T 0421/19 (Tinnitus-Filtermittel/SIVANTOS) 18-05-2021
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Hörhilfe- und/oder Tinnitus-Therapie-Gerät
Unzulässige Erweiterung - Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 8 (ja)
Erweiterung des Schutzbereichs - Hilfsanträge 1 bis 8 (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent aufgrund unzulässiger Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ) bzw. mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) zu widerrufen.
II. Am 18. Mai 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben
und
- das Streitpatent in geänderter Fassung nach Artikel 101 (3) a) EPÜ gemäß einem mit der Ladungserwiderung eingereichten Hauptantrag bzw. Hilfsanträge 1 bis 8 aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
III. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Hörhilfe- und Tinnitus-Therapie-Gerät (1,11), welches ausgebildet ist zum Erfassen wenigstens einer
Tinnitus-Frequenz und/oder eines
Tinnitus-Frequenzspektrums eines Benutzers,
mit einem Mikrofon (2) zur Aufnahme eines akustischen Eingangssignals und zur Wandlung desselben in ein elektrisches Eingangssignal,
wenigstens einem Signalprozessor zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals und
einem elektroakustischen Ausgangswandler zur Wandlung des elektrischen Ausgangssignals in ein akustisches Ausgangssignal sowie
mit Mitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz
und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal, und mit Filtermitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Filtermittel eine Multikanal-Filterbank (7) umfassen."
IV. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags lautet (Hervorhebungen im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer):
"Hörhilfe- und Tinnitus-Therapie-Gerät (1,11), welches ausgebildet ist zum Erfassen, nämlich zum Einstellen, wenigstens einer Tinnitus-Frequenz und/oder eines Tinnitus-Frequenzspektrums eines Benutzers,
mit einem Mikrofon (2) zur Aufnahme eines akustischen Eingangssignals und zur Wandlung desselben in ein elektrisches Eingangssignal,
wenigstens einem Signalprozessor zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals und
einem elektroakustischen Ausgangswandler zur Wandlung des elektrischen Ausgangssignals in ein akustisches Ausgangssignal sowie
mit Mitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz
und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal, [deleted: und] nämlich mit Filtermitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Filtermittel eine Multikanal-Filterbank (7) umfassen."
V. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags lautet (Hervorhebungen im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer):
"Hörhilfe- und Tinnitus-Therapie-Gerät (1,11), [deleted: welches ausgebildet ist zum Erfassen ]mit einer Steuer- und Speichereinheit (9, 19) zur Einstellung wenigstens einer Tinnitus-Frequenz und/oder eines
Tinnitus-Frequenzspektrums eines Benutzers,
mit einem Mikrofon (2) zur Aufnahme eines akustischen Eingangssignals und zur Wandlung desselben in ein elektrisches Eingangssignal,
wenigstens einem Signalprozessor zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals und
einem elektroakustischen Ausgangswandler zur Wandlung des elektrischen Ausgangssignals in ein akustisches Ausgangssignal sowie
mit Mitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz
und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal, [deleted: und] nämlich mit Filtermitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Filtermittel eine Multikanal-Filterbank (7) umfassen."
VI. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags lautet (Hervorhebungen im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer):
"Hörhilfe- und Tinnitus-Therapie-Gerät (1,11), welches ausgebildet ist zum Erfassen, nämlich zum Einstellen, wenigstens einer Tinnitus-Frequenz und/oder eines Tinnitus-Frequenzspektrums eines Benutzers,
mit einem Mikrofon (2) zur Aufnahme eines akustischen Eingangssignals und zur Wandlung desselben in ein elektrisches Eingangssignal,
wenigstens einem Signalprozessor zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals und
einem elektroakustischen Ausgangswandler zur Wandlung des elektrischen Ausgangssignals in ein akustisches Ausgangssignal sowie
[deleted: mit Mitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal, und] mit Filtermitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des
Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Filtermittel eine Multikanal-Filterbank (7) umfassen."
VII. Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags lautet (Hervorhebungen im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer):
"Hörhilfe- und Tinnitus-Therapie-Gerät (1,11), [deleted: welches ausgebildet ist zum Erfassen ]mit einer Steuer- und Speichereinheit (9, 19) zur Einstellung wenigstens einer Tinnitus-Frequenz und/oder eines
Tinnitus-Frequenzspektrums eines Benutzers,
mit einem Mikrofon (2) zur Aufnahme eines akustischen Eingangssignals und zur Wandlung desselben in ein elektrisches Eingangssignal,
wenigstens einem Signalprozessor zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals und
einem elektroakustischen Ausgangswandler zur Wandlung des elektrischen Ausgangssignals in ein akustisches Ausgangssignal sowie
[deleted: mit Mitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal, und] mit Filtermitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des
Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Filtermittel eine Multikanal-Filterbank (7) umfassen."
VIII. Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags umfasst alle Merkmale von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags, wobei der Absatz
"wenigstens einem Signalprozessor zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals und"
durch den nachfolgenden Wortlaut ersetzt wurde (die entsprechend vorgenommenen Änderungen wurden von der Kammer unterstrichen):
"wenigstens einem Signalprozessor, welcher einen Signalverarbeitungseinheit (3, 13) zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals umfasst, und".
IX. Anspruch 1 des sechsten, siebten und achten Hilfsantrags umfasst alle Merkmale von Anspruch 1 des zweiten, dritten bzw. vierten Hilfsantrags mit den gleichen wie oben in Punkt VIII für den fünften Hilfsantrag von der Kammer unterstrichenen Änderungen.
1. Gegenstand des Streitpatents
Das Streitpatent betrifft eine Hörhilfe, die als Tinnitus-Therapie-Gerät eingesetzt werden kann. Dazu wird die Tinnitus-Frequenz oder das
Tinnitus-Frequenzspektrum eines Benutzers erfasst, wobei die Filtermittel der Hörhilfe derart eingestellt werden, dass die Tinnitus-Frequenz oder das
Tinnitus-Frequenzspektrum im akustischen Ausgangssignal der Hörhilfe unterdrückt wird. Laut Streitpatent soll sich nämlich der Tinnitus bei vielen Benutzern dadurch mit der Zeit zurückbilden und die Aufgabe gelöst werden, langfristig eine Beseitigung des Tinnitus zu erreichen.
2. Hauptantrag: Anspruch 1 - Merkmale
Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst folgende Merkmale (mit einer von der Kammer vorgenommenen Merkmalsgliederung):
a) Hörhilfe- und Tinnitus-Therapie-Gerät, welches ausgebildet ist zum Erfassen wenigstens einer Tinnitus-Frequenz und/oder eines
Tinnitus-Frequenzspektrums eines Benutzers;
b) mit einem Mikrofon zur Aufnahme eines akustischen Eingangssignals und zur Wandlung desselben in ein elektrisches Eingangssignal;
c) mit wenigstens einem Signalprozessor zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals;
d) mit einem elektroakustischen Ausgangswandler zur Wandlung des elektrischen Ausgangssignals in ein akustisches Ausgangssignal;
e) mit Mitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal;
und
f) mit Filtermitteln zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums in dem akustischen Ausgangssignal;
g) wobei die Filtermittel eine Multikanal-Filterbank umfassen.
3. Hauptantrag: Anspruch 1 - Artikel 123 (2) EPÜ
Anspruch 1 des Hauptantrags basiert auf einer Kombination der ursprünglichen Vorrichtungsansprüche 5, 6 und 8. Jedoch wird die ursprüngliche Offenbarung des Streitpatents aus den nachstehenden Gründen durch die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen in unzulässiger Weise erweitert.
3.1 In Merkmal c) hat der Wortlaut "zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals [und]" keine Basis in der ursprünglichen Anmeldung. Der Signalprozessor nach dem ursprünglichen Anspruch 5 ist lediglich "zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals" geeignet.
Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Textstellen auf Seite 5, Zeilen 1 bis 10 und Seite 7, Zeilen 3 bis 12 der ursprünglichen Beschreibung nennen zwar eine "Weiterverarbeitung", aber nicht im selben Kontext wie Merkmal c). Die Weiterverarbeitung in diesen beiden Textstellen stellt nämlich lediglich einen der Signalverarbeitungseinheit 3 oder 13 nachgeschalteten Verarbeitungsschritt dar. Die Signalverarbeitungseinheit 3 bzw. 13 erzeugt zwar, wie der Signalprozessor gemäß dem ursprünglichen Anspruch 5, ein Ausgangssignal; es gibt jedoch in der ursprünglichen Offenbarung für den fachkundigen Leser keinen unmittelbaren und eindeutigen Hinweis, die nachgeschaltete Weiterverarbeitung durch diesen Signalprozessor bzw. durch diese Signalverarbeitungs-einheit 3 oder 13 ausführen zu lassen.
Wie es aus den ursprünglichen Figuren 1 und 3 sowie aus Seite 5, Zeilen 1 bis 6 und Seite 7, Zeilen 3 bis 7 der ursprünglichen Beschreibung sofort ersichtlich ist, könnte die Signalverarbeitungseinheit 3 oder 13 der ursprünglichen Anmeldung nach dem Empfang eines durch ein Mikrofon bereitgestellten, elektrischen Eingangssignals z.B. eine typische
Klassifikator-Funktion zum Erkennen einer aktuell vorliegenden Hörsituation und zum Auswählen eines am besten zu dieser Hörsituation passenden Parametersatzes ausführen. Anschließend könnte dann ein durch die Signalverarbeitungseinheit 3 oder 13 erzeugtes, mit dem elektrischen Eingangssignal identisches Ausgangssignal einer nachgeschalteten Komponente für eine an die erkannte Hörsituation angepasste Weiterverarbeitung z.B. in der Form einer frequenzabhängigen Verstärkung weitergeleitet werden. Dies ist im Einklang mit dem die Seiten 5 und 6 der ursprünglichen Beschreibung verbindenden Satz, der besagt, dass die Signalverarbeitungseinheit 3 "zur individuellen Anpassung der Signalverarbeitung an den Hörverlust des Benutzers" (Hervorhebung durch die Kammer) und nicht zur Signalverarbeitung selbst eingestellt wird. Der Signalprozessor nach Merkmal c) könnte dagegen die besagte Klassifikator-Funktion und die mittels der Klassifikator-Funktion an die Hörsituation angepasste Signalverarbeitung vereinen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Signalprozessor bzw. die Signalverarbeitungseinheit der ursprünglichen Anmeldung lediglich zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals anstatt zum Weiterverarbeiten eines elektrischen Eingangssignals und zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals eingesetzt wird.
3.2 Die Beschwerdeführerin verwies des Weiteren auf Seite 5, Zeilen 12 bis 17 der ursprünglichen Beschreibung, aber auch dort kann die Kammer keine Stütze dafür erkennen, dass der Signalprozessor neben dem Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals eine zusätzliche Weiterverarbeitung des elektrischen Eingangssignals durchführen würde.
3.3 Die Beschwerdeführerin fügte hinzu, dass die "erste" Weiterverarbeitung auf Seite 5, Zeile 2 der ursprünglichen Beschreibung mit der "zweiten" Weiterverarbeitung auf Seite 5, Zeilen 7 und 8 der ursprünglichen Beschreibung nicht zu verwechseln sei, und zwar aufgrund der nachfolgenden Argumente:
i) im Zusammenhang mit der "zweiten" Weiterverarbeitung werde der unbestimmte Artikel "eine" benutzt und entsprechend werde kein Bezug auf die zuvor genannte, "erste" Weiterverarbeitung genommen;
ii) die "zweite" Weiterverarbeitung werde durch die Angabe "gegebenenfalls" als optional bezeichnet;
iii) bei der "ersten" Weiterverarbeitung werde das Eingangssignal und bei der "zweiten" Weiterverarbeitung das Ausgangssignal verarbeitet.
Dies ist jedoch nicht überzeugend:
3.3.1 Zu Argument i) ist festzuhalten, dass die Beschreibung einer Patentanmeldung nicht notwendigerweise wie ein Patentanspruch verfasst wird. Dies wird bereits durch die Verwendung des bestimmten Artikels "zur" (Hervorhebung durch die Kammer) für die "erste" Weiterverarbeitung auf Seite 5, Zeile 2 und Seite 7, Zeile 3 der ursprünglichen Beschreibung impliziert.
3.3.2 Argument ii) ist zwar in der Sache korrekt, dies bedeutet jedoch nicht, dass der fachkundige Leser unmittelbar und eindeutig verstehen würde, dass die "erste" und "zweite" Weiterverarbeitung von unterschiedlichen Einheiten durchgeführt werden. Es könnte sich bei der Angabe "ggf. [bzw. gegebenenfalls]" um eine Präzisierung der "ersten" Weiterverarbeitung handeln: eine Weiterverarbeitung eines elektrischen Signals in einer Hörhilfe muss nämlich nicht immer zwingend erfolgen. So kann eine Geräuschunterdrückung bei einer geräuscharmen Hörsituation abgeschaltet werden oder findet für ein Signal, das keine nennenswerten Komponenten in einem für den Benutzer mit Hörverlust behafteten Frequenzbereich aufweist, in der Regel keine frequenzabhängige Verstärkung statt.
3.3.3 Zu Argument iii) sei angemerkt, dass die ursprünglich offenbarte "Weiterverarbeitung", wie oben in Punkt 3.1 bereits hervorgehoben, nicht in der Signalverarbeitungseinheit 3 oder 13 stattfindet: das elektrische Eingangssignal wird der Signalverarbeitungseinheit 3 oder 13 zugeführt, wobei das von der Signalverarbeitungseinheit 3 oder 13 erzeugte elektrische Ausgangssignal (durch eine nachgeschaltete Komponente) weiterverarbeitet wird. Somit würde der fachkundige Leser hinsichtlich Argument iii) der ursprünglichen Beschreibung ebenfalls keinen eindeutigen Hinweis entnehmen, dass die "erste" und "zweite" Weiterverarbeitung durch dieselbe Einheit durchgeführt werden soll.
3.4 Mithin erfüllt Anspruch 1 des Hauptantrags nicht das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.
4. Hilfsantrag 1: Anspruch 1 - Artikel 123 (2) und (3) EPÜ
Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass hier spezifiziert wird, dass
h) das Erfassen der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums ein Einstellen ist;
i) die Mittel zum Unterdrücken der Tinnitus-Frequenz und/oder des Tinnitus-Frequenzspektrums den Filtermitteln entsprechen sollen ("nämlich").
4.1 Merkmale h) und i) können den in Punkt 3.1 oben für Anspruch 1 des Hauptantrags nach Artikel 123 (2) EPÜ erhobenen Einwand nicht ausräumen.
4.2 Darüber hinaus findet durch Merkmal i) eine Verschiebung und dadurch, entgegen der Vorschrift von Artikel 123 (3) EPÜ, eine Erweiterung des im erteilten Anspruch 1 definierten Schutzbereichs statt.
Das "Hörhilfe- und/oder Tinnitus-Therapie-Gerät" nach Anspruch 1 wie erteilt umfasst nämlich Mittel nach Merkmal e) und Filtermittel nach Merkmal f). Das "Hörhilfe und Tinnitus-Therapie-Gerät" nach Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags umfasst hingegen in dieser Hinsicht lediglich noch die Filtermittel nach Merkmal f).
Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach Merkmale e) und f) zwei Alternativen enthalten würden, nämlich
- (i) dass die Mittel nach Merkmal e) den Filtermitteln nach Merkmal f) entsprächen
oder
- (ii) dass die Mittel nach Merkmal e) und die
Filtermittel nach Merkmal f) unterschiedlich
seien
und dass Merkmal i) eine direkte Auswahl einer dieser beiden Alternativen darstelle, nicht anschließen, da der fachkundige Leser aufgrund des zwischen den Merkmalen e) und f) auftretenden Bindeworts "und" sowohl sprachlich als auch technisch unmittelbar erkennen würde, dass Merkmale e) und f) nicht zwei Alternativen umfassen, sondern lediglich als unterschiedliche Komponenten zu werten sind.
4.3 Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags verstößt demnach gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
5. Zweiter bis vierter Hilfsantrag: Anspruch 1 - Artikel 123 (2) und (3) EPÜ
5.1 Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch Merkmal i) und dadurch, dass
j) das Erfassen ein Einstellen mit einer Steuer- und Speichereinheit des Hörhilfe- und Tinnitus-Therapie-Geräts ist.
5.2 Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch Merkmal h) und dadurch, dass Merkmal e) ersatzlos gestrichen wurde.
5.3 Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch Merkmal j) und dadurch, dass Merkmal e) ersatzlos gestrichen wurde.
5.4 Wie oben in Punkt 4.1 festgehalten, kann weder das Merkmal h) noch das Merkmal i) den in Punkt 3.1 oben für Anspruch 1 des Hauptantrags hinsichtlich Artikel 123 (2) EPÜ erhobenen Einwand ausräumen. Das Gleiche trifft auf das ersatzlose Streichen des Merkmals e) sowie auf das Merkmal j) zu.
5.5 Darüber hinaus wird der im erteilten Anspruch 1 definierte Schutzbereich durch das ersatzlose Streichen des Merkmals e) aus den gleichen wie für Merkmal i) in Punkt 4.2 oben genannten Gründen erneut erweitert (Artikel 123 (3) EPÜ).
5.6 Anspruch 1 des zweiten bis vierten Hilfsantrags ist demnach ebenfalls nicht in Einklang mit Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
6. Fünfter Hilfsantrag: Anspruch 1 - Artikel 123 (2) und (3) EPÜ
6.1 Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags dadurch, dass präzisiert wird, dass
k) der Signalprozessor eine Signalverarbeitungseinheit zum Weiterverarbeiten des elektrischen Eingangssignals umfasst.
6.2 Durch Merkmal k) werden die für den ersten Hilfsantrag bzgl. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erhobenen Einwände nicht behoben. Insbesondere ändert dieses Merkmal nichts an der Tatsache, dass der Signalprozessor des Merkmals c) sowohl die Funktion der Weiterverarbeitung des elektrischen Eingangssignals als auch die Funktion des Erzeugens eines elektrischen Ausgangssignals in einer Komponente vereint.
6.3 Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags erfüllt folglich auch nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
7. Sechster bis achter Hilfsantrag: Anspruch 1 - Artikel 123 (2) und (3) EPÜ
7.1 Anspruch 1 des sechsten, siebten und achten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des zweiten, dritten bzw. vierten Hilfsantrags durch Merkmal k).
7.2 Wie oben in Punkt 6.2 aufgeführt, vermag auch Merkmal k) nicht, die für den zweiten, dritten bzw. vierten Hilfsantrag geltende Schlussfolgerung zu erschüttern.
7.3 Anspruch 1 des sechsten, siebten und achten Hilfsantrags verstößt demnach ebenfalls gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
8. Da kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.