T 0427/19 (Acrylatbeschichtung / Treofan) 15-09-2021
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LEBENSMITTELVERPACKUNG ENTHALTEND EINE FOLIE MIT BARRIERE-EIGENSCHAFTEN GEGEN MINERALÖLE
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin II) richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent
Nr. 2 917 034 in geänderter Fassung auf Grundlage des Hilfsantrags 3a, eingereicht mit Schreiben vom 12. Oktober 2018, aufrecht zu erhalten.
II. Mit ihrer Beschwerdebegründung brachte die Einsprechende unter anderem vor, der erstinstanzlich aufrechterhaltene Anspruch 1 sei nicht erfinderisch gegenüber D12 (Migration of mineral oil from printed paperboard into dry foods: survey of the German market, Eur. Food Res. Technol., 232, 175-182 (2011)), in Verbindung mit D11 (Technical Bulletin, Lupasol® P Polyethyleneimine) und dem durch D8 (Lazic et al., Acta Physica Polonica A, 117(5), 855-858 (2010)) nachgewiesenem allgemeinen Fachwissen. Gleiches gelte für die entsprechenden Ansprüche der Hilfsanträge 4-6. Die Hilfsanträge 7-8 seien nicht erfinderisch bei zusätzlicher Berücksichtigung von D3 (WO 98/54410 A1), D6 (EP 1770215 A1) oder D8 und die Hilfsanträge 9-10 seien nicht erfinderisch bei zusätzlicher Berücksichtigung von D3. Ferner erhob die Einsprechende Einwände gegen die Zulassung unter anderem von Hilfsantrag 10 ins Verfahren.
III. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Patentinhaberin die Zurückweisung des Einspruchs, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage der erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 sowie die Nichtzulassung der Dokumente D5 (K. Pfaff, Präsentation "Re-use of recycled materials in food contact applications in the perspective of consumer protection", 8. Mai 2012), D10 (TU Dresden, "Final conference programme", 8-9. Mai 2012), D11 und D12. Die Patentinhaberin führte zur erfinderischen Tätigkeit unter anderem aus, Vorteile und Effekte der Erfindung seien sowohl durch die Versuche im Streitpatent selbst, als auch durch den bereits erstinstanzlich eingereichten Testbericht D13 nachgewiesen.
IV. Mit der Beschwerdeerwiderung erhob die Einsprechende Einwände gegen das Patent in seiner erteilten Fassung sowie gegen Hilfsantrag 1 und 2. Sie brachte unter anderem vor, der erteilte Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber D1 (WO 2012/163749 A2) und D2 (WO 2013/083504 A1), Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags sei nicht erfinderisch gegenüber D12 in Verbindung mit dem Fachwissen (D8) und Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags sei nicht erfinderisch gegenüber D12 in Verbindung mit D11 und dem Fachwissen (D8).
V. Mit der Beschwerdeerwiderung brachte die Patentinhaberin unter anderem Argumente zur Patentierbarkeit der bereits erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 3-13 vor und beantragte die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung, sollte die Kammer zum Ergebnis kommen, dass das Patent nicht wie erteilt bzw. auf Grundlage der Hilfsanträge 1-3 aufrecht erhalten werden kann.
VI. Nach dem Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer nahm die Patentinhaberin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
VII. Am 15. September 2021 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die abschließenden Anträge der Parteien waren wie folgt:
Die Patentinhaberin beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 1 bis 13. Sie beantragte weiterhin, die Dokumente D5, D10, D11 und D12 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents sowie die Nichtzulassung der Hilfsanträge 3 bis 13.
1. Hauptantrag
1.1 Der erteilte Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut:
"1. Lebensmittelverpackung umfassend:
a) ein Lebensmittel,
b) eine Folie auf Basis von Polyolefinen, welche das
Lebensmittel einschließt,
c) ein Karton auf Basis eines Recyclingkartons,
welche die Folie auf Basis von Polyolefinen,
enthaltend das Lebensmittel einschließt,
dadurch gekennzeichnet, dass die Folie auf Basis von Polyolefinen, mindestens eine Beschichtung umfassend
(i) Acrylatpolymer, und/oder
(ii)halogenhaltige Vinyl- und/oder Vinylidenpolymer und/oder
(iii) Polymere basierend auf Vinyl-Alkohol (VOH) aufweist und die Beschichtung zumindest auf der Seite der Folie vorliegt, die dem Karton auf Basis eines Recyclingkartons zugewandt ist."
1.2 Neuheit (Artikel 54 (3) EPÜ)
Die Kammer hat in der Mitteilung unter Artikel 15 (1) VOBK 2020 dargelegt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D2 und D1 ist. Da keine Gegenargumente vorgebracht wurden, sieht die Kammer keinen Grund, von dieser Meinung abzuweichen.
1.2.1 D2 offenbart den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 in Anspruch 1 und 14 in Verbindung mit Seite 2, Zeile 18-43. Die genannte Passage auf Seite 2 und Anspruch 1 betreffen offensichtlich denselben Gegenstand. Anspruch 14 ist auf Anspruch 1 rückbezogen, so dass für diesen Gegenstand zusätzlich unmittelbar und eindeutig offenbart ist, dass der innere Beutel ("inner bag") aus einer Polyolefinfolie besteht. Auch auf Seite 12 der Beschreibung ist offenbart, dass der Innenbeutel vorzugsweise aus Polyolefinen besteht. Aus Seite 2, Zeile 43 ergibt sich weiterhin unmittelbar und eindeutig, dass die Verpackungen insbesondere für Lebensmittel verwendet werden. Die Verwendung von recycliertem Papier ist Bestandteil der Aufgabe der Erfindung (Seite 2, Zeile 19). Sie ist somit für alle beschriebenen Ausführungsformen und zusätzlich noch einmal ausdrücklich in Zeile 26 der genannten Passage auf Seite 2 offenbart.
Das Argument der Patentinhaberin, zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelange man nur durch mehrfache Listenauswahl, ist nicht überzeugend, denn die entsprechende Rechtsprechung der Beschwerdekammern bezieht sich regelmäßig auf Listen "die eine gewisse Länge aufweisen" (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, G.VI.8.). Bei der Offenbarung von Papier- oder Kartonverpackungen (Anspruch 1 und Seite 2, Zeile 25: "paper or cardboard packaging") handelt es sich nicht um eine "Liste" in diesem Sinne, sondern lediglich um zwei Alternativen, für die jeweils die anderen Merkmale der Verpackung offenbart sind. Was das Folienmaterial angeht, liegt keine Liste gleichwertiger Alternativen vor, denn in der relevanten Passage auf Seite 12, Zeile 19-32 werden zwar andere Materialien genannt, aber nur Polyolefine werden als bevorzugt eingestuft. Die gleiche Präferenz findet sich im Anspruchssatz wieder, denn nur Polyolefine werden als Beutelmaterial beansprucht (Anspruch 14). Was die Ausrichtung der sich auf dem Innenbeutel befindlichen Acrylatschicht zur Kartonseite angeht, so offenbart D2, dass der Innenbeutel mindestens einseitig beschichtet ist; Anspruch 1 und Seite 2, Zeile 42). Dadurch wird unmittelbar und eindeutig auch eine beidseitige Beschichtung und damit implizit auch eine kartonseitige Beschichtung offenbart. Der Einwand, es fehle an einer konkreten Nennung des beanspruchten Merkmals "Beschichtung auf der dem Karton zugewandten Seite auf Basis des Beutels", greift somit nicht durch. Es folgt, dass D2 alle Merkmale des Anspruchs 1 direkt und unmittelbar und in Kombination miteinander offenbart. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit nicht neu (Artikel 54 (3) EPÜ).
1.2.2 Für die in den relevanten Passagen im Wesentlichen identische Offenbarung der D1 gelten die gleichen Argumente (Seite 1, Zeile 1-12, Seite 2, Zeile 4-24, Anspruch 1 und 12).
1.3 Aus den dargelegten Gründen ist der Hauptantrag somit nicht gewährbar (Artikel 54 (3) EPÜ).
2. Hilfsantrag 1
2.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 enthält die zusätzliche Einschränkung: "wobei die Folie auf Basis von Polyolefin eine biaxia1 orientierte Polypropylenfolie (boPP) ist."
2.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Kammer hat in der Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK 2020 dargelegt, warum sie der Meinung ist, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung, D12 ins Verfahren zuzulassen, nicht zu beanstanden ist und weiterhin, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags ausgehend von D12 nicht erfinderisch ist. Da keine Gegenargumente vorgebracht wurden, sieht die Kammer keinen Grund, von dieser Meinung abzuweichen.
2.2.1 Zulassung der D12
Dem Antrag der Patentinhaberin, D12 vom Verfahren auszuschließen, kann nicht stattgegeben werden, weil D12 wurde zwar nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht, aber von der Einspruchsabteilung nach Prüfung der Prima-Facie-Relevanz ins Verfahren eingeführt. Diese Entscheidung wurde auch nachvollziehbar begründet (Seite 7). Die Einspruchsabteilung hat somit das ihr zustehende Ermessen korrekt ausgeübt und nach ständiger Rechtsprechung sollte sich eine Beschwerdekammer in einem solchen Fall selbst dann nicht über die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung hinwegsetzen, wenn sie selbst zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, IV.C.4.5.2 und 4.5.3), was vorliegend aber nicht der Fall ist, denn auch die Kammer hält D12 für prima-face hoch relevant.
Ergänzend merkt die Kammer noch an, dass D12 am 22. August 2018, d.h. vor Ablauf der Frist zur Einreichung ergänzender Unterlagen nach Regel 116 EPÜ und damit über zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2018 eingereicht wurde, so dass der Patentinhaberin genügend Zeit zur Vorbereitung blieb, die sie auch genutzt hat, um mit der Eingabe vom 12. Oktober 2018 die Hilfsanträge 3-13 einzureichen. Unter diesen Umständen kann die Kammer der Einschätzung der Patentinhaberin nicht zustimmen, das verspätete Einreichen von D12 habe ihr "jede adäquate Reaktions- und Verteidigungsmöglichkeit" genommen. Die Zulassung von D12 ins Verfahren ist somit nicht zu beanstanden.
2.2.2 Die Erfindung betrifft Kartonverpackungen aus Recyclingkarton für Lebensmittel und beschäftigt sich mit der Aufgabe, die Migration von Mineralölen aus dem Karton in die verpackten Lebensmittel zu unterbinden (Absatz 0009).
2.2.3 D12 beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Problem (Seite 175, rechte Spalte "Introduction" und Seite 181 "Conclusion") und eignet sich somit als nächstliegender Stand der Technik. Konkret lehrt D12, dass die Migration von MOSH (mineral oil saturated hydrocarbons) abhängig vom Innenbeutelmaterial unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Welche Innenbeutelmaterialien konkret untersucht wurden, kann Seite 178, linke Spalte, letzter Absatz, Figur 3 und Tabelle 4 entnommen werden. Unter anderem wurden auch Innenbeutel aus beidseitig mit Polyacrylat beschichtetem PP untersucht. Auf Seite 180, linke Spalte, vierte Zeile von unten - rechte Spalte, vierte Zeile von oben wird dann ausgeführt, dass die verschiedenen Innenbeutel die Migration von MOSH unterschiedlich gut verhindern, wobei die acrylatbeschichteten PP-Innenbeutel zu den wirksamsten Materialien gehören, die die Migration nahezu komplett unterbinden ("acted as virtually complete barrier"). Die Patentinhaberin hat vorgebracht, D12 offenbare keine Verpackung, bei der ein acrylatbeschichteter Innenbeutel in Kombination mit einem Recyclingkarton verwendet wurde. Dieses Argument greift jedoch nicht durch. Es ist zwar korrekt, dass die D12 nicht in allen Fällen detailliert aufschlüsselt, welcher Innenbeutel (Papier, PE, PP, PP-Acryl, PET) in welchem Kartontyp (recycliert oder nicht recycliert) enthalten war, aber der Passage auf Seite 179, linke Spalte, zweiter vollständiger Absatz) kann entnommen werden, dass die Kartons aus nicht-recyclierten Fasern keinen oder einen Papierinnenbeutel enthielten. Daraus folgt, dass sich die Innenbeutel aus acrylatbeschichtetem PP in recyclierten Kartons befunden haben müssen. Letztendlich kommt es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darauf jedoch nicht an, denn potentieller Ausgangspunkt können hierbei nicht nur die konkreten, individuellen Verpackungen sein, die in D12 untersucht wurden, sondern insbesondere auch die Schlussfolgerungen, die auf der Gesamtheit der Untersuchungen aufbauen (Seite 181, "Conclusion"). Für die Kammer geht daraus eindeutig hervor, dass beidseitig acrylatbeschichtete PP-Innenbeutel darin verpackte Lebensmittel sehr gut vor der Kontamination durch MOSH schützen, unabhängig davon, ob die MOSH-Quelle der recyclierte Karton, die Druckfarbe oder beides ist, siehe hierzu auch die Passage, die auf Seite 180, mit dem zweiten Absatz in der rechten Spalte beginnt. Aus diesen Gründen ist die Kammer der Ansicht, dass D12 außer der Verwendung von biaxial orientierter PP-Folie alle Merkmale des Anspruchs offenbart.
2.2.4 Das Streitpatent widmet sich der Aufgabe, eine Folie für Lebensmittelverpackungen aus Recyclingkarton zur Verfügung zu stellen, die eine ausreichende Barriere gegen Mineralölmigration darstellt und so die Kontamination der verpackten Lebensmittel vermeidet. Weiterhin soll die Folie gute anwendungstechnische Eigenschaften haben (Absatz 0009). Als Lösung für diese Aufgaben schlägt das Streitpatent Verpackungen gemäß Anspruch 1 vor, deren PP-Folie biaxial orientiert ist. Die Aufgaben werden jedoch bereits gemäß der Lehre der D12 gelöst (s.o: "acted as virtually complete barriers"). Für eine Verbesserung der Barriereeigenschaften durch die Verwendung von biaxial orientierter PP-Folie anstelle von PP-Folie gibt es keinerlei Anhaltpunkte, geschweige denn Nachweise. Insbesondere können die Beispiele im Streitpatent solche Verbesserungen nicht zeigen, weil die Vergleichsfolien nicht acrylatbeschichtet und somit nicht repräsentativ für die Folien der D12 sind. Irgendwelche sonstigen Verbesserungen etwa der anwendungstechnischen Eigenschaften der Folien sind ebenfalls weder gezeigt noch vorgetragen. Das Argument der Patentinhaberin, die Vergleichsbeispiele seien "näher an der Erfindung dran" als D12, was den Schluss zuließe, dass die gezeigten Effekte auch gegenüber D12 erzielt würden, ist nicht überzeugend. Im Streitpatent werden acrylatbeschichtete und unbeschichtete boPP-Folien miteinander verglichen. Aus der Tatsache, dass acrylatbeschichtete boPP-Folien besser abschneiden als unbeschichtete boPP-Folien kann nicht gefolgert werden, dass sie auch besser abschneiden würden als acrylatbeschichtete, nicht biaxial orientierte PP-Folien, d.h. Folien gemäß der Lehre der D12. Der Versuchsbericht D13 ist ebenfalls nicht geeignet, einen Effekt gegenüber D12 nachzuweisen, denn die Vergleichsbeispiele "ZXA 20" und "CDC23/LDPE" sind beide nicht acrylatbeschichtet (Seite 1). Die Patentinhaberin hat darüber hinaus auf die Zusammenfassung der D12 verwiesen, in der ausgeführt wird, PP, PET und acrylatbeschichtete Innenbeutel verhinderten die Migration nicht immer ("with one possible exception"). Bei dieser Ausnahme handelt es sich aber um einen unbeschichteten PP-Beutel, siehe Seite 180, rechte Spalte, erster Absatz. Das Argument ist somit nicht relevant. Die Patentinhaberin hat weiterhin vorgebracht, D12 offenbare nicht, dass die Acrylatbeschichtung die migrationshemmende Wirkung von PP verbessere. Es ist zwar richtig, dass D12 die migrationshemmende Wirkung von PP und acrylatbeschichtetem PP im Wesentlichen als gleich gut eingestuft (Seite 180, rechte Spalte: "acted a as virtually complete barriers"), was die Kontamination der verpackten Lebensmittel angeht, aber D12 offenbart in Figur 3 und der dazugehörigen Textpassage ganz klar, dass die Acrylatbeschichtung die Migration von MOSH in die PP-Folie selbst wirksam verhindert, denn unbeschichtete PP-Beutel sind deutlich stärker mit MOSH kontaminiert als beschichtete. Da die Migration in den Innenbeutel den erste Schritt einer möglichen weiteren Migration in die Lebensmittel darstellt, entnimmt der Fachmann der D12 durchaus eine zusätzliche migrationshemmende Wirkung der Acrylatbeschichtungen, insbesondere auch, weil D12 betont, dass die geprüften Muster relativ frisch verpackt waren und somit eine zusätzliche Migration in die Lebensmittel im Laufe der Zeit nicht ausgeschlossen werden kann (letzter Absatz "conclusions").
Es folgt, dass keine Verbesserung vorliegt, so dass die Aufgabe formuliert werden muss als das Zurverfügungstellen einer (weiteren) Verpackung, die die verpackten Lebensmittel gegen Kontamination durch Mineralöle aus Recyclingkartons schützt bzw. das Zurverfügungstellen einer (weiteren) geeigneten Folie für diesen Zweck.
2.2.5 Die gemäß des ersten Hilfsantrags vorgeschlagene Lösung, nämlich eine Verpackung gemäß Anspruch 1 mit einer Folie aus biaxial orientierter PP-Folie, wird dem Fachmann durch sein Fachwissen nahegelegt. D12 lehrt allgemein, PP-Folie einzusetzen, aber spezifiziert nicht, welchen konkreten Folientyp. Der Fachmann, der die Lehre der D12 in die Praxis umsetzten will, würde eine Folie verwenden, die im Lebensmittelbereich bereits regelmäßig eingesetzt wird. Laut D8 ist dies bei biaxial orientierter PP-Folie der Fall (Seite 855, rechte Spalte, Zeile 10). Es wäre also naheliegend für den Fachmann gewesen, ausgehend von D12 eine boPP-Folie einzusetzen. Dadurch gelangt er zum Gegenstand des Anspruchs 1, ohne dabei erfinderisch tätig werden zu müssen.
2.2.6 Die Gegenargumente der Patentinhaberin überzeugen nicht. Die Feststellung, D8 gehöre einem anderen technischen Gebiet an und beschäftige sich nicht mit Lebensmittelverpackungen, ist offensichtlich unrichtig (D8, Titel, Zusammenfassung). Auch das Argument, der Fachmann würde die Lehren der D12 und der D8 nicht kombinieren, greift nicht durch, denn die D8 weist lediglich das allgemeine Fachwissen nach, dass die Verwendung von boPP-Folien auf dem Gebiet der Lebensmittelverpackungen gängig war. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit nicht erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).
3. Hilfsantrag 2
3.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 enthält gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die zusätzliche Einschränkung: "und die Folie ein- oder beidseitig einen Haftvermittler aus Polyethylenimin aufweist, auf welchen die Beschichtung/en aufgebracht ist/sind.".
3.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Kammer hat in ihrer vorläufigen Meinung dargelegt, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung, D11 ins Verfahren zuzulassen, nicht zu beanstanden ist und weiterhin, warum der Gegenstand vom geltenden Anspruch 1 ausgehend von D12 unter Berücksichtigung von D11 nicht erfinderisch ist (Artikel 56 EPÜ). Da keine Gegenargumente vorgebracht wurden, sieht die Kammer keinen Grund, von dieser Meinung abzuweichen.
3.2.1 Zulassung D11
Die Patentinhaberin hat beantragt, D11 nicht ins Verfahren zu zulassen. Die Kammer sieht jedoch aus den im Wesentlichen gleichen Gründen, wie zur D12 ausgeführt, keinen Grund dafür, D11 vom Verfahren auszuschließen. Die Einspruchsabteilung hat auf Seite 10 der Entscheidung begründet, warum sie D11 als prima facie relevantes Dokument ins Verfahren eingeführt hat. Auch die Kammer hält D11 für prima-facie relevant, denn D11 weist nach, dass dem Fachmann Haftvermittler auf Polyethyleniminbasis bereits vor dem Prioritätsdatum bekannt waren. Die Einspruchsabteilung hat somit ihr Ermessen korrekt angewendet, so dass die Entscheidung, D11 zuzulassen, nicht zu beanstanden ist.
3.2.2 Ein funktionelles oder synergistisches Zusammenwirken der beiden unterscheidenden Merkmalen "biaxial orientierte Folie" und "Polyethylenimin Haftvermittler" ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Die beiden Unterscheidungsmerkmale sind somit im Rahmen des Aufgabe-Lösungsansatzes getrennt voneinander zu prüfen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, I.D. 9.2.2).
3.2.3 Bezüglich des Merkmals "biaxial orientierte Folie" gelten die zum ersten Hilfsantrag gemachten Ausführungen entsprechend.
3.2.4 Bezüglich des Merkmals "Polyethylenimin Haftvermittler" hält es die Kammer für plausibel, dass der Einsatz des Haftvermittlers zu einer verbesserten Haftung der Acrylatschicht auf der boPP-Folie führt. Sonstige unerwartete Effekte oder Verbesserungen, insbesondere der Barrierewirkung, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Als Teilaufgabe kann somit angesehen werden, die Haftung der Acrylatschicht auf der Folie zu verbessern.
3.2.5 Nach der Auffassung der Kammer war es naheliegend, zur Lösung dieser Teilaufgabe, einen Haftvermittler auf Polyethyleniminbasis vorzusehen. Haftvermittler als solche und ihr Einsatzzweck sind dem Fachmann bekannt, was das Streitpatent auch bestätigt (Absatz 0040). Insofern wäre es naheliegend für den Fachmann, die o.g. Teilaufgabe durch den Einsatz eines Haftvermittlers zu lösen, z.B. des aus D11 bekannten Haftvermittlers.
Das Datenblatt D11 offenbart, dass Polyethylenimin als Haftvermittler zur Verbesserung der Haftung verschiedener Materialien auf verschiedenen Oberflächen ("various surfaces"), inklusive Polyolefinoberflächen, ("promotes adhesion between different types of polyolefin surfaces") einsetzbar ist. Konkret genannt wird zum Beispiel eine Anwendung von Epoxidbeschichtungen auf Polyolefinfolien.
3.2.6 Die Patentinhaberin hat eingewandt, dass orientierte PP-Folien nicht genannt werden, aber für die Kammer würde dies den Fachmann nicht davon abhalten, den Haftvermittler in Betracht zu ziehen, denn Polypropylen ist ein Polyolefin und eine generelle Eignung für die Verbesserung der Haftung auf Polyolefinoberflächen kann der D11 ohne Zweifel entnommen werden.
3.2.7 Die Patentinhaberin hat weiter ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, warum ein Fachmann gerade in D11 nach Hinweisen für einen geeigneten Haftvermittler suchen sollte, denn D11 beschäftige sich nicht mit Lebensmittelverpackungen und insbesondere nicht mit Kartonverpackungen aus Recyclingpapier. Diese Kriterien für die Auswahl eines Kombinationsdokumentes sind für die Kammer jedoch zu eng, weil der Fachmann nicht, wie von der Patentinhaberin suggeriert, lediglich Haftvermittler in Betracht ziehen würde, die bereits für den aus D12 bekannten Verpackungstyp eingesetzt werden, sondern vielmehr Haftvermittler, bei denen er davon ausgehen kann, dass sie die o.g. Teilaufgabe lösen. Wie unter Punkt 3.2.5 bereits ausgeführt, ist das bei dem aus D11 bekannten Haftvermittler der Fall. Im Übrigen geht aus D11 auch hervor, dass Polyethylenimin für bzw. in Lebensmittelverpackungen verwendet werden kann. Es folgt, dass es naheliegend für den Fachmann war, die o.g. Teilaufgabe durch die Verwendung eines Polyiminhaftvermittlers zu lösen.
3.2.8 Der Gegenstand von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags ist somit nicht erfinderisch.
4. Hilfsantrag 3
4.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 enthält gegenüber Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags die zusätzliche Einschränkung: "wobei die Menge an Acrylat-Beschichtung pro Seite der Folie nach Trocknung zwischen 0,1 und 1,5 g/m**(2) beträgt und die Dicke dieser Acrylat-Schicht inklusive der Schicht des Haftvermittlers < 2,0 mym beträgt."
4.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Kammer hat in ihrer vorläufigen Meinung dargelegt, warum der Gegenstand von Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags ausgehend von D12 unter Berücksichtigung von D11 und dem allgemeinen Fachwissen nicht erfinderisch ist (Artikel 56 EPÜ). Da keine Gegenargumente vorgebracht wurden, sieht die Kammer keinen Grund, von dieser Meinung abzuweichen.
4.2.1 Unbestritten offenbart D12 weder die Dicke der Acrylatschichten noch die Auftragsmenge. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass irgendein technischer Effekt auf diesen Unterschied zurückgeführt werden kann. So offenbart Absatz 0044 des Streitpatents lediglich, dass die Menge an aufgetragener Acrylatbeschichtung "im Allgemeinen" zwischen 0,1 und 1,5 g/m**(2) liege, ohne mit dieser Auftragsmenge einen Effekt zu verbinden. Vergleichsversuche mit Auftragsmengen bzw. Schichtdicken außerhalb des beanspruchten Bereichs liegen nicht vor und auch innerhalb der beanspruchten Bereiche wurde nur eine Schichtdicke bzw. Auftragsmenge analysiert (0,8 mym bzw. 0,8 g/m**(2)). Auch Testbericht D13 offenbart weder die Auftragsmengen noch die Schichtdicke. Somit kann kein Effekt auf den beanspruchte Schichtdicke- bzw. Auftragsmengenbereich zurückgeführt werden. Die Kammer stellt fest, dass es im Gegensatz zu den Ausführungen der Patentinhaberin nicht an der Einsprechenden ist, nachzuweisen, dass keine Effekte vorliegen, sondern die Patentinhaberin ist für die von ihr behaupteten Tatsachen voll beweispflichtig, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, III.G. 5.1.1).
4.2.2 Ausgehend von D12 kann also als Aufgabe angesehen werden, eine geeignete Auftragsmenge an Acrylatbeschichtung bzw. die daraus resultierende Schichtdicke vorzuschlagen, denn D12 lässt beides offen.
4.2.3 Für die Kammer ist die Wahl der beanspruchten Schichtdicke bzw. der beanspruchten Auftragsmenge nicht erfinderisch, denn der Fachmann, der die Lehre von D12 in die Praxis umsetzen will, muss eine Auftragsmenge und eine Schichtdicke auswählen. Ohne irgendeinen besonderen oder unerwarteten Effekt, der im beanspruchten Bereich einer Auftragsmenge 0,1 und 1,5 g/m**(2) bzw. damit unmittelbar zusammenhängend bei einer Schichtdicke von weniger als 2,0 mym auftritt, ist die Auswahl eines solchen Bereichs eine Routineaufgabe für den Fachmann und damit nicht erfinderisch (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, I.D. 9.19.8).
4.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags ist somit nicht erfinderisch.
5. Hilfsanträge 4-9
5.1 Zurückverweisung
Die Patentinhaberin hat beantragt, die Sache zur Prüfung dieser Hilfsanträge an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um ihr Recht auf zwei Instanzen zu wahren. Gemäß der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern haben Parteien jedoch keinen Anspruch darauf, dass jede einzelne Frage von zwei Instanzen geprüft wird (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, V.A.7.2.1) und die Patentinhaberin hat auch keine besonderen Gründe im Sinne von Artikel 11 VOBK 2020 genannt, die eine Rückverweisung angezeigt erscheinen ließen. Aus diesen Gründen hat die Kammer entschieden, die Sache im Sinne der Verfahrensökonomie nicht an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
5.2 Hilfsantrag 4 - Artikel 56 EPÜ
Gegenüber Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags wurden in Anspruch 1 dieses Hilfsantrags lediglich die Ausführungsformen (ii) und (iii) weiter eingeschränkt. Die zusätzlichen Einschränkungen betreffen somit nicht die Ausführungsform (i) des Anspruchs, so dass der beanspruchte Gegenstand aus dem gleichen Grund nicht erfinderisch ist, wie zum dritten Hilfsantrag ausgeführt.
5.3 Hilfsantrag 5 - Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 dieses Hilfsantrags entspricht Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags, wobei die Bereiche für die Auftragsmenge und die Schichtdicke etwas enger gewählt sind. Auch für diese engeren Bereiche fehlt jeder Nachweis eines Effektes, so dass der beanspruchte Gegenstand aus den gleichen Gründen nicht erfinderisch ist wie der dritte Hilfsantrag.
5.4 Hilfsantrag 6 - Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 dieses Hilfsantrags entspricht Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags mit zusätzlichen Einschränkungen, die lediglich die nicht relevanten Ausführungsformen (ii) und (iii) betreffen. Der beanspruchte Gegenstand ist somit aus den gleichen Gründen nicht erfinderisch wie der fünfte Hilfsantrag.
5.5 Hilfsantrag 7 und 9
Die beiden Anträge werden nicht ins Verfahren zugelassen, weil sie nicht konvergieren, denn während die Hilfsanträge 4, 5, 6, 8 und 10 die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevante Alternative (i) kontinuierlich weiter einschränken oder zumindest die bestehenden Einschränkungen beibehalten, wurden in den Hilfsanträgen 7 und 9 einige der in höherrangigen Hilfsanträgen bereits gemachten Einschränkungen wieder gestrichen bzw. durch andere Einschränkungen ersetzt. In der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 hat die Kammer auf die gefestigte Rechtsprechung (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, V.A.4.12.4) hingewiesen, nach der divergierende Anträge nicht ins Verfahren zugelassen werden müssen. Da die Patentinhaberin diesbezüglich keine Gegenargumente vorgebracht hat, sieht die Kammer keinen Grund, diese divergierenden Hilfsanträge ins Verfahren zuzulassen.
5.6 Hilfsantrag 8
5.6.1 Anspruch 1 dieses Antrags entspricht Anspruch 1 des sechsten Hilfsantrags mit der zusätzlichen Einschränkung: "wobei es sich um Acrylat-Homopolymere
und/oder Acrylat-Copolymere auf Basis von Alkylacrylaten handelt".
5.6.2 Auch hier ist ein funktionelles oder synergistisches Zusammenwirken des neu aufgenommenen Merkmals mit den anderen unterscheidenden Merkmalen weder ersichtlich noch vorgetragen, so dass die Unterscheidungsmerkmale im Rahmen des Aufgabe-Lösungsansatzes getrennt voneinander zu prüfen sind, wobei bezüglich der anderen Merkmale die zu den höherrangigen Hilfsanträgen gemachten Ausführungen entsprechend gelten.
5.6.3 Was die Verwendung von Acrylat-Homopolymeren
und/oder Acrylat-Copolymeren auf Basis von Alkylacrylaten angeht, so ist diese nicht mit irgendeinem Effekt verbunden, denn selbst wenn man zugunsten der Patentinhaberin davon ausgeht, dass in den Versuchen des Streitpatents bzw. aus D13 Alkylacrylate verwendet wurden (wofür kein Nachweis erbracht wurde), fehlen Vergleichsversuche mit anderen Acrylaten.
Als Aufgabe kann somit angesehen werden, ein geeignetes Acrylat vorzuschlagen, denn D12 offenbart lediglich in allgemeiner Form, dass eine Acrylatbeschichtung vorliegt.
5.6.4 Für die Kammer handelt es sich bei der gemäß Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung, d.h. bei der Auswahl von Alkylacrylaten, um eine willkürliche Maßnahme, die zudem kaum einschränkt, denn Polyacrylate basieren in der Praxis entweder auf Alkyl- oder aus Arylacrylaten, so dass der Fachmann, bei der Frage, welcher Acrylattyp zu verwenden ist, im Prinzip nur zwei Möglichkeiten hat, wobei aus D3, D6 und D8 folgt, dass die Verwendung von Alkylacrylaten zur Herstellung von Barriereschichten gängig ist. In einer solchen Situation beruht die Auswahl einer der beiden Möglichkeiten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.7 Hilfsantrag 10
5.7.1 Anspruch 1 dieses Antrags entspricht Anspruch 1 des sechsten Hilfsantrags mit der zusätzlichen Einschränkung: "wobei es sich um Acrylat-Homopolymere und/oder Acrylat-Copolymere auf Basis von Methylmethacrylat und/oder Ethylacrylat handelt".
5.7.2 Zulassung
Die Einsprechende hat vorgebracht, Hilfsantrag 10 sei vom Verfahren auszuschließen, weil die Einschränkung auf Acrylat-Homopolymere und/oder Acrylat-Copolymere auf Basis von Alkylacrylaten mit keinem Effekt verbunden und der Antrag somit prima-facie nicht erfinderisch sei. Weiterhin läge keine angepasste Beschreibung vor, wodurch der Antrag prima-facie unklar sei.
Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass der Antrag ins Verfahren zuzulassen ist. Nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 steht es im Ermessen der Kammer, Anträge nicht zuzulassen, die erstinstanzlich nicht gestellt wurden oder dort nicht zugelassen wurden, aber beides trifft hier nicht zu, denn die Einspruchsabteilung hat über die Zulassung des Antrags ins Verfahren keine Entscheidung getroffen. Artikel 12(4) VOBK 2007 bietet somit keine Rechtsgrundlage, den Antrag nicht zuzulassen. Auch die Argumente zur Prima-Facie-Gewährbarkeit greifen nicht durch, denn es ist im Beschwerdeverfahren absolut üblich, eventuell notwendige Anpassungen der Beschreibung nach Zurückverweisung durch die erste Instanz vornehmen zu lassen, so dass das Fehlen einer angepassten Beschreibung nicht bedeutet, dass ein Antrag prima-facie nicht gewährbar ist. Weiterhin folgt aus der gefestigten Rechtsprechung, dass ein technischer Effekt nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ist, so dass aus dem (behaupteten) Fehlen eines solchen Effekts alleine nicht auf die Prima-Facie-Nichtgewährbarkeit eines Antrags geschlossen werden.
5.7.3 Erfinderische Tätigkeit
Die Kammer stimmt der Einsprechenden zu, dass das neu aufgenommene Merkmal nicht mit einem technischen Effekt verbunden ist. Ausgehend von D12 kann somit als Aufgabe angesehen werden, ein geeignetes Acrylat für die Beschichtung vorzuschlagen.
Die Kammer ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Einsprechende nicht hat zeigen können, dass der Gegenstand von Anspruch 1 vor dem Hintergrund dieser Aufgabe naheliegend ist. Das Argument D3, Seite 4, letzter Absatz, lege die Verwendung der beanspruchten Acrylate und damit den Gegenstand von Anspruch 1 nahe, greift nicht durch, denn im Absatz unmittelbar davor lehrt D3, 2-40 g/m**(2) und besonders bevorzugt 8-20 g/m**(2) der Beschichtung aufzubringen. Wendet also der Fachmann die Lehre von D3 an Ethylacrylat einzusetzen, würde er auch die in D3 bevorzugten Auftragsmengen beachten und somit nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen, denn dieser legt eine Obergrenze der Auftragsmenge von 1,5 g/m**(2)fest. Das Argument der Einsprechenden, beide Absätze seien unverbunden und die angegebenen Auftragsmengen unverbindlich, so dass der Fachmann keinen Grund gehabt hätte, sich an den genannten Mengen zu orientieren, kann nicht überzeugen, denn beide Absätze hängen unmittelbar zusammen, wobei der erste Absatz die möglichen Auftragsmengen, und der nächste Absatz die möglichen Polymere für die Beschichtung offenbart. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass D12 keine Auftragsmenge offenbart, wäre es also naheliegend für den Fachmann, das in D3 empfohlene Acrylat auch in der dort empfohlenen Menge aufzubringen.
Die Einsprechende hat weiterhin vorgebracht, die genannten Acrylate seien bekannt und ihre Auswahl somit willkürlich. Auch dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, denn es ist zwar unbestritten, dass die Verbindungen Ethylacrylat bzw. Methylmethacrylat als solche dem Fachmann bekannt waren, aber es wurde nicht nachgewiesen, dass es dem Fachmann auch bekannt war, diese Acrylate als Basis von Beschichtungsmischungen für Polymerfolien einzusetzen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des zehnten Hilfsantrags (und somit auch den abhängigen Ansprüche 2 bis 12) ist daher nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ). Da es seitens der Einsprechenden keine andere Einwände gab, erfüllen somit die Ansprüche des 10. Hilfsantrags die Erfordernisse des EPÜ.
6. Zulassung D5 und D10
Da weder D5 noch D10 für die Entscheidung relevant sind, erübrigt sich eine Entscheidung über die Zulassung der Dokumente.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag 10, eingereicht mit Schreiben vom 12. Oktober 2018, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.