T 1188/19 (Feuchtevariable gerichtete Dampfbremse/SILU) 14-02-2022
Download und weitere Informationen:
Feuchtevariable gerichtete Dampfbremse
Saint-Gobain Isover G+H AG
tremco illbruck Produktion GmbH
Biologische Insel
Lothar Moll GmbH & Co. KG
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4)
Erfinderische Tätigkeit - (nein) (Hilfsantrag 7)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Zulassung in das Verfahren (Hilfsanträgen 5 und 6) - (nein)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent widerrufen wurde.
II. Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin den vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 4 aufrechterhalten und neue Hilfsanträge 5 bis 7 eingereicht.
III. In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung haben die drei Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 bis 3) unter anderem ausgeführt, dass der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Unter anderem wurden D4 (DE 202 14 762 U1), D8 (WO 96/33321 A1) und D9 (AT 009 694 U2) als Entgegenhaltungen zitiert.
IV. In Erwiderung auf die Kammermitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2021 die bis dahin geltenden Hilfsanträge 1, 5 und 6 durch neue ersetzt.
V. Die Einsprechende 3 hat mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 beantragt, die Hilfsanträge 1 und 5 bis 7 nicht in das Verfahren zuzulassen.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer wurde am 14. Februar 2022 abgehalten.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der erteilten Ansprüche aufrechtzuerhalten (Hauptantrag); hilfsweise das Patent in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Ansprüche eines der folgenden Anträge:
- Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2021,
- Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018,
- Hilfsantrag 3 oder 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2018,
- Hilfsantrag 5 oder 6, eingereicht mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2021
- Hilfsantrag 7, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 17. Juni 2019.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Der unabhängige Anspruch 19 des erteilten Streitpatents (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut:
"19. Dampfbremse, die mindestens zwei Schichten umfasst, wobei eine Schicht (Schicht 1) feuchtevariabel ist und der Quotient für den Wasserdampfdiffusionswiderstand von dem sd-Wert bei 25% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit zu dem sd-Wert bei 71.5% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit größer 3 ist, und die andere Schicht (Schicht 2) im wesentlichen feuchteunabhängig ist und der Quotient für den Wasserdampfdiffusionswiderstand von dem sd-Wert bei 25% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit zu dem sd-Wert bei 71.5% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit kleiner 1.5 ist, wobei die Schicht 2 eine Dicke zwischen 25 mym und 350 mym aufweist, mit der Maßgabe, dass die Schicht nicht eine Dicke von 25 mym aufweist."
Anspruch 18 gemäß Hilfsantrag 1 sowie Anspruch 16 gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 sind mit Anspruch 19 gemäß Hauptantrag identisch.
Anspruch 16 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Anspruch 19 gemäß Hauptantrag dadurch, dass die Schicht 2 eine Dicke im Bereich von 30 mym bis 350 mym aufweist.
Der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von dem gemäß Hilfsantrag 4 unter anderem dadurch, dass die Dampfbremse nach Anspruch 16 eine Schicht 1 mit einer Dicke zwischen 30 mym und 200 mym und eine Schicht 2 mit einer Dicke zwischen 30 mym und 350 mym aufweist.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 ist mit Anspruch 16 gemäß Hilfsantrag 5 identisch.
Die Ansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 7 lauten wie folgt:
"1. Verwendung einer Folie zum Abdichten eines durch eine Außenhaut geschlossenen Raumes in Gebäuden, wobei die Folie mindestens zwei Schichten umfasst, wobei eine Schicht (Schicht 1) feuchtevariabel ist und der Quotient für den Wasserdampfdiffusionswiderstand von dem sd-Wert bei 25% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit (gemäß DIN EN ISO 12572:2001 Satz A / Dry Cup) zu dem sd-Wert bei 71.5% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit(gemäß DIN EN ISO 12572:2001 Satz C / Wet Cup) größer 3 ist, und die andere Schicht (Schicht 2) im wesentlichen feuchteinvariabel ist und der Quotient von dem sd-Wert bei 25% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit (gemäß DIN EN ISO 12572:2001 Satz A / Dry Cup) zu dem sd-Wert bei 71.5% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit (gemäß DIN EN ISO 12572:2001 Satz C /Wet Cup) kleiner 1.5 ist, wobei die Folie so angeordnet wird, dass die Schicht 1 zur Außenhaut ausgerichtet ist, und wobei die Folie innerhalb des geschlossenen Raumes angeordnet wird und die Schicht 2 eine Dicke im Bereich von 30 mym bis 350 mym aufweist."
"2. Verwendung nach Anspruch 1, wobei die Folie eine Dampfbremse ist."
1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
1.1 Das Streitpatent betrifft (Absatz [0001]) eine feuchtevariable gerichtete Dampfbremse. Anspruch 19 wie erteilt betrifft insbesondere eine Dampfbremse die mindestens
- eine feuchtevariable Schicht 1, die einen Quotient für den Wasserdampfdiffusionswiderstand von dem sd-Wert bei 25% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit (gemäß DIN EN ISO 12572:2001 Satz A/Dry Cup) zu dem sd-Wert bei 71.5% mittlerer relativer Luftfeuchtigkeit(gemäß DIN EN ISO 12572:2001 Satz C/Wet Cup) (im Folgenden sd-Quotient) größer 3 aufweist, und
- eine im wesentlichen feuchteunabhängige Schicht 2 mit einem sd-Quotient kleiner 1.5 enthält, wobei die Schicht 2 eine Dicke zwischen 25 mym und 350 mym aufweist.
1.2 Wie im Streitpatent (Absatz [0002]) erläutert, werden Dampfbremsen üblicherweise in Dachkonstruktionen eingesetzt, um die Diffusion von Wasserdampf in die Konstruktion zu kontrollieren. Unter anderem sollen sie das Eindringen von Feuchte in Dämmschichten verhindern aber gleichzeitig ein Austrocknen von Gebäuden zulassen. Es ist zudem aus den Absätzen [0007] und [0008] des Streitpatents zu entnehmen, dass Dampfbremsen, deren Wasserdampfdiffusionswiderstand von der Umgebungsfeuchtigkeit abhängt, aus den Dokumenten D8 und D4 bereits bekannt waren, wobei D8 als feuchtevariables Material Polyamid offenbart. Bei Dampfbremsen aus Polyamid tritt jedoch das Problem auf (Absatz [0010]), dass in Räumen mit hoher Feuchtigkeit auch im Winter eine hohe Wasserdampfdiffusion stattfindet, was zu Kondensation von Wasser in der Dachisolierung und/oder in der Außenwanddämmung und damit zu Bauschäden führen kann.
Das Streitpatent verfolgt daher das Ziel (Absatz [0011]), dieses Problem unter Beibehaltung der gewünschten Eigenschaften einer Dampfbremse zu beheben.
Diese Aufgabe (Absatz [0012]) wird durch eine Dampfbremse gelöst, die mindestens eine feuchtevariable Schicht und eine im Wesentlichen feuchteinvariable Schicht enthält.
1.3 Die bereits in der Beschreibung des Streitpatents als Stand der Technik zitierte Entgegenhaltung D4 betrifft (Seite 1, Zeilen 1-3 und 13-27; Seite 3, Zeilen 1-4 und 20-22) die Bereitstellung einer Dampfbremse, die Polyamid enthalten kann, die den jahreszeitlich bedingten verschiedenen bauklimatischen Verhältnissen Rechnung trägt und auch kurzzeitige Schwankungen der Feuchte nicht auf das Bauwerk, zum Beispiel in der Dachisolierung, überträgt.
1.3.1 D4 verfolgt daher explizit ein ähnliches Ziel wie das Streitpatent und stellt somit einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar. D4 wurde auch in der angefochtenen Entscheidung als nächstliegender Stand der Technik gewählt.
1.3.2 Die aus D4 bekannten Dampfbremsen (Seite 3, Zeilen 6-14) sind asymmetrische Kunststoffmembrane, die aus mindestens zwei Schichten bestehen, wobei eine erste Schicht feuchtevariabel ist und ihre Wasserdampfdurchlässigkeit in Richtung der zweiten Schicht größer ist als in Richtung der ersten Schicht.
Als Material für die erste Schicht (D4, Seite 3, Zeilen 20-21; Anspruch 3) wurden Polyamid 6 und 66 als besonders geeignet genannt. Diese Materialien sind ebenso für die feuchtevariable Schicht 1 des Streitpatents (Absatz [0060]) als geeignet bezeichnet. Es außerdem unstrittig, dass der in Anspruch 19 definierte sd-Quotient eine reine Materialeigenschaft ist, da der sd-Wert durch die Wasserdampfdiffusions-widerstandszahl des Materials my und die verwendete Schichtdicke definiert wird (Absatz [0024] des Streitpatents), sodass sein sd-Quotient von der Schichtdicke unabhängig ist.
Daher hat die Polyamidschicht der in D4 offenbarten Dampfbremse, die aus einem gemäß Streitpatent geeigneten Material besteht, zwangsläufig einen sd-Quotient größer 3. Das wird zum Beispiel auch in der Offenbarung der D8 (Figur 1) bestätigt, wonach eine Folie aus Polyamid 6 solch einen sd-Quotient aufweist.
Zudem offenbart D4 (Seite 3, Zeilen 26-29), dass die zweite Schicht eine invariable Wasserdampf- Diffusionsgeschwindigkeit aufweist. Daher muss ihr sd-Quotient zwangsläufig beinahe 1 und sicherlich kleiner als 1.5 sein. Die dafür in D4 offenbarten Materialien sind Polyolefine, z.B. Polyethylene und Polypropylene, sowie Polyurethane, die alle auch im Streitpatent (Absatz [0065]) als geeignete Materialien für die im Wesentlichen feuchteinvariable Schicht 2 aufgelistet sind.
Obwohl D4 (Seite 3, Zeilen 19-20 und 28-29) Polyurethan als Material für beide Schichten offenbart, können diese offensichtlich nicht die gleichen sein, da eine Schicht feuchtevariabel und die andere feuchteinvariabel sein muss; wie im Übrigen auch im Streitpatent (Absätze [0061] und [0065]) dargelegt.
Daher offenbart D4 eine Dampfbremse, die eine feuchtevariable (Polyamid) Schicht und eine feuchteinvariable Schicht mit einem Quotient-sd gemäß erteiltem Anspruch 19 darstellt.
Demzufolge unterscheidet sich die in D4 offenbarte Dampfbremse vom Gegenstand des Anspruchs 19 nur insoweit als die Dicke der feuchteinvariablen Schicht nicht erwähnt wird.
1.3.3 Das Streitpatent enthält jedoch keinen Anhaltspunkt und noch weniger Versuche, die irgendeine durch die Dicke verursachte technische Verbesserung gegenüber D4 glaubhaft machen würden, sodass die zugrundeliegende technische Aufgabe nur formuliert werden kann, als die Bereitstellung einer weiteren Dampfbremse, die in Räumen mit hoher Feuchtigkeit auch im Winter ihre gewünschten Eigenschaften aufrechterhält. Diese Formulierung der technischen Aufgabe wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Es ist auch unstrittig, dass die beanspruchte Dampfbremse diese Aufgabe löst.
1.3.4 Es bleibt daher zu entscheiden, ob es für den Fachmann naheliegend war, eine mit einer Dicke zwischen 25 mym und 350 mym feuchteinvariable Schicht aus z.B. Polyolefin für die Dampfbremsen gemäß der D4 einzusetzen.
Die Beschwerdeführerin hat in dieser Hinsicht ausgeführt, dass D4 (Seite 2, Zeilen 1-3) die Verwendung von dünnen (mit Schichtdicken von 15 bis 18 mym) Polyolefinfolien (für die feuchteinvariable Schicht) offenbare bzw. nahelege. Die Lehre der D4 sei daher auf die Verwendung dünner feuchteinvariabler Schichten beschränkt, was auch aus den Figuren 1 und 2 zu entnehmen sei, in denen die Dicke (s2) dieser Schicht wesentlich kleiner als die Dicke (s1) der feuchtevariablen Schicht ist. Das sei auch aus der Auflistung von z.B. Polyurethankleber als geeignete feuchteinvariable Schicht zu entnehmen. Zudem würde die Verwendung von dickeren Polyolefinschichten die feuchtadaptiven Eigenschaften der Dampfbremse und daher den Wasserdampftransport durch die Dampfbremse negativ beeinträchtigen. Daher führe die Lehre der D4 von der Wahl dickerer Polyolefinschichten weg. Außerdem würde die Wahl dickerer Schichten die Materialkosten und daher die Produktkosten erhöhen, sodass der Fachmann in der preissensitiven Baubranche bereits aus Kostengründen von der Verwendung dickerer Schichten absehen würde.
1.3.5 Die Kammer merkt jedoch an, dass die von der Beschwerdeführerin zitierte Passage auf Seite 2, Zeilen 1-3 der D4 nicht auf die in D4 erfindungsgemäß dargestellte Dampfbremse gerichtet ist, sondern stellt die gesamte Seite 2 der D4 den damaligen Stand der Technik und seine Nachteile dar. Übrigens betrifft die Offenbarung auf Seite 2, Zeilen 1-3 eine aus Polyolefinfolie bestehende Dampfbremse, die keine richtungsabhängige Wasserdampfdurchlässigkeit aufweist.
Zudem kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht dahingehend zustimmen, dass die Erwähnung in D4 von Polyurethankleber als mögliche feuchteinvariable Schicht eine wegweisende Lehre in Richtung solcher dünner Schichten sei. Und auch wenn eine Klebeschicht dünn sein kann, ist von einer Begrenzung der Dicke der unterschiedlichen Schichten in D4 überhaupt nicht die Rede.
Daher würde der Fachmann bei der Wahl von geeigneten Dicken für eine Polyolefin-feuchteinvariable Schicht nicht die von der Beschwerdeführerin zitierten Stellen der Beschreibung in Betracht ziehen, sondern er würde weitere im Stand der Technik vorhandene Offenbarungen von mehrschichtigen Dampfbremsen aufgreifen, die eine richtungsabhängige Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen und eine Polyolefinschicht enthalten.
1.3.6 Solch eine Dampfbremse ist zum Beispiel in D9 offenbart. In dieser Hinsicht kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht zustimmen, dass der Fachmann die Lehre der D9 nicht in Betracht gezogen hätte, nur weil die dort offenbarten Dampfbremsen keine feuchtevariable Schicht, wie in der D4, aufweisen. D9 offenbart (Seite 2, Zeilen 1-2 und 46-47) eine Dampfbremse mit richtungsabhängiger Wasserdampf-durchlässigkeit, die bei entsprechender Anbringung weniger Feuchte in das Gebäudedach eindringen als entweichen lassen kann. Die Außenschichten dieser Dampfbremse, die außerdem aus Polyethylen bestehen können (Seite 3, Zeilen 11-13), weisen eine Dicke von 10 bis 100 mym, vorzugsweise von 35 bis 55 mym (Seite 3, Zeilen 25-26) auf.
Der Fachmann hätte daher aus dieser Offenbarung entnommen, dass für eine Polyolefinfolie eine Dicke im Bereich der im Streitpatent genannten Dicken (nämlich zwischen 25 mym und 350 mym) sich auf die Dampfbremseneigenschaften nicht nachteilig auswirkt und den erforderlichen Wärmedämmungschutz vor Durchfeuchtung gewährleistet. Selbst wenn nach der Lehre der D4 (Figuren 1 und 2) die feuchteinvariable Schicht dünner als die feuchtevariable sein sollte, hat die Wahl der Dicke nur einen Einfluss auf den gesamten Wasserdampfdiffusionswiderstand (sd-Wert) der Dampfbremse, die in Abhängigkeit des zu erzielenden Ergebnisses vom Fachmann eingestellt werden kann. Daher war es für den Fachmann naheliegend, Polyolefinschichten mit zum Beispiel einer Dicke in dem bevorzugten Bereich von D9 und einen dickere feuchtevariable Schicht, wie zum Beispiel in D8 (Seite 3, Zeile 29 bis Seite 4, Zeile 4) offenbart, auch in den Dampfbremsen der D4 auszuprobieren.
D9 zeigt zudem, dass die Wahl einer Polyolefinschicht-dicke im beanspruchten Bereich des Streitpatents am Prioritätsdatum auch aus Kostengründen kein Hindernis für den Fachmann in der Baubranche darstellte.
Daher kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht zustimmen, dass der Fachmann nur durch rückblickende Betrachtung zum Gegenstand des Anspruchs 19 gelangen könnte.
1.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 19 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
2. Hilfsanträge 1 bis 3 - erfinderische Tätigkeit
Anspruch 18 gemäß Hilfsantrag 1 sowie Anspruch 16 gemäß Hilfsanträge 2 und 3 sind mit Anspruch 19 gemäß Hauptantrag identisch. Daher ist der Gegenstand dieser Ansprüche aus den obigen Gründen auch nicht erfinderisch.
Die Frage der Zulassung des Hilfsantrags 1 in das Verfahren kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
3. Hilfsantrag 4 - erfinderische Tätigkeit
Anspruch 16 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Anspruch 19 gemäß Hauptantrag insoweit als die Schicht 2 eine Dicke im Bereich von 30 mym bis 350 mym aufweist.
Der für die Schicht 2 beanspruchte Bereich unterscheidet sich nicht von dem in der Entgegenhaltung D9 offenbarten bevorzugten Bereich. Daher ist auch der Gegenstand dieses Anspruchs aus den bereits vorgetragenen Gründen nicht erfinderisch.
4. Zulassung der Hilfsanträge 5 und 6
4.1 Die geänderten Hilfsanträgen 5 und 6 wurden von der Beschwerdeführerin erst mit dem Schriftsatz vom 15. Oktober 2021 als Erwiderung auf die Kammermitteilung und nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht.
Diese Änderung des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung unterliegt den Vorschriften des Artikels 13(2) VOBK 2020 (Artikel 25 (1) VOBK 2020), wonach solch eine Änderung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben soll, es sei denn, dass der betreffende Beteiligte stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt hat, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
4.2 Im vorliegendem Fall hat die Beschwerdeführerin mündlich vorgetragen, dass diese Anträge als Reaktion auf die in der Kammermitteilung vom 7. Juli 2021 enthaltene vorläufige Meinung der Kammer eingereicht wurden, um den Einwänden besser Rechnung zu tragen. Zudem hatte sie schriftlich ausgeführt, dass die Dicke für die feuchtevariable Schicht in den unabhängigen Ansprüchen der Hilfsanträge 5 und 6 aufgenommen worden sei, weil D4 keinen Dickenwert für die feuchtevariable Schicht offenbarte, wobei dieser Aspekt bereits in der Beschwerdebegründung auf Seite 10, erster und vierter Absatz, angesprochen worden sei.
4.3 Die Kammer merkt jedoch an, dass in ihrer Mitteilung keine neue Einwände vorgebracht wurden, sondern nur solche, die bereits Teil der angefochtenen Entscheidung oder der Erwiderungen der Beschwerdegegnerinnen auf die Beschwerdebegründung waren. Auf die entsprechenden Einwände hätte die Beschwerdeführerin bereits mit ihrer Beschwerdebegründung bzw. einer unmittelbaren Reaktion auf die Beschwerdeerwiderungen der Beschwerdegegnerinnen reagieren müssen. Das Abwarten der Ladung bzw. der Mitteilung der Beschwerdekammer entspricht nicht den Vorgaben der Verfahrensordnung der Beschwerdekammer, die vorsieht, dass die Parteien bereits mit der Beschwerdebegründung bzw. - erwiderung ihr vollständiges Beschwerdevorbringen einreichen müssen (Artikel 12(3) VOBK 2020, vgl. Artikel 12(2) VOBK 2007).
Zudem betreffen die in der Beschwerdebegründung (Seite 10) zitierten Absätze die Dicke der feuchtevariablen Schicht und den Verzicht auf die auf Dampfbremsen gerichteten Ansprüche, während die in den geltenden Hilfsanträgen 5 und 6 vorgenommene Änderung die Dicke der feuchteinvariablen Schicht betrifft, nämlich die Reduzierung des Dickebereichs von "zwischen 25 mym und 350 mym" auf "zwischen 30 mym und 350 mym".
4.4 Daher liegen im vorliegenden Fall keine außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Änderung des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung - und somit zu einem extrem späten Zeitpunkt - rechtfertigen könnten.
4.5 Daher hat die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, die Hilfsanträge 5 und 6 unter Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zu berücksichtigen.
5. Hilfsantrag 7 - Zulässigkeit
Dieser Hilfsantrag wurde mit der Beschwerdebegründung vom 17. Juni 2019 eingereicht. Die Frage der Zulassung (Artikel 12(4) VOBK 2007) kann jedoch dahinstehen, da der Antrag jedenfalls nicht gewährbar ist.
6. Hilfsantrag 7 - erfinderische Tätigkeit
6.1 Anspruch 1 dieses Antrags betrifft die Verwendung einer Folie zum Abdichten eines durch eine Außenhaut geschlossenen Raumes in Gebäuden, wobei die verwendete Folie eine Dampfbremse sein kann (siehe Anspruch 2). Daher wird im Folgenden insbesondere auf die Verwendung einer Dampfbremse eingegangen.
6.2 Die Wahl des nächstliegenden Standes der Technik sowie die Formulierung der durch diesen Gegenstand gelösten technischen Aufgabe bleiben wie im Bezug auf den Hauptantrag dargestellt.
6.3 Der Verwendungsanspruch 1 enthält folgende Merkmale:
(a) die Dampfbremse wird zum Abdichten eines durch eine Außenhaut geschlossenen Raumes in Gebäude verwendet,
(b) die Dampfbremse weist alle Merkmalen gemäß Anspruch 16 des Hilfsantrags 4 auf,
(c) die Dampfbremse ist so angeordnet, dass die feuchtevariable Schicht zur Außenhaut ausgerichtet ist, und
(d) die Dampfbremse wird innerhalb des geschlossenen Raumes angeordnet.
Die Kammer stellt fest, dass eine derartige Verwendung zum Beispiel in Figur 4 des Streitpatents dargestellt ist, in der die Folie 11 (Dampfbremse) zwischen der Innenraumverkleidung 17 und der Dämmung 12 angeordnet wird. Wie aus der Beschreibung des Streitpatents (Absätze [0082] und [0083]) zu entnehmen ist, ist die Folie 11 mit der feuchtevariablen Seite zur Dämmung und daher zur Außenhaut 16 (Traglattung und Dacheindeckung) ausgerichtet.
6.4 Da bereits entschieden wurde, dass eine Dampfbremse mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1 nicht erfinderisch ausgehend aus D4 ist, bleibt zu entscheiden, ob es für den Fachmann naheliegend war, solch eine Dampfbremse zum Abdichten eines durch eine Außenhaut geschlossenen Raumes in Gebäuden zu verwenden und sie so innerhalb des geschlossenen Raumes anzuordnen, dass die feuchtevariable Schicht zur Außenhaut ausgerichtet ist.
6.5 Die Kammer stellt fest, dass aus der D4 (Seite 1, Zeilen 21-27) zu entnehmen ist, dass die dort offenbarte Folie als Dampfbremse raumseitig unter der Dachisolierung und als Unterspannbahn über der Dachisolierung angeordnet wird, um die Isolierung vor Wasserdampf zu schützen. Eine solche Anordnung als Dampfbremse entspricht daher der Figur 4 gemäß Streitpatent. Die in D4 offenbarten Dampfbremsen werden daher sowohl zum Abdichten eines durch eine Außenhaut geschlossenen Raumes in Gebäuden verwendet als auch innerhalb des geschlossenen Raumes angeordnet.
6.5.1 Außerdem ist den als "Fall A" (Fig. 1) und "Fall B" (Fig. 2) gekennzeichneten Beispielen der D4 zu entnehmen, dass die feuchtevariable Schicht nach innen ausgerichtet ist (Seite 4, Zeilen 8-12), d.h. zum vor Wasserdampf zu schützenden Bauteil (hier die Dachisolierung). In diesen Fällen ist jedoch die feuchtinvariable Schicht zur Außenhaut ausgerichtet, sodass der Wasserdampf von der Isolierung schnell durch die feuchtevariable Schicht transportiert wird und durch die feuchteinvariable Schicht an die Außenseite geleitet wird (Seite 4, Zeilen 17-19). Im Fall B herrscht auf der Außenseite hohe Luftfeuchtigkeit, sodass durch die Ausrichtung der Folie nur wenig Wasserdampf in das Innere (nämlich die Dachisolierung) durchgelassen wird. Daher betreffen diese zwei Fälle eindeutig die Verwendung der asymmetrischen Folie als Unterspannbahn über die Dachisolierung und nicht als Dampfbremse.
6.5.2 Wie in D4 offenbart, war jedoch die Folie - bei Verwendung als Dampfbremse - raumseitig zwischen der Dachisolierung und dem Innenraum so auszurichten, dass die Isolierung entsprechend vor Wasserdampf geschützt ist. Da die asymmetrische Folie eine größere Wasserdampfdurchlässigkeit in Richtung der feuchtinvariablen Schicht aufweist, war es somit für den Fachmann naheliegend, eine Anordnung entsprechend Fällen A und B auch für die Dampfbremse zu wählen, d.h. mit der feuchtevariablen Schicht zum schützenden Bauteil (Isolierung) und daher zwangsläufig zur Außenhaut (Dach) ausgerichtet und mit der feuchteinvariablen Schicht nach innen (Hausinnenraum) ausgerichtet. Nur durch diese Ausrichtung würde nach der Lehre der D4 eine unerwünschte Wasserdampf-ansammlung in der Dachisolierung vermieden werden können. Zum Beispiel, wenn im Bad oder der Küche im Winter viel Wasserdampf entsteht, dann würde dieser schlecht durch die feuchteinvariable Schicht Richtung feuchtevariable Schicht und Dachisolierung transportiert, sodass die Isolierung vor Wasserdampf geschützt wird.
6.6 Es war daher für den Fachmann naheliegend, die in D4 offenbarte Dampfbremse wie vom geltenden Anspruch 1 vorgesehen zu verwenden in der Erwartung, die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe zu lösen.
6.7 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Verwendung gemäß Anspruch 1 des geltenden Antrags von der Offenbarung der D4 nahegelegt wird. Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikel 56 EPÜ.
7. Daher kann keinem Antrag der Beschwerdeführerin stattgegeben werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.