T 0389/19 13-01-2023
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TÜRDICHTUNG FÜR EINE SCHWELLENLOSE TÜR
Erfinderische Tätigkeit - Aufgabe-Lösungs-Ansatz
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende legten beide Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, wonach das Streitpatent in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 3 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
II. Am 13. Januar 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
III. Während der mündlichen Verhandlung nahm die Patentinhaberin ihre Beschwerde zurück und wurde damit zur Beschwerdegegnerin. In der vorliegenden Entscheidung war daher nur über die Beschwerde der Einsprechenden zu entscheiden.
IV. Am Ende der Verhandlung lauteten die Anträge der Parteien wie folgt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden, das heißt die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, die den mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hilfsanträgen 2, 3 und 7 entsprechen.
V. Die folgenden Entgegenhaltung werden in der vorliegenden Entscheidung verwendet:
E1: Katalog "Dichtungen für Tore" der Firma Athmer mit der Dichtung "STADI-XL ST"
E4: US 5 681 637 A
E5: CH 465 830 A
E6: idw - Informationsdienst Wissenschaft: "Kupfer gegen Keime: Erwartungen wurden übertroffen" (Internetpublikation, 2009)
E7: US 2007/154505 A1
E9: WO 2007/120556 A2
E10: DE 20 2010 005197 U1
E13: DE 298 20 770 U1
E21: Auszug aus einem Katalog "die automatische Türdichtung" der Comaglio SRL (2001)
E24: "Guidelines for Design and Construction of Hospital and Health Care Facilities" - The American Institute of Architects (2001)
E25: DE 20 2007 000 534 U1
E26: "Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen" - Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert-Koch-Institut (2004)
E27: "Anforderungen der Hygiene an Baustoffe und Ausstattungsmaterialien" - Richtlinie Krankenhaushygiene (1987)
E28: "Anforderungen der Hygiene an die funktionelle und bauliche Gestaltung von Pflegeeinheiten" - Richtlinie Krankenhaushygiene (1981)
E30: "Personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen" - Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2009)
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Türdichtung für eine schwellenlose Raumtür einer medizinischen Einrichtung, wobei die Türdichtung automatisch absenkbar ausgebildet ist und ein Dichtelement (12) zur Auflage auf einen Boden und zur Dichtung eines Spaltes zwischen Türflügel und Boden aufweist, sowie ein Gehäuse (10), in welchem das Dichtelement (12) angeordnet ist, wobei das Dichtelement (12) relativ zum Gehäuse (10) automatisch anhebbar und absenkbar angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
mindestens ein Teil des Dichtelements (12) keimhemmend oder keimtötend wirkend ausgebildet ist, wobei dieser Teil dichtend auf dem Boden aufliegen kann."
Die Hilfsanträge spielen für die vorliegende Entscheidung keine Rolle.
VII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen die folgenden Argumente vor.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E5
E5 offenbare eine Türdichtung gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Unterscheidungsmerkmale des kennzeichnenden Teils bewirkten eine Verbesserung der Hygiene. Die objektive technische Aufgabenstellung bestehe darin, die Türdichtung der E5 dahingehend auszugestalten, dass die Hygiene in Räumen, insbesondere in medizinischen Einrichtungen, verbessert werde. Der zuständige Fachmann werde durch ein Team gebildet, das eine Fachperson für Türdichtungen und einen Krankenhaushygieniker (vgl. E30) umfasse. Der Krankenhaushygieniker sei eine hoch gebildete Fachperson, die eigenständig Hygienerisiken erkennen müsse. Eine solche Fachperson hätte in ihre Risikoanalyse auch Türdichtungen einbezogen, auch wenn diese in den Dokumenten E24 und E26 bis E28 nicht eigens erwähnt seien. Der Krankenhaushygieniker kenne E6 und E9, die vorschlügen, kritische Oberflächen in medizinischen Einrichtungen keimhemmend oder keimtötend auszubilden. Zudem sei ihm bereits aus seinem Fachwissen die keimhemmende Wirkung von Metallionen bekannt gewesen. Dies hätte das Fachteam im Hinblick auf die zu lösende Aufgabe auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 geführt.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1, E10 und E13
Dieselbe Argumentation treffe auch ausgehend von den Türdichtungen der E1, E10 oder E13 zu. Daher beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags auch ausgehend von diesen Türdichtungen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E21
Ausgangspunkt sei die Absenkdichtung "T017/Twelve" aus E21 in der Alternative mit schwarzer Bürste als Dichtelement, welche alle Merkmale des Oberbegriff von Anspruch 1 des Hauptantrags aufweise. Es ergäben sich daher dieselben Unterscheidungsmerkmale, dieselbe Aufgabenstellung und dasselbe Fachteam wie bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E5. Möglichkeiten zur Verbesserung der Hygiene einer Bürstendichtung kenne das Fachteam aus E4 oder E7, welche eine keimhemmend oder keimtötend wirkende Ausbildung offenbarten. Die Beschwerdeführerin gab zu bedenken, dass eine keimhemmend oder keimtötend ausgestattete Bürstendichtung bezüglich der Hygiene gegenüber einem glatten, aber nicht keimhemmenden Dichtungselement vorteilhaft sein könne. Das Fachteam hätte daher die Bürstendichtung der E21 durch die der E4 ausgetauscht und dabei die Dichtung der E4 in die entsprechende Nut der E21 eingefädelt oder es hätte die Bürstendichtung der E21 gemäß der Lehre der E7 keimhemmend imprägniert. So wäre das Fachteam auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt.
VIII. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E5
Die Unterscheidungsmerkmale seien die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Sie lösten die Aufgabe, die Hygiene in Räumen, insbesondere in medizinischen Einrichtungen, zu verbessern (Absatz [0005] des Streitpatents). Die Aufgabenstellung dürfe keinen Hinweis auf die Türdichtung beinhalten, da die Erfindung auch gerade darin liege, erstmals die Türdichtung als Hygienerisiko in Krankenhäusern in den Blick zu nehmen.
Die Fachperson für die genannte Aufgabe sei ein Krankenhaushygieniker. Dieser dürfe zwar grundsätzlich Baufachleute hinzuziehen, beispielsweise eine Fachperson für Türdichtungen. Er habe aber keinen Hinweis gehabt, dass Türdichtungen für die Hygiene in medizinischen Einrichtungen überhaupt relevant seien. Auch die Dokumente E24 und E26 bis E28 erwähnten keine Türdichtungen. Die Absenkdichtung der E5 verfüge über ein hutförmiges Gehäuse, welches die gesamte Türblattunterseite abdecke, und weise Membranen 10 und 11 auf, die Spalte bzw. Hohlräume zwischen dem Gehäuse und dem Dichtelement 9 verschlössen. Daher habe auch die aus E24 oder E26 bis E28 entnommene Vorgabe, Hohlräume und Kapillarspalte zu vermeiden, keinen Anlass für Maßnahmen an der Türdichtung geboten.
Aber selbst wenn die Fachperson nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Absenkdichtung hinsichtlich der Hygiene in medizinischen Einrichtungen gesucht hätte, wäre sie nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt. Es gab für die Fachperson keine Veranlassung, einen Teil der Absenkdichtung keimhemmend oder keimtötend wirkend auszubilden, weder aufgrund des Fachwissens (vgl. E24 oder E26 bis E28), noch aufgrund der Lehre der E6 oder E9.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1, E10 oder E13
E1, E10 und E13 offenbarten ebenfalls Absenkdichtungen, die die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllten. Auch ausgehend von diesen Türdichtungen wäre die Fachperson mangels Veranlassung nicht auf naheliegende Weise zum Anspruchsgegenstand gelangt.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E21
Die Absenkdichtung "T017/Twelve" in ihrer Ausführung mit schwarzer Bürste aus E21 offenbare die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Eine Bürstendichtung besitze jedoch Hohlräume und Kapillarspalte und sei deshalb für den Betrieb in einer medizinischen Einrichtung nicht geeignet. Falls die Fachperson dennoch von einer solchen Dichtung ausgehe, hätte sie aufgrund ihres Fachwissens die Bürstendichtung durch ein glattes Dichtungselement ersetzt, wie ebenfalls in E21 bei der gleichen Absenkdichtung "T017/Twelve" offenbart. Das Fachwissen hätte die Fachperson somit davon weggeführt, überhaupt eine Bürstendichtung einzusetzen und diese wie in E4 oder E7 offenbart keimhemmend bzw. keimtötend auszustatten.
1. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E5
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik in E5 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1.1 E5 offenbart unstreitig eine Absenkdichtung für den Einsatz in schwellenlosen Türen in Krankenhausbauten (Spalte 1, Zeilen 1 bis 31; Figuren), die die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 erfüllt.
1.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich hiervon durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils, wonach mindestens ein Teil des Dichtelements, welcher dichtend auf dem Boden aufliegen kann, keimhemmend oder keimtötend wirkend ausgebildet ist.
1.3 Da bei einer automatischen Absenkdichtung das Dichtelement beim Schließen der Tür mit dem Fußboden in Berührung kommt, kann eine Übertragung von Keimen vom Fußboden auf das Dichtungselement und umgekehrt stattfinden. Im Einzelfall kann es auch zur Aufnahme von Nährmedien einschließlich menschlichen Körpermaterials kommen. Daher besteht eine grundsätzliche Gefahr, dass an oder im Bereich der Absenkdichtung Brutherde für Keime entstehen könnten.
Die keimhemmende oder keimtötende Ausbildung des den Boden berührenden Teils des Dichtelements verringert die Gefahr der Keimübertragung und der Bildung von Brutherden. Dies dient unstreitig der verbesserten Hygiene in Räumen, insbesondere in medizinischen Einrichtungen, wie dies in Absatz [0005] des Streitpatents ausgedrückt ist.
1.4 Die objektive technische Aufgabenstellung ist ausgehend von einem "nächstliegenden" Stand der Technik zu formulieren. Dabei sind die Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Anspruch und diesem Stand der Technik zu bestimmen. Die Unterscheidungsmerkmale sind in der Aufgabe nicht zu erwähnen, da sie einen Hinweis auf die beanspruchte Lösung geben würden. Vielmehr ist auf die Wirkung dieser Unterscheidungsmerkmale abzustellen und ist die Aufgabe anhand dieser Wirkung zu formulieren.
Im vorliegenden Fall geht die Fachperson von einer Absenkdichtung (an einer Tür in einer medizinischen Einrichtung) gemäß E5 aus. Die objektive technische Aufgabe ist daher notwendigerweise in Bezug auf diese Absenkdichtung zu formulieren. Die Wirkung der Unterscheidungsmerkmale (kennzeichnender Teil des Anspruchs) ist die Verbesserung der Hygiene. Die objektive technische Aufgabe - wie auch von der Beschwerdeführerin vorgebracht - lautet somit, die Absenkdichtung der E5 dahingehend auszugestalten, dass die Hygiene in Räumen, insbesondere in medizinischen Einrichtungen, verbessert wird.
1.5 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, Absenkdichtungen seien in Krankenhäusern bereits seit langem bekannt. Dennoch seien sie bisher nicht als potenzielle Schwachstellen bei der Hygiene identifiziert worden. Die Erfindung des Streitpatents liege daher gerade auch darin, die Türdichtung bei der Aufgabe, die Hygiene in Räumen medizinischer Einrichtungen zu verbessern, einzubeziehen. Daher dürfe sich die Aufgabenstellung nicht auf die Türdichtung beziehen, weil sie sonst Lösungsansätze enthalte.
Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt und hält an der oben in Punkt 1.4 formulierten Aufgabe fest. Im Ergebnis kommt es allerdings auch nicht darauf an, ob der von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Aufgabenstellung gefolgt werden kann, da der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit auch mit der von der Beschwerdeführerin vertretenen Aufgabenstellung nicht durchgreift.
1.6 Die für die genannte Aufgabenstellung relevante Fachperson muss einerseits Kenntnisse über Türdichtungen, insbesondere Absenkdichtungen haben, da die Aufgabe von einer solchen ausgeht, und andererseits Kenntnisse über die Hygiene in medizinischen Einrichtungen aufweisen. Es handelt sich daher um ein Team, das eine Fachperson für Türdichtungen und eine Fachperson für die Hygiene in medizinischen Einrichtungen, beispielsweise einen Krankenhaushygieniker (vgl. E30), umfasst.
1.7 Vor die oben formulierte Aufgabe gestellt, hätte das Fachteam Überlegungen angestellt, inwiefern sich die Hygiene in medizinischen Einrichtungen durch eine Weiterbildung der Absenkdichtung der E5 erzielen lässt.
Die Beschwerdeführerin trug vor, das Team wäre dabei bereits aufgrund des Fachwissens zur beanspruchten Lösung gelangt oder zumindest aufgrund der Lehre der E6 oder E9. Beides ist nach Ansicht der Kammer jedoch nicht der Fall.
1.8 Fachwissen
Aufgrund des von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Fachwissens im Bereich der Hygiene in medizinischen Einrichtungen war sich die hierfür zuständige Fachperson darüber bewusst, dass zur Verbesserung der Hygiene glatte, nichtporöse, wasserfeste, leicht zu reinigende und zu desinfizierende Oberflächen und Einrichtungsgegenstände zu verwenden sind, und insbesondere Undichtigkeiten, Hohlräume und kapillare Spalte sowie saugfähige Materialien zu vermeiden sind. Diese Anforderungen finden sich in E24 (exemplarisch in den Abschnitten 7.28.B5, B6 und B8 auf Seite 65), E26 (Abschnitt 6, Seite 58), E27 (Abschnitt 2, wo besonders nachdrücklich vor der Gefahr von mangelhafter Abdichtung, Hohlräumen und kapillaren Spalten für die Bildung von mikrobiellen Brutherden gewarnt wird) und E28 (Abschnitt 6, Seite 4).
Ausgestattet mit diesem Fachwissen hätte das Fachteam die ihm gegebene E5 betrachtet.
1.8.1 Möglicherweise hätte das Fachteam Handlungsbedarf bei den Hohlräumen bzw. Spalten zwischen dem Türblatt und dem hutförmigen Gehäuse der Absenkdichtung oder im Bereich der Befestigung der Membranen 10, 11 am Dichtungsgehäuse erkannt. Diese Stellen liegen jedoch nicht in der Nähe eines Teils des Dichtelements, das auf dem Boden aufliegen und damit in Kontakt mit dem Boden kommen kann. Schon deshalb hätten eventuelle Maßnahmen in diesem Bereich nicht zur anspruchsgemäßen Lösung geführt.
1.8.2 Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, weist die Absenkdichtung der E5 im zurückgezogenen Zustand des Dichtungselements (Figur 2) auch Hohlräume zwischen den Membranen 10, 11 und der Dichtlippe 9 auf. Dorthin könnten beim Zurückziehen der den Boden berührenden Dichtlippe Verunreinigungen und Keime gelangen, beispielsweise bei einer Kontamination des Bodens oder im Zuge der Reinigung des Bodens mit Wischwasser. Der Krankenhaushygieniker hätte daher vielleicht erkannt, dass die genannten Hohlräume ein gewisses Risiko für die Bildung eines Brutherds und für die Weiterverbreitung von Keimen bilden können.
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass keine der das Fachwissen belegenden Dokumente E24 und E26 bis E28 eine keimhemmende oder keimtötende Ausstattung von schwer zu reinigenden Stellen wie Hohlräumen oder Kapillarspalten vorschlägt. Insbesondere nicht als Alternative zur vorschriftsmäßigen Vermeidung solcher Stellen. Wenn der Krankenhaushygieniker daher in den Hohlräumen zwischen den Membranen und der Dichtlippe eine Gefahr für die Hygiene in medizinischen Einrichtungen erkannte, hätte er darauf bestanden, dass diese Hohlräume (durch konstruktive Maßnahmen) beseitigt werden müssen.
Zwar waren auch keimhemmend oder keimtötend wirkende Oberflächenausstattungen grundsätzlich fachbekannt. Das Fachwissen um diese allgemeine Möglichkeit hätte einer Fachperson jedoch noch keine Veranlassung gegeben, sämtliche Oberflächen in medizinischen Einrichtungen keimhemmend oder keimtötend wirkend auszubilden. Entscheidend ist jedoch, dass das Fachwissen eine Anregung geben müsste, dass dies gerade für eine Absenkdichtung sinnvoll sein könnte. Daran fehlt es hier.
Aufgrund des Fachwissens allein bestand daher keine Veranlassung, das Dichtelement - statt der Beseitigung der Hohlräume oder zusätzlich dazu - keimhemmend oder keimtötend wirkend auszubilden.
1.9 Lehre der E6 oder E9
Die Beschwerdeführerin trug vor, das Fachteam hätte auch die Lehre der E6 oder E9 berücksichtigt, in denen eine keimhemmende oder keimtötende Ausstattung von Oberflächen in medizinischen Einrichtungen offenbart werde. Aus diesen Entgegenhaltungen hätte er die Anregung erhalten, das Dichtelement der Absenkdichtung keimhemmend auszustatten.
1.9.1 Die E6 ist auf Maßnahmen zur Verbesserung der Hygiene in medizinischen Einrichtungen gerichtet (E6, erster und zweiter Absatz auf Seite 1). Auch die E9 beschäftigt sich mit solchen Maßnahmen (E9 , "health care facilities", Absatz [0057]). Die Lehre dieser Entgegenhaltungen war dem Fachteam daher bekannt.
1.9.2 Der E6 und E9 gemeinsam ist, dass der Einsatz der in ihnen offenbarten keimhemmenden Materialien nur für solche Bereiche vorgeschlagen wird, die als Zwischenstation für die Übertragung von Keimen von Mensch zu Mensch relevant sind (E6, dritter Absatz auf Seite 2; E9, Absatz [0005]). In erster Linie sind dies Oberflächen, die häufig berührt werden, wie Türklinken oder Schalter (vgl. E6). Nach E9 kann es sich darüber hinaus auch um Flächen handeln, die durch regelmäßige Luft- oder Flüssigkeitsströmungen eine wesentliche Rolle bei der Übertragung von Keimen spielen können, wie beispielsweise Lüftungskanäle und Wasserleitungen (E9, Absätze [0005] und [0052]).
Zu diesen Bereichen zählt jedoch weder die Türblattunterseite noch eine daran angebrachte Absenkdichtung. Denn diese Elemente werden normalerweise nicht, zumindest nicht häufig, berührt. Sie sind auch nicht regelmäßigen Luft- oder Flüssigkeitsströmungen im Sinne der E9 ausgesetzt. Diese Flächen sind daher nicht als relevante Zwischenstation für die indirekte Übertragung von Keimen von Mensch zu Mensch zu werten.
Die Patentschrift E9 erwähnt zwar in einer weit gefassten Aufzählung möglicher Einsatzbereiche auch Böden und Türen (Absatz [0052]). Dieser allgemeine Hinweis in der E9 kann aber nicht so verstanden werden, dass er einer Fachperson eine Veranlassung dazu gegeben hätte, sämtliche Teile von Türen und Böden keimhemmend oder -tötend auszubilden.
Die Fachperson war sich daher der an sich bekannten und bekanntermaßen gegen verschiedenste Keime wirksamen Oberflächenausstattung mit Metallionen wie in E6 oder E9 zwar bewusst. E6 und E9 vermittelten ihr auch die Erwartung einer Verbesserung der Hygiene, wenn für die indirekte Keimübertragung relevante Flächen damit ausgestattet werden. Sie hatte aber keinen Grund, sich von einer entsprechenden Ausstattung anderer Flächen, wie zum Beispiel des Dichtelements einer Absenkdichtung, eine relevante Verbesserung der Hygiene in Räumen, insbesondere in einer medizinischen Einrichtung, zu erwarten.
Das Fachteam hatte also keine Veranlassung, eine keimhemmend oder keimtötend wirkende Ausbildung des Dichtelements der Absenkdichtung in Betracht zu ziehen. Eine solche Maßnahme lag im Bereich dessen, was das Fachteam zwar hätte tun "können", was es aber mangels der Erwartung einer Lösung der gestellten Aufgabe bzw. mangels der Erwartung einer relevanten Verbesserung oder eines Vorteils nicht getan "hätte" (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, I.D.5).
1.10 Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von der Absenkdichtung der E5 im Hinblick auf das allgemeine Fachwissen, die E6 oder die E9 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1, E10 oder E13
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auch ausgehend von E1, E10 oder E13 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.1 Die Beschwerdeführerin trug dieselbe Argumentation zur mangelnder erfinderischer Tätigkeit, wie oben ausgehend von E5 behandelt, auch ausgehend von E1, E10 und E13 vor.
2.2 E10 (Absatz [0001], Figuren 1 bis 5) und E13 (Seite 1, erster Absatz; Figuren 1 bis 11) offenbaren wie die E5 unstreitig Absenkdichtungen gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1 des Hauptantrags. Dies trifft - ungeachtet der bestrittenen Vorveröffentlichung - auch für die Entgegenhaltung E1 (Absenkdichtung "STADI-XL ST", Seite 6) zu.
2.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von diesen Absenkdichtungen folglich - genau wie von der Absenkdichtung der E5 - durch die Merkmale seines kennzeichnenden Teils.
2.4 Auch wenn E1, E10 und E13 nicht ausdrücklich die Eignung der in ihnen offenbarten Türdichtungen für die Verwendung in medizinischen Einrichtungen offenbaren, treffen dieselben Überlegungen bezüglich der Wirkung der Unterscheidungsmerkmale, der objektiven technischen Aufgabenstellung und zugehörigen Fachteams zu wie ausgehend von E5. Daher gelten die oben dargelegten Ausführungen zum Naheliegen des Gegenstands von Anspruch 1 im Hinblick auf das Fachwissen, E6 oder E9 entsprechend für die Einwände ausgehend von E1, E10 oder E13.
2.5 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von E1, E10 oder E13 in Verbindung mit dem Fachwissen, E6 oder E9 aus denselben Gründen wie oben ausgehend von E5 dargelegt auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E21
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auch ausgehend von E21 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.1 E21 offenbart (auf Seite 10, 16 und 25 jeweils) eine Absenkdichtung "T017/Twelve" in der optionalen Ausführung mit einer schwarzen Bürste als Dichtelement (Abbildung jeweils oben links). Diese Absenkdichtung offenbart unstreitig die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1.
3.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dieser Absenkdichtung - wie von der Absenkdichtung der E5 - durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils. Auch ausgehend von der genannten Absenkdichtung der E21 ergibt sich dieselbe Wirkung, Aufgabenstellung und dasselbe Fachteam wie oben ausgehend von E5 diskutiert.
3.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, zur Lösung der gestellten Aufgabe hätte das Fachteam die Bürstendichtung der E4 herangezogen, die keimhemmend ausgestattet ist, um Gesundheitsrisiken zu vermeiden (Spalte 2, Zeilen 48 bis 61). Diese hätte das Team in der Absenkdichtung der E21 als Dichtelement verwendet, zum Beispiel indem es die Bürstendichtung der E4 anstelle der schwarzen Bürste in die Nut der Trägerschiene der Absenkdichtung der E21 eingezogen hätte. So wäre das Fachteam auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt.
3.4 Allerdings verlangen die fachüblichen Vorgaben zur Hygiene in medizinischen Einrichtungen, wie oben unter Punkt 1.8 dargelegt, dass Hohlräume, Kapillarspalte und saugfähige Materialien zu vermeiden sind, da sie kaum zuverlässig zu desinfizieren sind und sich darin gefährliche Brutherde für Keime bilden können. Eine Bürstendichtung wie in E21 oder E4 stellt ein saugfähiges Bauteil mit Hohlräumen und Kapillaren dar. Dem Fachteam war daher bewusst, dass eine Bürstendichtung mit der Krankenhaushygiene nicht vereinbar ist. Es hätte daher in erster Linie nach einer Möglichkeit gesucht, auf eine Bürstendichtung zu verzichten. Hierfür offenbart bereits die E21 selbst eine Lösung, nämlich die Standardvariante der "T017/Twelve" mit einem glatten, geschlossenen Dichtelement (Abbildung jeweils oben rechts auf den Seiten 10, 16 und 25). Auf diese Weise hätte das Team somit eine naheliegende Lösung der Aufgabe gefunden, ohne dabei jedoch zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags zu gelangen. Wie bereits oben ausgeführt war es zudem auch nicht naheliegend, die Dichtung zusätzlich keimhemmend oder keimtötend wirkend auszubilden.
3.5 Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Argumentation, wonach es für die Hygiene sogar vorteilhafter gewesen sein könnte, eine keimtötend ausgestattete Bürste statt eines glatten, aber nicht keimhemmenden Dichtelements zu verwenden, überzeugt nicht. Die bezüglich der Krankenhaushygiene diskutierten Vorschriften und Regeln fordern unmissverständlich, dass Rückzugsräume für Keime zu vermeiden sind. Es gab hingegen keinen Beleg oder Hinweis, dass eine keimhemmende oder keimtötende Ausstattung eine auch nur gleichwertige, geschweige denn bessere Alternative hierzu darstellen würde. Auch E4 offenbart die keimtötende Ausstattung der Bürstendichtung nur als Kompromiss, da die Bürsten aus optischen bzw. kommerziellen Gründen unverzichtbar seien (Spalte 1, Zeilen 55 bis 58). Im Umfeld medizinischer Einrichtungen ist ein solcher Kompromiss jedoch nicht angezeigt - den hygienischen Anforderungen ist der Vorzug zu geben (vgl. E27, Abschnitt 1, erster Satz).
Daher hatte das Fachteam keine Veranlassung, die gestellte Aufgabe mit einer keimhemmend oder keimtötend ausgerüsteten Bürstendichtung zu lösen. Folglich wäre es nicht auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt.
3.6 Ebenso wenig hätte das Fachteam aufgrund der E7 die Bürstendichtung beibehalten und diese keimhemmend oder keimtötend ausgestattet. Zwar erwähnt E7 den Einsatz keimhemmend ausgestatteter Stoffe als Wand- oder Deckenbekleidung in Krankenhäusern (Absätze [0029] und [0059]). Diese pauschale Angabe gab dem Fachteam jedoch keinen Anlass für die beanspruchte Lösung und hätte es auch nicht von seiner im vorangegangenen Punkt dargelegten fachgerechten Vorgehensweise abgebracht.
3.7 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags auch ausgehend von der Absenkdichtung "T017/Twelve" mit schwarzer Bürste aus E21 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.