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T 1161/19 01-03-2022
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Partialester eines Polyglycerins mit mindestens einer Carbonsäure und einer polyfunktionalen Carbonsäure, ihre Herstellung und Verwendung
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Europäische Patent EP 2 363 387 unter Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent auf der Grundlage des Artikels 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) sowie des Artikels 100(b) EPÜ angegriffen worden.
III. Unter anderem wurde auf die folgenden Dokumente verwiesen, auf die auch im vorliegenden Verfahren Bezug genommen wird:
E1: EP 0 835 862 A1
E12: Schriftsatz der Patentinhaberin vom
12. August 2014 mit Experimentellem Teil
E13: Versuchsbericht "(Poly-)glycerinpartialester
Versuche zu EP 2363387 B1", 17. Juni 2019
E15: US 2006/0264330 A1
E16: CLARIANT Experiments 161239, 162057, 161513,
162059 vom 19. August 2021
E17: CLARIANT "Polyglycerol and Polyglycerol Ester
Analytical Characterization", 12. Februar 2021
IV. Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung dadurch, dass die im Streitpatent beanspruchte Erfindung ausführbar offenbart sei (Artikel 83 EPÜ), dass der Anspruchsgegenstand neu gegenüber der Offenbarung der im Einspruchsverfahren vorgelegten Dokumente sei (Artikel 54 EPÜ), und dass er auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ), und zwar insbesondere auch ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments E1 als nächstliegendem Stand der Technik.
V. Gegen diese Entscheidung wurde von der Einsprechenden fristgerecht Beschwerde eingelegt.
VI. Von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) wurden in ihrer Erwiderung auf die Beschwerde Argumente vorgebracht in Bezug auf die Gewährbarkeit ihres Hauptantrags - dem Patent in der erteilten Fassung - sowie in Bezug auf Zulässigkeit und Gewährbarkeit der mit demselben Schriftsatz eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5, die bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt worden waren.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit.
VIII. Am 1. März 2022 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz statt.
IX. Der vorliegende Hauptantrag enthält sieben unabhängige Ansprüche, von denen die Ansprüche 1 und 8 den folgenden Wortlaut haben:
1. (Poly-)glycerinpartialester mit im Mittel (Zahlenmittel) von 0,75 bis 2,25 Säureresten einer oder mehrerer Carbonsäuren mit 10 bis 24 Kohlenstoffatomen und mit im Mittel (Zahlenmittel) von 0,005 bis 0,5 Resten einer polyfunktionalen Carbonsäure, insbesondere Dimer-Fettsäuren, Oxalsäure, Fumarsäure, Malonsäure, Bernsteinsäure, Glutarsäure, Adipinsäure, Pimelinsäure, Korksäure, Azelainsäure, Sebacinsäure, Dodecandisäure, Äpfelsäure, Weinsäure, Tatronsäure, Maleinsäure, Zitronensäure, Phthalsäure, Isophthalsäure und Terephhtalsäure, enthaltend Polyfunktionscarbonsäure-ester(poly-)glycerinpartialester mit der Maßgabe,
dass nach vollständiger Hydrolyse des (Poly-)glycerinpartialesters ein (Poly-)glycerin erhalten wird, welches eine Homologenverteilung aufweist mit:
Glycerin: 0,01 Gew.-% bis 20 Gew.-%,
Diglycerine: 0,01 Gew.-% bis 60 Gew.-%,
Triglycerine: 0,01 Gew.-% bis 60 Gew.-%,
Tetraglycerine: 0,01 Gew.-% bis 30 Gew.-%,
Pentaglycerine: 0,01 Gew.-% bis 20 Gew.-% und
Oligoglycerine: ad 100 Gew.-%.
8. Verfahren zur Herstellung eines (Poly-)glycerinpartialesters umfassend die Verfahrensschritte
A) Bereitstellen eines (Poly-)glycerins aufweisend eine Homologenverteilung mit
Glycerin: 0,01 bis 20 Gew.-%
Diglycerine: 0,01 bis 60 Gew.-%
Triglycerine: 0,01 bis 60 Gew.-%
Tetraglycerine: 0,01 bis 30 Gew.-%
Pentaglycerine: 0,01 bis 20 Gew.-%
Oligoglycerine: ad 100 Gew.-%.
B) Verestern eines Teils des (Poly-)glycerins mit einer oder mehreren Carbonsäure mit 10 bis 24 Kohlenstoffatomen und
C) weiteres Verestern mit einer Polyfunktionscarbonsäure,
wobei das molare Verhältnis der im Verfahrensschritt C) eingesetzten Polyfunktionscarbonsäure zu in Verfahrensschritt A) eingesetztem (Poly-)glycerin 1:2 bis 1:200 beträgt.
Die unabhängigen Ansprüche 11 und 12 beziehen sich auf die Verwendung des (Poly-)glycerinpartialesters der Ansprüche 1 bis 7, oder erhältlich nach einem Verfahren der Ansprüche 8 bis 10, als Emulgator (Anspruch 11), bzw. zur Herstellung von kosmetischen oder pharmazeutischen Formulierungen (Anspruch 12).
Der unabhängige Anspruch 13 bezieht sich auf einen Emulgator enthaltend (Poly-)glycerinpartialester gemäß der Ansprüche 1 bis 7 oder erhältlich nach einem Verfahren gemäß der Ansprüche 8 bis 10.
Der unabhängige Anspruch 14 bezieht sich auf die Verwendung des (Poly-)glycerinpartialesters gemäß der Ansprüche 1 bis 7 oder erhältlich nach einem Verfahren gemäß der Ansprüche 8 bis 10 oder eines Emulgators gemäß Anspruch 13 zur Verbesserung der Wasserfestigkeit von kosmetischen oder pharmazeutischen Formulierungen.
Der unabhängige Anspruch 15 bezieht sich auf eine kosmetische oder pharmazeutische Formulierung enthaltend (Poly-)glycerinpartialester gemäß der Ansprüche 1 bis 7 oder erhältlich nach einem Verfahren gemäß der Ansprüche 8 bis 10.
X. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vor:
Der beanspruchte Gegenstand sei nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ). Insbesondere sei die Fachperson nicht in der Lage, die Zusammensetzungen gemäß der Ansprüche 1 und 2 ohne unzumutbaren Aufwand herzustellen, bzw. eindeutig abzugrenzen. Der beanspruchte Gegenstand sei zumindest gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1 nicht neu. Dieses Dokument offenbare nämlich im Herstellungsbeispiel die streitpatentgemäß beanspruchten (Poly-)glycerinpartialester, und zwar auch wenn eine Homologenverteilung darin nicht explizit offenbart werde (Artikel 54 EPÜ). Neuheit sei aber auch gegenüber der Offenbarung des Dokuments E15 nicht gegeben. Der beanspruchte Gegenstand beruhe jedoch ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments E1 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es sei nämlich keine Verbesserung jedweder Eigenschaften gezeigt worden, und der beanspruchte Gegenstand daher lediglich eine Auswahl aus der allgemeinen Lehre des Dokuments E1 dar. Zur Stütze ihrer Argumentation verwies die Beschwerdeführerin auf experimentelle Nachweise, die im Dokument E13 beschrieben seien (Artikel 56 EPÜ).
XI. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerde und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vor:
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in Bezug auf mangelnde Ausführbarkeit beziehe sich lediglich auf Aspekte mangelnder Klarheit (Artikel 84 EPÜ), und sei daher im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen. Neuheit gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1 sei gegeben, da darin die anspruchsgemäß geforderte Homologenverteilung des (Poly-)glycerins nicht offenbart werde (Artikel 54 EPÜ). Ebenso liege erfinderische Tätigkeit vor, da die Fachperson die technische Aufgabe einer Verbesserung der Emulsionsstabilität von anspruchsgemäße (Poly-)glycerinpartialester enthaltenden Zusammensetzungen ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments E1 nicht durch die anspruchsgemäße Homologenverteilung gelöst hätte (Artikel 56 EPÜ). Die Dokumente E13 sowie E15 bis E17 hätten bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt werden müssen. Die Dokumente selbst, sowie die darauf beruhenden Argumentationen seien daher nicht zum Verfahren zuzulassen.
XII. Anträge der Parteien
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt
- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 363 387,
- die Zulassung der Dokumente E13 und E15 bis E17.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt
- die Zurückweisung der Beschwerde, somit die Aufrechthaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag),
- hilfsweise die Aufrechthaltung des Patents auf der Grundlage eines der bereits vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 5,
- die Nichtzulassung der Dokumente E13 und E15 bis E17,
- hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Dokumente E13 und E15 bis E17 ins Verfahren.
2.1 Dokument E13
2.1.1 Das Dokument E13 wurde von der Beschwerdeführerin erstmalig im Beschwerdeverfahren, nämlich zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung am 17. Juni 2019 eingereicht. Da das Dokument vor dem Inkrafttreten der seit 1. Januar 2020 geltenden revidierten Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) eingereicht wurde, ist gemäß Artikel 25(2) VOBK der Artikel 12(4) der vor dem Inkrafttreten geltenden Fassung der VOBK, (VOBK 2007), anzuwenden. Demgemäß ist die Kammer befugt, Beweismittel, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht zuzulassen.
2.1.2 Die Beschwerdeführerin hat den Zeitpunkt für die Vorlage des Dokuments E13 dadurch begründet, dass sie durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung überrascht worden sei. Sie argumentierte insbesondere, sie hätte aufgrund der von ihr im Einspruchsverfahren vorgebrachten Beweismittel und Argumente davon ausgehen können, dass die Einspruchsabteilung ihrem vorgebrachten Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 8 des Hauptantrags (erteilten Patents) gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1 folge. Da die Einspruchsabteilung ihre diesbezüglich gegenteilige Auffassung erst in ihrer Entscheidung begründet habe, sei mit dem Beginn des Beschwerdeverfahrens der nächstmögliche Zeitpunkt gewählt worden, um das Dokument E13 einzureichen. Durch die im Dokument beschriebenen experimentellen Daten werde der Nachweis erbracht, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 des Streitpatents nicht neu, und die Entscheidung der Einspruchsabteilung daher fehlerhaft sei (Artikel 54 EPÜ). Zudem werde durch die Versuche auch die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung in Bezug auf die Gründe der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 100(b) EPÜ) und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100(a) und 56 EPÜ) gezeigt.
2.1.3 Diese Argumentation überzeugt aus folgenden Gründen nicht:
Die Begründung der Einspruchsabteilung, den Einspruch unter anderem deshalb zurückzuweisen, weil das Vorbringen der Einsprechenden in Bezug auf Neuheit nicht als überzeugend angesehen wurde, kann für die Beschwerdeführerin nicht überraschend gewesen sein. Die angefochtene Entscheidung bezieht sich nämlich weder auf Fakten, die der Beschwerdeführerin nicht bekannt waren, noch wird darin durch die Einspruchsabteilung ein neuer, der Beschwerdeführerin bis dahin unbekannter Sachzusammenhang hergestellt.
Die Einspruchsabteilung bezieht sich vielmehr in ihrer Entscheidung auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren, wonach die Offenbarung des Dokuments E1, insbesondere durch das darin auf der Seite 4 beschriebene Herstellungsbeispiel und die Oligomerenverteilung gemäß der auf der Seite 3 angegebenen Tabelle, den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents vorwegnehme. Die Einspruchsabteilung berücksichtigt in ihrer Entscheidung insbesondere auch die auf Berechnungen zur Homologenverteilung beruhende Argumentationslinie der Beschwerdeführerin (siehe unter den Punkten 2.6.2 bis 2.6.5 der angefochtenen Entscheidung). Die Einspruchsabteilung gelangte daher ausgehend von den von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren vorgebrachten Beweismitteln, insbesondere Dokument E1, und der darauf aufbauenden Argumentation zu der Auffassung, dass der vorgebrachte Neuheitseinwand nicht durchgreifend sei. Somit muss diese von der Einspruchsabteilung vertretene Auffassung für die Beschwerdeführerin als ein möglicher Ausgang der Erörterungen vorhersehbar gewesen sein, und ist damit nicht überraschend. Auch lag es in der Hand der Beschwerdeführerin, bereits im Einspruchsverfahren weitere Beweismittel bzw. Argumentationslinien vorzubringen, die das Risiko einer gegen sie gerichteten Entscheidung möglicherweise vermindert haben könnten. Insgesamt kann daher das Vorbringen der Beschwerdeführerin das späte Einreichen experimenteller Daten erst mit Beginn des Beschwerdeverfahrens nicht rechtfertigen.
2.1.4 Die Kammer schließt sich daher der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass das Dokument bereits im Einspruchsverfahren hätte vorgelegt werden können, und dass die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe eine Zulassung des Dokuments in diesem Verfahrensstadium nicht rechtfertigen. Das Dokument wird deshalb nicht zum Verfahren zugelassen (Artikel 12(4) VOBK 2007).
2.2 Dokumente E15 bis E17
2.2.1 Das Dokument E15 sowie die sich darauf beziehenden experimentellen Daten (Dokumente E16 und E17) wurden von der Beschwerdeführerin am 19. August 2021, und damit erst nach der gemäß Artikel 108 EPÜ eingereichten Beschwerde vorgelegt. Die Zulassung der Dokumente sowie der sich darauf stützenden Argumentation unterliegt den Bedingungen des Artikels 13(1) VOBK.
Demnach bedürfen Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten und ihre Zulassung steht im Ermessen der Kammer.
Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Kammer insbesondere zu berücksichtigen den Stand des Verfahrens, die Eignung der Änderung zur Lösung der von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise aufgeworfenen Fragen oder der von der Kammer selbst aufgeworfenen Fragen, und inwiefern die Änderung der Verfahrensökonomie abträglich ist.
2.2.2 Die Beschwerdeführerin rechtfertigte die erst in dieser Phase des Beschwerdeverfahrens erfolgte Vorlage der Dokumente E15 bis E17 damit, dass sich Dokument E15 auf landwirtschaftliche Mittel beziehe und damit auf eine andere Stoffklasse als das Streitpatent. Somit sei die Relevanz des Dokuments zur Beurteilung der Neuheit des streitpatentgemäßen Gegenstands zunächst nicht offensichtlich gewesen. Das Dokument offenbare jedoch in mehreren Beispielen streitpatentgemäß beanspruchte Produkte, es sei daher prima facie relevant. Dies werde durch durch die zusätzlichen Dokumente E16 und E17 belegt.
2.2.3 Diese Begründung kann die Zulassung der Dokumente zum Verfahren nicht rechtfertigen.
Da das Beschwerdeverfahren in erster Linie dazu dient, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, ist das Beschwerdevorbringen der Parteien auf die Beweismittel zu richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen (Artikel 12(2) VOBK). Dies trifft auf die Dokumente D15 bis D17 nicht zu. Eine Zulassung der Dokumente in das Verfahren zu diesem Zeitpunkt hätte zur Folge, dass sowohl das Dokument D15 selbst, als auch die mit den Dokumenten D16 und D17 vorgelegten experimentellen Daten zu einem sehr späten Zeitpunkt, nämlich erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens, analysiert und bewertet werden müssten. Dies wäre der Verfahrensökonomie abträglich. Durch die Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin werden auch keine im Beschwerdeverfahren aufgeworfenen Fragen gelöst, da die Dokumente in Bezug auf den Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit des Hauptantrags, also des erteilten Patents, eingereicht wurden, und dieser Einspruchsgrund seit Beginn des Einspruchsverfahrens Teil des Verfahrens ist.
2.3 Unter Berücksichtigung dieser Aspekte macht die Kammer von ihrem Ermessen Gebrauch, die Dokumente E15 bis E17, und infolgedessen den darauf basierenden Neuheitseinwand nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1) VOBK).
Hauptantrag
3. Ausführbarkeit (Artikel 100(b) und 83 EPÜ)
3.1 Die Beschwerdeführerin stützte ihren Einwand insbesondere darauf, dass sich die Definition des (Poly-)glycerinpartialesters in Anspruch 1 auf Merkmale beziehe, die nicht das beanspruchte Produkt, sondern eine Zusammensetzung betreffe, die erst erhalten werde nach Durchführung einer im Anspruch nicht näher definierten Hydrolysereaktion. Es sei davon auszugehen, dass sich die Homologenverteilung eines (Poly-)glycerins im Verlauf der Veresterung mit den im Anspruch angegebenen Säuren, sowie auch im Verlauf der vor Bestimmung der Homologenverteilung durchzuführenden Hydrolyse, ändere. Daher sei es dem Fachmann nicht möglich, festzustellen, welche Ausgangsbedingungen und -verbindungen zu wählen seien, um zu der im Anspruch 1 angegebenen Oligomerenverteilung nach Hydrolyse zu gelangen. Auch erlaube die im Anspruch verwendete Formulierung "nach vollständiger Hydrolyse", dass auch Polyglycerine und Oligoglycerine weiter hydrolysiert würden, und dass deshalb auch während der Hydrolyse die Homologenverteilung in der zunächst entstehenden Zusammensetzung verändert werde. Demnach hinge die Homologenverteilung in der hydrolysierten Zusammensetzung sowohl von den Bedingungen für die Herstellung der beanspruchten (Poly-)glycerinpartialester, als auch von den Hydrolysebedingungen dieser (Poly-)glycerinpartialester ab. Sie könne daher beliebig stark variieren. Ohne genaue Angabe der Edukte für die Synthese der beanspruchten Verbindungen, sowie der Bedingungen für Synthese und Hydrolyse sei der Anspruchsgegenstand daher nicht ausführbar.
Weitere Einwände wurden lediglich im schriftlichen Verfahren vorgebracht. Hierzu verwies die Beschwerdeführerin zunächst auf den Begriff "Oligoglycerine" des Anspruchs 1. Ihrer Ansicht nach könne der Fachmann aufgrund mangelnder Informationen im Streitpatent keine klare Abgrenzung treffen zwischen Oligoglycerinen und Polyglycerinen. Dies sei jedoch wesentlich für die Definition des beanspruchten Gegenstands, der sich auf (Poly-)glycerinpartialester beziehe. Mit Blick auf Anspruch 2 argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Formel (I) auch Etherverbindungen umfasse, nämlich wenn der Substituent R**(4) der Formel (I) einem Rest der allgemeinen Formel (II) entspreche. Etherbindungen bildeten sich jedoch auch unter den Bedingungen der Beispiele 1 bis 5 des Streitpatents, insbesondere auch zwischen den Glycerinhomologen untereinander. Diese Bedingungen führten somit zu einer geänderten Oligomerenverteilung in der hydrolysierten Zusammensetzung gegenüber der Ausgangsverteilung des eingesetzten (Poly-)glycerins.
3.2 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt nicht.
3.2.1 Im vorliegenden Fall werden die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ dann erfüllt, wenn die Fachperson durch die Angaben im Streitpatent selbst und unter Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens in die Lage versetzt wird, gemäß Anspruch 1 definierte (Poly-)glycerinpartialester herzustellen, das Verfahren gemäß Anspruch 8 nachzuarbeiten, die Verbindungen gemäß der Ansprüche 11, 12 und 14 zu verwenden, sowie zudem Emulgatoren gemäß Anspruch 13 und Formulierungen gemäß Anspruch 15 herzustellen. Um einen Mangel an Ausführbarkeit zu begründen, müssen ernsthafte Zweifel an der Ausführbarkeit bestehen, die durch nachprüfbare Tatsachen gestützt werden.
3.2.2 Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Anspruch 1 des Streitpatents bezieht sich auf (Poly-)glycerinpartialester. Die beanspruchten Produkte werden zunächst dadurch definiert, dass sie einen bestimmten Gehalt an Säureresten bestimmter Carbonsäuren - Carbonsäuren mit 10 bis 24 Kohlenstoffatomen sowie polyfunktionalen Carbonsäuren - aufweisen, dass sie Polyfunktionscarbonsäureester-(poly-)glycerinpartialester enthalten, und dass nach vollständiger Hydrolyse der beanspruchten (Poly-)glycerinpartialester ein (Poly-)glycerin erhalten wird, welches eine im Anspruch angegebene Homologenverteilung verschiedener Glycerine und Oligoglycerine aufweist. Im Absatz [0019] der Beschreibung wird beschrieben, unter welchen Bedingungen der beanspruchte (Poly-)glycerinpartialester hydrolysiert werden kann.
3.2.3 Auch wenn es, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht und von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde, sowohl bei der Bildung der beanspruchten Ester, als auch bei deren Hydrolyse vor Bestimmung der Homologenzusammensetzung zu Veränderungen in der Homologenverteilung kommt, bedeutet das nicht, dass die Fachperson nicht in der Lage ist, die Auswahl der Ausgangsstoffe und die genauen Synthesebedingungen entsprechend anzupassen, um nach Hydrolyse eine anspruchsgemäße Homologenverteilung zu erhalten. Warum dies nicht möglich sein sollte, bzw. inwiefern dies einen für die Fachperson unzumutbaren Aufwand darstelle, wurde von der Beschwerdeführerin offen gelassen. Hinsichtlich der Hydrolysebedingungen stellt die Kammer fest, dass diese detailliert im Streitpatent selbst angegeben werden (Absätze [0019] bis [0021]). Auch wurde nicht gezeigt, inwiefern die im Streitpatent beschriebenen Beispiele nicht nachgearbeitet werden können, oder warum diese keine anspruchsgemäßen Ausführungsformen darstellten.
3.2.4 Der vorgebrachte Einwand bezüglich einer Unterscheidung der Begriffe "Polyglycerin" und "Oligoglycerin" überzeugt ebenfalls nicht. Aus Anspruch 1 entnimmt die Fachperson, dass "Oligoglycerine" mehr als fünf Glycerineinheiten beinhalten. Der Begriff "Polyglycerin" wird einerseits im Streitpatent selbst erläutert (Absätze [0018] und [0033]), und zudem ist er der Fachperson aus dem Stand der Technik bekannt (siehe beispielsweise E1, Seite 3, ab Zeile 24).
3.2.5 Schließlich wurde auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich möglicher Veränderungen der Homologenverteilung im Zusammenhang mit der Bildung von Zitronensäureethern unter Verweis auf Anspruch 2 des Streitpatents nicht durch nachprüfbare Tatsachen erhärtet. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Fachperson geeignete Versuchsbedingungen kennt, um spezifische Reaktionen durchzuführen, gegebenenfalls zu vermeiden, oder unter Berücksichtigung der jeweils erhaltenen Produktzusammensetzungen anzupassen.
3.3 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist daher nicht geeignet, um einen Mangel an Ausführbarkeit zu begründen. Der Hauptantrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ, die diesbezügliche Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung hat Bestand.
4. Neuheit (Artikel 100(a) und 54 EPÜ)
4.1 Von der Einspruchsabteilung wurde Neuheit gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1 anerkannt. Die Beschwerdeführerin widersprach dieser Beurteilung insbesondere unter Verweis auf das auf Seite 4 dieses Dokuments offenbarte Herstellungsbeispiel.
4.2 Im genannten Herstellungsbeispiel wird die Herstellung eines (Poly-)glycerinpartialesters offenbart. Hierzu wird technisches (Poly-)glycerin mit einer Hydroxylzahl von 1180 zunächst mit Isostearinsäure, dann mit Dimersäure verestert. Dies war unstrittig zwischen den Parteien. Unstrittig zwischen den Parteien war ebenso, dass die verwendeten Säuren Isostearinsäure und Dimersäure unter die Definition einer Carbonsäure mit 10 bis 24 Kohlenstoffatomen, bzw. einer polyfunktionalen Säure im Sinne der Definition der Ansprüche 1 und 8 des Streitpatents fallen. Unstrittig war zudem, dass die jeweiligen Anteile der in den gebildeten Estern enthaltenen Säurereste mit 2,21 bzw. 0,44 innerhalb der anspruchsgemäß geforderten Bereiche liegen (Anspruch 1: 0,75 bis 2,25 für die Carbonsäure bzw. 0,005 bis 0,5 für die polyfunktionale Säure; Anspruch 8: molares Verhältnis von polyfunktionaler Carbonsäure zu (Poly-)glycerin 1:2 bis 1:200). Diese von der Beschwerdeführerin berechneten Werte wurden von der Beschwerdegegnerin nicht angezweifelt. Auch wurde nicht angezweifelt, dass sich aus der im Beispiel für das verwendete (Poly-)glycerin angegebenen Hydroxylzahl von 1180 gemäß der im Streitpatent selbst beschriebenen Methode ein mittlerer Polymerisationsgrad von 2,9 berechnen lässt.
4.3 Strittig zwischen den Parteien war jedoch, ob im genannten Herstellungsbeispiel als Ausgangsstoff auch ein (Poly-)glycerin mit der in den Ansprüchen 1 und 8 angegebenen Homologenverteilung offenbart wird, und ob diese Verteilung auch der Verteilung nach vollständiger Hydrolyse entspricht, insbesondere ob in der hydrolysierten Zusammensetzung Glycerin mit einem Anteil von bis zu maximal 20 Gew.-% vertreten ist.
4.4 Von der Beschwerdeführerin wurde hierzu vorgebracht, dass sich aus dem mittleren Polymerisationsgrad von 2,9 auf eine Homologenverteilung für das (Poly-)glycerin schließen lasse, die der Verteilung in den Ansprüchen 1 und 8 entspreche, und insbesondere einen Anteil an Glycerin von weniger als 20 Gew.-% aufweise. Dies wurde damit begründet, dass bei einem mittleren Polymerisationsgrad von 2,9 das enthaltene Glycerin nur dann einen 20 Gew.-% übersteigenden Anteil am (Poly-)glycerin ausmachen könne, falls die verbleibenden 80 Gew.-% fast ausschließlich von Homologen gebildet würden, die aus wenigstens fünf Glycerineinheiten (Pentaglycerine) aufgebaut seien. Eine derartige Homologenverteilung, die neben Glycerin fast ausschließlich Pentaglycerin und höhere Homologen aufweise, sei jedoch gerade bei technischen (Poly-)glycerinen nicht zu erwarten.
Zudem lägen sowohl der Polymerisationsgrad des (Poly-)glycerins von 2,9, als auch die dafür angegebene Hydroxylzahl von 1180 aus dem Beispiel des Dokuments E1 innerhalb der im Streitpatent als bevorzugt angegebenen Bereiche (Absätze [0032] und [0034] sowie Beispiele 1, 2 und 4). Für die Herstellung des Ausgangsstoffs (Poly-)glycerin beschreibe das Streitpatent im Absatz [0032] darüber hinaus dasselbe Verfahren, das auch gemäß E1 (Seite 3, Zeilen 25 bis 26) für dessen Herstellung beschrieben werde. Da dieses Verfahren zu einem streitpatentgemäß verwendeten (Poly-)glycerin führe, handle es sich zwingenderweise auch bei dem in E1 analog hergestellten (Poly-)glycerin um ein solches und damit zu einer entsprechende Homologenverteilung.
Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass auch das im Herstellungsbeispiel von E1 verwendete technische (Poly-)glycerin einen Glyceringehalt von weniger als 20 Gew.-% aufweise, und dass deshalb auch eine Homologenverteilung gemäß der Ansprüche 1 und 8 des Streitpatents vorliege.
4.5 Diese Argumentation überzeugt nicht.
Auch wenn das im Herstellungsbeispiel von E1 verwendete (Poly-)glycerin aufgrund der angegebenen Hydroxylzahl von 1180 einen mittleren Polymerisationsgrad von 2,9 aufweist, lässt sich daraus nicht auf eine konkrete Homologenverteilung schließen, also auch nicht auf eine Homologenverteilung, die der streitpatentgemäß geforderten entspricht. Zwar ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin dahingehend nachvollziehbar, dass der genannte Polymerisationsgrad auf eine Zusammensetzung zutrifft, die einen Glyceringehalt von weniger als 20 Gew.-% aufweisen kann. Dieser Gehalt ist jedoch nicht zwingend vorhanden, da auch Zusammensetzungen mit höheren Homologen als Pentaglycerin möglich sind, die dann auch einen höheren Anteil an Glycerin als 20 Gew.-% zuließen.
Auch ist das Vorbringen der Beschwerdegegnerin glaubhaft, dass einer wie im Herstellungsbeispiel von E1 verwendeten, lediglich als technisches (Poly-)glycerin bezeichneten Zusammensetzung ohne weitere Informationen keine konkrete Homologenverteilung zugeschrieben werden kann. Die Bezeichnung kann auch Zusammensetzungen umfassen, die durch unterschiedliche Verfahren hergestellt, und gegebenenfalls weiter verschnitten oder anderweitig verändert wurden, um einen für eine bestimmte Anwendung jeweils erwünschten Polymerisationsgrad einzustellen. Bereits im Dokument E1 selbst wird auf die Möglichkeit der Bildung von Fraktionen mit einem erwünschten Kondensationsgrad durch Destillation von technischen (Poly-)glycerinmischungen verwiesen (Seite 3, Zeilen 25 bis 27).
Auch der Verweis der Beschwerdeführerin auf die im Streitpatent und im Dokument E1 genannten Herstellungsmethoden kann die Offenbarungslücke des Herstellungsbeispiels aus E1 nicht schließen. Zunächst lässt sich dem Dokument nicht entnehmen, durch welches Verfahren das im beschriebenen Beispiel verwendete technische (Poly-)glycerin hergestellt wurde. Vielmehr werden im Dokument verschiedene mögliche Verfahren zur Herstellung von (Poly-)glycerinen erwähnt (Seite 3, Zeilen 25 bis 28). Zudem wird im Dokument auch auf verschiedene (Poly-)glycerine verwiesen (siehe Seite 3, Zeilen 24 bis 40). Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass das im Herstellungsbeispiel verwendete (Poly-)glycerin eine in der Tabelle der Seite 3 des Dokuments angegebene Homologenverteilung aufweist. Selbst wenn dies so wäre, wird eine konkrete Zusammensetzung auch darin offenbart Zudem wird in der Tabelle Glycerin nicht auf einen maximalen Anteil von 20 Gew.-% beschränkt.
4.6 Da somit im herangezogenen Herstellungsbeispiel des Dokuments E1 kein (Poly-)glycerin offenbart wird, welches die Homologenzusammensetzung gemäß der Ansprüche 1 und 8 des Hauptantrags aufweist, ist der vorgebrachte Einwand der mangelnden Neuheit nicht durchgreifend. Hierbei ist somit auch nicht von Relevanz, ob die Homologenverteilung derjenigen des (Poly-)glycerins vor (Anspruch 8) oder nach (Anspruch 1) Hydrolyse des (Poly-)glycerinpartialesters entspricht.
4.7 Gegen die verbleibenden unabhängigen Ansprüche wurden keine separaten Einwände vorgebracht. Da sich deren Gegenstände auf den Gegenstand der Ansprüche 1 oder 8 rückbeziehen, ist Neuheit ebenfalls anzuerkennen.
4.8 Daher ist der im vorliegenden Hauptantrag beanspruchte Gegenstand neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1. Der Antrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100(a) und 56 EPÜ)
Nächstliegender Stand der Technik
5.1 Von den Parteien wurde erfinderische Tätigkeit ausschließlich ausgehend von Dokument E1, insbesondere vom Herstellungsbeispiel der Seite 4, diskutiert. Auch die Kammer erachtet diese Offenbarung als geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
Unterscheidungsmerkmal
5.2 Wie vorstehend erläutert, unterscheidet sich der Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 des Hauptantrags vom Herstellungsbeispiel des Dokuments E1 durch die anspruchsgemäße Homologenverteilung des (Poly-)glycerins, nämlich insbesondere dadurch, dass der Anteil an Glycerin 0,01 Gew.-% bis 20 Gew.-% beträgt.
Technische Aufgabe und vorgeschlagene Lösung
5.3 Die Frage, ob durch das Unterscheidungsmerkmal eine technische Wirkung hervorgerufen wird, bzw. worin eine gegebenenfalls auftretende technische Wirkung besteht, wurde von den Parteien im Hinblick auf die im Dokument E12 beschriebenen Experimente diskutiert.
5.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, das genannte Unterscheidungsmerkmal führe zu einer Verbesserung der Lagerstabilität von O/W Emulsionen, die mit den beanspruchten (Poly-)glycerinpartialestern hergestellt seien. Somit bestehe die technische Aufgabe in der Bereitstellung von Emulgatoren, die sich zur Herstellung von O/W Emulsionen mit verbesserter Lagerstabilität eigneten. Diese technische Aufgabe werde dadurch gelöst, dass die (Poly-)glycerinpartialsester die anspruchsgemäße Homologenverteilung, und dabei insbesondere einen Gehalt an Glycerin von maximal 20 Gew.-% aufwiesen, sowie dadurch, dass der Anteil an Säureresten der polyfunktionalen Carbonsäure anspruchsgemäß zwischen 0,005 und 0,5 liege.
5.5 Die Beschwerdeführerin widersprach dieser Auffassung. Ihrer Ansicht nach ließen die in E12 offenbarten experimentellen Daten keinen Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik zu, da sie eine Vielzahl an Unterscheidungsmerkmalen aufwiesen. Daher könne eine etwaige technische Wirkung auch nicht auf ein spezifisches Unterscheidungsmerkmal, insbesondere nicht auf den Gehalt an Glycerin, zurückgeführt werden. Die gelöste objektive technische Aufgabe liege somit lediglich in der Bereitstellung von alternativen (Poly-)glycerinpartialestern.
5.6 Die Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugt nicht.
5.6.1 Nach den Angaben im Dokument E12 werden darin Zusammensetzungen offenbart, die in Anlehnung an "Beispiel 2: Emulgator 2" des Streitpatents aus (Poly-)glycerinen hergestellt wurden (E12, Seite 2, erster Absatz des experimentellen Teils). Abweichend hiervon weisen sie jedoch eine Hydroxylzahl von 1223 (Versuche 1 und 3) bzw. 1113 (Versuche 2 und 4) anstatt 1120 gemäß Beispiel 2 auf. Es handelt sich augenscheinlich jeweils um (Poly-)glycerin-partialester, die 1,78 Äquivalente Stearinsäure pro Äquivalent (Poly-)glycerin enthalten (letzte Spalte der Tabelle auf Seite 2 von E12). Sowohl die Säure, als auch deren molarer Anteil liegen innerhalb der Definition der Verbindungen der Ansprüche 1 und 8.
Des weiteren enthalten sie 1,40 Äquivalente (Versuche 1 und 2) bzw. 0,08 Äquivalente (Versuche 3 und 4) Zitronensäure (Spalte 2 der Tabelle auf Seite 3 von E12). Zwar fällt Zitronensäure unter die anspruchsgemäße Definition einer polyfunktionalen Säure, jedoch liegen nur die in den Versuchen 3 und 4 angegebenen Äquivalentwerte von 0,08 innerhalb des für diese Säuren anspruchsgemäß angegebenen Bereichs von 0,005 bis 0,5.
Schließlich beträgt der Gehalt an Glycerin entweder 25 Gew.-% (Beispiele 1 und 3), und liegt damit außerhalb des anspruchsgemäßen Bereichs von 0,01 bis 20 Gew.-%, oder aber 7 Gew.-%, und damit innerhalb dieses Bereichs (Spalte 3 der Tabelle auf Seite 3 von E12).
In Bezug auf die Anteile weiterer Homologen brachte die Beschwerdegegnerin vor, diese lägen innerhalb der anspruchsgemäßen Bereiche. Zwar wurde dies von der Beschwerdeführerin zunächst angezweifelt, jedoch wurden die vorgebrachten Zweifel nicht untermauert. Somit ist davon auszugehen, dass die Homologenverteilung des (Poly-)glycerins mit Ausnahme des individuell angeführten Gehalts von Glycerin innerhalb der Verteilung der Ansprüche 1 und 8 liegt.
5.6.2 Daher ist Versuch 4 anspruchsgemäß, wohingegen die Versuche 1 bis 3 außerhalb des Anspruchs liegen, weil sie entweder mit 1,40 einen zu hohen Anteil an Zitronensäure aufweisen (Versuch 2), oder mit 25 Gew.-% einen zu hohen Anteil an Glycerin (Versuch 3), oder beides (Versuch 1). Hierüber herrschte Einigkeit zwischen den Parteien.
5.6.3 Die Versuche 1 bis 4 des Dokuments E12 unterscheiden sich vom Herstellungsbeispiel gemäß E1 neben dem Gehalt an Glycerin (25 und 7 Gew.-% gegenüber keiner Angabe) in der Natur der Säuren (Zitronensäure statt Dimersäure, Stearinsäure statt Isostearinsäure), durch die Äquivalente der Säurereste (1,40 und 0,08 statt 0,44 bzw. 1,78 statt 2.21), die Hydroxylzahl (1223 und 1113 statt 1180) und damit auch im Polymerisationsgrad. Auch hierzu vertraten die Parteien keine unterschiedlichen Auffassungen.
5.6.4 Strittig zwischen den Parteien war jedoch, ob sich Dokument E12 trotz dieser Unterschiede dazu eignet, eine durch das Unterscheidungsmerkmal der Homologenverteilung, insbesondere des Glyceringehalts, hervorgerufene technische Wirkung zu belegen.
5.6.5 Dies ist wie nachstehend gezeigt der Fall.
Ein Vergleich der Versuche 3 und 4 des Dokuments E12 zeigt, dass die Verwendung eines anspruchsgemäßen (Poly-)glycerinpartialesters (Versuch 4, Glycerinanteil 7 Gew.-% und Zitronensäureanteil 0,08) gegenüber einem (Poly-)glycerinpartialester außerhalb der anspruchsgemäßen Definition (Versuch 3, Glycerinanteil 25 Gew.-%) zu einer verbesserten Emulsionsstabilität einer damit hergestellten Creme führt (Seite 3, untere Tabelle, "Versuch 3" im Vergleich zu "Emulgator 2 = Versuch 4", letzte Spalte). Zwar unterscheiden sich die beiden Versuche auch in der Hydroxylzahl (Versuch 4: 1113 gegenüber Versuch 3: 1223), jedoch ist dies im Einklang mit dem unterschiedlichen Gehalt an Glycerin. Zudem ist die Hydroxylzahl kein Anspruchsmerkmal. Somit belegt dieser Vergleich, dass alleine der unterschiedliche Gehalt an Glycerin in den betrachteten Zusammensetzungen zu einer Verbesserung der Emulsionsstabilität einer Creme führt, die aus (Poly-)glycerinpartialestern hergestellt wurde, wobei die restliche Merkmale innerhalb der Grenzen des Anspruchs 1 liegen. Dies gilt insbesondere für den Gehalt an Zitronensäure von 0,08.
Aus Versuch 2 des Dokuments E12 ergibt sich, dass ein (Poly-)glycerinpartialester mit einem Gehalt an Zitronensäure außerhalb des anspruchsgemäßen Bereichs (1,40 statt 0,005 bis 0,5) auch dann nicht zu einer stabilen Creme verarbeitet wurde, wenn der Gehalt an Glycerin innerhalb des anspruchsgemäßen Bereichs liegt, wie bei Versuch 4 (7 Gew.-% in den Versuchen 2 und 4).
Aus Versuch 1 geht hervor, dass auch die Verwendung eines (Poly-)glycerinpartialesters, der sowohl im Anteil der Zitronensäure (1,40) als auch am Gehalt an Glycerin (25 Gew.-%) außerhalb der anspruchsgemäßen Bereiche liegt, nicht zu einer stabilen Creme führt.
Die Zusammenschau der Versuche 1 bis 4 zeigt somit, dass ein (Poly-)glycerinpartialester dann zu einer stabilen Creme verarbeitet wurde, wenn zunächst der Anteil an Glycerin innerhalb des anspruchsgemäßen Bereichs der Homologenverteilung liegt. Sie zeigt auch, dass die Bildung einer stabilen Creme nur dann erreicht wird, wenn zusätzlich auch der Anteil der Zitronensäure innerhalb des für eine polyfunktionale Carbonsäure anspruchsgemäß angegebenen Bereichs liegt.
5.6.6 Diese Schlussfolgerungen lassen sich auch auf einen Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik übertragen.
In Ermangelung gegenteiliger Nachweise kann davon ausgegangen werden, dass zunächst im Wesentlichen alle der unter die Ansprüche 1 und 8 fallenden (Poly-)glycerinpartialester in Bezug auf die zu lösende technische Aufgabe vergleichbare Eigenschaften aufweisen.
Das Herstellungsbeispiel gemäß E1 liegt sowohl in Bezug auf die Natur der enthaltenen Säuren, als auch in Bezug auf deren Anteile innerhalb der Definitionen der jeweiligen Merkmale der Ansprüche 1 und 8 des Hauptantrags. Für derartige Zusammensetzungen wurde mittels E12 der Einfluss des Gehalts an Glycerin gezeigt. Somit ist glaubwürdig, dass die durch die Beispiele "Versuch 1" bis "Versuch 4" des Dokuments E12 gezeigte technische Wirkung eines unterschiedlichen Glyceringehalts auch mit Blick auf Zusammensetzungen gemäß E1 auftritt, deren verbleibende Merkmale ja ebenfalls innerhalb der anspruchsgemäßen Definitionen liegen. Die Kammer erkennt deshalb an, dass mit dem Unterscheidungsmerkmal gegenüber E1 eine technische Wirkung verbunden ist, dass nämlich ein Glyceringehalt innerhalb des anspruchsgemäßen Bereichs bei gleichzeitigem Einhalten des Anteils an polyfunktionaler Carbonsäure zu einer Verbesserung der Stabilität einer mit der Zusammensetzung hergestellten Creme führt.
5.7 Somit kann die technische Aufgabe, in Übereinstimmung mit der im Absatz [0010] des Streitpatents definierten Aufgabe, in der Bereitstellung von (Poly-)glycerinpartialestern gesehen werden, deren Verwendung bei der Formulierung von O/W Emulsionen zu einer Verbesserung der Emulsionsstabilität führt.
5.8 Die Lösung der gestellten Aufgabe liegt ausgehend von der Offenbarung des Dokuments E1 in der Bereitstellung von (Poly-)glycerinpartialestern, die eine anspruchsgemäße Homologenverteilung aufweisen, also insbesondere mit einem Gehalt an Glycerin von 0,01 Gew.-% bis 20 Gew.-%, sowie in der Bereitstellung eines Verfahrens gemäß Anspruch 8.
Beurteilung des Naheliegens der vorgeschlagenen Lösung
5.9 Die Beschwerdeführerin hat in Bezug auf das Naheliegen des Anspruchsgegenstands lediglich ausgehend von der Lösung der technischen Aufgabe der Bereitstellung einer Alternative argumentiert, und ein Naheliegen dadurch begründet, dass der Anspruchsgegenstand im Hinblick auf die anspruchsgemäßen Bereiche lediglich eine Auswahl aus der breiteren Offenbarung des Dokuments E1 darstelle.
Unter Berücksichtigung der vorstehend genannten technischen Aufgabe ist die vorgeschlagene Lösung jedoch nicht als naheliegend anzusehen. So enthält das Dokument E1 keinen Hinweis auf die spezielle, insbesondere im Hinblick auf den Glyceringehalt engere, Homologenverteilung. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung einer damit verbundenen verbesserten Emulsionsstabilität.
5.10 Somit werden der Fachperson ausgehend von der Offenbarung des Dokuments E1 unter Berücksichtigung der gelösten technischen Aufgabe weder die anspruchsgemäßen (Poly-)glycerinpartialester, noch das Verfahren gemäß Anspruch 8 nahegelegt. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 des erteilten Patents und vorliegenden Hauptantrags beruht deshalb auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
5.11 Bezüglich der verbleibenden unabhängigen Ansprüche wurden von den Parteien keine zusätzlichen Aspekte vorgebracht. Da sich diese Ansprüche auf die (Poly-)glycerinpartialester gemäß Anspruch 1 bzw. die Herstellung der (Poly-)glycerinpartialester gemäß Anspruch 8 beziehen, ist erfinderische Tätigkeit auch dafür anzuerkennen (Artikel 56 EPÜ).
6. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass keiner der von der Beschwerdeführerin gegen die Gewährbarkeit des Hauptantrags vorgebrachten Gründe durchgreifen kann. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat somit Bestand.
Weitere Anträge
7. Da keiner der vorgebrachten Gründe gegen die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Form spricht, und daher dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückweisung der Beschwerde stattzugeben ist, können sowohl die von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 5 als auch deren Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit unberücksichtigt bleiben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.