T 1378/19 31-05-2022
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Stapelscheibenkühler
I. Das Europäische Patent mit der Nummer 2 267 390 betrifft einen Stapelscheibenkühler umfassend eine Mehrzahl von aufeinander zu einem Stapel angeordneten Tauscherscheiben und eine an einem Ende des Stapels angeordnete Grundplatte.
II. Gegen das Patent wurde Einspruch basierend auf den Gründen gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ eingelegt. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent in geändertem Umfang auf Basis des damaligen Hilfsantrags 2 aufrecht zu erhalten. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Patentinhaberin ("Beschwerdeführerin") mit der Beschwerde.
III. Am 31. Mai 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Verhandlung wurde im Einverständnis mit den Beteiligten als Videokonferenz unter Verwendung der Zoom-Plattform durchgeführt.
IV. Die Schlussanträge lauteten wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise, das Patent in eingeschränkter Form auf der Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 11. Januar 2019, aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende ("Beschwerdegegnerin") beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Das folgende bereits in der angefochtenen Entscheidung genannte Dokument ist für die Entscheidung relevant.
D1: US 2007/0084809 A1
VI. Antragsfassungen
a) Anspruch 1 des Hauptantrags lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt in "[]" in Anlehnung an die Entscheidung):
"[M1.1] Stapelscheibenkühler
[M1.2] umfassend eine Mehrzahl von aufeinander zu einem Stapel angeordneten Tauscherscheiben (1),
[M1.3] und eine an einem Ende des Stapels angeordnete Grundplatte (3),
dadurch gekennzeichnet,
[M1.4] dass die Grundplatte (3) einen in Richtung des Stapels (1) aufgestellten Rand (4) aufweist,
[M1.5] der zumindest abschnittsweise einem Umriss des Stapels (1) folgt,
[M1.6] wobei der Rand als in Richtung des Stapels gewölbte Sicke (4) ausgebildet ist."
b) Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 weist folgende Änderung gegenüber dem Hauptantrag in Merkmal [M1.6] auf (fett hervorgehoben):
"... wobei der Rand als in Richtung des Stapels gewölbte Sicke (4) als Formversteifung der Grundplatte
ausgebildet ist."
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Neuheit
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei neu über die Offenbarung von D1. Die in der Ausführungsform der Figur 7 von D1 offenbarte Sicke sei nicht in der Grundplatte geformt, wie der Anspruch es verlange. Das Verstärkungsteil 50 könne dabei nicht als Teil der Grundplatte angesehen werden. Vielmehr lehne das Patent u.a. in Absatz [0002] eine zweiteilig ausgeformte Grundplatte entsprechend dem Stand der Technik ab, und entwickle diesen zu einer einteiligen Grundplatte weiter. Auch würden üblicherweise Kühler wie in D1 in einem Schritt aus Einzelteilen zusammengelötet. Die Fachperson würde dabei nur eines der Vorproduktteile als Grundplatte interpretieren, nämlich die stärkste, stabilste und steifste Platte. Weitere Teile dieser Grundplatte zuzuschreiben sei somit rückschauend und entspräche überdies keiner fachgemäßen Betrachtung. Zudem habe das Teil 50 in der Figur 7 von D1 eine andere Funktion als die Grundplatte, nämlich den Plattenstapel seitlich abzustützen und im Belastungsfall, z.B. bei auftretenden Vibrationen, zu festigen.
b) Hilfsantrag 1 - Neuheit
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei ebenfalls neu über D1. Durch die zusätzlichen Merkmale sei eindeutig definiert, dass die Sicke als Formversteifung der Grundplatte ausgebildet ist. Die Grundplatte in D1 weise keine Sicke auf, vielmehr sei ein zusätzliches Verstärkungselement vorgesehen.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
Die Offenbarung von D1, insbesondere die Ausführungsform der Figur 7, nehme den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 neuheitsschädlich vorweg. Den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sei zuzustimmen. Die Begriffszuschreibung "Grundplatte" zu einzelnen Teilen in den Ausführungsformen im Patent und in D1 sei zudem willkürlich und berücksichtige nicht die Funktionen, die von dem Begriff "Grundplatte" umfasst seien.
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Der Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, gemäß derer der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu im Hinblick auf die Offenbarung von D1 ist, stimmt die Kammer zu.
1.2 D1 offenbart unstreitig einen (Öl-)Kühler mit einem Tauscherplattenstapel (u.a. D1, [0020]: "nested dish plates 12") angeordnet auf einer Grundplatte ("mounting plate 13"). Ebenfalls nicht streitig ist, dass in der Ausführungsform der Figur 7 eine Struktur 50 ("reinforcing element") auf der Grundplatte befestigt ist, die eine in Richtung des Stapels gewölbte Sicke ("peripheral flange ... in the form of an inverted V-shape", see [0027]) aufweist, welche einem Umriss des Stapels folgt.
Streitig war jedoch, ob die Kombination der Teile 13 und 50 gemäß Figur 7 gemeinsam als eine "Grundplatte" im Sinne des Anspruchs 1 auslegbar ist, und somit die Merkmale [M1.4] bis [M1.6] durch D1 vorweggenommen sind.
1.3 Der Begriff der "Grundplatte" ist daher auszulegen. Dabei soll gemäß ständiger Rechsprechung der Umfang eines Anspruchs, wenn dieser den Anspruchsgegenstand klar und mit in dem technischen Gebiet üblicher Terminologie definiert, nicht dadurch beschränkt werden, dass Merkmale impliziert werden, die nur in der Beschreibung vorkommen (vergleiche Rechsprechung der Beschwerdekammern, 9.Auflage, 2019, II.A.6.3.4). Gemäß ständiger Rechtsprechung ist zudem einer unspezifischen Definition in einem Anspruch die weiteste technisch sinnvolle Bedeutung zuzuweisen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, I.C.4.1)
1.4 Anspruch 1 richtet sich auf einen Stapelscheibenkühler ("Kühler") umfassend eine Mehrzahl von Tauscherscheiben und eine Grundplatte. Der Anspruch selbst definiert keinerlei explizite oder implizite Einschränkungen auf eine integrale, einteilige Ausführung der Grundplatte. Es kann dem Anspruch demzufolge auch nicht entnommen werden, dass eine (z.B. stoffschlüssige) Kombination mehrerer Teile als Grundplatte ausgeschlossen wäre.
1.5 Vielmehr versteht die Fachperson eine Grundplatte eines Kühlers als ein Bauteil mit bestimmten funktionellen Eigenschaften, die es in Bezug auf den Kühler aufzuweisen hat. Diese Funktionen sind auch im Patent beschrieben. Demgemäß dient die Grundplatte einerseits zur stabilen Aufnahme und Abstützung des Tauscherscheibenstapels (vgl. Patent, Absatz [0007], wobei die umlaufende Sicke diese Funktion unterstützt, und andererseits üblicherweise zur Befestigung des Kühlers beispielsweise an einem weiteren Teil eines Fahrzeugs wie einem Verbrennungsmotor, einem Getriebe oder einem Filtermodul (vgl. Patent, Absatz [0002]).
1.6 An eine solche Platte werden gemäß dem Patent bestimmte Anforderungen an die Formsteife und Festigkeit gestellt. Hierfür werden beispielsweise zusätzliche Verstärkungsplatten verwendet, wobei diese gemäß Absatz [0002] des Patents im Stand der Technik zwischen Grundplatte und Stapel angeordnet sein können, gemäß der Ausführungsform von Absatz [0022] und Figur 8 des Patents jedoch auch unterhalb der Grundplatte ("Versteifungsplatte 9"). Hieraus wird bereits deutlich, dass die Zuordnung der Begriffe lediglich zu einem einzelnen bestimmten Bauteil nicht zwingend ist. So könnte z.B. in Figur 8 des Patents - der Nomenklatur in [0002] der Patentschrift folgend - auch die untere Platte (9) als Grundplatte und die zwischen dieser und dem Plattenstapel befindliche Platte (3) als Verstärkungsplatte bezeichnet werden.
1.7 Als Grundplatte muss in einem Set von Vorproduktteilen auch nicht unbedingt die "stärkste, stabilste und steifste Platte" verstanden werden. Vielmehr kann es sich auch lediglich um die unterste Platte handeln, wobei dann z.B. die Verstärkungsplatte am steifsten ausgebildet ist. Weiterhin erlaubt der Begriff der "Grundplatte" auch eine funktionelle Interpretation, in der alle die Teile, die im Sinne der oben genannten Funktionen zusammenwirken, umfasst sind. In dieser funktionellen Definition wäre auch die in Figur 8 der Patentschrift offenbarte Ausführungsform, bei der die "Grundplatte" mit einer "Versteifungsplatte" verlötet wird (vgl. Figur 8 und Absatz [0022]), insgesamt als "Grundplatte" anzusehen. Die in einem einzelnen Dokument selbst gewählte Formulierung ist dabei unerheblich, es kommt vielmehr, wie oben bereits erwähnt, auf die breiteste technisch sinnvolle Auslegung an.
1.8 Eine anderslautende, eigenständige Definition, die die Fachperson zu einer anderen Auslegung führen würde, findet sich im Übrigen in der Beschreibung des Patents nicht. Insbesondere geht aus Absatz [0002] des Patents auch nicht etwa hervor, dass eine Grundplatte im Sinne des Patents gerade keine zusätzlichen Verstärkungen oder zweiteiligen Ausführungen umfasse.
1.9 Die bevorzugt verwendete Herstellungsmethode sowohl der Grundplatte selbst als auch des Kühlers ist für die Auslegung nicht relevant (und auch nicht Teil der Definition des Anspruchs). Selbst wenn der gesamte Kühler in einem Schritt zu einem integralen Block aus Einzelteilen hergestellt (z.B. gelötet) würde, so bezöge sich dann der Begriff "Grundplatte" nicht zwingend auf ein bestimmtes Vorproduktteil, sondern in einer sinnvollen technischen Interpretation auch auf eine funktionelle Einheit des Wärmetauschers mit den oben genannten Funktionen. Somit ist auch für die Auslegung unerheblich, ob die funktionelle Einheit "Grundplatte" bereits in einem Vorfertigungsschritt verbunden wird (z.B. durch Punktschweißen) oder erst mittels der simultanen Kombination aller Kühlerteile (z.B. durch Löten). Weder in Anspruch 1 des Patents noch in D1 sind für die Verbindung zwischen den Teilen 13 und 50 weitere Einschränkungen definiert (vgl. D1, Absatz [0024]: "attached to mounting plate such as by brazing", Hervorhebung hinzugefügt).
1.10 In dem Kühler gemäß Figur 7 von D1 trägt Bauteil 50 und die darin eingeformte Sicke als Verstärkungselement der Platte 13 zur Funktion der Grundplatte bei. Das Bauteil 50 kann demzufolge funktionell als Teil der Grundplatte angesehen werden. Dass der Sicke in D1 noch weitere Funktionen zugeschrieben werden können, wie die Zentrierung des Stapels und die seitliche Abstützung des Stapels bei Vibrationen, ist dabei nicht relevant. Entsprechende zusätzliche Funktionen übernimmt im Übrigen auch die Sicke in den Ausführungsformen des Patents.
1.11 Schließlich findet sich auch die einschränkende Definition der Sicke gemäß Absatz [0006] des Patents nicht in Anspruch 1 wie erteilt wieder. Der Anspruch erfordert somit auch keine Unterschneidung der Oberfläche der Grundplatte auf der der Sicke gegenüberliegenden Seite. Daher fällt die Sicke gemäß D1, Figur 7 unter den Gegenstand von Anspruch 1.
1.12 Aus alledem folgt, dass die stoffschlüssige Kombination der Bauteile 13 und 50 in der Ausführungsform gemäß Figur 7 in einer technisch sinnvollen Auslegung funktionell als Grundplatte gemäß der Merkmale [1.4] bis [1.6] betrachtet werden kann. Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 in neuheitsschädlicher Weise hierdurch vorweggenommen.
2. Hilfsantrag 1 - Neuheit
Die Kammer stimmt der angefochtenen Entscheidung auch dahin zu, dass aus dem zusätzlichen Merkmal "[Sicke] als Formversteifung der Grundplatte" keine beschränkende Wirkung des Anspruchsgegenstands erwächst. Für die gemäß Anspruch 1, Merkmale [1.4] bis [1.6] definierte Sicke ist ein versteifender Effekt inhärent. Gemäß der bereits für den Hauptantrag diskutierten Auslegung des Begriffes "Grundplatte" nach Anspruch 1 umfasst diese auch eine stoffschlüssige Kombination mehrerer Teile, wenn diese funktionell eine Grundplatte bilden. Dies ist für die Kombination der Teile 13 und 50 gemäß der Ausführungsform von Figur 7 der D1 der Fall, wie zuvor ausgeführt. Somit ergibt sich bezüglich der Neuheitsbetrachtung im Vergleich zum Hauptantrag keine neue Situation.
Entsprechend ist die Ausführungsform von Figur 7 in D1 auch für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 neuheitsschädlich.
3. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerde nicht begründet ist.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.