T 0984/19 04-04-2022
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ELEKTRISCH BETRIEBENE KÜCHENMASCHINE
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Zurückverweisung - (nein)
Änderung nach Ablauf der in einer Mitteilung nach R. 100 (2) EPÜ gesetzten Frist - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ablauf der in einer Mitteilung nach R. 100 (2) EPÜ gesetzten Frist - stichhaltige Gründe (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischen-entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 884 875 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag erfinderisch sei.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
E3 DE 10 2011 051 149 A1
E16 Datenblatt zu Elektromotoren der Serie SPG30
der Firma Cytron Technologies
III. Der Einsprechende als Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
IV. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, oder die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 0, 0a, oder 1-4, jeweils eingereicht am 16. Februar 2022, oder weiter hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 4. April 2022 in Anwesenheit aller Parteien als Videokonferenz statt.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (von der Einspruchsabteilung aufrecht- erhaltene Fassung)
"Elektrisch betriebene Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (6), einem elektromotorisch betriebenen Rührwerk (7) in dem Rührgefäß (6) und einem Deckel (10) für das Rührgefäß (6), wobei der Deckel (10) elektromotorisch verriegelbar ist, gekennzeichnet durch eine Kombination zumindest folgender Merkmale:
1.1 Der die Verriegelung erbringende Elektromotor (19) weist eine Abgabeleistung von 1 bis 10 Watt auf;
1.2 der Elektromotor (19) wirkt mittels eines Untersetzungsgetriebes (18) mit einer Untersetzung größer 50:1 auf ein Verriegelungsteil (17) ein;
1.3 der Elektromotor (19) ist ein Gleichstrommotor."
Hilfsantrag 0
Wie im Hauptantrag, wobei das folgende Merkmal am Ende des Kennzeichens eingefügt wurde:
"... wobei weiter vorgesehen ist, dass mittels einer Überwachung eines Motorstroms eine Detektierung einer Überlast ermöglicht ist und eine Drehrichtungsumkehr des Motors auslösbar ist, zur Verlagerung des
Verriegelungsteils in eine Deckelfreigabestellung."
Hilfsantrag 0a
Wie im Hauptantrag, wobei das folgende Merkmal am Ende des Kennzeichens eingefügt wurde:
"... wobei der Motorstrom der ersten Elektromotors (19) auswertbar ist, die Drehrichtung des Elektromotors (19) umschaltbar ist mittels einer Überwachung des Motorstromes ein Abschalten bei Überlast ermöglicht ist und mittels der Überwachung des Motorstroms eine Drehrichtungsumkehr auslösbar ist."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, wobei das folgende Merkmal am Ende des Kennzeichens eingefügt wurde:
"... wobei weiter ein erster Elektromotor (19) zur Verriegelung des Deckels (10) vorgesehen ist und ein zweiter Elektromotor (8) zum Antrieb des Rührwerkes (7) und die Küchenmaschine (1) so eingerichtet ist, dass bei Vorwahl einer Drehzahl des Rührwerks (7) zunächst und selbsttätig der erste Elektromotor (19) die Deckelverriegelung vornimmt und zeitlich danach der zweite Elektromotor (8) zum Antreiben des Rührwerks (7) freigegeben ist."
Hilfsantrag 2
Wie im Hilfsantrag 1, wobei das folgende Merkmal am Ende des Kennzeichens eingefügt wurde:
"...und wobei weiter nach Ablauf der Zeit, für welche eine bestimmte Drehzahl vorgewählt war und das Rührwerk (7) entsprechend angetrieben wurde, selbsttätig eine Öffnung der Deckelverriegelung erfolgt, wobei die Öffnung nach Ablauf einer vorbestimmten Zeit, beginnend mit dem Stillstand des Rührwerks (7), erfolgt."
Hilfsantrag 3
Wie im Hilfsantrag 2, wobei das folgende Merkmal am Ende des Kennzeichens eingefügt wurde:
"... wobei darüber hinaus der Deckel (10) aus einem Verriegelungszustand Offen heraus elektromotorisch verriegelbar ist und die Küchenmaschine (1) so eingerichtet ist, dass die Verriegelung in einem bestimmten Zeitraum erfolgt sein muss, wozu Sensoren (26) vorgesehen sind, welche die erfolgte Verriegelung erfassen, und anderenfalls eine Fehlermeldung erfolgt und/oder eine Zurücksetzung der Verriegelung in den Zustand Offen."
Hilfsantrag 4
Wie im Hilfsantrag 3 wobei das folgende Merkmal am Ende des Kennzeichens eingefügt wurde:
"... wobei die vorbestimmte Verriegelungszeit kleiner als 2 Sekunden ist, bis hin zu kleiner 0,5 Sekunden."
VII. Der Einsprechende als Beschwerdeführer hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 werde ausgehend von E3 in Zusammenschau mit dem in E16 dokumentierten Fachwissen nahegelegt. Die Hilfsanträge 0, 0a und 1-4 seien nicht zuzulassen. Die Sache sei nicht an die Einspruchs-abteilung zurückzuverweisen.
VIII. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe im Lichte des genannten Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Die Hilfsanträge 0, 0a und 1-4 seien zuzulassen. Die Sache sei an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine elektrisch betriebene Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (6), einem elektromotorisch betriebenen Rührwerk (7) und einem Deckel (10) für das Rührgefäß, siehe die Figur 1 der Patentschrift. Der Deckel (10) ist mittels eines Verriegelungsteils (17) und eines Elektromotors (19) elektromotorisch verriegelbar. Der die Verriegelung erbringende Elektromotor (19) ist ein Gleichstrommotor mit einer Abgabeleistung von 1 bis 10 Watt und wirkt mittels eines Untersetzungsgetriebes (18) mit einer Untersetzung größer 50:1 auf das Verriegelungsteil (17) ein. Das erlaubt, einen kompakten Elektromotor zu verwenden, siehe Absatz 0006 der Patentschrift.
3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
3.1 Der Einsprechende als Beschwerdeführer bestreitet den Befund der angefochtenen Entscheidung, wonach der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von E3 auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
3.2 Auch die Kammer hält das Dokument E3 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da es eine elektrisch betriebene Küchenmaschine 1 mit einem Rührgefäß 6, einem elektromotorisch betriebenen Rührwerk 7 in dem Rührgefäß und einem Deckel 10 für das Rührgefäß offenbart, siehe die Figur 2. Der Deckel ist mittels zweier Elektromotoren 19 elektromotorisch verriegelbar, indem diese jeweils auf ein stangen-förmiges Verriegelungsteil 17 einwirken, siehe die Figur 4. Dagegen enthält die E3 keine Informationen über die Art des elektrischen Antriebsstroms und die Abgabeleistung der Elektromotoren. Der E3 kann auch nicht entnommen werden, dass ein Untersetzungsgetriebe für die Elektromotoren vorhanden ist.
3.3 Somit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags von der Offenbarung der E3 unbestritten darin, dass der Elektromotor für die Verriegelung des Deckels ein Gleichstrommotor ist, eine Abgabeleistung von 1 bis 10 Watt aufweist, und mittels eines Untersetzungsgetriebes mit einer Untersetzung größer 50:1 auf das Verriegelungsteil einwirkt.
3.4 In Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin liegt diesen Unterscheidungsmerkmalen die objektive technische Aufgabe zugrunde, geeignete Antriebsmittel zum Antreiben des Verriegelungsteils bereitzustellen, die kompakt sind und ein geeignetes Verriegelungsmoment erbringen, siehe die Erwiderung der Patentinhaberin vom 11. November 2019, Brückenabsatz zwischen den Seiten 4 und 5. Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit davon ab, ob der von E3 ausgehende Fachmann - wie vom Beschwerde-führer vorgetragen und von der Beschwerdegegnerin bestritten - ohne eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise anhand seines beispielsweise in E16 dokumentierten Fachwissens zu obigen Unterscheidungs-merkmalen gelangt wäre.
3.5 Nach Auffassung der Kammer gelangt der Fachmann auf naheliegende Weise zu diesen Unterscheidungsmerkmalen:
3.5.1 Im Hinblick auf das Merkmal 1.1 offenbart das Dokument E3 bereits, dass das Verriegelungselement 17 aufgrund seiner Anordnung und Ausgestaltung mit geringen Kräften zu betätigen ist, und dass zu seiner Drehverlagerung in die Verriegelungsstellung ein geringes Antriebsmoment nötig ist, siehe die Absätze 0007 und 0077 des Dokuments. Wegen dieser Angaben in E3 wird der Fachmann den zur Drehverlagerung eines Verriegelungsteils 17 dienenden Elektromotor 19 schwach dimensionieren, also einen Elektromotor mit einer niedrigen Abgabeleistung wählen.
3.5.2 Das Untersetzungsgetriebe im Merkmal 1.2 sorgt laut dem Fachwissen dafür, dass die Drehzahl der Ausgangswelle des Motors im Vergleich zur Motorwelle um den Untersetzungsfaktor verringert wird, so dass sich das Drehmoment um denselben Faktor erhöht. Dadurch kann mit einem schwach dimensionierten Getriebemotor - der neben einer niedrigen Abgabeleistung auch ein kleines Einbauvolumen besitzt - dasselbe Drehmoment erzielt werden wie mit einem größeren/stärkeren Motor ohne Getriebe. Der Elektromotor 19 ist in E3 im relativ schmal ausgebildeten oberen Gehäusebereich angeordnet, siehe die Figuren 2 und 4. Da dort wenig Einbauvolumen für den Elektromotor vorhanden ist, ist das kleinere Einbauvolumen eines Getriebemotors nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall für den Fachmann ausschlaggebend dafür, einen solchen zu verwenden. Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach laut Absatz 0058 der E3 der Elektromotor auch im Sockelbereich der Küchenmaschine angeordnet sein kann, führt zu keiner anderen Sichtweise, da dieses Argument nicht die in den Figuren 2 und 4 gezeigte Anordnung des Elektromotors 19 betrifft, sondern nur dessen alternative Anordnung.
3.5.3 Im Hinblick auf das Merkmal 1.3 stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin zwar darin zu, dass dem Fachmann auf dem Gebiet der Elektromotoren neben den beanspruchten Gleichstrommotoren auch Wechsel- oder Drehstrommotoren bekannt sind. Es gehört jedoch zum allgemeinen Fachwissen, dass der Einbau- und Steuerungsaufwand sowie die Kosten eines Gleichstrom-motors bei geringer Motorleistung im Vergleich zu einem Wechsel- oder Drehstrommotor niedriger sind, so dass der Fachmann deswegen einen Gleichstrommotor wählt.
3.5.4 Mithin wird der Fachmann nach Auffassung der Kammer für den Antrieb des Verriegelungselements 17 der E3 anhand seines Fachwissens einen Gleichstrommotor mit einer niedrigen Abgabeleistung und einem Untersetzungs-getriebe wählen. Die anschließende Wahl einer konkreten Abgabeleistung des Motors und einer konkreten Untersetzung des Getriebes stellt nach Auffassung der Kammer eine fachübliche Optimierung dar. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern umfasst der Begriff des Fachmanns einen erfahrenen Mann der Praxis, der insbesondere über die normalen Mittel und Fähigkeiten für routinemäßige Arbeiten und Versuche verfügt (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.8.1.1). Da der Fachmann gezwungen ist, einen bestimmten Elektromotor zu wählen, um schließlich die Lehre der E3 zu verwirklichen, wird er durch Routineversuche eine geeignete Abgabeleistung des Elektromotors und eine passende Untersetzung des Getriebes finden.
Das Dokument E16 belegt, dass dem Fachmann Gleichstrom- getriebemotoren für Haushaltsgeräte mit anspruchs-gemäßen Eigenschaften zur Verfügung stehen. Die in E16 offenbarten Getriebeelektromotoren der Serie SPG30 sind für Haushaltsgeräte geeignet (erster Absatz "Typical applications: ... household appliances..."), werden mit Gleichstrom betrieben (obere Tabelle: "Rated Voltage 12VDC", also 12 Volt Gleichstrom) und weisen eine Abgabeleistung von 1.1 Watt auf (untere Tabelle, "Power(w) 1.1" für die Motoren SPG30-20K bis SPG30-300K). Bis auf den Motor SPG30-20K, dessen Untersetzung bei 28:1 liegt, weisen diese Getriebe-motoren eine Untersetzung größer als 50:1 auf (errechnet durch Division von "Rated speed 5200 r/min" aus der oberen Tabelle durch "Rated Speed (RPM) 103 ... 12" in der unteren Tabelle).
3.6 Aus diesen Gründen wird der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags für den von E3 ausgehenden Fachmann durch sein allgemeines Fachwissen nahegelegt.
4. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
4.1 Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt eine Befassung der Einspruchsabteilung mit den Hilfsanträgen 0, 0a und 1-4, da eine sachliche Entscheidung über die Hilfsanträge herbeizuführen sei.
4.2 Die Beschwerdekammer wird gemäß Artikel 111 (1) EPÜ entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Nach Artikel 11 VOBK 2020 verweist eine Kammer die Angelegenheit dann zur weiteren Entscheidung an das Organ zurück, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Solche liegen in der Regel vor, wenn das Verfahren vor diesem Organ wesentliche Mängel aufweist.
4.3 Die Beschwerdegegnerin hat keine wesentlichen Mängel des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung aufgezeigt. Die Kammer kann auch keine solchen Mängel erkennen, da die angefochtene Entscheidung auf Basis des vorliegenden Hauptantrags erging, so dass die vor der Einspruchsabteilung gestellten Hilfsanträge von dieser nicht behandelt werden mussten.
4.4 Daher entschied die Kammer, im Rahmen der Zuständigkeit der Einspruchsabteilung tätig zu werden und sich mit den Hilfsanträgen zu befassen, Artikel 111(1) EPÜ.
5. Zulassung der Hilfsanträge 0, 0a, 1-4
5.1 Die Hilfsanträge 0, 0a und 1-4 wurden mit dem Schreiben der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin vom 16. Februar 2022 eingereicht. Die Beschwerdegegnerin rechtfertigt die Vorlage dieser Hilfsanträge mit den Argumenten, dass diese Hilfsanträge bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereicht waren, dass Artikel 13(2) VOBK 2020 erst nach Einreichung der Beschwerdebegründung in Kraft getreten ist, und dass keine Veranlassung bestanden habe, die Hilfsanträge im Einzelnen zu diskutieren, da die Beschwerdebegründung diese Hilfsanträge nicht behandele.
5.2 Aus den folgenden Gründen überzeugt keines dieser Argumente die Kammer.
5.2.1 Für die Berücksichtigung von Hilfsanträgen als geändertes Vorbringen im Beschwerdeverfahren sind die Artikel 12 und 13 VOBK 2020 maßgeblich. Gemäß Artikel 12(1)a) VOBK 2020 liegt dem Beschwerdeverfahren die angefochtene Entscheidung zugrunde. Diese erging im vorliegenden Fall auf Basis des vorliegenden Hauptantrags, so dass die vor der Einspruchsabteilung gestellten Hilfsanträge dadurch nicht automatisch zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden sind. Weiter verlangt Artikel 12(3) VOBK 2020, dass die Erwiderung (der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin) das vollständige Beschwerdevorbringen enthalten muss, und dass ausdrücklich alle geltend gemachten Anträge anzuführen sind. Die Beschwerdegegnerin hat mit ihrer Erwiderung unbestritten keine Hilfsanträge gestellt. Daher stellen die Hilfsanträge 0, 0a und 1-4 geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13 VOBK 2020 erfolgt.
5.2.2 Im Hinblick auf die von der Beschwerdegegnerin bestrittene Anwendbarkeit von Artikel 13(2) VOBK 2020 wurden zwar die Beschwerdebegründung (und die im vorliegenden Fall einzig relevante Erwiderung der Beschwerdegegnerin) vor Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eingereicht. Jedoch enthalten die Übergangsbestimmungen in Artikel 25(3) VOBK 2020 im Hinblick auf Artikel 13(2) VOBK 2020 lediglich die Ausnahme, dass dieser Artikel nicht anzuwenden ist, wenn vor Inkrafttreten der revidierten Fassung die Ladung zur mündlichen Verhandlung oder eine Mitteilung der Kammer nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ zugestellt wurde. Im vorliegenden Fall erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2021, und damit nach Inkrafttreten der revidierten Fassung, so dass Artikel 13(2) VOBK 2020 anzuwenden ist.
5.2.3 Der Artikel 13(2) VOBK 2020 legt fest, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die Kammer vermag keine überraschende Wendung des Falles zu erkennen. In ihrer Einschätzung, dass die auf Eigenschaften des Elektromotors gerichteten Merkmale 1.1 bis 1.3 ausgehend von E3 naheliegend seien, ist die Kammer nämlich einem Argument der Beschwerdeführerin gefolgt, das bereits mit der Beschwerdebegründung, und damit fast drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen wurde. Was auch immer der Grund für das Ausbleiben einer Reaktion der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin - z.B. durch das rechtzeitige Stellen von Hilfsanträgen mit ihrer Erwiderung oder vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung - auf diesen Einwand der Beschwerdeführerin gewesen sein mag, ausreichend Zeit dafür wäre vorhanden gewesen. Die Tatsache, dass sich die Kammer einem Argument des Einsprechenden anschließt, ist insoweit weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern liegt in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses.
5.3 Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage der Hilfsanträge 0, 0a und 1-4 zu rechtfertigen wäre. Daher entscheidet die Kammer, diese Hilfsanträge nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(2) VOBK 2020.
6. Somit gelangt die Kammer im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, das der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von E3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ. Die Sache wurde nicht an die Einspruchsabteilung zurückverweisen und die Hilfsanträge 0, 0a und 1-4 wurden nicht von der Kammer zugelassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.