T 0428/19 23-02-2022
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POLYURETHANSCHAUMSTOFFE ENTHALTEND PHOSPHORVERBINDUNGEN
Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Verbesserung für gesamte beanspruchte Breite glaubhaft
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 4. Januar 2019 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 2 877 511.
II. Anspruch 1 wie erteilt lautete wie folgt:
"1. Polyurethanschaumstoffe erhältlich durch Vermischen von
(a) Polyisocyanat,
(b) polymeren Verbindungen mit gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen,
(c) Katalysatoren, enthaltend einbaubare Aminkatalysatoren, die neben der bzw. den gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen, wobei die mindestens eine tertiäre Aminogruppe zwei Reste, unabhängig voneinander ausgewählt aus Methyl- und Ethylrest, sowie einen weiteren organischen Rest trägt,
(d) Phosphorsäureester, Polyphosphate, Phosphonsäureester und/oder Phosphorigsäureester, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% ist,
(e) Treibmittel, enthaltend Wasser, und gegebenenfalls
(f) Kettenverlängerungs- und/oder Vernetzungsmittel und
(g) Hilfsmittel und/oder Zusatzstoffe
zu einer Reaktionsmischung und ausreagieren der Reaktionsmischung zum Polyurethanschaumstoff,
wobei neben den einbaubaren Aminkatalysatoren als Katalysatoren (c) alleine organische Metallkatalysatoren enthalten sein können,
der Phosphorsäureester der allgemeinen Formel
(R**(1)-O)3-P=O
entspricht, wobei die drei Reste R**(1) unabhängig voneinander für organische Reste stehen, die eine oder mehrere Phenylgruppen, eine oder mehrere Phosphorsäuregruppen, bevorzugt Polyalkylphosphat mit Ethylenoxyd, oder deren Ester und/oder ein oder mehrere Atome, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor und Brom, enthalten,
das Polyphosphat der allgemeinen Formel
-[P(O)(O**(-)R'**(+))-O]n-
entspricht, wobei n für ganze Zahlen von 2 bis 10000 steht, R'**(+) für Alkalimetallkationen oder Ammoniumkationen steht
der Phosphonsäureester der allgemeinen Formel
(R**(3))(R**(2)-O)2-P=O
entspricht, wobei die Reste R**(2) unabhängig voneinander für organische Reste stehen, die ein oder mehrere Atome, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor und Brom, enthalten und der Rest R**(3) entweder für Wasserstoff oder aromatische, aliphatische oder cycloaliphatische Reste mit 1 bis 10 Kohlenstoffatomen steht,
der Phosphorigsäureester der allgemeinen Formel
(R**(4)-O)3-P
entspricht, wobei die Reste R**(4) unabhängig voneinander für organische Reste stehen, die ein oder mehrere Atome, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor und Brom, enthalten."
Der erteilte Anspruchssatz umfasste außerdem die folgenden unabhängigen Ansprüche:
Anspruch 11: Verfahren zur Herstellung von Polyurethanschaumstoffen wie in Anspruch 1 definiert.
Anspruch 12: Verwendung eines Polyurethanschaumstoffs gemäß Anspruch 1 im Automobilinnenraum.
III. Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Dokumente herangezogen:
D1: CN 1912001 A
D2: EP 2292677 A1
D3: WO 02/079340 A1
D4: WO 2004/081075 A1
D5: EP 0635527 B1
D6: US 2007/0208097 A1
D9: Versuchsbericht der Einsprechenden
D10: WO 2006/125740 A2
D11: Versuchsbericht der Patentinhaberin
IV. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, soweit sie für die vorliegende Beschwerde relevant ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Das Streitpatent erfülle die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ. Insbesondere seien die Änderungen in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 11 durch die Kombination des ursprünglichen Anspruchs 11 mit einer Passage aus der Beschreibung gestützt.
b) Die Gründe nach Artikel 100 b) EPÜ stehen der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen. Es sei u.a. möglich die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand nachzuarbeiten. Außerdem habe die Frage, ob ein Effekt über die ganze Breite des Anspruchs erzielt worden sei, keinen Einfluss auf die Beurteilung der mangelnden Offenbarung.
c) Der Gegenstand der erteilten Ansprüche sei sowohl neu gegenüber D1, D2 und D3 als auch erfinderisch ausgehend von D10 als nächstliegendem Stand der Technik.
V. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
VI. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt. Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf Basis der Hilfsanträge 1, 1a, 2 bis 6 (eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung) aufrechtzuerhalten.
Neue Beweismittel mit der Nummerierung D16 bis D19 wurden mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht, wobei für die vorliegende Entscheidung nur das folgende Dokument relevant ist:
D19: Dokument D11 in überarbeiteter Form
Der genaue Wortlaut der Hilfsanträge 1, 1a, 2, 3, 5 und 6 ist für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.
Die Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags 4 lauteten wie folgt:
"1. Polyurethanintegralschaumstoffe mit einer Dichte von 0,15 bis 0,75 g/cm**(3) erhältlich durch Vermischen von
(a) Polyisocyanat,
(b) polymeren Verbindungen mit gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen,
(c) Katalysatoren, enthaltend einbaubare Aminkatalysatoren, die neben der bzw. den gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen, wobei die mindestens eine tertiäre Aminogruppe zwei Reste, unabhängig voneinander ausgewählt aus Methyl- und Ethylrest, sowie einen weiteren organischen Rest trägt,
(d) Phosphorsäureester, Polyphosphate, Phosphonsäureester und/oder Phosphorigsäureester, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% ist,
(e) Treibmittel, enthaltend Wasser, und gegebenenfalls
(f) Kettenverlängerungs- und/oder Vernetzungsmittel und
(g) Hilfsmittel und/oder Zusatzstoffe
zu einer Reaktionsmischung und man die Reaktionsmischung in eine Form gibt und in dieser zum Polyurethanintegralschaumstoff aushärtet, wobei das Äquivalenzverhältnis von NCO-Gruppen der Polyisocyanate (a) zur Summe der reaktiven Wasserstoffatome der Komponenten (b), (c) und (d) 1 : 0,8 bis 1 : 1,25 beträgt,
wobei neben den einbaubaren Aminkatalysatoren als Katalysatoren (c) alleine organische Metallkatalysatoren enthalten sein können,
der Phosphorsäureester der allgemeinen Formel
(R**(1)-O)3-P=O
entspricht, wobei die drei Reste R**(1) unabhängig voneinander für organische Reste stehen, die eine oder mehrere Phenylgruppen, eine oder mehrere Phosphorsäuregruppen (Polyalkylphosphat mit Ethylenoxyd) oder deren Ester und/oder ein oder mehrere Atome, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor und Brom, enthalten,
das Polyphosphat der allgemeinen Formel
-[P(O)(O**(-)R'**(+))-O]n-
entspricht, wobei n für ganze Zahlen von 2 bis 10000 steht, R'**(+) für Alkalimetallkationen oder Ammoniumkationen steht
der Phosphonsäureester der allgemeinen Formel
(R**(3))(R**(2)-O)2-P=O
entspricht, wobei die Reste R**(2) unabhängig voneinander für organische Reste stehen, die ein oder mehrere Atome, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor und Brom, enthalten und der Rest R**(3) entweder für Wasserstoff oder aromatische, aliphatische oder cycloaliphatische Reste mit 1 bis 10 Kohlenstoffatomen steht,
der Phosphorigsäureester der allgemeinen Formel
(R**(4)-O)3-P
entspricht, wobei die Reste R**(4) unabhängig voneinander für organische Reste stehen, die ein oder mehrere Atome, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor und Brom, enthalten."
"5. Polyurethanintegralschaumstoffe nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Polyurethanformschaumstoff eine mittlere Dichte von 150 bis 500 g/L aufweist."
Der Hilfsantrag 4 umfasste außerdem die folgenden unabhängigen Ansprüche:
Anspruch 9: Verfahren zu Herstellung von Polyurethanintegralschaumstoffen wie in Anspruch 1 definiert.
Anspruch 10: Verwendung eines Polyurethanintegralschaumstoffs gemäß Anspruch 1 im Automobilinnenraum.
VII. Mit Schreiben von 28. Juli 2020 beantragte die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag 1a und das Dokument D19 nicht ins Verfahren zuzulassen.
VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 23. Februar 2022 als Videokonferenz mit Zustimmung beider Parteien statt.
IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Zulassung von Dokument D19
Im Versuchsbericht D19 habe die Beschwerdegegnerin fehlende Angaben in D11 ergänzt.
Die Beschwerdeführerin habe bereits mit dem Schriftsatz vom 2. Oktober 2018 (ca. 2 Monate vor der mündlichen Verhandlung) gerügt, dass die Versuche V2-V4 von D11 keinen Katalysator enthalten würden. Da es sich lediglich um eine Ergänzung von fehlenden Angaben in D11 handele, hätte D19 bereits spätestens in der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt werden können.
D19 solle daher nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
b) Hauptantrag (Patent wie erteilt)
i) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
Anspruch 1 unterscheide sich von D10 als Ausgangspunkt dadurch, dass die Reaktionsmischung eine anspruchsgemäße Phosphorverbindung (d) enthalte, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% sei.
Es werde in D9 gezeigt, dass durch die Anwesenheit einer Phosphorverbindung kein technischer Vorteil entstehe. Dabei seien die Testmethoden angewendet worden, die im Streitpatent spezifiziert seien. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Ergebnisse von D11 und D19 seien nicht geeignet, um D9 in Frage zu stellen. Insbesondere habe die Beschwerdegegnerin andere Polyole verwendet als die in D9 eingesetzten Polyole.
Somit habe die Beschwerdeführerin mit D9 gezeigt, dass ein technischer Effekt nicht über die gesamte Anspruchsbreite vorhanden sei. Daher sei das zu lösende Problem lediglich darin zu sehen, einen weiteren Polyurethanschaumstoff bereitzustellen.
Die Verwendung von Phosphorverbindungen (d) in Polyurethanschaumstoffen sei in D2, D4, D5 oder D6 nahegelegt. Aus diesem Grund sei Anspruch 1 nicht erfinderisch gegenüber D10 als nächstliegendem Stand der Technik in Verbindung mit D2, D4, D5 oder D6.
c) Hilfsanträge 1, 1a, 2 und 3 (eingereicht mit der Beschwerdebegründung)
i) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
Die Argumente in Bezug auf den Hauptantrag würden auch für die Hilfsanträge 1, 1a, 2 und 3 gelten.
d) Hilfsantrag 4
i) Zulassung eines neuen Einwands unter Artikel 123 (2) EPÜ
Während der mündlichen Verhandlung erhob die Beschwerdeführerin erstmalig einen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen Anspruch 5 des Hilfsantrags 4.
Der Grund für das verspätete Vorbringen liege darin, dass die Beschwerdeführerin erst kürzlich auf das Problem mit Anspruch 5 aufmerksam geworden sei.
ii) Artikel 123 (2) EPÜ
- Konkretisierung der einbaubaren Katalysatoren:
Im Prüfungsverfahren seien die Katalysatoren durch folgende hervorgehobene Merkmale konkretisiert worden:
"(c) Katalysatoren, enthaltend einbaubare Aminkatalysatoren, die neben der bzw. den gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen,
wobei die mindestens eine tertiäre Aminogruppe zwei Reste, unabhängig voneinander ausgewählt aus Methyl- und Ethylrest, sowie einen weiteren organischen Rest trägt" ...
"wobei neben den einbaubaren Aminkatalysatoren als Katalysatoren (c) alleine organische Metallkatalysatoren enthalten sein können"
Ein Pronomen, das einen Nebensatz einleite, könne sich auf mehrere Substantive im übergeordneten Satz beziehen. Im vorliegenden Fall sei das Pronomen "die" in der ersten Person Plural und könne sich daher sowohl auf die Katalysatoren als auch auf die einbaubaren Aminkatalysatoren beziehen. Da die Konkretisierung ursprünglich nicht für alle Katalysatoren offenbart sei, sondern lediglich für alle einbaubaren Aminkatalysatoren, würden die Ansprüche 1 und 9 des Hilfsantrags 4 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
- Konkretisierung der Katalysatoren (c)
Die Ansprüche 1 und 9 kombinieren drei verschiedene Ausführungsformen miteinander, nämlich als Bestandteil von Komponente (c) :
i') einbaubare Aminkatalysatoren, die neben Isocyanaten reaktive Gruppen eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen,
ii') wobei die mindestens eine tertiäre Aminogruppe zwei Reste, unabhängig voneinander ausgewählt aus Methyl- und Ethylrest, sowie einen weiteren organischen Rest trägt, und
iii') wobei neben den einbaubaren Aminkatalysatoren alleine organische Metallkatalysatoren enthalten sein können.
Diese Kombination von Merkmalen sei für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar.
- Mehrfachauswahl
In Hilfsantrag 4 seien gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents vier weitere Merkmale in die vorliegenden Ansprüche 1 und 9 aufgenommen worden, nämlich dass
iv') es sich bei den Polyurethanschaumstoffen um Polyurethanintegralschaumstoffe handele,
v') die Polyurethanintegralschaumstoffe eine Dichte von 0,15 bis 0,75 g/cm**(3) aufweisen,
vi') die Reaktionsmischung in eine Form gegeben und in dieser zum Polyurethanintegralschaumstoff aushärtet werde, und
vii') der Isocyanat-Index 80 bis 125 betrage.
Die nun beanspruchte Kombination des Merkmals iv') ("Polyurethanintegralschaumstoff") mit den Merkmalen v') und/oder vii') ("Isocyanat-Index" und "Dichte") sei in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart.
- Zwischenverallgemeinerung
Die Dichte von 0,15 bis 0,75 g/cm**(3)sei nur in Verbindung mit einem Verfahren offenbart, worin
viii') die Ausgangskomponenten in ein geschlossenes Formwerkzeug eingebracht werden und
ix') die Menge der in das Formwerkzeug eingebrachten Reaktionsmischung so bemessen werde, dass die besagte Dichte erreicht sei.
Da die Merkmale viii') und ix') in den vorliegenden Ansprüchen 1 und 9 nicht vorhanden seien, liege eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor.
Aus diesen Gründen würden die Ansprüche 1 und 9 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
- Absatz [0020] des Streitpatents
Absatz [0020] des Streitpatents sei gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen erweitert. Der letzte Satz des Absatzes laute:
"Eingesetzt werden können ferner Polyesterpolyole aus Lactonen, z.B. ·-Caprolacton oder Hydroxycarbonsäure, z.B. ·-Hydroxycapronsäure."
In der ursprünglichen Offenbarung stehe:
"Eingesetzt werden können ferner Polyesterpolyole aus Lactonen, z.B. square-Caprolacton oder Hydroxycarbonsäure, z.B. square-Hydroxycapronsäure."
Folglich verstoße Absatz [0020] gegen die Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ.
iii) Ausreichende Offenbarung
- Ausführbarkeit über die gesamte Anspruchsbreite
Anspruch 1 umfasse alle möglichen Arten von Polyurethanschaumstoffen (von Weichschaumstoffen bis Hartschaumstoffen oder von Polyurethanschäumen mit einer geringeren Dichte als 350 kg/m**(3)). Das Streitpatent enthalte jedoch keine Offenbarung für die Herstellung von Weichschäumen oder Hartfreischäumen. Es sei in Tabelle 1 der D9 gezeigt, dass mit einer streitpatentgemäßen Zusammensetzung kein Polyurethan-Weichschaum erhalten werden könne. In Anbetracht der Vielzahl an Kombinationen der Komponenten (a) bis (g), sei die Lehre des Streitpatents nicht ausreichend, um einen Fachmann in die Lage zu versetzen, die Erfindung ohne unzumutbare Aufwand über die gesamte Anspruchsbreite nachzuarbeiten.
- Technischer Effekt über die gesamte Anspruchsbreite
Die angebliche Erfindung weise keinen technischen Effekt über die gesamte Anspruchsbreite auf. Somit erfülle das Streitpatent die Anforderungen der ausreichenden Offenbarung nicht.
iv) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheide sich von D10 als Ausgangspunkt dadurch, dass die Reaktionsmischung eine anspruchsgemäße Phosphorverbindung (d) enthalte, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% sei.
Selbst wenn die Polyurethanschäume von D9 eine Dichte von weniger als 0,15 g/cm**(3) aufweisen würden, seien die Bespiele von D9 näher an der anspruchsgemäßen Untergrenze von 0,15 g/cm**(3)als die Beispiele des Streitpatents. Aus den in Bezug auf den Hauptantrag genannten Gründen sei es nicht glaubhaft, dass ein technischer Effekt über die gesamte Anspruchsbreite vorhanden sei. Daher sei das zu lösende Problem lediglich darin zu sehen, einen weiteren Polyurethanschaumstoff bereitzustellen.
Die Verwendung von Phosphorverbindungen (d) in Polyurethanschaumstoffen sei in D2, D4, D5 oder D6 nahegelegt. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 sei deshalb nicht erfinderisch gegenüber D10 als nächstliegendem Stand der Technik in Verbindung mit D2, D4, D5 oder D6.
v) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D2, D3 oder D4
Im schriftlichen Verfahren erläuterte die Beschwerdeführerin, weshalb sie der Ansicht sei, dass Anspruch 1 wie erteilt gegenüber D2, D3 oder D4 als nächstliegendem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.
In der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Argumentation zum Hauptantrag auch für den Hilfsanspruch 4 gelte.
X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Zulassung von Dokument D19
Im Versuchsbericht D19 habe die Beschwerdegegnerin nur fehlende Angaben in D11 ergänzt.
Die Beschwerdeführerin habe mit dem Schriftsatz vom 2. Oktober 2018 lediglich gerügt, dass die Versuche V2-V4 von D11 keinen Katalysator enthalten würden. Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung habe die Beschwerdegegnerin schon darauf hingewiesen, dass die Versuche V2 bis V4 identisch zu V1 der D11 seien und somit einen Katalysator enthalten würden. Gemäß Protokoll sei diese fehlende Angabe in der mündlichen Verhandlung mündlich korrigiert worden.
Erst während der besagten mündlichen Verhandlung habe die Beschwerdeführerin erstmalig kritisiert, dass die in D11 eingesetzten Polyole nicht genannt worden seien. Als Reaktion darauf habe die Beschwerdegegnerin D19 eingereicht, um die fehlende Angabe in Bezug auf die Polyole zu ergänzen.
D19 sei deshalb in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
b) Hauptantrag (Patent wie erteilt)
i) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
Anspruch 1 unterscheide sich von D10 als nächstliegendem Stand der Technik dadurch, dass die Reaktionsmischung eine anspruchsgemäße Phosphorverbindung (d) enthalte, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% sei.
Es werde im Streitpatent gezeigt, dass die Anwesenheit einer Phosphorverbindung (d) zu Polyurethanschaumstoffen mit verbesserten mechanischen Eigenschaften nach Alterung führe. Die Beschwerdeführerin habe Vergleichsversuche durchgeführt und die Ergebnisse in D9 vorgetragen. D9 sei jedoch ungeeignet, um die technischen Vorteile der anspruchsgemäßen Schaumstoffe zu widerlegen. Zum einen habe die Beschwerdeführerin Bedingungen gewählt, die den makroskopischen Effekt der Erfindung verschleiern würden. Zum anderen seien die in D9 ausgewählten Testmethoden ungeeignet, um die mechanischen Eigenschaften von Schaumstoffen mit geringer Dichte zu untersuchen. Die Beschwerdegegnerin habe die Versuche von D9 wiederholt, um zu beweisen, dass, mit der Wahl einer geeigneten Testmethode, eine Verbesserung der Alterungseigenschaften sichtbar werde (siehe D11 und D19). Außerdem, entgegen der Kritik der Beschwerdeführerin, würden sich die Polyole von D19 nur geringfügig von den Polyolen von D9 unterscheiden, sodass D19 geeignet sei, um die Ergebnisse von D9 zu entkräften.
Es sei deshalb glaubhaft, dass ein technischer Effekt über den gesamten Umfang des Anspruchs 1 vorliege. Daher sei das zu lösende Problem darin zu sehen, einen Polyurethanschaumstoff mit einem verbesserten Alterungsverhalten in mechanischer Hinsicht bereitzustellen.
Keines der zitierten Dokumente liefere einen Hinweis auf die Lösung dieser Aufgabe. Somit sei Anspruch 1 erfinderisch gegenüber D10 als nächstliegendem Stand der Technik.
c) Hilfsanträge 1, 1a und 2
i) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
Die Argumente in Bezug auf den Hauptantrag gelten auch für die Hilfsanträge 1, 1a und 2.
d) Hilfsantrag 3
i) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
Der Hilfsantrag 3 gehe auf den Einwand der Beschwerdeführerin ein, Anspruch 1 sei zu breit, ein technischer Effekt werde nicht für alle Arten von Polyurethanschaumstoffen gezeigt. Die Beispiele aus dem Streitpatent betreffen alle Polyurethanintegralschaumstoffe. Damit sei für diese Klasse von Polyurethanschaumstoffen ein technischer Effekt belegt.
e) Hilfsantrag 4
i) Zulassung eines neuen Einwands unter Artikel 123 (2) EPÜ
Der neue Einwand unter Artikel 123 (2) EP hätte früher vorgebracht werden müssen und sei deshalb nicht zuzulassen.
ii) Artikel 123 (2) EPÜ
- Konkretisierung der einbaubaren Katalysatoren:
Die Katalysatoren seien durch folgende hervorgehobene Merkmale konkretisiert:
"(c) Katalysatoren, enthaltend einbaubare Aminkatalysatoren, die neben der bzw. den gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen,
wobei die mindestens eine tertiäre Aminogruppe zwei Reste, unabhängig voneinander ausgewählt aus Methyl- und Ethylrest, sowie einen weiteren organischen Rest trägt" ...
"wobei neben den einbaubaren Aminkatalysatoren als Katalysatoren (c) alleine organische Metallkatalysatoren enthalten sein können"
Es sei klar, dass sich das Pronomen "die" auf die einbaubaren Katalysatoren beziehe. Die Beschwerdeführerin habe bewusst Anspruch 1 falsch interpretiert. Zudem würde es für den Fachmann keinen Sinn machen, dass Zinnkatalysatoren (die neben den einbaubaren Aminkatalysatoren vorhanden sein können) ebenfalls reaktive Gruppen sowie eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen. Solche Zinnkatalysatoren seien nicht bekannt.
- Konkretisierung der Katalysatoren (c)
Die Konkretisierung der Katalysatoren (c) (Merkmale i') bis iii')) basiere unmittelbar und eindeutig auf den ursprünglichen Ansprüchen 11 und 12 in Verbindung mit der Beschreibung (Seite 7, Zeile 40).
- Mehrfachauswahl
Die neuen Merkmale iv') bis vii') der Ansprüche 1 und 9 seien jeweils bevorzugte Ausführungsformen der ursprünglichen Anmeldung. Darüber hinaus werde die Kombination dieser Merkmale in den Beispielen konkretisiert. Somit entstehe aus dieser Kombination kein neuer Gegenstand, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.
- Zwischenverallgemeinerung
In Bezug auf den Einwand der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung sei:
einerseits offenkundig, dass die Dichte eines geformten Integralschaums durch die Menge der in das Formwerkzeug eingebrachten Reaktionsmischung gesteuert werde und
andererseits bekannt, dass Formwerkzeuge für die Herstellung von geformten Integralschäumen geschlossen sein müssen.
Somit seien die angeblich fehlenden Verfahrensmerkmale viii') und ix') implizit für den Fachmann.
Aus diesen Gründen würden die Ansprüche 1 und 9 nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
- Absatz [0020] des Streitpatents
In Absatz [0020] seien aufgrund eines Konvertierungsfehlers aus "epsilon-Caprolacton und omega-Hydroxycapronsäure"
"·-Caprolacton und ·-Hydroxycapronsäure" bzw. "square-Caprolacton und square-Hydroxycapronsäure"
geworden.
Dies habe keinerlei technische Bedeutung und könne allenfalls als Unklarheit angesehen werden, nicht aber als Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
iii) Ausreichende Offenbarung
- Ausführbarkeit über die gesamte Anspruchsbreite
Der Fachmann, an den sich das Streitpatent richte, sei ein Fachmann der Polyurethanherstellung. Diesem sei die Herstellung aller Arten von Polyurethanen, wie Weich- Hart- oder Integralschaumstoffen bekannt. Darüber hinaus enthalte das Streitpatent genügend Ausführungsformen und Beispiele, die es dem Fachmann ermöglichen, die Erfindung nachzuarbeiten.
Fehlschläge, wie in Tabelle 1 der D9, beruhen auf Fehler bei der Herstellung von Polyurethanen und nicht in der Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents. Auch ohne Zugabe der Verbindung (d) wäre ein solcher Schaum nicht herstellbar gewesen. Darüber hinaus würden die eingereichten Beispiele der D9 zeigen, dass die Beschwerdeführerin wohl in der Lage sei, einen Weichschaumstoff und einen Hartschaumstoff herzustellen und damit die Erfindung des Streitpatents gemäß Anspruch 1 über den gesamten beanspruchten Bereich auszuführen.
- Technischer Effekt über die gesamte Anspruchsbreite
Die Anwesenheit eines technischen Effekts sei keine Voraussetzung für die Ausführbarkeit der Erfindung über die gesamte Anspruchsbreite, sondern relevant bei der Ermittlung der erfinderischen Tätigkeit.
iv) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheide sich von D10 als Ausgangspunkt dadurch, dass die Reaktionsmischung eine anspruchsgemäße Phosphorverbindung (d) enthalte, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% sei.
Es werde im Streitpatent gezeigt, dass die Anwesenheit einer Phosphorverbindung (d) zu Polyurethanschaumstoffen mit verbesserten mechanischen Eigenschaften nach Alterung führe. D9 betreffe Polyurethanschäume mit einer Dichte von weniger als 0,15 g/cm**(3)und sei deswegen ungeeignet, um die technischen Vorteile der anspruchsgemäßen Schaumstoffe zu widerlegen.
Es sei deshalb glaubhaft, dass ein technischer Effekt über den gesamten Umfang des Anspruchs 1 vorliege. Daher sei das zu lösende Problem darin zu sehen, einen Polyurethanschaumstoff mit einem verbesserten Alterungsverhalten in mechanischer Hinsicht bereitzustellen.
Keines der zitierten Dokumente liefere einen Hinweis auf die Lösung dieser Aufgabe. Somit sei Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 erfinderisch gegenüber D10 als nächstliegendem Stand der Technik.
v) Erfinderische Tätigkeit gegenüber D2, D3 oder D4
Im schriftlichen Verfahren hat die Beschwerdegegnerin erläutert, weshalb sie der Ansicht sei, dass D10 (und nicht D2, D3 oder D4) den nächstliegenden Stand der Technik für Anspruch 1 wie erteilt darstelle.
In der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass die Argumentation zum Hauptantrag auch für den Hilfsantrag 4 gelte.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
XII. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis eines der Hilfsanträge 1, 1a und 2 bis 6, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
1. Zulassung von D19
D19 wurde von der Beschwerdegegnerin mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht, um fehlende Angaben in D11 zu ergänzen (siehe Beschwerdeerwiderung, Seite 2, 6. Absatz). Die Zulassung dieses Dokuments zum Verfahren unterliegt dem Ermessen der Kammer gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 (der gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 Anwendung findet).
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass D19 bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte eingereicht werden können und daher nicht zugelassen werden sollte.
Im vorliegenden Fall stellt die Kammer fest, dass die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren zwei Einwände gegen D11 erhoben hatte:
a) Der erste Einwand wurde mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 vorgebracht (siehe Seite 14, letzter Absatz). Er betraf die Versuche V2 bis V4 von D11, die keinen Katalysator enthielten, und somit nicht vergleichbar waren mit den Versuchen V2 bis V4 von D9. Die Beschwerdegegnerin reagierte darauf in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, indem das Vorhandensein des Katalysators mündlich bestätigt wurde (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 5, letzter Absatz).
b) Der zweite Einwand wurde erstmalig während der mündlichen Verhandlung vorgebracht (siehe Protokoll, Seite 5, erster Absatz). Er betraf den Umstand, dass die Polyole der Versuche von D11 nicht bekannt waren. Somit sei ein Vergleich zwischen D9 und D11 unmöglich. Die Beschwerdegegnerin hat D19 eingereicht, um die Daten über die in D11 eingesetzten Polyole zu ergänzen.
Die Kammer ist der Ansicht, dass die Einreichung von D19 mit der Beschwerdeerwiderung eine zeitnahe Reaktion auf einen neuen während der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand darstellt und dass, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, dieses Dokument nicht früher hätte eingereicht werden können.
Folglich kann die Kammer keinen Grund erkennen, ihr Ermessen gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 dahingehend auszuüben, den Bericht D19 nicht ins Verfahren zuzulassen. D19 ist somit Teil des Verfahrens.
2. Hauptantrag (Patent wie erteilt)
2.1 Erfinderische Tätigkeit
2.1.1 Ausgangspunkt
Die Parteien sind im Einklang mit der Einspruchsabteilung der Auffassung, dass D10 einen möglichen Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 darstellt.
Die Kammer sieht keinen Grund davon abzuweichen.
2.1.2 Unterscheidungsmerkmal
Die Parteien sind sich einig, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung der D10 dadurch unterscheidet, dass die Reaktionsmischung:
i) eine anspruchsgemäße Phosphorverbindung (d) enthält, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% ist.
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.
2.1.3 Die gegenüber D10 gelöste Aufgabe
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass das Unterscheidungsmerkmal (i) zu keinem technischen Effekt über den gesamten Schutzbereich des Anspruchs 1 führe. Insbesondere sei in D9 gezeigt, dass einige Ausführungsformen, die unter Anspruch 1 fallen, keine Verbesserung des mechanischen Alterungsverhaltens aufweisen würden.
Die Beschwerdegegnerin ist der Meinung, dass D9 nicht geeignet sei, um die Verbesserung des Alterungsverhaltens in Frage zu stellen. Durch die Versuche im Streitpatent und in D11/D19 sei glaubhaft gezeigt, dass das Vorhandensein einer Phosphorverbindung (d) die gewünschte Verbesserung über den gesamten Schutzbereich von Anspruch 1 bewirke.
Die Kammer kann sich der Ansicht der Beschwerdegegnerin aus folgenden Gründen nicht anschließen.
a) Zuerst geht es um die Frage, ob der Versuchsbericht D9 glaubhaft machen kann, dass Schaumstoffe, die unter den Anspruch 1 fallen, nicht die gewünschte Verbesserung des mechanischen Alterungsverhaltens aufweisen.
Es wird nicht bestritten, dass die Schaumstoffe der Versuche 2-4, 6, 8-9 und 11-12 (siehe D9, Tabellen 2-5) unter Anspruch 1 fallen.
Strittig ist jedoch zuerst die Frage, ob die in D9 eingesetzten Methoden für die Untersuchung des Alterungsverhaltens geeignet sind. Hierzu stellt die Kammer fest, dass D9 das im Streitpatent beschriebene Testverfahren anwendet (siehe Streitpatent, Absatz [0047] und D9, Tabellen 3-5). Die Kritik der Beschwerdegegnerin, dass dieses Testverfahren nicht für die Prüfung von Schäumen mit geringer Dichte geeignet sei, findet keine Grundlage im Streitpatent, in dem nicht zwischen Schäumen mit geringer und mit hoher Dichte unterschieden wird. Diese Kritik wird auch nicht durch Beweise aus dem allgemeinen Fachwissen gestützt. Somit ist die Argumentationslinie der Beschwerdegegnerin nicht überzeugend. Die Kammer kann deshalb in der Wahl der Testmethode keinen Grund erkennen, weshalb die Ergebnisse der D9 nicht aussagekräftig sein sollten.
Es wurde ferner von der Beschwerdegegnerin kritisiert, dass die Sichtbarkeit einer verbesserten Alterungsbeständigkeit mit:
i) der Dichte des Schaumstoffes,
ii) dem Anteil der einbaubaren Katalysatoren und
iii) der Vernetzung
zusammenhängt (siehe Beschwerdeerwiderung, Seite 13, 3. Absatz).
Selbst wenn dies der Fall wäre, stellt die Kammer fest, dass Anspruch 1 keine Einschränkung der Merkmale i)-iii) enthält. Wenn also die Wirkung in bestimmten Bereichen des Anspruchs nicht sichtbar ist, muss erst recht daraus geschlossen werden, dass das zu lösende Problem nicht über die gesamte Breite des Anspruchs gelöst werden kann.
Somit ist die Kammer der Auffassung, dass D9 geeignet ist, um nachzuweisen, dass einige Ausführungsformen, die unter Anspruch 1 fallen, keine Verbesserung des mechanischen Alterungsverhaltens aufweisen.
b) Weiter geht es um die Frage, ob der Versuchsbericht D19 die Ergebnisse von D9 entkräften kann.
Hierzu stellt die Kammer fest, dass die Versuche von D19 keine Wiederholung der Versuche von D9 sind, da unterschiedliche Polyole eingesetzt werden. Polyole können z.B. neben Ethylenoxid auch Propylenoxid enthalten, wobei die Wiederholungseinheiten blockweise oder statistisch verteilt sein können (siehe Beschwerdebegründung, Seite 32, erster Absatz und Streitpatent, Absatz [0017]). Selbst wenn die OH-Zahlen der Polyole von D19 und D9 im selben Bereich liegen, können sich die Strukturen der Polyole trotzdem stark unterscheiden. Schon aus diesem Grund ist D19 nicht geeignet, um die Ergebnisse von D9 in Frage zu stellen.
Somit können die Ergebnisse von D9 im Detail analysiert werden. Aus D9 geht hervor, dass die Anwesenheit einer Phosphorverbindung (d) in bestimmten anspruchsgemäßen Schaumstoffen keine Verbesserung des mechanischen Alterungsverhaltens bewirkt (siehe z.B. Tabelle 4, Versuche 8 und 9 im Vergleich zu Versuch 7 ohne Phosphorverbindung). Auf der Grundlage von D9 ist es deshalb nicht glaubhaft, dass die im Patent gestellte Aufgabe über die gesamte Breite des Anspruchs 1 gelöst ist.
Somit ist die Kammer der Auffassung, dass die objektive technische Aufgabe darin besteht, einen weiteren Polyurethanschaumstoff bereitzustellen.
2.1.4 Naheliegen der Lösung
Die Beschwerdegegnerin ist von einer anderen zu lösenden Aufgabe ausgegangen. Schon deshalb kann ihre Argumentation nicht überzeugen.
Die Inkorporation von weniger als 3 Gew.-% Phosphorverbindungen (d) in Polyurethanschaumstoffen ist aus D2, D4 und D6 bekannt (siehe D2, Tabelle 3, Beispiel 19; D4, Seite 13, letzter Absatz bis Seite 14, erster Absatz; D6, Absatz [0067] und Tabelle 6, Beispiel 10). Es ist deshalb für den Fachmann ausgehend von D10 naheliegend, 0-3 Gew.-% einer anspruchsgemäßen phosphorhaltigen Komponente (d) zuzusetzen, um einen weiteren Polyurethanschaumstoff bereitzustellen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit nicht erfinderisch gegenüber D10 in Verbindung mit D2, D4 oder D6.
3. Hilfsanträge 1, 1a und 2
Während der mündlichen Verhandlung erklärten die Parteien, dass dieselbe Argumentation in Bezug auf erfinderische Tätigkeit auch für die Hilfsanträge 1, 1a und 2 gelten würde.
Daher muss ebenfalls die Kammer zum Schluss kommen, dass die Feststellungen zum Hauptantrag gleichermaßen für diese Hilfsanträge gelten (siehe Punkte 2.1.1 bis 2.1.4 dieser Entscheidung).
Anspruch 1 der Hilfsanträge 1, 1a und 2 ist somit nicht erfinderisch gegenüber D10 in Verbindung mit D2, D4 oder D6.
4. Hilfsantrag 3
Im schriftlichen Verfahren hatte die Beschwerdegegnerin ausgeführt, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 auf Polyurethanintegralschaumstoffe beschränkt sei, um glaubhaft zu machen, dass für diese Klasse von Polyurethanschaumstoffen ein technischer Effekt belegt sei.
Die Kammer stellt jedoch fest, dass die Beispiele in D9 ebenfalls Polyurethanintegralschaumstoffe betreffen (siehe D9, Tabelle 1-4). Daher bleiben die Ergebnisse von D9 relevant und zeigen, dass das zu lösende Problem nicht über die gesamte Breite von Anspruch 1 gelöst ist.
Somit gelten die Feststellungen zur erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags sinngemäß auch für den
Hilfsantrag 3 (siehe Punkte 2.1.1 bis 2.1.4 dieser Entscheidung).
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist daher nicht erfinderisch gegenüber D10 in Verbindung mit D2, D4 oder D6.
5. Hilfsantrag 4 (eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung)
5.1 Zulassung eines neuen Einwands
Während der mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin erstmalig vor, dass Anspruch 5 des Hilfsantrags 4 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.
Die Beschwerdegegnerin wandte ein, dass dieser Einwand wegen Verspätung nicht ins Verfahren zugelassen werden solle.
Da der neue Einwand nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, ist die Zulassung dieses Einwands nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 zu beurteilen, wonach zu diesem Zeitpunkt eingereichte Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass der vermeintliche Verstoß von Anspruch 5 gegen Artikel 123 (2) EPÜ erst kurz vor der mündlichen Verhandlung entdeckt worden sei.
Diese Erklärung kann jedoch nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden, zumal der Hilfsantrag 4 mit der Beschwerdeerwiderung und damit etwa 30 Monate vor der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde. Die Beschwerdeführerin hatte also genügend Zeit, um diesen Einwand rechtzeitig zu erheben.
Unter diesen Umständen bleibt der neue Einwand unberücksichtigt (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
5.2 Artikel 123 (2) EPÜ
5.2.1 Konkretisierung der einbaubaren Katalysatoren
In den unabhängigen Ansprüchen 1 und 9 sind die Katalysatoren durch folgende Merkmale konkretisiert:
"(c) Katalysatoren, enthaltend einbaubare Aminkatalysatoren, die neben der bzw. den gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen,
wobei die mindestens eine tertiäre Aminogruppe zwei Reste, unabhängig voneinander ausgewählt aus Methyl- und Ethylrest, sowie einen weiteren organischen Rest trägt" ...
"wobei neben den einbaubaren Aminkatalysatoren als Katalysatoren (c) alleine organische Metallkatalysatoren enthalten sein können" (Hervorhebung durch die Kammer)
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass sich das Pronomen "die" sowohl auf die Katalysatoren als auch auf die einbaubaren Aminkatalysatoren beziehen könnte. Da die Konkretisierung ursprünglich nicht für alle Katalysatoren offenbart sei, sondern lediglich für die einbaubaren Aminkatalysatoren, würden die Ansprüche 1 und 9 des Hilfsantrags 4 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
Die Kammer kann sich dieser Sicht der Beschwerdeführerin aus folgendem Grund nicht anschließen:
Selbst wenn die Interpretation der Beschwerdeführerin theoretisch möglich wäre, macht es im vorliegenden Fall wenig Sinn, dass der Nebensatz sich auf alle mögliche Katalysatoren bezieht und nicht nur auf die einbaubaren Aminkatalysatoren, weil der Nebensatz implizite Merkmale der "einbaubaren Aminkatalysatoren" erwähnt: nämlich das Vorhandensein von gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen. Somit besteht für den Fachmann kein Zweifel, dass sich der Nebensatz nur auf die einbaubaren Aminkatalysatore bezieht.
Daher entspricht diese Konkretisierung in den vorliegenden Ansprüchen 1 und 9 dem Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 11.
5.2.2 Konkretisierung der Katalysatoren (c)
Die Ansprüche 1 und 9 kombinieren drei verschiedene Ausführungsformen miteinander, nämlich als Bestandteil von Komponente (c) :
i') einbaubare Aminkatalysatoren, die neben Isocyanaten reaktive Gruppen eine oder mehrere tertiäre, aliphatische Aminogruppen aufweisen,
ii') wobei die mindestens eine tertiäre Aminogruppe zwei Reste, unabhängig voneinander ausgewählt aus Methyl- und Ethylrest, sowie einen weiteren organischen Rest trägt, und
iii') wobei neben den einbaubaren Aminkatalysatoren alleine organische Metallkatalysatoren enthalten sein können.
Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass diese Kombination von Merkmalen für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar sei.
Die Kammer kann sich dieser Sicht der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht anschließen.
Wie von der Beschwerdegegnerin erwähnt, ergibt sich die Kombination der Merkmale i') und ii') direkt und eindeutig aus dem ursprünglichen Anspruch 12, der vom ursprünglichen Anspruch 11 abhängig ist. Für diese Kombination ist somit keine Auswahl notwendig. Dass organische Metallkatalysatoren neben den einbaubaren Aminkatalysatoren ohne weitere Katalysatoren eingesetzt werden können (Merkmal iii')), ist auf Seite 7, Zeile 40 offenbart. Daraus resultiert, dass sich die Kombination der Merkmale i')-iii') direkt und eindeutig aus dem Anspruch 12 in Kombination mit der ursprünglichen Beschreibung (Seite 7, Zeile 40) ergibt.
Die Konkretisierung der Katalysatoren (c) verstößt somit nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
5.2.3 Mehrfachauswahl
In Hilfsantrag 4 sind gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents vier weitere Merkmale in die Ansprüche 1 und 9 aufgenommen worden, nämlich dass
iv') es sich bei den Polyurethanschaumstoffen um Polyurethanintegralschaumstoffe handele,
v') die Polyurethanintegralschaumstoffe eine Dichte von 0,15 bis 0,75 g/cm**(3) aufweisen,
vi') die Reaktionsmischung in eine Form gegeben und in dieser zum Polyurethanintegralschaumstoff aushärtet werde, und
vii') der Isocyanat-Index 80 bis 125 betrage. (Hervorhebung durch die Kammer)
Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die nun beanspruchte Kombination des Merkmals iv') ("Polyurethanintegralschaumstoff") mit den Merkmalen v') und/oder vii') ("Dichte" und "Isocyanat-Index" ) in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart sei.
Die Kammer ist der Auffassung, dass die neuen Merkmale iv') bis vii') der Ansprüche 1 und 9 jeweils bevorzugte Ausführungsformen der ursprünglichen Anmeldung darstellen:
Die Merkmale iv') und vi') (Integralschaumstoff und Verfahren) ergeben sich als bevorzugte Ausführungsformen aus der ursprünglichen Beschreibung (siehe Seite 3, Zeilen 19-23 und Seite 11, Zeilen 31-39).
Das Merkmal v') (Dichte von 0,15 bis 0,75 g/cm**(3)) wird in Verbindung mit dem Merkmal iv') auf Seite 12, Zeilen 7-9 der ursprünglichen Anmeldung als besonders bevorzugt offenbart.
Das Merkmal vii') (Isocyanat-Index) hat ihre Basis auf Seite 11, Zeilen 26-29 der ursprünglichen Anmeldung.
Zudem wird die Kombination dieser Merkmale in den Beispielen konkretisiert. Somit entsteht aus dieser Kombination kein neuer Gegenstand, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausginge.
5.2.4 Zwischenverallgemeinerung
Während der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin vor, da die Dichte von 0,15 bis 0,75 g/cm**(3)nur in Verbindung mit einem Verfahren offenbart sei, worin
viii') die Ausgangskomponenten in ein geschlossenes Formwerkzeug eingebracht werden und
ix') die Menge der in das Formwerkzeug eingebrachten Reaktionsmischung so bemessen werde, dass die besagte Dichte erreicht sei.
(Hervorhebung durch die Kammer)
Da die Merkmale viii') und ix') in den vorliegenden Ansprüchen 1 und 9 nicht vorhanden seien, liege eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor.
Hierzu schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass die Merkmal viii') und ix') implizite Merkmale eines Formgebungsprozesses von Polyurethanintegralschäumen sind. Es ist insbesondere für den Fachmann klar, dass die Dichte eines Integralschaums von der Menge der Reaktionsmischung abhängt (bei konstantem Volumen des Formwerkzeuges) und dass eine Formgebung nur erfolgen kann, wenn das Formwerkzeug (im breiten Sinne) geschlossen ist (in einem komplett geschlossenem Formwerkzeug kann keine Formgebung stattfinden). Außerdem hat die Beschwerdeführerin keinen gegenteiligen Beweis geliefert.
Da die Merkmale viii') und ix') als implizit angesehen werden, ist die Kammer der Ansicht, dass sie in den Ansprüchen 1 und 9 nicht erwähnt zu werden brauchen.
Unter diesen Umständen ist die Kammer der Auffassung, dass sich die Ansprüche 1 und 9 des Hilfsantrags 4 direkt und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung ergeben und somit nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
5.2.5 Absatz [0020] des Streitpatents
Der letzte Satz des Absatzes [0020] lautet:
"Eingesetzt werden können ferner Polyesterpolyole aus Lactonen, z.B. square-Caprolacton oder Hydroxycarbonsäure, z.B. square-Hydroxycapronsäure."
In der ursprünglichen Offenbarung steht:
"Eingesetzt werden können ferner Polyesterpolyole aus Lactonen, z.B. ·-Caprolacton oder Hydroxycarbonsäure, z.B. ·7 -Hydroxycapronsäure."
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass Absatz [0020] des Streitpatents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen erweitert sei.
Die Kammer ist der Auffassung, dass die Sonderzeichen "·" und "square" keinerlei technische Bedeutung haben. Somit kann die monierte Änderung in Absatz [0020] keine Erweiterung des Gegenstands der ursprünglichen Anmeldung darstellen. Dieser Absatz kann deshalb nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
5.3 Ausreichende Offenbarung
5.3.1 Ausführbarkeit über die gesamte Anspruchsbreite
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass Anspruch 1 alle möglichen Arten von Polyurethanschaumstoffen umfasst (von Weich- bis Hartschaumstoffen sowie Schaumstoffe mit geringer Dichte). Das Streitpatent enthalte jedoch keine Offenbarung für die Herstellung von Weich- oder Hartfreischäumen. In Anbetracht der Vielzahl an Kombinationen der Komponenten (a) bis (g), sei die Lehre des Streitpatents nicht ausreichend, um einen Fachmann in die Lage zu versetzen, die Erfindung über die gesamte Anspruchsbreite nachzuarbeiten.
Die Kammer kann sich dieser Argumentationslinie aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Anspruch 1 umfasst Polyurethanschaumstoffe unabhängig von ihren mechanischen Eigenschaften, jedoch nicht speziell Weichschäume oder Hartfreischäume. Somit spielt die Frage, ob der Fachmann Weich- oder Hartfreischäume erstellen könnte, keine wesentliche Rolle für die Ausführbarkeit der Erfindung über die gesamte Breite des Anspruchs 1. Was zählt ist vielmehr die Frage, ob der Fachmann in der Lage ist, Polyurethanschaumstoffe mit den anspruchsgemäßen Komponenten (a)-(g) vorzubereiten. Die Beschwerdeführerin hat nicht gezeigt, dass dies nicht der Fall wäre. Im Gegenteil zeigt D9, dass die Beschwerdeführerin Schaumstoffe gemäß Anspruch 1 vorbereiten konnte, auch wenn die Eigenschaften für sie nicht zufriedenstellend waren. Selbst in den Versuchen der Tabelle 1 von D9 werden Schaumstoffe produziert, obwohl Vermischungsstörungen auftraten (siehe z.B. D9, Seite 5, vorletzter Satz).
Zudem würde es nicht reichen zu beweisen, dass eine Ausführungsform der Erfindung nicht funktioniert, um eine unzureichende Offenbarung zu belegen. Es müsste außerdem glaubhaft sein, dass der Fachmann nicht wüsste, wie ein Fehlschlag in einen Erfolg verwandelt werden kann (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, Juli 2019, Abschnitt II.C.6.6.1). Letzteres ist derzeit ebenfalls nicht gegeben.
5.3.2 Technischer Effekt über die gesamte Anspruchsbreite
Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass die angebliche Erfindung keinen technischen Effekt über die gesamte Anspruchsbreite aufweise. Hierzu wurde auf die Entscheidungen T369/05 und T32/85 und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH - Cer-Zirkonium-Mischoxid I vom 12. März 2019) verwiesen. Somit erfülle das Streitpatent die Anforderungen der ausreichenden Offenbarung nicht.
Hierzu schließt sich die Kammer der Ansicht der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin an. Der vorliegende Anspruch 1 ist nicht durch eine Wirkung eingeschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Einwand wegen mangelnder Offenbarung nicht damit begründet werden, dass die Anmeldung es einem Fachmann nicht ermöglicht, eine technische Wirkung zu erzielen, die im Anspruch nicht definiert ist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, Juli 2019, Abschnitt II.C.3.2). Die von der Beschwerdeführerin zitierten T- und BGH-Entscheidungen sind auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sie sich mit Ansprüchen befassen, die durch Parameter oder Funktionen/Wirkungen begrenzt sind.
Somit geben die Argumente der Beschwerdeführerin keinen Grund für die Kammer, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung in Bezug auf Artikel 100 b) EPÜ abzuweichen.
5.4 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D10
5.4.1 Unterscheidungsmerkmal
Die Parteien sind sich einig, dass D10 einen möglichen Ausgangspunkt darstellt und dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 von diesem Dokument dadurch unterscheidet, dass die Reaktionsmischung:
i) eine anspruchsgemäße Phosphorverbindung (d) enthält, wobei der Anteil der Komponente (d), bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponenten (a) bis (f), kleiner als 3 Gew.-% ist.
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.
5.4.2 Die gegenüber D10 gelöste Aufgabe
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass das Unterscheidungsmerkmal (i) zu keinem technischen Effekt über den gesamten Schutzbereich des Anspruchs 1 führe. Insbesondere sei es auf der Basis von D9 nicht glaubhaft, dass alle Ausführungsformen, die unter den Anspruch 1 fallen, eine Verbesserung des mechanischen Alterungsverhaltens aufweisen würden.
Die Kammer kann sich der Ansicht der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht anschließen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ist im Vergleich zu Anspruch 1 wie erteilt zumindest dadurch eingeschränkt, dass die Dichte des Polyurethanschaums zwischen 0,15 und 0,75 g/cm**(3) liegt. Da alle Polyurethanschaumstoffe von D9 eine Dichte von weniger als 0,15 g/cm**(3) aufweisen, fallen alle Beispiele von D9 nicht in den Schutzumfang von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4. Dies wurde von den Parteien auch nicht bestritten.
Es ist nun zu prüfen, ob eine technische Wirkung gegenüber D10 glaubhaft gemacht werden konnte.
Im Streitpatent sind anspruchsgemäße Beispiele von Polyurethanschaumstoffen vorhanden. Die Dichte der besagten Schaumstoffe ist 0,38 g/cm**(3) (siehe Streitpatent, Absatz [0051]). Es wird in den Beispielen gezeigt, dass die Zugabe einer anspruchsgemäßen Phosphorverbindung (d) (Unterscheidungsmerkmal i)) zu einer Verbesserung des mechanischen Alterungsverhaltens führt (siehe Streitpatent, Tabellen 1 und 3). Selbst wenn in den besagten Beispielen die Dichte konstant bleibt, ist die Kammer der Auffassung, dass die Beschwerdegegnerin ihrer Beweispflicht nachgekommen ist und zumindest glaubhaft gemacht hat, dass das Unterscheidungsmerkmal i) mit einer technischen Wirkung verbunden ist (wenn die Dichte des Polyurethanschaums zwischen 0,15 und 0,75 g/cm**(3) liegt).
Da die Beschwerdegegnerin ihrer Beweislast genügt hat, trägt die Beschwerdeführerin, die die belegten Tatsachen durch Gegenargumente zu entkräften versucht, für diese die Beweislast (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, Juli 2019, Abschnitt III.G.5.2.1).
Im vorliegen Fall hat die Beschwerdeführerin D9 vorgelegt, um nachzuweisen, dass die Anwesenheit einer anspruchsgemäßen Phosphorverbindung nicht immer zu einer Verbesserung des mechanischen Alterungsverhaltens eines Polyurethanschaums führt. Jedoch liegt die Dichte der Schäume von D9 unter 0,15 g/cm**(3) (und somit außerhalb des Schutzumfangs der vorliegenden Ansprüche). Selbst wenn die Dichte in einigen Beispielen von D9 mit ca. 0,1 g/cm**(3) nah an der anspruchsgemäßen Untergrenze liegen (siehe D9, Tabelle 4), ist es für die Kammer nicht ausreichend, um die vom Streitpatent glaubhaft gemachte Wirkung des Unterscheidungsmerkmals i) zu entkräften. Denn wenn die Patentinhaberin glaubhaft gemacht hat, dass eine technische Wirkung mit einem Unterscheidungsmerkmal zusammenhängt, reicht es in der Regel nicht aus, Versuche vorzulegen, die außerhalb des Schutzbereichs der Ansprüche liegen, um das Gegenteil zu beweisen.
Somit ist die Kammer der Auffassung, dass die objektive technische Aufgabe darin besteht, Polyurethanschaumstoffe mit verbessertem mechanischem Alterungsverhalten bereitzustellen.
5.4.3 Naheliegen der Lösung
Die Beschwerdeführerin ist von einer anderen zu lösenden Aufgabe ausgegangen. Schon deshalb kann ihre Argumentation nicht überzeugen.
Die Wirkung von Phosphorverbindungen (d) auf das Alterungsverhalten von Polyurethanschaumstoffen ist in den vorliegenden Dokumenten nicht beschrieben. Es ist deshalb für den Fachmann ausgehend von D10 nicht naheliegend, eine anspruchsgemäße phosphorhaltige Komponente (d) zuzusetzen, um das mechanische Alterungsverhalten eines Polyurethanschaumstoffs zu verbessern.
Aus diesem Grund beruht Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ausgehend von D10 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.5 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D2, D3 oder D4
In der mündlichen Verhandlung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass Anspruch 1 des Hilfsanspruchs 4 aus den im schriftlichen Verfahren genannten Gründen nicht erfinderisch gegenüber D2, D3 oder D4 sei.
In diesem Zusammenhang stellt die Kammer fest, dass im schriftlichen Verfahren nur argumentiert wurde, dass Anspruch 1 wie erteilt gegenüber D2, D3 oder D4 nicht erfinderisch sei (siehe Beschwerdebegründung, Seiten 26-37). Die Ansprüche des Hilfsantrags 4 und die damit verbundenen neuen technischen Merkmalen (z.B. die Dichte oder das Vorhandensein eines Integralschaums) wurden jedoch nicht berücksichtigt. Auch wenn die Kammer während der mündlichen Verhandlung die Beschwerdeführerin informierte, dass sie keinen vollständigen Vortrag gegen den Hilfsantrag 4 erkennen könne, erklärte die Beschwerdeführerin keine weiteren Ausführungen machen zu wollen.
Schon aus diesem Grund kann die unvollständige Argumentation der Beschwerdeführerin ausgehend von D2, D3 oder D4, die nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 in Betracht zieht, nicht überzeugen.
6. Da keiner der Einwände gegen Hilfsantrag 4 erfolgreich ist, ist das Patent ist auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 4 aufrecht zu erhalten.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent auf der Basis der Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 4, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.