T 0224/19 25-02-2021
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AUTOMATISCHE SCHIEBEFLÜGELANORDNUNG
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die streitgegenständliche Patentanmeldung (nachstehend "Streitanmeldung") zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass Anspruch 1 der Streitanmeldung in der damaligen Fassung nicht klar und nicht neu gegenüber D2 (EP 2 993 291 A1) sei.
III. Die Beschwerdeführerin hat ursprünglich beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückzuverweisen, ein Patent auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 bis 11 gemäß Hauptantrag zu erteilen. Hilfsweise hat sie eine mündliche Verhandlung beantragt. Weiter hilfsweise hat sie beantragt, die Sache an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückzuverweisen, ein Patent auf der Grundlage der ebenfalls mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrage 1 bis 3 zu erteilen.
Nach telefonischer Rücksprache hat die Beschwerdeführerin den Hauptantrag mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 zurückgenommen, Hilfsantrag 1 zum neuen Hauptantrag und die ehemaligen Hilfsanträge 2 und 3 zu Hilfsanträgen 1 und 2 erklärt.
IV. Anspruch 1 des (neuen) Hauptantrags lautet wie folgt:
"Automatische Schiebeflügelanordnung (10) einer Tür oder eines Fensters, mit wenigstens einem Hebe-Schiebeflügel (12) und wenigstens einem benachbarten Festflügel (14), wobei der Hebe-Schiebeflügel (12) mittels einer durch eine elektronische Steuerungseinrichtung (16) ansteuerbaren insbesondere elektrischen Antriebseinrichtung (18) antreibbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Antriebseinrichtung (18) einen Hub-Stellmotor (181) zum Anheben des Hebe-Schiebeflügels (12) und einen über eine Gewindestange (20) mit dem Hebe-Schiebeflügel (12) gekoppelten Antrieb (182) zum anschließenden Verschieben des angehobenen Hebe-Schiebeflügels (12) entlang einer Laufschiene (22) umfasst, wobei der Hebe-Schiebeflügel (12) über Laufrollen (24) entlang der Laufschiene (22) verschiebbar ist, wobei der Hebe-Schiebeflügel (12) mit Rollenwagen (26) versehen ist, an denen die Laufrollen (24) angeordnet sind, und wobei die Laufrollen (24) bzw. Rollenwagen (26) jeweils mit einer Kippmechanik versehen sind."
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Klarheit
Das Merkmal, wonach "die Laufrollen bzw. Rollenwagen jeweils mit einer Kippmechanik versehen sind" gebe deutlich an, dass eine Kippbewegung an den Laufrollen bzw. Rollenwagen möglich sei. Anhand der Beschreibung und Figuren (Seite 5, dritter und vierter Absatz; Figuren 2 und 3) sei zudem klar ersichtlich, dass die Verbindung zwischen der Gewindestange 20 und dem Hebe-Schiebeflügel 12 gelenkig ausgeführt sei.
b) Neuheit
Anspruch 1 unterscheide sich gegenüber dem in der angefochtenen Entscheidung behandelten Anspruch dadurch, dass die Schiebeflügelanordnung zusätzlich zu einem Hebe-Schiebeflügel ausdrücklich einen benachbarten Festflügel umfasse. In D2 sei jedoch lediglich eine einflügelige Tür 12 mit Rahmen und Hebe-Schiebeflügel offenbart. Anspruch 1 sei daher neu gegenüber D2.
1. Klarheit, Artikel 84 EPÜ
Anspruch 1 verlangt, dass die Laufrollen bzw. Rollenwagen jeweils "mit einer Kippmechanik versehen sind", ohne anzugeben, welche technischen Merkmale diese "Kippmechaniken" aufweisen und wie sie wirken.
Da der Fachmann jedoch grundsätzlich weiß, was unter einer "Kippmechanik" verstanden werden kann, handelt es sich hierbei, auch wenn das Merkmal breit ist und isoliert im Anspruch steht, nicht um einen Mangel der Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ.
2. Neuheit
Dokument D2 offenbart unstreitig eine Tür mit einem Hebe-Schiebeflügel, jedoch keinen dazu benachbarten "Festflügel". Im montierten Zustand (Absatz [0009]) lässt sich der Hebe-Schiebeflügel zwar gegenüber der Fassade eines Schiffes bewegen, die Schiffsfassade ist jedoch nicht als "Festflügel" der "automatischen Schiebetüranordnung" zu verstehen.
Daher ist Anspruch 1 neu gegenüber Dokument D2.
3. Zurückverweisung
Da sich die angefochtene Entscheidung nicht mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit befasst hat, wird die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
4. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Mit ihrem Schreiben vom 9. Dezember 2020 folgte die Beschwerdeführerin einem telefonisch übermittelten Vorschlag der Kammer, den bisherigen Hilfsantrag 1 zum Hauptantrag zu machen (Vermerk vom 8. Dezember 2020). Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin wird daher so verstanden, dass er im Einklang mit der in der telefonischen Rücksprache dargelegten Absicht der Kammer steht, die angefochtene Entscheidung im schriftlichen Verfahren aufzuheben und die Sache zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Daher war der Hilfsantrag auf eine mündliche Verhandlung gegenstandslos.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.