T 0122/19 27-10-2021
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BATTERIEBETRIEBENES GEBLÄSEFILTERSYSTEM FÜR DEN EINSATZ IN EXPLOSIONSGEFÄHRDETEN BEREICHEN
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Erwiderung auf die Beschwerdebegründung - vollständiger Sachvortrag eines Beteiligten
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 872 224 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 erfinderisch sei.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
E1 US 7 699 053 E1
E2 "Explosive Atmospheres", Europäische Norm EN 60079-11:2007, CENELEC European Committee for Electrotechnical Standardization, Januar 2007
E4 "Safety mechanisms in lithium-ion batteris", Journal of Power Sources 155 (2006), Seiten 401-414
E10 A. Jossen, W. Weydanz: "Moderne Akkumulatoren richtig Einsetzen", 1. Auflage 2006, Inge REichardt Verlag, 86836 Untermeitingen, Seiten 163-170 und 237-250
E15 P. Krisam: "Batterie Schutzschaltungen für Li-Ion Batterien",Seiko Instruments GmbHm 2007, Seiten 1-10
III. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.
IV. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent wie in der Einspruchsentscheidung aufrechtzuerhalten, hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 7, die mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 eingereicht wurden, aufrechtzuerhalten
V. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 17(2) VOBK vom 1. Dezember 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Eine Ladung zu einer mündlichen Verhandlung folgte am 15. Februar 2021. Die mündliche Verhandlung fand am 27. Oktober 2021 in Anwesenheit aller Parteien statt.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung)
"Gebläsefiltersystem mit einer Gebläseeinheit (11; 11'), die einen Elektromotor (24; 24') zum Antreiben eines Lüfterrads, eine Steuereinheit (27; 27') zum Steuern des Elektromotors und Kontakte (22; 22' 23; 23') zur Verbindung mit einem Akkupack aufweist,
einem Akkupack (10; 10'), der eine Mehrzahl von Sekundärzellen (12; 12') mit hoher Energiedichte und Kontakte (22; 22', 23; 23') zur Verbindung mit der Gebläseeinheit aufweist, wobei die Gebläseeinheit (11; 11') lösbar mit dem Akkupack (10; 10') koppelbar ist, wobei der Akkupack über die Kontakte (22; 22', 23; 23') elektrisch mit der Gebläseeinheit verbunden wird, und wobei der Akkupack (10; 10') und die Gebläseeinheit (11; 11') jeweils zumindest teilweise in eine Vergussmasse eingegossen sind, derart, dass die elektronischen Komponenten der Gebläseeinheit und des Akkupacks im Wesentlichen vollständig von einer Vergussmasse umschlossen sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Sekundärzellen des Akkupacks (10; 10') als Lithium-Ionen-Zellen (Li-Ion-Akku) ausgebildet sind, dass der Akkupack (10; 10') mit Schutzschaltungen versehen ist, wobei die Schutzschaltungen elektronische Komponenten (15; 15', 16;16', 17; 17', 18; 18', 19; 19', 20; 20', 21; 21', 31; 31') umfassen, die ausgestaltet sind, um bei Entstehung zu hoher Ströme und/oder bei Entstehung zu hoher Temperaturen mindestens eine der Mehrzahl von Sekundärzellen (12; 12') des Akkupacks elektrisch abzuschalten, und dass Einrichtungen zur Ableitung überschüssiger Wärme vorgesehen sind."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... zumindest teilweise in eine Vergussmasse mit guten wärmeleitenden Eigenschaften eingegossen sind, ..."
Hilfsantrag 2
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... und dass Einrichtungen in Form von Kühlblechen und/oder Kühlrippen zur Ableitung überschüssiger Wärme vorgesehen sind."
Hilfsantrag 3
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... zumindest teilweise in eine Vergussmasse mit guten wärmeleitenden Eigenschaften eingegossen sind, ... und dass Einrichtungen in Form von Kühlblechen und/oder Kühlrippen zur Ableitung überschüssiger Wärme vorgesehen sind."
Hilfsantrag 4
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"... und dass zur Abführung der überschüssigen Wärme Einrichtungen zur Wärmeübertragung oder Wärmeableitung [deleted: zur Ableitung überschüssiger Wärme] an das Gehäuse der Gebläseeinheit vorgesehen sind."
Hilfsantrag 5
Wie im Hilfsantrag 4, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... zumindest teilweise in eine Vergussmasse mit guten wärmeleitenden Eigenschaften eingegossen sind, ..."
Hilfsantrag 6
Wie im Hauptantrag, wobei das folgende Merkmal am Ende des Kennzeichens eingefügt wurde:
"... und dass zur Abführung der überschüssigen Wärme Einrichtungen zur Wärmeübertragung oder Wärmeableitung an das Gehäuse der Gebläseeinheit vorgesehen sind."
Hilfsantrag 7
Wie im Hilfsantrag 6, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... zumindest teilweise in eine Vergussmasse mit guten wärmeleitenden Eigenschaften eingegossen sind, ..."
VII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 werde ausgehend von E1 in Zusammenschau mit dem in E2, E4, E10 oder E15 dokumentierten Fachwissen nahegelegt. Die Hilfsanträge 1 bis 7 seien nicht zuzulassen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe im Lichte des genannten Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Die Hilfsanträge 1 bis 7 seien zuzulassen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Gebläsefiltersystem mit einer Gebläseeinheit (11; 11') mit einem Elektromotor zum Antreiben eines Lüfterrads, einer Steuereinheit zum Steuern des Elektromotors und Kontakten zur Verbindung mit einem Akkupack. Der Akkupack (10; 10') weist eine Mehrzahl von Lithium-Ionen-Zellen (12; 12') und Kontakte zur Verbindung mit der Gebläseeinheit auf. Der Akkupack (10; 10') und die Gebläseeinheit (11; 11') sind jeweils zumindest teilweise in eine Vergussmasse eingegossen, derart, dass die elektronischen Komponenten der Gebläseeinheit und des Akkupacks im Wesentlichen vollständig von einer Vergussmasse umschlossen sind. Außerdem ist der Akkupack (10; 10') mit Schutzschaltungen versehen, welche elektronische Komponenten (15; 15', 16; 16', 17; 17', 18; 18', 19; 19', 20; 20', 21; 21', 31; 31') umfassen, die ausgestaltet sind, um bei Entstehung zu hoher Ströme und/oder bei Entstehung zu hoher Temperaturen mindestens eine der Zellen (12; 12') des Akkupacks elektrisch abzuschalten. Zudem sind Einrichtungen zur Ableitung überschüssiger Wärme vorgesehen.
Das erlaubt, die Betriebssicherheit in einer explosiven Umgebung zu erhöhen (Patentschrift, Absatz 0015: "elektrische Funken und Lichtbögen zu verhindern", Absatz 0017: "Selbsterwärmung verhindern", Absatz 0018: "Sicherheit weiter erhöhen", Absatz 0019: "Funkenbildung ... verhindert" und "Oberflächentemperatur sicher unterhalb der Selbstentzündungstemperatur").
3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
3.1 Die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags wurde ausgehend von E1 angegriffen. Auch die Kammer hält E1 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da das Dokument ein Gebläsefiltersystem 10 zum Einsatz in einer explosionsgefährdeten Umgebung mit einer Gebläseeinheit 14 und einem Akkupack 12 offenbart, siehe Spalte 3, Zeilen 7 bis 18 und die Figur 1 des Dokuments. Der Akkupack dieses Gebläsefiltersystems ist mit Schutzschaltungen 18, 34, 36 und 38 versehen (Spalte 3, Zeilen 40 und 41: "current control means 18 has a current sensor 34, a current control logic means 36, and a current control switch means 38"). Diese Schutzschaltungen umfassen elektronische Komponenten zum Abschalten der Zellen des Akkupacks bei zu hohen Strömen und/oder zu hohen Temperaturen, siehe Spalte 5, Zeilen 18-24 und die Figuren 5 und 6 mit Schutz-schaltungen in Form der integrierten Schaltkreise U1 und U2. Die E1 enthält keine Informationen zur genauen Anordnung des Akkupacks, oder darüber, welche Art von Sekundärzellen für den Akkupack verwendet wird. Im Zusammenhang mit dem Stand der Technik nennt das Dokument Nickel-Cadmium-Zellen, siehe Spalte 1, Zeile 50.
3.2 Im schriftlichen Verfahren hatte die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin die Auffassung vertreten, dass der aus E1 bekannte Akkupack keine hohe Energiedichte besitze, und dass dessen Schutzschaltung nicht dazu geeignet sei, eine Teilabschaltung des Akkupacks zu ermöglichen, siehe die Seiten 11 und 13 der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung. Diese Sichtweise wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht aufrecht erhalten. Aus Sicht der Kammer trifft der relative Begriff "hohe Energiedichte" mangels weiterer Einschränkungen im Anspruch auf jeden Akku zu, und folglich auch auf den im Dokument E1. Zudem umfasst das offen formulierte Merkmal "mindestens eine der Mehrzahl von Sekundärzellen ... abzuschalten" in Anspruch 1 des Hauptantrags auch die Abschaltung aller Zellen des Akkupacks. Eine solche gemeinsame Abschaltung wird unbestritten in E1 offenbart, wo ein die Schwelle Ithresh überschreitender Strom den Schalter 38 in einen Stopp-Zustand überführt, so dass kein Strom mehr fließt, siehe die Spalten 3 und 4 der E1 und die diesbezüglichen Aussagen der Patentinhaberin auf Seite 11 ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung. Daher sind diese beiden Merkmale keine Unterscheidungs-merkmale im Sinne des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes.
3.3 Im Hinblick auf das Vorhandensein von Einrichtungen zur Ableitung überschüssiger Wärme offenbart E1 eine Diode 64, die im Ausführungsbeispiel nach Figur 5 aus sechs Einzeldioden D1, D2, D3, D5, D6 und D7 besteht. Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin, wonach das zur Beschreibung dieses Ausführungsbeispiels verwendete Verb "to dissipate" im Zusammenhang mit Wärme die Bedeutung "zerstreuen" habe (Spalte 6, Zeilen 40-45: "diodes D1, D2, D3, D5, D6 and D7 which , collectively, act as the second diode 64 ... utilized ... to dissipate the heat"). Laut "PONS Großwörterbuch für Experten und Universität" bedeutet dieses Verb im genannten Zusammenhang "ableiten". Folglich leiten die sechs Einzeldioden D1, D2, D3, D5, D6 und D7 Wärme ab, so dass sie als Einrichtungen zur Ableitung überschüssiger Wärme anzusehen sind. Das weitere Argument der Patentinhaberin, wonach solche Einrichtungen im Lichte der Beschreibung der Patentschrift als Kühlrippen oder Kühlbleche auszulegen seien, überzeugt die Kammer nicht. Das funktional definierte Merkmal "Einrichtungen zur Ableitung überschüssiger Wärme" ist klar formuliert, da einem Fachmann die Wärmeleitung als elementare Form der Wärmeübertragung - neben den weiteren Formen Konvektion und Wärmestrahlung - bekannt ist. Zudem weiß der Fachmann anhand seines Fachwissens, dass Wärmeleitung von einem wärmeren zu einem kälteren Körper immer dann stattfindet, wenn beide Körper einander berühren, so dass bis zur Einstellung eines Gleichgewichts (überschüssige) Wärme vom wärmeren Körper zum kälteren Körper fließt. Der Fachmann wird folglich ohne Rückgriff auf die Beschreibung der Patentschrift jedes mit dem Akkupack bzw. mit dessen Sekundärzellen verbundene Bestandteil des Gebläsefiltersystems als Einrichtung zur Ableitung von (überschüssiger) Wärme ansehen, solange es bei Betrieb des Gebläsefiltersystems eine geringere Temperatur aufweist. Wegen der breiten Formulierung "Ableitung überschüssiger Wärme" umfasst das Merkmal auch andere Einrichtungen als die in der Patentschrift genannten Kühlrippen oder Kühlbleche, beispielsweise die in E1 offenbarten Dioden. Folglich bildet dieses Merkmal kein Unterscheidungsmerkmal im Sinne des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes.
3.4 Somit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags von der Offenbarung der E1 lediglich darin, dass der Akkupack und die Gebläseeinheit jeweils zumindest teilweise in eine Vergussmasse eingegossen sind, und dass die Sekundärzellen des Akkupacks als Lithium-Ionen-Zellen ausgebildet sind.
3.5 Zur Formulierung der objektiven technischen Aufgabe muss die Kammer nun die Wirkungen dieser beiden Unterscheidungsmerkmale ermitteln. Laut der Patentschrift gewährleisten Lithium-Ionen-Akkus, dass die Betriebsdauer des Gebläsefiltersystems verlängert bzw. dessen Gewicht verringert werden kann, siehe den Absatz 0010. Das Eingießen der elektronischen Komponenten der Gebläseeinheit und des Akkupacks in eine Vergussmasse wiederum verhindert die Funkenentzündung einer explosionsfähigen Umgebung, bzw. das Eingießen der Zellen des Akkupacks hält deren Oberflächentemperatur unterhalb einer Entzündungs- oder Grenztemperatur, siehe die Absätze 0017 und 0023. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungen dieser Unterscheidungsmerkmale liegen ihnen aus Sicht der Kammer nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz unterschiedliche Teilaufgaben zugrunde. Das Eingießen in eine Vergussmasse löst eine erste Teilaufgabe, die darin besteht, die Betriebssicherheit des Gebläsefiltersystems in einer explosionsfähigen Umgebung zu erhöhen. Dagegen besteht die von Lithium-Ionen-Akkus gelöste zweite Teilaufgabe darin, bessere Akkus zu finden.
3.6 Keine dieser Lösungen beruht aber auf einer erfinderischen Tätigkeit, wie nachfolgend dargelegt.
3.6.1 Im Hinblick auf das Vergießen der elektronischen Komponenten der Gebläseeinheit und des Akkupacks ist nach ständiger Rechtsprechung vom Fachmann zu erwarten, dass er im Rahmen der geltenden technischen Normen seines Fachgebiets tätig wird, siehe RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.9.19.2. Eine solche Norm bildet das Dokument E2, welches den Geräteschutz in einer explosionsfähigen Atmosphäre betrifft. Laut Kapitel 6.6 dieser Norm ist es fachüblich, die Zündfähigkeit heißer Bauteile durch Eingießen in eine Vergussmasse herabzusetzen ("casting compound is used to reduce the ignition capability of hot components, for example diodes and resistors..."). Laut Kapitel 7.4.6 sind auch Batterien, darunter auch aufladbare Akkus, zusammen mit Strombegrenzungs-elektronik einzukapseln. Der Fachmann wird daher durch sein Fachwissen, wie es in E2 zum Ausdruck kommt, dazu veranlasst, die sich bei Betrieb der Gebläseeinheit stark erwärmenden Bauteile in eine Vergussmasse einzugießen. Ob der Fachmann dabei den Akkupack, die elektronischen Komponenten des Akkupacks und/oder die Komponenten der Gebläseeinheit vergießt, liegt aus Sicht der Kammer im Rahmen des zu erwartenden fachüblichen Handelns.
3.6.2 Im Hinblick auf die Ausbildung der Sekundärzellen des Akkupacks als Lithium-Ionen-Zellen ist die Kammer nicht vom Argument der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin überzeugt, wonach E1 auf Nickel-Cadmium-Batterien beschränkt sei (Erwiderung auf die Beschwerde-begründung, Seite 11). In E1 werden Nickel-Cadmium-Zellen zwar bei der Darstellung des Standes der Technik als Beispiel für die hohe freigesetzte Zündenergie im Falle eines Kurzschlusses genannt, siehe Spalte 1, Zeilen 49-56. Dagegen wird dieser spezifische Zelltyp im weiteren Verlauf der E1, und insbesondere im Zusammenhang mit der darin behandelten Erfindung in Form der Schutzschaltungen 18, 34, 36, 38 (siehe Absatz 3.1 dieser Entscheidung) nicht mehr genannt, und auch nicht beansprucht. Ein Fachmann erkennt daher, dass E1 nicht auf Nickel-Cadmium-Zellen beschränkt ist. Das weitere Argument der Patentinhaberin, wonach E1 wegen der Schilderung der von Nickel-Cadmium-Zellen ausgehenden Gefahren den Fachmann von Zellen mit noch höherer Energiedichte abhalte, so dass er nur bei einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise Lithium-Ionen-Zellen verwenden würde, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Tatsächlich soll das in E1 offenbarte explosionssichere Gebläsefiltersystem mit leistungsstarken Zellen betrieben werden können (Spalte 2, Zeilen 7-10: "to reduce the frequency of battery changes. Such batteries are larger and have a larger amp-hour capacity"; Zeilen 20 und 21: "for making PARPs safe for use in explosive atmospheres"; das Akronym "PARP" bedeutet "powered air-purifying respirator"). Dazu benutzt E1 eine Schutzschaltung mit "current control means" (Spalte 7, Zeilen 6-9: "the improvements described herein make PARPs safe for use in an explosive atmosphere by utilizing a current control means..."). Solange diese Schutzschaltung verwendet wird, enthält E1 keine Einschränkungen hinsichtlich des möglichen Zelltyps. Nach Auffassung der Kammer ist ein Fachmann im vorliegenden Fall immer bestrebt, möglichst leistungsfähige Akkus zu verwenden, um eine lange Betriebsdauer bzw. ein geringes Gewicht des Gebläsefiltersystems zu erzielen. Dabei sind dem Fachmann Lithium-Ionen-Zellen anhand seines Fachwissens geläufig, was durch die Fachliteratur E4, E10 oder E15 dokumentiert wird. Diesem umfassenden Trend zu Lithium-Ionen-Akkus verschließt sich der Fachmann für Gebläsefiltersysteme auch nicht aufgrund etwaiger Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit explosions-fähigen Umgebungen. Lithium-Ionen-Akkus werden nämlich aufgrund ihrer Schutzschaltungen als sicher angesehen (E4, Seite 402, linke Spalte: "the excellent safety record has been brought about by regulations governing the safety of the cells", Seite 404: "3.3 Other circuit breakers ... electronic protection circuit modules"; E10, Seite 164: "6.1.1 Sicherheitsmanagement ... Schutzschaltungsbausteine für Lithium-Ionen-Zellen"; E15, Seite 1: "als ... Explosions-gefährdet bekannt ... wurden sicherere Li-Ion Batterien entwickelt. Gleichzeitig mit ihnen aber auch die benötigten Schutzschaltungen.", Seite 2: "was das Risiko ... einer Explosion beinhaltet ... Zur Vermeidung dieser Probleme werden Batterieschutzschaltungen in die Batteriepakete eingebaut."). Folglich liegt es im Rahmen des fachüblichen Handelns, Lithium-Ionen-Zellen für das Gebläsefiltersystem der E1 zu verwenden.
3.6.3 Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin sieht eine den beiden Unterscheidungsmerkmalen gemeinsam zugrunde liegende objektive technische Aufgabe darin, ein besser für den Einsatz in einer explosiven Umgebung geeignetes Gebläsefiltersystem zu schaffen (Erwiderung auf die Beschwerdebegründung, Seite 13, drittletzter Absatz), oder die Betriebssicherheit des Gebläsefiltersystems zu erhöhen (während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vertreten). Hierzu führt sie aus, dass die Unterscheidungsmerkmale synergetisch zusammenwirken, um eine Wirkung zu erzielen, die über die Summe der Einzelwirkungen der beiden Merkmale hinausgeht. Da bekanntlich bei Lithium-Ionen-Zellen ein erhöhtes Risiko auf Explosion durch Überhitzung besteht, trage das Vergießen noch stärker zur Betriebssicherheit bei.
Hierin vermag die Kammer aber keine Synergie zu erkennen. Wie oben ausgeführt, ist es dem Fachmann durch die Vorschriften der E2 hinlänglich bekannt, dass er Batterien unabhängig von ihrer Art vergießen muss. Dass er dadurch bei Verwendung von Lithium-Ionen-Zellen ein erhöhtes Risiko abdeckt, ist eine unweigerliche Folge der Anwendung dieser Vorschriften, ähnlich wie ein Bonuseffekt.
3.7 Aus diesen Gründen wird der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags für den von E1 ausgehenden Fachmann durch sein allgemeines Fachwissen, wie es in E2, E4, E10 oder E15 dokumentiert ist, nahegelegt.
4. Zulassung der Hilfsanträge 1-7
4.1 Die Hilfsanträge 1-7 wurden mit der Erwiderung der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden eingereicht. Die Erwiderung enthält im Zusammenhang mit diesen Hilfsanträgen keine Argumente zur erfinderischen Tätigkeit, sondern geht lediglich auf die Zulässigkeit der Änderungen in diesen Anträgen ein, siehe die Seiten 14 und 15. Auch das Schreiben der Patentinhaberin vom 10. September 2021 enthält keine Ausführungen dazu, warum die Hilfsanträge 1-7 auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.
4.2 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2007 müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag der Beteiligten enthalten. Der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern ist in ihrer Gesamtheit zu entnehmen, dass das Beschwerdeverfahren primär ein schriftliches ist, wobei Artikel 12 (2) VOBK 2007 festlegt, dass das vollständige Vorbringen der Beteiligten bereits zu Beginn des Verfahrens zu erfolgen hat. Zweck dieser Bestimmung ist es, ein faires Verfahren für alle Beteiligten sicherzustellen und es der Kammer zu ermöglichen, ihre Arbeit auf der Basis eines vollständigen Vorbringens beider Seiten zu beginnen. Daher hat auch der Beschwerdegegner zu einem frühen Verfahrensstadium darzulegen, weshalb die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände nach seiner Ansicht nicht greifen. Wenn Hilfsanträge vorgelegt werden, erfordert dies in der Regel auch eine Begründung inwiefern diese Einwände hierdurch ausgeräumt werden - zumindest wenn dies anhand der hierin eingefügten Änderungen nicht offensichtlich ist, siehe RdBK, 9. Auflage 2019., V.A.12.5.
4.3 Im vorliegenden Fall ist es für die Kammer anhand des schriftlichen Vorbringens der Patentinhaberin auch nicht direkt ersichtlich, wie die Hilfsanträge die Einwände gegen die erfinderische Tätigkeit ausräumen können. Das diesbezüglich während der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, wonach die zusätzlichen Merkmale in den Hilfsanträgen 1-7 sehr leicht verständlich seien, überzeugt die Kammer nicht. Es mag zwar sein, dass die auf eine Vergussmasse mit guten wärmeleitenden Eigenschaften gerichteten Änderungen in den Hilfsanträgen 1, 3, 5 und 7 leicht verständlich sind. Jedoch offenbart das Dokument E2 bereits, dass die maximale Oberflächentemperatur der gegossenen Masse durch das Volumen und die Dicke der Vergussmasse auf einen gewünschten Wert abgesenkt werden soll (Absatz 6.6, letzter Satz). Das impliziert aus Sicht der Kammer, dass die Vergussmasse der E2 über gute wärmeleitende Eigenschaften verfügt. Die auf Kühlbleche und/oder Kühlrippen gerichteten Änderungen in den Hilfsanträgen 2 und 3 sowie die auf eine Wärmeübertragung oder Wärmeableitung an das Gehäuse der Gebläseeinheit gerichteten Änderungen in den Hilfsanträgen 4-7 mögen ebenfalls leicht verständlich sein. Jedoch handelt es sich dabei nach Auffassung der Kammer um fachübliche Maßnahmen zur Ableitung von Wärme. Aus diesen Gründen kann die Kammer nicht sofort erkennen, wie durch die Änderungen in den Hilfsanträgen 1-7 der Einwand gegen die erfinderische Tätigkeit ausgeräumt werden kann.
4.4 Aus diesen Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens, die Hilfsanträge 1-7 nicht zuzulassen, Artikel 12(4) VOBK 2007.
5. Somit gelangt die Kammer im Gegensatz zur angegriffenen Entscheidung zu dem Ergebnis, das der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von E1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ. Die Hilfsanträge 1-7 wurden nicht zugelassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.