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T 0294/19 (Induktionskochfeld / BSH HAUSGERAETE) 23-01-2023
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Induktionsheizvorrichtung
I. In der angefochtenen Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass der Anspruch 1 in geänderter Fassung den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ genüge, dass sein Gegenstand neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße.
II. Die Einsprechende legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Sie beantragt, dass das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung widerrufen wird.
III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 11 (jeweils eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung), oder der Hilfsanträge 12 bis 17 (eingereicht am 17. Januar 2023, nachdem die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen worden waren und eine Mitteilung über die vorläufige Meinung der Kammer erhalten hatten).
IV. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet (ohne Bezugszeichen):
Induktionskochfeldvorrichtung
mit zumindest einer Heizfrequenzeinheit und mit zumindest drei Induktionsheizeinheiten, die der Heizfrequenzeinheit zugeordnet sind, wobei in jedem Betriebszustand, in dem eine der Induktionsheizeinheiten mit hochfrequentem Wechselstrom versorgt wird, die Heizfrequenzeinheit direkt mit der Induktionsheizeinheit verbunden ist, und mit zumindest einer Steuereinheit, die zumindest dazu vorgesehen ist, in zumindest einem Betriebsmodus wenigstens zwei der Induktionsheizeinheiten abschnittsweise zu betreiben,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Steuereinheit dazu vorgesehen ist, in Betriebsmodi mit abschnittsweisem Betrieb von zumindest zwei Induktionsheizeinheiten, Startpunkte von zwei aufeinanderfolgenden Betriebsabschnitten beliebiger Induktionsheizeinheiten mit mindestens 50 ms zu beabstanden.
V. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer ist es nicht notwendig, die Hilfsanträge wiederzugeben.
VI. Auf die folgenden Druckschriften wird in dieser Entscheidung Bezug genommen:
E2: IEC International Standard 61000-3-3 Electromagnetic compatibility (EMC) Part 3-3: Limits - Limitation of voltage changes, voltage fluctuations and flicker in public low-voltage supply systems, for equipment with rated current <=16 A per phase and not subject to conditional connection, Edition 1.1 2002-03; , und
E4: EP 1 951 003 A1
VII. Auf das Vorbringen der Parteien, soweit es für die Entscheidung der Kammer relevant ist, wird in den Entscheidungsgründen, unten, eingegangen.
Das Patent - Hintergrund
1. Das Patent betrifft ein Induktionskochfeld. Im Unterschied zu anderen elektrisch beheizten Kochfeldern, bei denen eine Kochplatte durch eine Heizwicklung erhitzt wird und die Wärme durch Wärmeleitung auf das auf ihr stehende Kochgeschirr abgibt, erzeugt ein Induktionskochfeld ein hochfrequentes Magnetfeld, welches durch das auf dem Feld stehende Kochgeschirr gedämpft wird und dadurch das Kochgeschirr erwärmt. Das Induktionskochfeld kann nicht direkt an das Versorgungsnetz angeschlossen und einfach durch An- und Ausschalten der Netzspannung betrieben werden. Vielmehr ist ein Umrichter notwendig, der aus der zur Verfügung stehenden Netzspannung einen hochfrequenten Strom im Bereich einiger 10 kHz zur Erzeugung des Magnetfeldes formt.
2. Werden mehrere Kochstellen mit einem gemeinsamen Umrichter betrieben, kann die mittlere Leistung jeder Kochstelle durch ihr wiederholtes Ein- und Ausschalten - im Streitpatent als abschnittsweisen Betrieb bezeichnet - individuell gesteuert werden. Allerdings unterliegen solche Schaltvorgänge gewissen Anforderungen: Zum Einen verlangt die in E2 niedergelegte Norm zur Begrenzung von Spannungsänderungen die Einhaltung bestimmter, von der zu schaltenden Leistung abhängiger Mindestdauern von Schaltzyklen; andererseits soll die Dauer eines Schaltzyklus kurz sein, damit die zu garende Speise im Kochgeschirr mit einer möglichst gleichbleibenden Temperatur beheizt wird.
3. Das Patent beansprucht die zeitliche Begrenzung dieser Schaltzyklen.
Hauptantrag Anspruch 1 - Artikel 84 und 123(2) EPÜ
4. Die Einsprechende hat vorgetragen, die Ersetzung des Wortlauts "zumindest in einem Betriebsmodus" im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 durch "in Betriebsmodi" führe einen Widerspruch zwischen dem kennzeichnenden Teil und dem Oberbegriff, in dem noch von "zumindest in einem Betriebsmodus" die Rede sei, herbei. Weiterhin werde durch diese Änderung der Gegenstand des Patents erweitert. Das Patent definiere zwar den zeitlichen Abstand der Startpunkte aller Betriebsmodi im Absatz 25, hier jedoch nur als 100ms, nicht jedoch als 50ms. Daher betreffe der Anspruch 1 eine nicht ursprünglich offenbarte Auswahl aus der Vielzahl von möglichen Betriebsmodi.
5. Diese Einwände sind nicht stichhaltig.
6. Das Merkmal, wonach in zumindest einem Betriebsmodus wenigstens zwei der Induktionsheizeinheiten abschnittsweise zu betreiben sind, erfordert, dass bei den Betriebsmodi solche mit abschnittsweisem Betrieb dabei sind. Es lässt offen, ob die Steuereinheit auch in anderen Betriebsmodi - etwa dem Dauerbetrieb nur einer Einheit - betrieben werden kann.
7. Das Merkmal des kennzeichnenden Teils definiert nun für Betriebsmodi mit abschnittsweisem Betrieb eine untere Grenze der zeitlichen Beabstandung der Startpunkte durch die Steuereinheit. Die Formulierung "in Betriebsmodi" bezieht sich dabei auf alle Modi mit abschnittsweisem Betrieb von zwei oder mehr Induktionsheizeinheiten. Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung hatte eine Beabstandung für "zumindest einen" Modus definiert und damit offengelassen, ob weitere Betriebsmodi mit abschnittsweisem Betrieb auch ohne zeitliche Beabstandung der Startpunkte zugelassen werden. Die nun vorliegende Formulierung des Anspruchs 1 des Hauptantrags beseitigt nur diesen offengelassenen Zustand und konkretisiert daher den Gegendstand des Anspruchs genauer. Sie führt daher keine Unklarheit herbei.
8. Was den Einwand der unzulässigen Erweiterung betrifft, legt die Verwendung der Mehrzahl "in Betriebsmodi" fest, dass eine zeitliche Mindestbeabstandung der Startpunkte für alle Betriebsmodi mit abschnittsweisem Betrieb erforderlich ist; Modi mit abschnittsweisem Betrieb, jedoch ohne Mindestbeabstandung, sind nicht zugelassen. Der ursprüngliche Anspruch 1 sowie der Absatz 9 der ursprünglich eingereichten Anmeldung definieren einen kleinsten Wert des Abstands von 50ms allgemein für Betriebsmodi mit abschnittsweisem Betrieb. Der Absatz 9 führt weiter aus, dass der (tatsächliche) Abstand zweier Startpunkte ein vielfaches von 50ms oder 100ms sein kann. Diese Angabe besagt lediglich, dass im Betrieb des Kochfeldes der tatsächliche Abstand zwischen zwei Startpunkten durchaus mehr als 50ms betragen kann und dass er Vielfache von 50ms (oder 100ms) annehmen kann. Eine weitere Unterscheidung dieser Betriebsmodi in solche mit einem Mindestabstand von 50ms und solche mit einem davon unterschiedlichen (oder gar keinem) Mindestabstand wird in der ursprünglichen Anmeldung nicht getroffen. Die Angabe des Mindestabstands von 50ms bezieht sich daher unmittelbar und eindeutig auf alle Betriebsmodi mit abschnittsweisem Betrieb zweier Kochstellen. Ein darüber hinaus gehender Gegenstand ist durch den Anspruch 1 nicht definiert.
9. Der Hauptantrag erfüllt daher die Erfordernisse der Artikel 84 und 123(2) EPÜ.
Hauptantrag Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
10. E4 offenbart eine Schaltung zur Versorgung einer induktiven Kochstelle, wobei eines oder mehrere Kochfelder abschnittsweise betrieben werden (Figuren 3 und 4). E4 offenbart die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1; dies wurde von den Parteien auch nicht in Frage gestellt. Ein einzelnes Kochfeld kann dabei unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der Figur 3 erläuterten Vorschrift ein- und ausgeschaltet werden. Für die Schaltperiode ist eine Mindestdauer einzuhalten, damit die Rückwirkungen auf das Stromversorgungsnetz in Grenzen gehalten werden. Diese Mindestdauer richtet sich nach der Änderung der geschalteten Leistung. Wenn beispielsweise ein Kochfeld mit einer Leistungsaufnahme von 3kW ein- und ausgeschaltet wird, ist die Mindestdauer der Schaltperiode 80s. Falls die Änderung der Schaltleistung lediglich 1kW beträgt, kann eine Mindestdauer von 2s vorgesehen werden. Diese Mindestdauer reduziert sich folglich anlehnend an die Änderung der Betriebsleistung. Beispielsweise ist gemäß der Figur 3 bei einer Leistungsänderung von 1kW eine Mindestdauer von nur noch 2s erforderlich. Die Fachperson versteht E4 folglich dahingehend, dass die Mindestdauer bei noch weiter verringerter Änderung der Leistungsänderung durchaus weiter reduziert werden kann. E4 weist explizit auf den Vorteil einer geringen Periode hin, damit der zeitliche Temperaturabfall zwischen zwei Heizvorgängen gering ist und eine zeitlich gleichmäßige Erwärmung erzielt werden kann (E4, Spalte 4, Zeilen 16-21).
11. E4 offenbart keine untere Grenze für die Mindestdauer eines Umschaltzyklus. An diesem Punkt setzt das Streitpatent an, indem ein Mindestabstand von 50ms zwischen den Startpunkten von Heizabschnitten definiert wird. Damit ist implizit auch eine untere Grenze für die Mindestdauer der Schaltperiode festgelegt. Eine solche "minimale" Mindestdauer ist in E4 nicht offenbart.
12. Die Einsprechende argumentierte, das Patent nenne in Absatz 10 (entsprechend dem Absatz 9 der Anmeldung) weitere Ausführungsbeispiele für den Mindestabstand zweier Startpunkte, nämlich Vielfache von 50ms bzw. von 100ms. Da in E4 eine minimale Periodendauer von 2s explizit genannt ist und dieser Wert ebenfalls ein Vielfaches von 50ms und somit eines der Ausführungsbeispiele gemäß dem Patent ist, sei die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents durch E4 neuheitsschädlich vorweggenommen.
13. Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Der im Anspruch 1 des Streitpatents genannte Mindestabstand definiert implizit eine Fähigkeit der Steuereinrichtung, diesen Zeitabstand auch tatsächlich einzuhalten und ungeachtet der zu schaltenden Leistung zu verhindern, dass Startpunkte von aufeinanderfolgenden Heizperioden einen zeitlichen Abstand von weniger als 50ms haben können. Für die Frage der Neuheit ist es daher unerheblich, dass in E4 ein Betriebszustand, in dem die Startpunkte einen Zeitunterschied von mehr als 50ms haben, beschrieben wird. Diese Beschreibung sagt nichts darüber aus, dass die in E4 offenbarte Schaltung tatsächlich in der Lage ist, einen absoluten, von der zu schaltenden Leistung unabhängigen Mindestwert für Tu nicht zu unterschreiten.
14. Folglich offenbart E4 nicht die Vorrichtung gemäß Anspruch 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist neu (Artikel 54(2) EPÜ.
Hauptantrag Anspruch 1, erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
15. Ausgehend von E4 unterscheidet sich die Vorrichtung gemäß dem Anspruch 1 von der in E4 offenbarten Schaltung durch das Merkmal des kennzeichnenden Teils (siehe Punkt VI, oben), durch welches eine minimale Beabstandung von Startpunkten aufeinanderfolgender Betriebsabschnitte von Induktionsheizeinheiten festgelegt wird.
16. Aufgrund dieses Merkmals wird die Vorrichtung dahingehend spezifiziert, dass extrem kurze Umschaltzeiten zwischen den Kochstellen nicht zugelassen werden. Dieses Merkmal trägt dazu bei, die Schaltrelais der Vorrichtung gegen Überlastung oder übermäßigen Verschleiß zu schützen. Mit dieser Formulierung der technischen Aufgabe stimmen die Parteien im Übrigen überein.
17. Die Fachperson erhält aus E4 keinen Hinweis, eine absolute untere Grenze für den Abstand zwischen den Startpunkten von Betriebsabschnitten vorzusehen. E4 offenbart zwar Beispiele für die Dauer der Umschaltperiode im Text in der Figur 3, bei denen der Abstand zwischen zwei Startpunkten länger ist als die im Streitpatent definierten 50ms. Jedoch sind diese Beispiele nicht durch eine absolute untere Grenze des Abstands von Startpunkten beschränkt. Sie ergeben sich allein aus der in E2 definierten leistungsabhängigen Beschränkung, dass die vom einem Kochfeld erzeugten Schwankungen der Netzleitung eine gewisse Grenze nicht überschreiten. Die Beispiele und die Beschreibung von E4 (Spalte 4, Zeilen 16 - 21) suggerieren weiterhin, dass die Mindestdauer umso kürzer gewählt werden soll, je geringer die zu schaltende Leistungsdifferenz ist. Eine untere Grenze für die Mindestdauer ist jedoch in E4 nicht vorgesehen. Das Patent entwickelt hingegen die aus E4 bekannte Steuerung darin weiter, dass zusätzlich zu der in E4 angestellten Betrachtung der zu schaltenden Leistungsdifferenz noch die absolute untere Grenze von 50ms bei der Festlegung der Schaltintervalle separat zu berücksichtigen ist.
18. Eine absolute untere Grenze für den Abstand zwischen Schaltintervallen ist auch aus der in E2 beschriebenen Norm nicht nahegelegt.
19. Die Einsprechende hat zudem vorgetragen, die beanspruchte untere Grenze ergebe sich in naheliegender Weise aus E4, das in der Figur 2 und am Ende der Beschreibung typische Anzugs- und Abfallzeit eines Relais nenne, die nicht unterschritten werden könnten. Ausgehend von diesen Zeiten, die im Bereich bis zu 15ms lägen, sei eine Begrenzung der minimal zulässigen Schaltzeit von 50ms eine willkürliche Auswahl, da sie nur unwesentlich mehr sei als die Dauer einer Halbwelle des gleichgerichteten Netzstroms. Eine solche Auswahl werde im Rahmen des Könnens der Fachperson ohne die Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit getroffen.
20. Dieses Argument ist nicht überzeugend. Ausgehend von E4 ergibt sich für die Fachperson keine Veranlassung, eine absolute untere Grenze für den Abstand aufeinanderfolgender Startpunkte vorzusehen. Das Argument der Einsprechenden beruht daher auf einer unzulässig rückschauenden Betrachtung.
21. Die Vorrichtung des Anspruchs 1 ist für die Fachperson folglich nicht naheliegend
22. Die von der Einsprechenden vorgebrachten Einwände stehen der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags der Patentinhaberin insgesamt nicht entgegen. Folglich ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.