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T 1624/19 12-11-2021
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Positionsdetektor
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, die die Aufrechterhaltung des europäischen Patents 1550845 in geänderter Fassung betraf.
II. Die folgenden Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D2: EP 0 658 745 A2
D3: JP 06 314 968 A
D4: DE 29 07 776 A1
D7: EP 0 133 735 A2
D8: DE 100 12 337 A1
D9: US 4 881 248
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent im Umfang des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 5. Dezember 2018, aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie, das Patent im Umfang der in der ersten Instanz gestellten Hilfsanträge 1 bis 7, gemäß Eingabe vom 5. Dezember 2018, aufrechtzuerhalten.
V. In einem Bescheid gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass sie keinen Grund sehe, die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, das Dokument D8 nicht in das Verfahren zuzulassen, aufzuheben. Zudem stehe das Dokument D8 auch prima facie nicht der Aufrechterhaltung des Patents entgegen, und der Gegenstand des Anspruchs 1 werde ausgehend von Dokument D2 durch die Kombination mit einem der Dokumente D3, D4, D7 und D9 nicht nahegelegt.
VI. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 brachte die Beschwerdeführerin Argumente vor, warum das Dokument D8 zugelassen werden sollte und warum der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
VII. Eine mündliche Verhandlung fand am 12. November 2021 statt.
Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin und Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 3. April 2019 betreffend die Aufrecherhaltung des Patents in geändertem Umfang lautet wie folgt, wobei die von der Einspruchsabteilung und den Beteiligten verwendete Merkmalsgliederung durch die Kammer in eckigen Klammern hinzugefügt wurde:
"[a] Positionsdetektor, der für das zählende Erfassen von Rotations- und/oder Translationsbewegungen in vorzugsweise einer vorgebbaren Richtung folgende Bestandteile aufweist:
[b] mindestens einen Erregermagneten (2),
[c] ein einziges ferromagnetisches Element (6), und
[d] wenigstens eine dem ferromagnetischen Element (6) zugeordnete Induktionsspule (7),
[e] wobei die zu erfassende Bewegung durch eine Relativbewegung zwischen dem Erregermagneten (2) und dem ferromagnetischen Element (6) dargestellt und
[f] die während der Annäherung zwischen diesen beiden Elementen aus der kinetischen Energie der zu erfassenden Bewegung entnommene und mit Hilfe des ferromagnetischen Elements (6) akkumulierte Energie beim Erreichen einer bestimmten Relativstellung und damit einer bestimmten magnetischen Feldstärke schlagartig freigesetzt wird und
[g] durch die plötzliche Änderung des Magnetflusses in der Induktionsspule (7) ein Spannungsimpuls erzeugt wird,
[h] sowie als Elektronik
[i] wenigstens eine Gleichrichterschaltung (24) zum Gleichrichten von Spannungsimpulsen der Induktionsspule (7),
[k] wenigstens einen Kondensator (28), der durch gleichgerichtete Spannungsimpulse aufladbar ist,
[l] wenigstens eine Komparatorschaltung (22), die beim Auftreten eines zu zählenden Spannungsimpulses ein Impulserkennungssignal erzeugt,
[m] eine nicht flüchtige Zähl- und Speicherschaltung (32), die von einem als Speicher ausgebildeten Register eines Zählers gebildet wird und für jedes Impulserkennungssignal einen Zähl- und Speichervorgang durchführt,
[n] wobei die im Kondensator (28) gespeicherte elektrische Energie zur Stromversorgung zumindest der nicht flüchtigen Zähl- und Speicherschaltung (32) dient,
[o] eine Daten-Leseschaltung (34, 34'), die zur Weiterverarbeitung und Ausgabe der in der nicht flüchtigen Zähl- und Speicherschaltung (32) gespeicherten Daten an einen externen Verwender dient, und
[p] eine Steuerschaltung (30, 30'), die eine Störung des Zähl- und Speichervorgangs durch das Arbeiten der Daten-Leseschaltung (34, 34') und umgekehrt dadurch verhindert,
[q] dass sie entweder die Daten-Leseschaltung (34') für eine Weiterverarbeitung und Ausgabe der in der nicht flüchtigen Zähl- und Speicherschaltung (32) gespeicherten Daten unabhängig von einer vom Verwender kommenden Anforderung ansteuert und dass dabei auch die Steuerschaltung (30') und die Daten-Leseschaltung (34') mit elektrischer Energie versorgt werden, die aus der zu überwachenden Bewegung gewonnen und in der Elektronik gespeichert ist (synchroner Betrieb), oder
[r] dass sie dann, wenn ein Lesevorgang eingeleitet ist und abläuft und somit die Daten-Leseschaltung (34) aufgrund eines zu einem beliebige [sic] Zeitpunkt von einem Verwender kommenden Abfragesignals einen Daten-Lesevorgang der in der nicht flüchtigen Zähl- und Speicherschaltung (32) gespeicherten Daten durchführt, wobei Schaltungsteile, die für den Lesevorgang benötigt werden, zumindest für den hierfür benötigten Zeitraum mit externer elektrischer Energie versorgt werden, beim Auftreten eines Impulserkennungssignals, wobei das Impulserkennungssignal beim Auftreten eines zu zählenden Spannungsimpulses von der wenigstens einen Komparatorschaltung (22) erzeugt wird, einen von der nicht flüchtigen Zähl- und Speicherschaltung (32) durchzuführenden Zähl- und Speichervorgang nicht zulässt sondern für dessen Zwischenspeicherung und Verarbeitung nach Beendigung des Daten-Lesevorgangs sorgt (asynchroner Betrieb)."
1. Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, das Dokument D8 nicht zuzulassen (Artikel 114 (2) EPÜ 1973)
1.1 Die Einspruchsabteilung hat das Dokument D8 nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen, da es prima facie gegenüber der Lehre der Dokumente D3 und D7 nicht relevanter erschien (vgl. Entscheidungsgründe, Abschnitt 6.2).
1.2 Die Beschwerdeführerin stellt zwar fest, dass das Dokument D8 von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen wurde, argumentiert aber, dass es für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant sei und daher von der Einspruchsabteilung hätte zugelassen werden müssen (vgl. Beschwerdebegründung, Abschnitt 2 und Schreiben vom 11. Oktober 2021, Abschnitt 1).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer präzisierte die Beschwerdeführerin, dass das Dokument D8 prima facie relevant sei, da es wie das Merkmal r des Anspruchs 1 des Hauptantrags zwei Speicher offenbare, die abwechselnd für einen Zählvorgang herangezogen würden. Da es sich beim Anspruch 1 um einen Vorrichtungsanspruch handele, müsse die Speicherschaltung des Dokuments D8 lediglich geeignet für die Durchführung des Verfahrens gemäß Merkmal r sein. Die Speicher des Dokuments D8 seien geeignet die Zählwerte in einem Speicher zwischenzuspeichern und später weiter zu verarbeiten. Die Speicher seien auch dafür geeignet ihren Zählerstand wechselseitig anzupassen. Die Verarbeitung sei im Anspruch nicht weiter definiert und das Auslesen des Zählerstands aus dem Speicher könne als Verarbeiten angesehen werden. In Absatz 0008 des Dokuments D8 werde eine Rückkopplung beschrieben, was auch einer Verarbeitung gleichgesetzt werden könne. Daher sei das Dokument D8 für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit prima facie relevant.
1.3 Die Beschwerdegegnerin hält die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, die zur Nichtzulassung des Dokuments D8 führte, für richtig (vgl. Beschwerdeerwiderung, Abschnitt B.II).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ergänzte die Beschwerdegegnerin, dass die Einspruchsabteilung ihren Ermessensspielraum richtig ausgeübt habe. Dokument D8 offenbare keine Zähl- und Speicherschaltung im Sinne von Merkmal m und unter der "Verarbeitung" des Merkmal r müsse eine Einspeicherung der zwischengespeicherten Zählwerte verstanden werden.
1.4 Im Rahmen der von der Rechtsprechung aufgestellten eingeschränkten Kriterien zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen der ersten Instanz (siehe Entscheidung G 7/93, ABl. EPA 1994, 775 und weitere zitierte Entscheidungen in Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, V.A.3.5) gibt es für die Kammer keine Anhaltspunkte, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Die Einspruchsabteilung hat die prima facie Relevanz des verspätet eingereichten Dokuments nachweislich überprüft und dies auch in der Sache begründet (vgl. Entscheidungsgründe, 6.2). Es gibt auch keinen Anhaltspunkt, dass das Dokument D8 nicht verspätet vorgebracht wurde, denn die Kammer kann keinen Grund erkennen, warum dieses Dokument nicht bereits innerhalb der Einspruchsfrist hätte eingereicht werden können, sondern erst mit Eingabe vom 4. Dezember 2018 in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung in ihrem Bescheid, der der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2018 beigefügt war, eingereicht wurde. Die Kammer sieht daher keinen Grund die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben.
1.5 Die Kammer kann prima facie auch nicht erkennen, dass das Dokument D8 eine Verarbeitung gemäß Merkmal r und eine Zähl- und Speicherschaltung gemäß Merkmal m offenbart. Unter der "Verarbeitung" gemäß Anspruch 1 ist das Nachholen des zwischengespeicherten Zähl- und Speichervorgangs zu verstehen. Das Dokument steht daher prima facie der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen. Die Kammer lässt somit auch nicht von sich aus das Dokument D8 in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 in das Verfahren zu.
2. Hauptantrag - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
2.1 Die Beteiligten teilten die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass Dokument D2 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, und dass es die Merkmale a bis o offenbare. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit durch die Merkmale p, q und r, wobei das Merkmal q (synchroner Betrieb) eine Ausführungsform definiert und das Merkmal r (asynchroner Betrieb) eine weitere Ausführungsform.
2.2 Beide Varianten haben die Wirkung ein gleichzeitiges Lesen und Schreiben auf den nicht-flüchtigen Speicher der Zähl- und Speicherschaltung zu verhindern und so für einen störungsfreien Ablauf zu sorgen (vgl. Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 22 - 31).
2.3 Die Beschwerdeführerin hat einen Teil der Problemstellung darin gesehen, dass Abfragesignale mit dem Zeitpunkt eines zu zählenden Spannungsimpulses zusammenfallen können (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 7, drittletzter Absatz).
2.4 Bei der Formulierung der zu lösenden Aufgabe ist es jedoch wichtig, keinen Lösungsgedanken in der Aufgabe zu formulieren. Dokument D2 offenbart implizit das Auslesen des Zählwertes, ohne anzugeben, wie dies im Detail geschieht. Das Auslesen wird in Dokument D2 nicht als etwas dargestellt, was eine Störung verursachen könnte. Die Kammer teilt daher die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die Aufgabe, die Steuerung der Auslesung so zu gestalten, dass der Zähl- und Speichervorgang beim Auslesen nicht gestört wird, einen Teil des Lösungsgedankens enthält (vgl. Entscheidungsgründe, Abschnitt 9.1.1).
2.5 Die Kammer sieht die zu lösende objektive technische Aufgabe vielmehr darin, einen zuverlässigen Betrieb des Positionsdetektors zu ermöglichen.
2.6 Positionsdetektor in der Variante mit synchronem Betrieb (Merkmal q) - erfinderische Tätigkeit ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit Dokument D9
2.6.1 Die Einspruchsabteilung sah den Gegenstand des Anspruchs 1 in der Variante mit dem Merkmal q nicht durch die Kombination von Dokument D2 mit dem Dokument D9 nahegelegt. Es sei fraglich, ob der Fachmann Dokument D2 mit D9 kombinieren würde. Zudem würde die Kombination nicht zum beanspruchten Gegenstand führen, da D9 den Lesevorgang in Abhängigkeit von einem vom Prozessor kommenden Anforderungssignal STB durchführe (vgl. Entscheidungsgründe, Abschnitt 9.5).
2.6.2 Die Beschwerdeführerin war der Meinung, dass der Anspruch gemäß Merkmal q ein Abfragesignal nicht ausschließe. Es stelle sich die Frage, wie die Schaltung gemäß Merkmal q überhaupt funktionieren solle. Ohne Abfragesignal wisse die Schaltung ja nicht, ob und wann eine Anfrage erfolgen solle (vgl. Beschwerdebegründung, Abschnitt 3.q).
In ihrem Schreiben vom 11. Oktober 2021 führte die Beschwerdeführerin aus, dass gemäß Merkmal q die Steuerschaltung eine Störung des Zähl- und Speichervorgangs verhindere, indem die Daten-Leseschaltung für eine Weiterverarbeitung und Ausgabe der in der nicht flüchtigen Zähl- und Speicherschaltung gespeicherten Daten unhabhängig von einer vom Verwender kommenden Anforderung ansteuere. Aus dieser Formulierung und Absatz 0067 der Beschreibung des Patents ergebe sich eindeutig, dass Abfragesignale vom Verwender erfolgten und die Steuerschaltung den Zeitpunkt/Zeitversatz bezüglich des Zählvorganges für das Auslesen festsetze. Es könne aus dieser Formulierung nicht gefolgert werden, dass ein Abfragesignal überhaupt nicht vorhanden sei. Zudem werde weiterhin klar, dass "unabhängig von einer vom Verwender kommenden Anforderung" bedeute, dass es sich dabei um eine von den durchaus vorhandenen Anforderungssignalen zeitliche Unabhängigkeit handele. Zum einen sei ein anderer Parameter zur Vermeidung der Störung zwischen Auslesevorgang und Speichervorgang nicht ersichtlich, zum anderen sei in Absatz 0067 der Patentschrift explizit der Zeitversatz, also ein zeitlicher Parameter, erwähnt, den die Steuerschaltung zwischen Speichervorgang und Auslesevorgang festlege. In Dokument D9 gebe es ein Anforderungssignal STB, und das Modul 40 führe den Auslesevorgang daraufhin jedoch nicht sofort durch, sondern dieser "read-command signal inhibting circuit 40" führe den Auslesevorgang erst dann durch, wenn der up-down counter 30 seinen Zähl- und Speichervorgang beendet habe. Zudem sei die Zähl- und Speicherschaltung in Dokument D9 für einen Positionssensor vorgeschlagen worden. Aus Dokument D2 sei bereits bekannt, die Steuerschaltung der Datenlese-Schaltung aus der zu überwachenden Bewegung mit Energie zu versorgen. Somit seien die zusätzlichen Merkmale der Variante q aus Dokument D9 bekannt und der Fachmann würde die Dokumente D2 und D9 kombinieren, um in naheliegender Weise zum Gegenstand der Variante q zu kommen (vgl. Schreiben vom 11. Oktober 2021, Abschnitt 2).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer betonte die Beschwerdeführerin, dass die Definition "unabhängig von einer vom Verwender kommenden Anforderung" so zu verstehen sei, dass gemäß Merkmal q durchaus ein Anforderungssignal vorhanden sein könne und die Ansteuerung der Daten-Leseschaltung lediglich zeitlich unabhängig von diesem Anforderungssignal erfolge, wie das auch in Dokument D9 offenbart sei.
2.6.3 Die Beschwerdegegnerin teilte die Auffassung der Einspruchsabteilung (vgl. Beschwerdeerwiderung, Abschnitt III.1).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ergänzte die Beschwerdegegnerin, dass die Beschwerdeführerin Absatz 0067 der Patentschrift aus dem Kontext genommen habe. Es gebe im Wesentlichen zwei Ausführungsbeispiele und in Absatz 0067 werde der Unterschied zu dem zuvor beschriebenen Ausführungsbeispiel dargestellt, in dem es ein vom Verwender kommendes Abfragesignal gebe. Das in Absatz 0067 beschriebene Ausführungsbeispiel habe gerade kein Abfragesignal, wie das auch aus der Schaltung gemäß Figur 9 ersichtlich sei, auf die sich der Absatz 0067 beziehe. In Dokument D9 erfolge das Auslesen abhängig vom STB-Signal, da ohne das STB-Signal ein Auslesen nicht möglich sei.
2.6.4 Die Kammer ist der Meinung, dass der Fachmann mit der objektiven technischen Aufgabe, einen zuverlässigen Betrieb des Positionsdetektors zu ermöglichen, das Dokument D9 zunächst berücksichtigen würde, da es sich mit der Verbesserung eines Positionsdetektors befasst. Die Kammer schließt sich jedoch der Auffassung der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Kombination des Dokuments D2 mit dem Dokument D9 nicht nahegelegt wird (vgl. Entscheidungsgründe der Zwischenentscheidung vom 3. April 2019, Abschnitt 9.5.1).
Gemäß Merkmal q des Anspruchs 1 wird die Daten-Leseschaltung unabhängig von einer vom Verwender kommenden Anforderung angesteuert. Dies bedeutet, dass das Auslesen des Zählwerts aus der Zähl- und Speicherschaltung ohne Einfluss durch ein womöglich vorhandenes Abfragesignal erfolgt. Dies wird auch aus Absatz 0067 der Patentschrift deutlich, wo ausgeführt ist, dass die Weitergabe der Daten nicht in Reaktion auf ein vom Verwender kommendes Abfragesignal erfolgt, sondern von der Steuerschaltung ausgelöst wird. In Dokument D9 ist jedoch das STB-Signal zwingend nötig, damit der Zählwert an die "latch circuits 50-1 ... 50-n" ausgegeben werden kann, auch wenn die Ausgabe zeitlich verzögert erfolgt (vgl. Figur 1, Spalte 3, Zeilen 26 bis 31 und Zeilen 54 bis 58). Ohne dieses vom Prozessor kommende STB-Signal erfolgt durch die Zeit-Kontroll-Einheit 40 kein Abfragesignal 41. Da der Prozessor mit dem Verwender gleichzusetzen ist, an den die ausgelesenen Daten übertragen werden, erfolgt in Dokument D9 die Ausgabe nicht unabhängig von einer vom Verwender kommenden Anforderung, sondern in Reaktion auf die Anforderung.
2.6.5 Ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit Dokument D9 beruht daher der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Variante mit dem Merkmal q auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.7 Positionsdetektor in der Variante mit asynchronem Betrieb (Merkmal r) - erfinderische Tätigkeit ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit einem der Dokumente D3, D4 oder D7
2.7.1 Die Einspruchsabteilung sah den Gegenstand des Anspruchs 1 in der Variante mit dem Merkmal r durch die Kombination der Dokumente D2 mit D3, D4 oder D7 nicht nahegelegt (vgl. Entscheidungsgründe, Abschnitte 9.1, 9.2 und 9.4).
2.7.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin gebe es keinen Grund, Dokument D2 nicht mit den ganz allgemein auf Zähler oder Speicher gerichteten Dokumenten D3, D4 oder D7 zu kombinieren, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (vgl. Beschwerdebegründung, Abschnitt 3.r).
Es gebe nur zwei Hauptgründe, warum ein Zählerstand ausgegeben werde: Einerseits, weil eine entsprechende Anforderung vom Verwender vorliege, andererseits, weil von der Steuerschaltung im sogenannten "Push-Betrieb" der Zählerstand immer wieder dem Verwender mitgeteilt werde. Beide Möglichkeiten seien dem Fachmann hinlänglich bekannt, und bei nur zwei vorhandenen Möglichkeiten beide in Betracht zu ziehen, erfordere keine erfinderische Tätigkeit, sondern sei naheliegend. Im Übrigen sei die erstgenannte Möglichkeit überhaupt der Grund für das Vorliegen des diesem asynchronen Betrieb zugrunde liegenden Problems, denn ohne durch ein Anforderungssignal getriggertes Auslesen des Zählers trete das Problem der zeitlichen Überschneidung mit einem Speichervorgang gar nicht auf. Ohne diese Triggerung könne der Auslesezeitpunkt frei gewählt und auf einen unkritischen Zeitpunkt gelegt werden (vgl. Schreiben vom 11. Oktober 2021, Abschnitt 3).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer betonte die Beschwerdeführerin, dass es bei nur zwei Möglichkeiten einen Speicher auszulesen, es naheliegend sei, dies über ein Abfragesignal zu tun.
2.7.3 Die Beschwerdegegnerin war der Ansicht, dass der Fachmann das Dokument D2 nicht mit den Dokumenten D3, D4 und D7 kombinieren würde.
2.7.4 Die Kammer teilt die in Abschnitt 9.1.1 der angefochtenen Entscheidung dargelegte Meinung der Einspruchsabteilung. Dokument D2 offenbart einen autonom arbeitenden Positionsdetektor mit den Merkmalen a bis o des Anspruchs 1. Dokument D2 offenbart nicht explizit, wie der in der Zähl- und Speicherschaltung vorhandene Zählwert ausgelesen wird. Ausgehend von Dokument D2 stellt sich zunächst die Aufgabe, auf die in der Zähl- und Speicherschaltung gespeicherten Zählimpulse zuzugreifen. Hierfür gibt es im Prinzip mehrere Möglichkeiten, wobei eine der Möglichkeiten die Verwendung eines Abfrageimpulses vorsieht. Andere Möglichkeiten wären beispielsweise eine automatisierte Auslesung ohne Abfragesignal oder einfach nur eine optische Anzeige. Warum der Fachmann aus diesen Möglichkeiten gerade diejenige mit dem Abfragesignal für den Positionsdetektor des Dokuments D2 auswählen würde, ist nirgends nahegelegt. Dokument D2 legt keinen Verwender nahe, der ein Abfragesignal erzeugt. Auch keines der anderen zitierten Dokumente legt nahe, die Zähl- und Speicherschaltung aus Dokument D2 mittels Abfragesignal auszulesen. Ohne einen Verwender, der ein Abfragesignal erzeugt, ist es jedoch nicht naheliegend die Daten-Leseschaltung nach Eingang eines Abfragesignal so anzusteuern, wie in Merkmal r definiert. Erst durch eine rückschauende Betrachtungsweise würde der Fachmann ein Abfragesignal vorsehen und möglicherweise eines der Dokumente D3, D4 oder D7 berücksichtigen.
2.7.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Variante mit asynchronem Betrieb (Merkmal r) beruht daher ausgehend von Dokument D2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.8 Somit beruht nach Auffassung der Kammer der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl in der Variante mit synchronem Betrieb (Merkmal q) als auch in der Variante mit asynchronem Betrieb (Merkmal r) auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass keiner der in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Gründe der Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, entgegensteht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.