T 0331/19 16-12-2022
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GETRIEBEGEHÄUSE, GETRIEBEEINHEIT MIT EINEM SOLCHEN GETRIEBEGEHÄUSE UND GETRIEBEMOTOR MIT EINER SOLCHEN GETRIEBEEINHEIT
SEW-EURODRIVE GmbH & Co. KG
Lenze SE
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (nein)
Hilfsanträge 1 und 2 - Erfinderische Tätigkeit (nein) - keine technische Wirkung
I. Die Einsprechenden 1 und 2 (Beschwerdeführerinnen) legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatents in geänderter Fassung gemäß dem damaligen Hauptantrag aufrechtzuerhalten.
Die Einspruchsabteilung hatte befunden, dass der Gegenstand des Hauptantrags die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 83 EPÜ erfülle, neu gegenüber D2, E1, E2 und D3 sei und ausgehend von diesen Entgegenhaltungen jeweils auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
II. Am 16. Dezember 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
III. Die Anträge der Parteien lauteten wie folgt.
Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerden und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage des Hauptantrags wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 10. Oktober 2018 oder auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, beide eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 22. August 2019.
IV. Die folgende Entgegenhaltung ist für die vorliegende Entscheidung relevant:
E5: Flender Tübingen GmbH, "Operating Instructions BA 2010 EN 05.04, MOTOX®-N Gear Units"
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (mit hinzugefügter Merkmalsgliederung):
"[M1.1] Getriebemotor, umfassend eine Motoreinheit und eine Getriebeeinheit (1), die ein Getriebegehäuse (2) mit einem Gehäusekörper (3) aufweist, der einen Gehäuseinnenraum umschließt und eine Durchgangsöffnung (6) für eine Ausgangswelle der Motoreinheit aufweist, wobei die Durchgangsöffnung (6) von der Ausgangswelle durchgriffen wird, und die von einer Anschlussfläche (7), über die die Motoreinheit mit der Getriebeeinheit (1) verbunden ist, umgeben ist,
[M1.2] wobei in dem Gehäusekörper (3) mehrere die Gehäusekörperwandung durchsetzende Bohrungen (8, 9, 10, 11, 12) ausgebildet sind,
[M1.3] die dazu dienen, Öl in den Gehäuseinnenraum zu füllen oder aus diesem abzulassen, den Ölstand in dem Gehäuseinnenraum zu erfassen und den Gehäuseinnenraum zu entlüften,
dadurch gekennzeichnet, dass
[M1.4] die Bohrungen (8, 9, 10, 11, 12) von zwei Bearbeitungsseiten her in den Gehäusekörper (3) eingebracht sind,
[M1.5] wobei eine erste Gruppe von wenigstens zwei Bohrungen (8, 9) von einer ersten Gehäuseseite her um die Anschlussfläche (7) verteilt in den Gehäusekörper (3) eingebracht ist und
[M1.6] eine zweite Gruppe mit den verbleibenden Bohrungen (10, 11, 12) von einer zu der ersten Gehäuseseite benachbarten zweiten Gehäuseseite her in den Gehäusekörper (3) eingebracht ist,
[M1.7] die Bohrungen (8, 9) der ersten Gruppe parallel zueinander verlaufen,
[M1.8] die Bohrungen (8, 9) der ersten Gruppe senkrecht zu der Ebene, welche durch die Anschlussfläche (7) aufgespannt wird, verlaufen,
[M1.9] die Bohrungen (10, 11, 12) der zweiten Gruppe parallel zueinander verlaufen,
[M1.10] die Bohrungen (10, 11, 12) der zweiten Gruppe parallel zu der Ebene der Anschlussfläche (7) verlaufen,
[M1.11] die Durchgangsöffnung (6) auf einer einer Abtriebswelle (4) der Getriebeeinheit (1) des Getriebemotors gegenüberliegenden Seite des Getriebegehäuses (2) ausgebildet ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal:
"[M1.12] wobei die erste Gruppe von Bohrungen (8, 9) insgesamt zwei Bohrungen und die zweite Gruppe von Bohrungen (10, 11, 12) insgesamt drei Bohrungen umfasst, wobei die Bohrungen (8, 9) der ersten Gruppe derart positioniert sind, dass die erste Bohrung (8) dem Ablassen von Öl und die zweite Bohrung (9) dem Messen des Ölstandes dient, wenn das Getriebegehäuse (2) derart ausgerichtet ist, dass die Anschlussfläche (7) zur Seite weist und die Bohrungen (10, 11, 12) der zweiten Gruppe nach oben gerichtet sind".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch das weitere Merkmal, wonach:
"[M1.13] die Bohrungen (8, 9) der ersten Gruppe derart positioniert sind, dass sie in den Gehäuseinnenraum an dessen äußerem Rand münden, wobei die erste Bohrung (8) in Bezug auf die Getriebeachse (X) für die Getriebeausgangswelle etwa eine 7-Uhr-Stellung und die zweite Bohrung (9) etwa eine 4-Uhr-Stellung einnimmt, wenn die Anschlussfläche (7) zur Seite gerichtet ist und die Bohrungen (10, 11, 12) der zweiten Gruppe nach oben weisen."
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag
Die mit der Beschwerdebegründung eingereichte E5 sei hoch relevant für Neuheit und erfinderische Tätigkeit des erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hauptantrags und solle daher in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
Die Zeichnungen auf Seiten 13 und 80 der E5 beträfen dieselbe Getriebeeinheit. Deren Durchgangsöffnung werde implizit von einer Ausgangswelle der Motoreinheit durchgriffen, um mit dem Steckritzel der Getriebeeinheit verbunden zu werden. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher nicht neu gegenüber E5 oder beruhe ausgehend von E5 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 1
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheide sich von E5 dadurch, dass die zweite Gruppe von Bohrungen eine dritte Bohrung umfasse. Dies habe in der Allgemeinheit jedoch keine technische Wirkung, löse daher keine technische Aufgabe und begründe deshalb die erfinderische Tätigkeit nicht. Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Wirkung setze spezifischere Eigenschaften der Bohrungen voraus, die in Anspruch 1 nicht definiert seien. Daher beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 in seiner Breite nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 2
Das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gegenüber dem Hilfsantrag 1 hinzugekommene Merkmal sei bereits aus E5 bekannt. Daher beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 aus denselben Gründen wie Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen die folgenden Argumente vor.
Hauptantrag
E5 sei erst im Beschwerdeverfahren eingereicht worden, ohne dass es eine Veranlassung für diese Verspätung gegeben habe. Da es zudem Zweifel an ihrer Relevanz gebe, sei E5 nicht zuzulassen.
So beruhe der Vortrag der Beschwerdeführerinnen auf zwei separaten Offenbarungsstellen auf Seite 13 und 80, die nicht dieselbe Getriebeeinheit beträfen. Sie dürften daher bei der Neuheitsanalyse nicht kombiniert werden. Zudem offenbare E5 keine Ausgangswelle der Motoreinheit und folglich auch nicht das Merkmal M1.1, das für den Fachmann auch nicht naheliegend sei.
Hilfsantrag 1
E5 offenbare nicht die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 verlangte dritte Bohrung auf der zweiten Gehäuseseite. Diese ermögliche es, in allen Einbaulagen die Funktionen Öl ablassen, Öl nachfüllen, Ölstand messen und das Gehäuse zu belüften mit Bohrungen auf nur zwei Gehäuseseiten zu realisieren. Da im Stand der Technik hierfür stattdessen jeweils eine weitere Bohrung auf einer dritten Gehäuseseite vorgesehen sei, beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 2
E5 offenbare nicht die in Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 definierten besonders optimierten Positionen der Bohrungen der ersten Gruppe. Diese seien durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
1. Hauptantrag
1.1 Zulassung von E5
Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin 2 die Entgegenhaltung E5 ein. Sie legte dar, inwiefern E5 zur Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Hauptantrags relevant sei. E5 sei eine Reaktion auf den erst in der mündlichen Verhandlung im Einspruch eingereichten Hauptantrag und die darauf basierende Entscheidung.
Die Beschwerdegegnerin rügte E5 als verspätet. Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Änderungen seien nur durch einen Einwand der unzulässigen Erweiterung veranlasst gewesen und rechtfertigten daher nicht die Zulassung neuer Entgegenhaltungen. Sie warf zudem Fragen am Offenbarungsgehalt der E5 auf.
Die Zulassung der E5 unterliegt Artikel 12 (4) VOBK 2007 (siehe Übergangsbestimmungen, Artikel 25 VOBK 2020). Die Entgegenhaltung wurde zusammen mit der Beschwerdebegründung, also zum frühest möglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eingereicht. Sie kann als legitime Reaktion der im Einspruchsverfahren unterlegenen Partei gewertet werden. Folglich wurde E5 in das Verfahren zugelassen.
1.2 Neuheit und Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E5
Die Beschwerdeführerinnen trugen vor, der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber E5 oder beruhe ausgehend von E5 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Merkmale von Anspruch 1 könnten den Zeichnungen 3.5.1-1 auf Seite 13 in Verbindung mit der Explosionszeichnung auf Seite 80 entnommen werden.
1.2.1 Die Beschwerdegegnerin stellte in Frage, ob die genannten Offenbarungsstellen dieselbe Getriebeeinheit beträfen und daher bei der Beurteilung der offenbarten Merkmale zusammen betrachtet werden dürften.
Figur 3.5.1-1 auf Seite 13 der E5 zeigt 6 verschiedene Darstellungen einer Getriebeeinheit mit angeschlossenem Motor. Diese Darstellungen beziehen sich auf verschiedene Einbaulagen ("Mounting positions", Bildunterschrift) der "One-stage helical gear units" (Überschrift) vom Typ "E" (Einzelabbildungen, "E38 - E148", Bildunterschrift). Diese Typbezeichnung betrifft gemäß Seite 9 einstufige ("single-stage") schrägverzahnte Getriebeeinheiten ("helical gear unit") mit Vollwelle ("solid shaft") und Standfuß ("foot-mounted design") verschiedener Größen (Ziffern 38 bis 148). Dass die kleinste Getriebeeinheit (Größe 38) gemäß der Legende auf Seite 12 unter "V" keine Entlüftung benötigt, hat keine Bedeutung für die Offenbarung der Bohrungen der größeren Einheiten vom Typ "E".
Auch die Explosionszeichnung auf Seite 80 bezieht sich auf die "One-stage helical gear units" (Überschrift) mit Standfuß (Abbildung), und daher auf denselben Typ von Getriebeeinheiten wie Figur 3.5.1-1.
Folglich beziehen sich die herangezogenen Zeichnungen auf den Seiten 13 und 80 der E5 auf denselben Gegenstand und können bei der Analyse der offenbarten Merkmale zusammen betrachtet werden.
1.2.2 An den genannten Stellen offenbart E5 unstreitig einen:
[M1.1] Getriebemotor, umfassend eine Motoreinheit und eine Getriebeeinheit (Abbildung "B3 (IM B3)" auf Seite 13 links oben), die ein Getriebegehäuse mit einem Gehäusekörper aufweist, der einen Gehäuseinnenraum umschließt und eine Durchgangsöffnung (für die Kopplung mit der Motoreinheit unabdingbar)[deleted: für eine Ausgangswelle der Motoreinheit aufweist, wobei die Durchgangsöffnung von der Ausgangswelle durchgriffen wird], [deleted: und] die von einer Anschlussfläche ("Adapter plate" 201, Seite 80), über die die Motoreinheit mit der Getriebeeinheit verbunden ist, umgeben ist.
Die Figuren auf Seite 13 und 80 offenbaren Bohrungen gemäß den Merkmalen M1.2 bis M1.4, die dazu dienen (geeignet sind), Öl aus dem Gehäuseinnenraum abzulassen, den Ölstand in dem Gehäuseinnenraum zu erfassen und den Gehäuseinnenraum zu entlüften (vgl. Legende auf Seite 12). Sie sind daher auch geeignet, Öl in den Gehäuseinnenraum zu füllen. In der schematischen Abbildung "B3 (IM B3)" links oben auf Seite 13 sind zwei Bohrungen zum Zweck der Ölstandskontrolle und zum Ablassen des Öls eingezeichnet, die "um die Anschlussfläche verteilt" sind (Merkmal M1.5). Die Zeichnung auf Seite 80 offenbart auch zwei Bohrungen an der Gehäuseoberseite (Merkmal M1.6). Diese Bohrungen erfüllen unstreitig auch die Merkmale M1.7 bis M1.10.
Auf Seite 80 sowie in der Abbildung "B3 (IM B3)" auf Seite 13 ist auch die Abtriebswelle (101) des Getriebes zu sehen, die auf einer der Durchgangsöffnung gegenüberliegenden Seite des Getriebegehäuses ausgebildet ist (Merkmal M1.11).
1.2.3 Streitig war, ob E5 auch eine die Durchgangsöffnung durchgreifende Ausgangswelle der Motoreinheit offenbart, wie dies in Merkmal M1.1 verlangt ist.
Die Beschwerdegegnerin trug vor, E5 zeige nirgends die Ausgangswelle der Motoreinheit. Die Bezeichnung Steckritzel ("plug-in pinion", 301, Seite 80) impliziere auch nicht, dass eine Motorwelle darin eingesteckt werde - sie könne sich auch darauf beziehen, dass das Ritzel selbst gesteckt werde. Weiter könne die Getriebeeinheit eine eigene Eingangswelle - anstelle einer Ausgangswelle der Motoreinheit - aufweisen. Schließlich sei es denkbar, dass das Steckritzel 301, welches auf Seite 80 länger als das mit ihm kämmende "gear wheel" 305 dargestellt sei, durch die Durchgangsöffnung der Anschlussfläche nach außen rage und mit einer Ausgangswelle der Motoreinheit gekoppelt werde, ohne dass diese die Durchgangsöffnung durchgreife.
1.2.4 Es stimmt zwar, dass E5 keine Ausgangswelle der Motoreinheit zeigt. Zudem weist das auf Seite 80 dargestellte Steckritzel ("Plug-in pinion") 301 keine Details zur Kopplung mit einer Motorwelle auf.
Für die Drehmomentübertragung zwischen der Motoreinheit und der Getriebeeinheit ist jedoch stets eine zwischen den Einheiten angeordnete Übertragungswelle erforderlich. Daher gibt es für die Kopplung zwischen den Einheiten, wie von beiden Parteien vorgetragen, nur die folgenden drei grundsätzlichen Möglichkeiten: die Rotation entweder über eine in der Motoreinheit gelagerte Ausgangswelle, über eine Übertragungswelle einer separaten Koppeleinheit zwischen Motor und Getriebe oder über eine in der Getriebeeinheit gelagerte Eingangwelle zu übertragen.
Eine zwischen Motoreinheit und Getriebeeinheit liegende Koppeleinheit, in der eine Übertragungswelle gelagert sein könnte, ist der Figur 3.5.1-1 auf Seite 13 der E5 nicht zu entnehmen. Dort ist eine direkte Kopplung zwischen der Motoreinheit und der Getriebeeinheit offenbart. Daher muss die Übertragungswelle entweder in der Motoreinheit oder in der Getriebeeinheit gelagert sein.
Die Explosionszeichnung auf Seite 80 zeigt dem Abschnitt 12.1 auf Seite 79 zufolge die wichtigsten Ersatz- und Verschleißteile der Getriebeeinheit ("the most important spare and wearing parts"). Würde, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, die Kopplung zwischen Motoreinheit und Getriebeeinheit über eine Eingangswelle der Getriebeeinheit mit zugehörigen Lagern hergestellt, zählten diese Bauteile zweifellos zu den wichtigsten Verschleißteilen und müssten auf Seite 80 aufgelistet und dargestellt sein. Da dies nicht der Fall ist, offenbart E5 implizit, dass die Getriebeeinheit keine Eingangswelle besitzt. Folglich muss das Ritzel 301 der Getriebeeinheit implizit von einer Ausgangswelle der Motoreinheit angetrieben werden.
Es wäre für den Fachmann zwar abwegig, das Steckritzel durch die Durchgangsöffnung aus dem geschützten Gehäuseinnenraum hinausragen zu lassen, insbesondere so weit, dass die Ausgangswelle die Durchgangsöffnung nicht durchgreifen müsste, um mit dem Steckritzel in Eingriff zu kommen. Anhand der Offenbarung der E5 lässt sich dies aber nicht eindeutig ausschließen.
Aber selbst wenn der Fachmann der E5 nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen kann, dass die implizit offenbarte Ausgangswelle des Motors durch die Durchgangsöffnung ragt, wäre es zumindest naheliegend gewesen, die in E5 in dieser Hinsicht nicht vollständig offenbarte Getriebeeinheit so auszugestalten, dass das Steckritzel im geschützten Gehäuseinnenraum verbleibt und mit der Motoreinheit derart verbunden wird, dass die Durchgangsöffnung der Getriebeeinheit dabei von der Ausgangswelle der Motoreinheit durchgriffen wird (Merkmal M1.1).
1.2.5 Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. Hilfsantrag 1
2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 verlangt zusätzlich das Merkmal M1.12, wonach
"die erste Gruppe von Bohrungen insgesamt zwei Bohrungen und die zweite Gruppe von Bohrungen insgesamt drei Bohrungen umfasst, wobei die Bohrungen der ersten Gruppe derart positioniert sind, dass die erste Bohrung dem Ablassen von Öl und die zweite Bohrung dem Messen des Ölstandes dient, wenn das Getriebegehäuse derart ausgerichtet ist, dass die Anschlussfläche zur Seite weist und die Bohrungen der zweiten Gruppe nach oben gerichtet sind".
2.2 Wie beim Hauptantrag festgestellt, offenbart E5 wenigstens zwei Bohrungen, die um die Anschlussfläche verteilt sind (Merkmal M1.5). Unstreitig offenbart E5 damit auch eine erste Gruppe von insgesamt zwei Bohrungen. Die Abbildung "B3 (IM B3)" links oben auf Seite 13 offenbart eine anspruchsgemäße Ausrichtung, bei der eine erste Bohrung der ersten Gruppe dem Ablassen von Öl und eine zweite Bohrung der ersten Gruppe dem Messen des Ölstands dient (vgl. die Symbollegende auf Seite 12).
2.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich folglich von dem Getriebemotor der E5 nur dadurch, dass die zweite Gruppe von Bohrungen (die von einer zu der ersten Gehäuseseite benachbarten zweiten Gehäuseseite her in den Gehäusekörper eingebracht ist) insgesamt drei Bohrungen umfasst.
2.4 Die Beschwerdegegnerin trug vor, die Wirkung der drei Bohrungen komme zum Tragen, wenn die Getriebeeinheit so orientiert sei, dass die Bohrungen zur Seite wiesen. Dann ermöglichten diese die drei Funktionen "Ablassen von Öl", "Einfüllen von Öl" und "Messen des Ölstands". Im Stand der Technik wie in E5 sei hierfür eine weitere Bohrung auf einer dritten Seite vorgesehen. Das Unterscheidungsmerkmal bewirke somit, dass für alle Einbaulagen ausreichend Bohrungen vorhanden seien, aber nur von zwei Seiten gebohrt werden müsse, was sowohl Einsparungen bezüglich des Umspannens als auch eine höhere Präzision der Bohrungen gewährleiste. Die durch das Unterscheidungsmerkmal gelöste Aufgabe liege daher in einer Reduzierung des Herstellungsaufwands und der damit verbundenen Kosten.
2.5 Wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen, setzt die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Wirkung jedoch voraus, dass die drei Bohrungen auf eine bestimmte Weise auf der Gehäuseseite verteilt sind. Diese ist zum Beispiel im abhängigen Anspruch 6 definiert, aber nicht im unabhängigen Anspruch 1. Ohne die besondere Anordnung können die Bohrungen aber nicht in allen Einbaulagen die genannten Funktionen erfüllen.
Zudem beruht die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Wirkung darauf, dass nur von zwei Seiten gebohrt wird. Auch dies ist in Anspruch 1 aber nicht gefordert. So schließt Anspruch 1 nicht aus, dass neben den in Merkmal M1.2 geforderten Bohrungen und den in den Merkmalen M1.5 und M1.6 definierten Gruppen weitere Bohrungen und Gruppen vorhanden sein können.
Die vorgetragene Wirkung wird daher vom Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erzielt und kann folglich nicht zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit in Anspruch genommen werden.
2.6 Die Beschwerdeführerinnen argumentierten, dass die drei beliebig platzierten Bohrungen von Anspruch 1 gegenüber den zwei Bohrungen der E5 keine bestimmte technische Wirkung aufwiesen und somit auch keine objektive technische Aufgabe lösten. Auch die Beschwerdegegnerin trug keine andere Wirkung oder weniger ambitionierte Aufgabenstellung vor.
2.7 Die Forderung nach einer dritten Bohrung ist daher als willkürliche Weiterbildung des Anspruchsgegenstands anzusehen, die nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Folglich ist der Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 2
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass in Merkmal M1.13 die Positionen der Bohrungen der ersten Gruppe näher bestimmt werden. Sie müssen demnach in den Gehäuseinnenraum an dessen äußerem Rand münden, wobei die erste Bohrung in Bezug auf die Getriebeachse für die Getriebeausgangswelle etwa eine "7-Uhr-Stellung" und die zweite Bohrung etwa eine "4-Uhr-Stellung" einnimmt, wenn die Anschlussfläche zur Seite gerichtet ist und die Bohrungen der zweiten Gruppe nach oben weisen.
3.2 Die genannten Stellungen beziehen sich auf die Winkellage des Stundenzeigers auf dem Ziffernblatt einer Uhr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zusatz "etwa" in Merkmal M1.13 eine Unschärfe in der Definition der Winkelangabe bewirkt, so dass dieses Merkmal auch dann als offenbart gilt, wenn im Stand der Technik nicht die exakte Stellung auf 7 Uhr bzw. 4 Uhr gezeigt ist. Dieses Verständnis wird auch vom Streitpatent selbst gestützt. Dort wird nämlich die in Absatz [0023] angesprochene "etwa [...] 7-Uhr-Stellung" der Bohrung 8 in Figur 2 "unten links" ungefähr auf der Winkelhalbierenden zwischen der Horizontalen und der Vertikalen dargestellt, also bei einer Stellung auf 7:30 Uhr.
3.3 In E5 sind die Bohrungen der ersten Gruppe in der Einbaulage der Figur "B8 (IM B8)" (mittlere Figur in der oberen Reihe) auf Seite 13 eingezeichnet. Sie sind dort dünn gestrichelt gezeichnet, weil sie sich in der gezeigten Perspektive auf der Rückseite befinden. Dies geht auch durch die Markierung mit einem Sternchen am Funktionssymbol einer der Bohrungen hervor (vgl. Legende auf Seite 12: "on opposite side").
Durch eine Spiegelung der Figur "B8 (IM B8)" nach unten erhält man die in Anspruch 1 definierte Ansicht, bei der "die Anschlussfläche zur Seite gerichtet ist und die Bohrungen der zweiten Gruppe nach oben weisen" - wie in Figur 2 des Streitpatents. Die beiden so gespiegelten Bohrungen der ersten Gruppe nehmen - wie von Merkmal M1.13 verlangt - in "etwa" die Winkellage der 7-Uhr und 4-Uhr Markierungen auf einem Ziffernblatt in Bezug auf die Getriebeausgangswelle ein.
Da die in der Figur "B8 (IM B8)" dargestellten Bohrungen unstreitig auch in den Gehäuseinnenraum an dessen äußerem Rand münden, ist das im Hilfsantrag 2 hinzugenommene Merkmal M1.13 somit bereits aus E5 bekannt.
3.4 Folglich unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 von dem Getriebemotor der E5 lediglich durch das bereits bei Hilfsantrag 1 diskutierte Unterscheidungsmerkmal.
3.5 Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2, aus denselben Gründen wie für Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dargelegt, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.