbesondere finde sich in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen keine Offenbarung des Flächengewichts oder der Texturierung der Fäden im Zusammenspiel mit den anderen Anspruchsmerkmalen.
Anspruchsgemäße Kabelwickelbänder seien bereits in D1 offenbart. Die in D1 offenbarten Gewebe bestünden aus intermingelten oder texturierten Fäden; dies sei implizit offenbart. Die anderen Anspruchsmerkmale seien in D1 ebenfalls beschrieben.
Die beanspruchten Kabelwickelbänder seien dem Fachmann ausgehend von D4 nahegelegt. Das einzige unterscheidende Merkmal sei, dass anspruchsgemäß die Kett- oder Schussfäden intermingelt oder texturiert sind. Ein auf dieses Merkmal zurückzuführender technischer Effekt sei nicht belegt. Intermingeln oder Texturieren der Trägerfäden in Kabelwickelbändern sei allerdings im Stand der Technik beschrieben, beispielsweise in D7. Die beanspruchten Kabelwickelbänder seien daher eine für den Fachmann naheliegende Alternative zu denen der D4.
VI. In ihrer Beschwerdeerwiderung und im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens brachte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zu den entscheidungsrelevanten Fragen im wesentlichen folgendes vor:
Die Ansprüche seien nicht unerlaubt geändert worden. Sowohl das Flächengewicht als auch die Texturierung der Fäden sei ursprünglich unabhängig von anderen Merkmalen offenbart worden.
D1 enthalte keine Offenbarung anspruchsgemäßer Kabelwickelbänder. Weder seien dort intermingelte oder texturierte Fäden offenbart, noch eine Kombination der anderen Anspruchsmerkmale.
Ausgehend von D4 seien dem Fachmann die beanspruchten Kabelbänder nicht nahegelegt. Diese unterschieden sich von der Offenbarung der D4 nämlich nicht nur durch das Intermingeln oder Texturieren der Schuss- oder Kettfäden, sondern zusätzlich noch durch mehrere andere Merkmale, unter anderem dadurch, dass weniger und weniger starke Kettfäden verwendet würden. Überraschenderweise führe dieser geringere Materialeinsatz in den Kettfäden zu dünneren Kabelwickelbändern mit verbesserten, zumindest aber gleichwertigen mechanischen Eigenschaften. Erfinderische Tätigkeit sei daher gegeben.
VII. Mit Ladung vom 18. Mai 2021 wurden die Parteien für den 5. April 2022 zur mündlichen Verhandlung geladen.
VIII. Durch Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 9. Juni 2021 legte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung zu verschiedenen strittigen Punkten dar.
Die vorläufige Meinung der Kammer war, dass die erteilten Ansprüche keine unerlaubten Änderungen enthielten und dass die beanspruchten Kabelwickelbänder gegenüber dem angeführten Stand der Technik neu seien. Erfinderische Tätigkeit wäre ausgehend von D4 zu diskutieren; der ausgehend von D5 erhobene Einwand sei im Laufe des Einspruchsverfahrens nicht mehr weiterverfolgt worden und würde daher unter Artikel 12(4) VOBK 2007 voraussichtlich nicht mehr zugelassen. Die Nichtzulassung von D7 und D8 durch die Einspruchsabteilung schiene nicht zu beanstanden.
IX. Am 5. April 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Für die Fragen der unerlaubten Änderungen und der Neuheit verwiesen die Parteien auf ihr schriftliches Vorbringen. Erfinderische Tätigkeit wurde abschließend ausgehend von D4 diskutiert.
X. Die Schlussanträge der Parteien waren die folgenden:
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 2824153 in vollem Umfang. Sie beantragte, die Hilfsanträge der Patentinhaberin als verspätet nicht mehr ins Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der folgenden Hilfsanträge: Hilfsantrag 1 eingereicht mit Schreiben vom 19. Oktober 2021, oder Hilfsanträge 2 und 3 eingereicht mit Schreiben vom 30. März 2022.
XI. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Patent wie erteilt
2. Änderungen (Artikel 100(c) und 123(2) EPÜ)
2.1 Die strittigen Änderungen sind die Merkmale
a) "wobei das Flächengewicht des Trägers (1) größer/gleich 40 g/qm und kleiner/gleich 100 g/qm beträgt"
b) "wobei die Kettfäden (2) und/oder die Schussfäden (3) intermingelt und/oder texturiert sind"
Die Einspruchsabteilung hielt Kabelwickelbänder mit diesen Merkmalen für ursprünglich offenbart, siehe Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung.
2.2 Die Kammer schließt sich sich auch nach Prüfung der vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführerin der Ansicht der Einspruchsabteilung an.
2.2.1 Merkmal (a) ist im ursprünglichen Anspruch 8 offenbart, und zwar durch Kombination der Untergrenze des allgemein offenbarten Bereichs mit der Obergrenze des bevorzugt offenbarten Bereichs.
Die Beschwerdeführerin räumte ein, dass eine derartige Kombination im Grundsatz der ursprünglichen Offenbarung nichts hinzufügt, hielt aber diesen Grundsatz vorliegend nicht für anwendbar.
Sie brachte vor, der ursprüngliche Anspruch 8 definiere eine bevorzugte Untergrenze von 80 qm. Wegen der falschen Einheit seien die Bereiche nicht kombinierbar. Dies ist nicht überzeugend. Zum Einen liegt hier ein offensichtlicher Fehler vor (qm statt richtig g/qm). Zum Anderen ist die bevorzugte Untergrenze von 80 g/qm gar nicht Bestandteil des Anspruchs.
Der beanspruchte Bereich ist ursprünglich in Anspruch 8 offenbart.
2.2.2 Merkmal (b) findet sich in Absatz [0010], Zeilen 14/15, der veröffentlichten Patentanmeldung, zusammen mit anderen vorteilhaften Ausgestaltungen der offenbarten Kabelwickelbänder.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, dieses Merkmal wäre nur im Zusammenhang mit anderen Merkmalen offenbart, insbesondere mit der Anzahl der Filamente für die Kett- und Schussfäden, der Angabe "Polyester" für deren Material oder einer Spinndüsenfärbung. Zur Unterstützung ihrer Ansicht, dass diese Größen technisch im Zusammenhang stehen, wurde unter anderem auf D7 und D9 verwiesen.
Die Kammer hält zunächst fest, dass Artikel 100(c) in Verbindung mit Artikel 123(2) EPÜ die Beziehung zwischen der ursprünglichen Offenbarung und dem erteilten Patent regelt. Ob bestimmte Merkmale ausführbar sind, oder ob deren Verwirklichung zum Erzielen bestimmter Effekte geeignet ist oder nicht, ist zunächst irrelevant. Der Verweis der Beschwerdeführerin auf andere Dokumente geht daher an der Sache vorbei. Die entscheidende Frage ist, ob der Inhalt des geänderten Anspruchs bereits in der Patentanmeldung offenbart war oder nicht.
Aus Absatz [0010] ist nicht zu erkennen, dass das beanstandete Merkmal nur im Zusammenhang mit anderen Merkmalen offenbart ist. Der Absatz beschreibt verschiedene vorteilhafte Ausgestaltungen der beanspruchten Klebebänder. Die Offenbarung intermingelter und/oder texturierter Kett- oder Schussfäden in Zeilen 14/15 ist weder an Bedingungen geknüpft, noch in Kombination mit anderen Merkmalen offenbart. Ob, wie die Beschwerdeführerin aus verschiedenen Überlegungen folgerte, das Texturieren oder Intermingeln der Fäden eine bestimmte Mindestanzahl an Filamenten in den Fäden erfordert oder an andere technische Bedingungen geknüpft ist oder nicht, ist unter Artikel 123(2) EPÜ weniger entscheidend.Die ursprüngliche Anmeldung beschreibt solche weitere Bedingungen hier jedenfalls nicht als notwendig.
2.3 Die erteilten Ansprüche gehen daher nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinaus.
3. Neuheit (Artikel 100(a) und 54 EPÜ)
3.1 Die Einspruchsabteilung sah Neuheit gegenüber D1 als gegeben an (Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung), und zwar zum einen aufgrund der Kombination verschiedener Anspruchsmerkmale und zum anderen aufgrund des Merkmals der intermingelten und/oder texturierten Fäden.
3.2 Das Merkmal "wobei die Kettfäden (2) und/oder die Schussfäden (3) intermingelt und/oder texturiert sind" ist in D1 nicht explizit beschrieben. Dies war unstrittig.
Zur Offenbarung dieses Merkmals verwies die Beschwerdeführerin auf Absatz [0019] der D1, in dem verschiedene Materialien für den Polyestersupport der dort beschriebenen Klebebänder angegeben sind. In diesem Absatz sind sechs Hersteller genannt, und im folgenden eine Liste verschiedener Markenprodukte. Der erste genannte Hersteller ist Milliken. Die Beschwerdeführerin verwies nun auf D10, ein Patentdokument dieses Herstellers, das texturierte und/oder intermingelte Fäden beschreibt.
Dies ist allerdings keine direkte und eindeutige Offenbarung von texturierten und/oder intermingelten Fäden in D1. D1 offenbart eine Liste von Herstellern, die geeignete Materialien zur Verfügung stellen. In Absatz [0019] wird auf das von der Beschwerdeführerin zitierte Dokument nicht verwiesen. Die Beschwerdeführerin brachte zudem selbst vor, dass die Firma Milliken auch (also nicht ausschließlich) Polyestergewebe mit texturierten Fäden herstellt. Dass die in Absatz [0019] aufgelisteten Markenprodukte texturierte und/oder intermingelte Fäden enthalten und weiterhin die anderen verlangten Anspruchsmerkmale erfüllen, wurde weder behauptet noch belegt.
D1 kann schon allein aus diesem Grund die Ansprüche des Streitpatents nicht vorwegnehmen. Ob in D1 die anderen Anspruchsmerkmale in Kombination offenbart sind oder nicht, ist daher unbeachtlich.
3.3 Neuheit gegenüber D1 ist gegeben.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100(a) und 56 EPÜ)
Die Ansprüche richten sich auf Kabelwickelbänder, die aus einem mit Klebstoff beschichteten Textilgewebe aus PET-Kunststofffäden bestehen. Dabei sollen die Kett- und Schussfäden des Gewebes verschiedene in Anspruch 1 spezifizierte Bedingungen bezüglich Fadenstärke und Anzahl erfüllen und intermingelt und/oder texturiert sein.
4.1 Nächster Stand der Technik
4.1.1 In der Einspruchsentscheidung wurde im Einvernehmen aller Parteien D4 als nächster Stand der Technik angesehen. Sowohl in ihrer Eingabe vom 22. Dezember 2021 als auch in der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin bestätigt, dass D4 den nächsten Stand der Technik darstellt, von dem aus erfinderische Tätigkeit zu beurteilen ist. Die Angriffe ausgehend von D1 und D5, die mit der Beschwerdebegründung bzw. der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 5. März 2020 gemacht wurden, wurden nicht weiterverfolgt.
4.1.2 D4 (bzw. die als D4a im Verfahren befindliche entsprechende EP-Schrift) ist in Absatz [0002] des Patents erwähnt und ebenso in Tabelle 2 und 3, in denen Eigenschaften erfindungsgemäßer im Vergleich zu bekannten Trägermaterialien bzw. Klebebändern aufgelistet sind.
4.1.3 In welchen Merkmalen genau sich die beanspruchten Klebebänder von denen der D4 unterscheiden, war zwischen den Parteien umstritten.
4.1.4 Unstrittig war, dass D4 intermingelte oder texturierte Schuss- oder Kettfäden nicht offenbart.
Strittig war, ob sich die beanspruchten Klebebänder auch noch in anderen Merkmalen von denen der D4 unterscheiden. Die Beschwerdeführerin bestritt dies und ging von diesem einzigen Unterscheidungsmerkmal aus. Die Beschwerdegegnerin brachte dagegen vor, es gebe noch verschiedene andere Unterschiede.
4.1.5 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin offenbart D4 nicht, dass die Anzahl der Kettfäden zwischen 20 und 30 Stück pro cm beträgt. Des weiteren sei auch deren Fadenstärke zwischen 20 und 40 dtex in D4 nicht offenbart.
Die Beschwerdeführerin argumentierte demgegenüber, die Angaben "zwischen 30 und 50 Längsfäden pro Zentimeter Breite" und "zwischen etwa 40 und 60 dtex" in Absatz [0015] der D4 schlössen die Endpunkte ein. Diese anspruchsgemäßen Merkmale der Kettfäden seien daher in D4 offenbart.
Die Kammer gibt der Beschwerdeführerin insofern recht, als die oberen Grenzwerte der beanspruchten Bereiche für die Anzahl und Stärke der Kettfäden für sich genommen als untere Grenzwerte der in D4 beschriebenen Bereiche offenbart sind. Allerdings gibt es in D4 keine Offenbarung eines Materials, das 30 Kettfäden pro cm mit einer Fadenstärke von 40 dtex in Kombination aufweist. In Bezug auf die Definition der Kettfäden ist dies der einzige Überlappungspunkt mit den vorliegenden Ansprüchen. Insofern ist die anspruchsgemäße Kombination der Anzahl und Stärke der Kettfäden in D4 nicht offenbart.
4.1.6 Die Beschwerdegegnerin brachte weiterhin vor, auch die beanspruchte Anzahl der Schussfäden größer/gleich 28 und kleiner/gleich 40 pro cm, sei in D4 nicht offenbart. Der entsprechende Wert 37 in Absatz [0015] der D4 entspringe einem Druckfehler, da im Originalpatent eine Obergrenze von 27 offenbart sei.
In diesem Punkt stimmt die Kammer, der Ansicht der Beschwerdegegnerin zu. Die im Verfahren befindliche D4 ist die Übersetzung des erteilten Patents D4a. Der Wert 37 entspringt daher tatsächlich einem Druckfehler, zumal in den Ansprüchen beider Dokumente eine Obergrenze von 27 Querfäden pro cm angegeben ist. Ein Fachmann würde dies bei Vergleich der Dokumente auch erkennen.
4.1.7 Die Beschwerdegegnerin war weiterhin der Ansicht, auch das beanspruchte Flächengewicht zwischen 40 und 100g/qm sei in D4 nicht offenbart.
Es ist richtig, dass in D4 keine explizite Angaben über das Flächengewicht gemacht werden. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin ist aber wenig überzeugend, denn im Streitpatent selbst ist angegeben (Tabelle 2), dass ein Klebeband gemäß D4 ein anspruchsgemäßes Flächengewicht aufweist. Ob D4 implizit ein anspruchsgemäßes Flächengewicht der dort beschriebenen Träger offenbart oder nicht, kann aber, wie aus den weiteren Ausführungen hervorgeht, dahingestellt bleiben, da dieses Merkmal nicht entscheidungsrelevant ist.
4.1.8 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass der vorliegende Anspruch sich von D4 nur in einem einzigen Merkmal unterscheidet, überzeugt daher nicht. Die Kabelwickelbänder des Anspruchs 1 unterscheiden sich von der Offenbarung der D4 zumindest durch folgende Merkmale:
(i) weniger Kettfäden pro cm und eine geringere Stärke derselben
(ii) die größere Anzahl der Schussfäden pro Zentimeter
(iii) die Kett- oder Schussfäden sind intermingelt oder texturiert.
4.2 Aufgabe und Lösung
4.2.1 Laut Absatz [0004] des Streitpatents besitzen die bekannten Klebebänder, darunter diejenigen der D4 (siehe Absatz [0002]) aufgrund ihrer Fadenstärken eine gewisse Steifigkeit, die beim Umwickeln von Kabeln zu Problemen führen kann. Ebenfalls sind die Bänder aufgrund der Fadenstärken relativ dick, was zu erhöhten Materialkosten und Gewichtsproblemen bei umwickelten Kabeln führt.
Laut Absatz [0005] des Streitpatents war daher die Aufgabe, Klebebänder dahingehend zu verbessern, dass die Flexibilität erhöht und die Banddicke verringert wird und das Band manuell (d. h. durch Abreißen) und maschinell verarbeiten werden kann.
4.2.2 Zum Nachweis einer verringerten Dicke der beanspruchten Kabelwickelbänder im Vergleich zu D4 verwies die Beschwerdegegnerin auf Tabellen 2 und 3 des Streitpatents, in denen die Dicke der Trägermaterialien ohne bzw. mit Klebstoffbeschichtung angegeben ist. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass gemäß Tabelle 2 die Dicke des unbeschichteten Trägermaterials gegenüber D4 unverändert ist und gemäß Tabelle 3 ein eventuell vorhandener Unterschied in den fertigen Klebebändern auch mit der Menge des eingesetzten Klebstoffs erklärt werden könnte. Sie hielt die Behauptung, anspruchsgemäße Kabelwickelbänder seien dünner als die der D4, für unbelegt. Die objektive technische Aufgabe dürfe diesen Effekt daher nicht widerspiegeln.
4.2.3 Nimmt man zugunsten der Beschwerdeführerin an, ein solcher Effekt sei nicht belegt, so besteht ausgehend von D4 die objektive technische Aufgabe darin, ein alternatives Kabelwickelband zur Verfügung zu stellen, das im wesentlichen gleiche mechanische Eigenschaften aufweist. Auch die Einspruchabteilung ging in der angefochtenen Entscheidung davon aus, die von den beanspruchten Klebebändern ausgehend von D4 gelöste Aufgabe bestehe in der Bereitstellung einer funktionsfähigen Alternative (siehe Punkt 6.3 der angefochtenen Entscheidung).
4.2.4 Diese Aufgabe wird durch die beanspruchten Kabelwickelbänder gelöst, die sich dadurch auszeichnen, dass die Anzahl und Stärke der Kettfäden verringert, während die Anzahl der Schussfäden erhöht wird und die Kett- oder Schussfäden intermingelt oder texturiert sind.
Dass die beanspruchten Kabelwickelbänder im wesentlichen gleiche mechanische Eigenschaften besitzen, insbesondere in Bezug auf Reißfestigkeit (in Längsrichtung) und mechanischer Abreißbarkeit (in Querrichtung), geht aus Tabelle 3 hervor und war zwischen den Parteien unstrittig. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin bestätigt.
Die Reduzierung der Anzahl und Stärke der Kettfäden hat offenbar trotz des dadurch verringerten Materialeinsatzes keinen Einfluss auf die Reißfestigkeit in Längsrichtung. Die Quereinreißbarkeit bleibt ebenso erhalten und wird durch die erhöhte Anzahl der Schussfäden nicht beeinträchtigt.
4.3 Naheliegen der Lösung
Dass trotz der Änderungen im Vergleich zu D4 alternative und funktionsfähige Kabelwickelbänder mit gleichen mechanischen Eigenschaften erhalten werden können, war für den Fachmann aus den angeführten Dokumenten nicht nahegelegt.
4.3.1 D4 beschäftigt sich mit der Frage, wie ein von Hand einreißbares Klebeband beschaffen sein soll und gibt vor, dass der Titer, d.h. das Produkt aus Anzahl und Fadenstärke, der Schussfäden kleiner als der Titer der Kettfäden sein muss, siehe Absatz [0011]. D4 gibt für die Anzahl und Stärke der Kettfäden jeweils Bereiche an, an die die im Anspruch definierten nach unten anschließen. In D4 gibt es aber keinen Hinweis darauf, dass die Anzahl und Stärke der Kettfäden beide weiter reduziert werden könnten. Ebenso wenig ist eine Erhöhung der Anzahl der Schussfäden angedacht.
4.3.2 Die Beschwerdeführerin hat auf D3, D6 und D7 verwiesen.
D6 beschreibt Kabelwickelbänder, bei denen die Fäden des Trägers texturiert sind, siehe Anspruch 2. Dies hat neben anderen bekannten Vorteilen (siehe Absatz [0019]) insbesondere zur Folge, dass eine relative Verschiebung der Fasern zueinander erschwert wird, was die Einreißbarkeit per Hand begünstigt, siehe Absatz [0020]. Allerdings ist dort gemäß Anspruch 1 der Titer der Längsfäden (Kettfäden) mindestens 2600 dtex/cm, was im vorliegenden Anspruch nicht erreicht werden kann. Auch das Beispiel in Tabelle 3 liegt mit einer Fadenanzahl von 32 und einer Fadenstärke von 84 dtex deutlich oberhalb der beanspruchten Bereiche. Die Fadenstärke hier ist sogar noch höher als in D4, so dass ein Fachmann ausgehend von der D4 bei Kombination mit D6 die Stärke der Kettfäden eher erhöht, zumindest aber jedenfalls nicht vermindert hätte.
D3 beschäftigt sich, ähnlich wie D6, mit Klebewickelbändern, die intermingelte Fäden enthalten. Allerdings ist der Träger nicht anspruchsgemäß aufgebaut. Beispielsweise beträgt die Anzahl der Schussfäden lediglich 9 bis 10 pro cm und nur die Hälfte der Anzahl der Kettfäden (siehe Absatz [0040]), was vorliegend nicht möglich ist. Ausgehend von D4 wäre der Fachmann daher bei Kombination mit D3 ebenfalls nicht bei dem beanspruchten Kabelwickelband gelandet.
D7 erklärt allgemein das Intermingeln/Texturieren von Fäden und macht über konkrete Strukturen von Kabelwickelbändern keine Aussagen. Unbeschadet der Frage der Zulassung dieses Dokuments ist es jedenfalls materiell unerheblich.
4.3.3 Ein Fachmann wäre also ausgehend von D4 und auf der Suche nach funktionell gleichwertigen alternativen Kabelwickelbändern auf naheliegende Weise weder aus D4 alleine, noch durch Kombination mit den anderen angeführten Dokumenten zu den anspruchsgemäßen Klebebändern gelangt. Die oben gestellte objektive technische Aufgabe wurde auf nicht-naheliegende Weise gelöst.
4.4 Erfinderische Tätigkeit ist somit gegeben.
5. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, keiner der vorgebrachten Einspruchsgründe stehe einer Aufrechterhaltung des Patents entgegen, hat daher Bestand. Auf die Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin braucht nicht weiter eingegangen zu werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.