T 1689/19 01-04-2022
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Schrumpfvorrichtung mit Blendenleiste
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Behauptete offenkundige Vorbenutzung - Stand der Technik (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Einsprechende legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 653 394 zurückgewiesen wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Streitpatent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ sowie der mangelnden Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) EPÜ.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 11. November 2021 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde zurückzuweisen wäre.
Zur Mitteilung der Kammer nahm keine der Beteiligten schriftsätzlich inhaltlich Stellung.
IV. Am 1. April 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
V. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag),
hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 bis 5a des Einspruchsverfahrens, erneut eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
VI. Diese Entscheidung nimmt Bezug auf folgende, aus dem Einspruchsverfahren bekannte Dokumente:
D1: US 6 689 180 B1,
D2: EP 2 319 769 A1,
D3: DE 10 2006 036 590 A1,
D5: DE 94 11 758 U1,
Da: Dokumentation Projektauftrag für eine
Verpackungsmaschine mit Schrumpftunnel vom 22. September 2006,
Dg: Technische Zeichnungen und Fotos in Bezug auf den
Schrumpftunnel der ausgelieferten Verpackungsmaschine,
Dh: Weitere fotographische Darstellung des
Schrumpftunnels der ausgelieferten Verpackungsmaschine,
Dk: Fotos von den Liefer- und Installationsarbeiten vor
Ort bei Coca Cola Bottling, Sendai, Japan zum fraglichen Zeitpunkt im März 2007,
Dl: Protokoll Testversuche mit Coca Cola Bottling und
Fuji Astec,
Dn: Dokumentation Änderungen nach Installation.
Die folgenden Dokumente wurden erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht:
Da-1.1: Vollständige Stückliste zu dem in Tabelle 2 der Da genannten "Prozessmodul.Schrumpfen" (als Ausschnitt bereits in Tabelle 3 in Da widergegeben),
Da-1.2: Vollständige Stückliste zu der in Tabelle 3 der Da genannten Komponente "Leitblech komplett",
Da-1.3: Vollständige Stückliste zu der in Tabelle 3 der Da genannten Komponente "Verstellung Leitblech",
Dq: Bedienungsanleitung zu der verkauften Maschine
"ShrinkPacker SP 060 V Nr. 89401355",
Dr: Kommentiertes Übersichtsschema zur Höhenverstellung
der Blendenleisten,
Ds: Weitere Konstruktionszeichnungen zu Komponenten des
vorbenutzten Schrumpftunnels,
Dt: Anlagenlayout und Schaltdiagramm.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Schrumpfvorrichtung (1) zum Heißschrumpfen von Folie (14) um Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10), wobei die Schrumpfvorrichtung (1) mindestens einem Innenraum (2) mit einer Transportstrecke (11) für die Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10) und mindestens ein Mittel (30) zur Zuführung eines Schrumpfmediums (7) in einen Innenraum (2) der Schrumpfvorrichtung (1) umfasst, wobei die Schrumpfvorrichtung (1) mindestens eine Schachtwand (3) einer ersten Länge (LS) mit mindestens einer dem Innenraum (2) der Schrumpfvorrichtung (1) zugewandten Düsenfläche (6) mit einer Mehrzahl von auf die Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10) gerichteten Düsen (8) aufweist, wobei die Düsen (8) in Düsenreihen (8*) angeordnet sind und wobei das Schrumpfmedium (7) durch die Düsen (8) in einer Strömungsrichtung in den Innenraum (2*) der Schrumpfvorrichtung (1) leitbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der mindestens einen Düsenfläche (6) der Schachtwand (3) mindestens eine bewegliche Blendenleiste (20) zugeordnet ist, mit einer zweiten Länge (LB), die weitgehend der ersten Länge (Ls) der Schachtwand (3) entspricht, wobei die Blendenleiste (20) in einer ersten Arbeitsposition (AP1) weitgehend einer Oberkante der Schachtwand (3) zugeordnet ist und wobei die Blendenleiste (20) durch eine Vertikalbewegung (Bv) in mindestens eine zweite Arbeitsposition (AP2) bringbar ist, wobei die Blendenleiste (20) in der mindestens einen zweiten Arbeitsposition (AP2) mindestens einer Düsenreihe (8*) vorgelagert und von dieser beabstandet ist, so dass die Strömungsrichtung des in den Innenraum (2) der Schrumpfvorrichtung (1) einströmenden Schrumpfmediums (7) zumindest in einem Teilbereich der zweiten Länge (LB) der Blendenleiste (20) umgelenkt ist und in Höhe der mindestens einen Blendenleiste (20) zumindest in dem Teilbereich kein Schrumpfmedium (7) direkt auf die Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10) trifft, wobei das Schrumpfmediums (7) in dem zumindest einen Teilbereich oberhalb und / oder unterhalb der Blendenleiste (20) in den Innenraum (2) der Schrumpfvorrichtung (1) einleitbar ist."
VIII. Der nebengeordnete Anspruch 15 des Patents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Heißschrumpfen von Folie (14) um Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10) in einer Schrumpfvorrichtung (1), die mindestens einen Innenraum (2) mit einer Transportstrecke (11) für die Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10) und mindestens ein Mittel (30) zur Zuführung eines Schrumpfmediums (7) in einen Innenraum (2) der Schrumpfvorrichtung (1) umfasst, wobei der Innenraum (2) mindestens eine Schachtwand (3) einer ersten Länge (LS) und mit mindestens einer dem Innenraum (2) zugewandten Düsenfläche (6) mit einer Mehrzahl von auf die Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10) gerichteten Düsen (8) aufweist, wobei die Düsen (8) in Düsenreihen (8*) angeordnet sind und wobei das Schrumpfmedium (7) durch die Düsen (8) in den Innenraum (2*) der Schrumpfvorrichtung (1) geleitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine einzelne Düsenreihe (8*) der mindestens einen Düsenfläche (6) der Schachtwand (3) zumindest bereichsweise abgeblendet werden kann, so dass das aus den Düsen (8) der zumindest bereichsweise abgeblendeten Düsenreihe (8*) in den Innenraum (2) der Schrumpfvorrichtung (1) strömende Schrumpfmedium (7) im Teilbereich der abgeblendeten Düsenreihe (8*) in eine nach oben und / oder unten gerichtete Strömung umgelenkt wird und in diesem Teilbereich nicht direkt auf die Artikel oder Artikelzusammenstellungen (10) trifft, wobei die mindestens eine Düsenreihe (8*) abgeblendet wird, indem mindestens eine vertikal bewegliche, der Düsenfläche (6) vorgelagerte Blendenleiste (20), deren zweite Länge (LB) weitgehend der ersten Länge (LS) der Schachtwand (3) entspricht, so beabstandet vor die jeweilige Düsenreihe (8*) positioniert wird, dass das Schrumpfmedium in dem zumindest einen Teilbereich oberhalb und / oder unterhalb der Blendenleiste in den Innenraum der Schrumpfvorrichtung eingeleitet wird."
IX. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer ist eine Wiedergabe des Wortlauts der Hilfsanträge nicht erforderlich.
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Berücksichtigung/Zulassung ins Verfahren der Dokumente Da-1.1 bis Da-1.3, Dq bis Dt und D5
Die Beschwerdekammer wies in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 unter den Punkten 5.2 und 6 auf die folgende Sach- und Rechtslage zur Zulassung der Dokumente Da-1.1 bis Da-1.3, Dq bis Dt sowie D5 ins Verfahren hin, die von keiner der Beteiligten in Frage gestellt oder kommentiert wurden. Die Kammer sieht keinen Grund, von ihrer diesbezüglichen vorläufigen Meinung abzurücken und bestätigt diese wie folgt.
1.1 Die Einsprechende argumentierte zur Zulassung der die im Einspruchsverfahren geltend gemachte Vorbenutzung betreffenden Dokumente Da-1.1 bis Da-1.3 und Dq bis Dt ins Verfahren, dass deren verspätetes Einreichen zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung durch die erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung aufgeworfenen Zweifel hinsichtlich bestimmter Merkmale des vorbenutzten Gegenstands veranlasst sei und in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung erfolge.
Die Kammer ist von dieser Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und kann keine überraschende Änderung im Einspruchsverfahren erkennen, die die Einsprechende daran gehindert haben könnte, diese Dokumente bereits im Einspruchsverfahren einzureichen. Wie seitens der Patentinhaberin zutreffend angemerkt, warf die Einspruchsabteilung bereits unter Punkt 6 ihrer Ladung zur mündlichen Verhandlung die Frage auf, ob die behauptete Vorbenutzung hinreichend bewiesen wäre. Unter Punkt 8 der Ladung wies die Einspruchsabteilung weiter darauf hin, dass die behauptete Vorbenutzung nicht ausreichend bewiesen ist. Schließlich wurde in Punkt 8 festgestellt, dass nicht eindeutig ist, ob die behauptete Verpackungsmaschine genau die Konfiguration wie in den Zeichnungen nach Dg und den Fotos Dh, Dk und Dn aufwies.
Somit waren der Einsprechenden die Zweifel der Einspruchsabteilung hinsichtlich bestimmter Merkmale des vorbenutzten Gegenstands bereits mit der ersten Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2017 bekannt. Daher hätte die Einsprechende bereits im Einspruchsverfahren, spätestens jedoch während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, ergänzende Beweismittel vorlegen können und müssen, um den frühzeitig im Verfahren vorgebrachten Zweifeln hinsichtlich bestimmter Merkmale des vorbenutzten Gegenstands zu entgegnen.
Daher sieht die Kammer keinen Grund, die Beweismittel Da-1.1 bis Da-1.3 und Dq bis Dt, entsprechend dem Antrag der Patentinhaberin (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt 2.1, Seiten 2 bis 4), nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.
1.2 Die Kammer schließt sich der Meinung der Einsprechenden nicht an, dass Dokument D5 insbesondere auch unter Berücksichtigung des Sachverhalts der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung als relevantes Dokument zu erachten und somit in das Verfahren zuzulassen sei.
Dokument D5 wurde von der Einsprechenden erstmals mit Schriftsatz vom 3. November 2017, d.h. nach Ablauf der Einspruchsfrist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ, bezüglich eines Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit eingereicht (siehe Schriftsatz vom 3. November 2017, Punkt I.2.2). Somit ist D5 als verspätet im Einspruchsverfahren eingereicht anzusehen, so dass dessen Zulassung ins Verfahren gemäß Artikel 114 (2) EPÜ im Ermessen der Einspruchsabteilung lag, die dieses auch dahingehend ausgeübt hat, D5 nicht ins Einspruchsverfahren zuzulassen.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es jedoch nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die gesamte Sachlage des Falls nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte. Eine Beschwerdekammer sollte sich nur dann über die Art und Weise, in der die Abteilung, die die angefochtene Entscheidung erließ, ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass diese Abteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, IV.C.4.5.2).
Abgesehen davon, dass die Einsprechende schon keinen konkreten Ermessensfehler auf Seiten der Einspruchsabteilung geltend machte, hat die Einspruchsabteilung das ihr nach Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumte Ermessen, das verspätet eingereichte Dokument D5 nicht zum Verfahren zuzulassen, ohne erkennbaren Verfahrens- oder Ermessensfehler ausgeübt, indem sie die mangelnde prima facie Relevanz von D5 hinsichtlich mangelnder erfinderischer Tätigkeit feststellte (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt II.3.2.3). Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung ein entscheidendes Kriterium für die Zulassung von verspätet eingereichten Dokumenten.
Damit sieht die Kammer keinen Grund, sich über die Art und Weise hinwegzusetzen, in der die Einspruchsabteilung ihr Ermessen ausgeübt hat, das Dokument D5 nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).
2. Beweiswürdigung
2.1 Die Einsprechende bemängelte, dass die Beweiswürdigung in Bezug auf die geltend gemachte Vorbenutzung durch die Einspruchsabteilung fehlerhaft gewesen sei.
Die Einspruchsabteilung habe in der angefochtenen Entscheidung die Aussagen der Zeugen Schilling und Lauff nicht richtig gewürdigt bzw. wesentliche Aussagen der Zeugen nicht berücksichtigt. Die von der Einsprechenden vorgelegten Dokumente zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung seien nicht alle und nicht gleichwertig gewürdigt worden. Auch seien die Dokumente zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung gegenüber den Zeugenaussagen nicht gleichwertig gewürdigt worden. Bei abschließender Betrachtung sämtlicher vorgebrachter Beweismittel sowie bei einer gleichwertigen Würdigung aller Beweismittel sei die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, wonach eine Höhenverstellbarkeit der Blendenleiste bei dem vorbenutzten Gegenstand nicht lückenlos vorgetragen war, nicht korrekt. Der von der Einspruchsabteilung gezogene Schluss sei nur bei falsch differenzierter und daher mangelhafter Beweiswürdigung möglich.
2.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden hinsichtlich einer undifferenzierten und mangelhaften Beweiswürdigung nicht. Vielmehr hat die Einspruchsabteilung ihre Tatsachenfeststellungen in nachvollziehbarer Weise aufgrund des unmittelbaren Eindruckes der von ihr vernommenen Zeugen und im Einklang mit den vorgelegten Urkunden (Dokumenten) getroffen.
Dass die Zeugenaussagen insbesondere hinsichtlich des Merkmals einer in der Höhe verstellbaren Blendenleiste von der Einspruchsabteilung sowohl berücksichtigt als auch gewürdigt wurden, findet sich unter Punkt II.3.1.3 der angefochtenen Entscheidung (Hervorhebungen durch die Kammer):
"Bezüglich der technischen Merkmale und Komponenten der Verpackungsmaschine hat der Zeuge Schilling die relevanten technischen Charakteristiken der INNOPACK anhand der Zeichnungen Dg erklärt ... Allerdings konnte der Zeuge Schilling eine Verstellung der Blendeleiste in der Höhe anhand der Zeichnungen Dg nicht zweifellos klären und somit die Unstimmigkeiten zwischen die Zeichnungen in Dg und die Fotos in Dg, Dk und Dn nicht lösen. Insbesondere schien die Blendeleiste, die nach den Tests vom September 2006 (siehe Dl) gebaut wurden, um eine Beschädigung der Sleeves durch die Heißluft zu vermeiden, nur eine verstellbare Abdeckung der Düsenlöcher darzustellen und nicht eine hohe verstellbare Blendeleiste im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents.
Darüber hinaus haben die Zeugen Schilling und Lauff zweifellos angegeben, dass die Maschine in den Fotos Dh nicht die Maschine der behaupteten Vorbenutzung war. Diese Maschine wies angeblich eine Verstellung der Blendeleiste in die vertikale Richtung auf, die seit 2008-2010 verfügbar war. Allerdings fehlt jeglicher Beweis, dass eine Maschine gemäß Dh an einen Kunden vor dem Prioritätstag geliefert wurde und daher bleibt dieses Merkmal nicht offenkundig."
Nach der Niederschrift über die Zeugenaussagen von Herrn Schilling und Herrn Lauff bestehen keine Bedenken, dass die von der Einsprechenden angegriffene Beweiswürdigung der Einspruchsabteilung von den tatsächlichen Zeugenaussagen gestützt ist, siehe z.B. Seite 6/35, erster Absatz; Seite 8/35, erster Absatz; Seite 10/35 bis 11/35; Seite 19/25, sechster Absatz, bis Seite 21/35, zweiter Absatz, der Niederschrift über die Beweisaufnahme der Vernehmung des Zeugen Schilling, sowie z.B. Seiten 6/13 bis 7/13 der Niederschrift über die Beweisaufnahme der Vernehmung des Zeugen Lauff.
Die Kammer erachtet die Beweiswürdigung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Berücksichtigung und Würdigung der Zeugenaussagen Schilling und Lauff zu dem streitigen Merkmal als logisch und rechtsfehlerfrei, so dass diese nicht zu beanstanden ist.
Die Beanstandungen der Einsprechenden beruhen vielmehr darauf, dass sie aus den Aussagen der Zeugen eine (subjektive) Schlussfolgerung zieht, nämlich dass eine Höhenverstellbarkeit der Blendenleiste lückenlos vorgetragen worden sei.
Laut der Einsprechenden bestätigten beide Zeugen übereinstimmend, dass die Blendenleiste des vorbenutzten Gegenstands Schrumpftunnel des Typs INNOPACK SP 60 in vertikaler Richtung, nämlich "rauf und runter" verstellbar war.
Die von der Einsprechenden unter Punkt III.3.2 der Beschwerdebegründung angegebenen Zitate belegen zwar ausweislich der Niederschrift über die Beweisaufnahme eine auf- und abbewegbare bzw. rauf- und runterbewegbare Blendenleiste. Allerdings ergibt sich aus den Zeugenaussagen keine Verstellbarkeit der Blendenleiste in vertikaler Richtung im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents, wie von der Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt (vgl. angefochtenen Entscheidung, Punkt II.3.1.3, Seite 8, letzter Satz).
Dass von der Einspruchsabteilung nur das Dokument Dl in isolierter Betrachtungsweise und ohne Bezug zu anderen Dokumenten (z.B. Dk und Dg), die die Höhenverstellbarkeit der Blendenleiste zeigten, sowie zu entsprechenden Aussagen des Zeugen Schilling gewürdigt worden sei, und dass Dokumente der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung in falscher Beziehung zueinander gesetzt worden seien, wie von der Einsprechenden vorgetragen, ist nicht zu erkennen.
Die Argumentation der Einsprechenden kann die Beweiswürdigung der Einspruchsabteilung damit nicht erschüttern.
Daher ist für die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts auch nicht davon auszugehen, dass die Maschine der behaupteten Vorbenutzung alle die von der Einsprechenden behaupteten Merkmale aufwies.
3. Geltend gemachte Vorbenutzung als Stand der Technik
3.1 Die Einsprechende rügte die in der angefochtenen Entscheidung dargelegte Schlussfolgerung als unzutreffend, dass die behauptete Vorbenutzung nicht als Stand der Technik anzusehen ist, und argumentierte, dass an deren Offenkundigkeit kein Zweifel bestehe.
Der Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung sei als Stand der Technik zu betrachten, selbst wenn das Merkmal einer vertikalen Höhenverstellbarkeit der Blendenleiste fehle. Nicht die technischen Merkmale eines Gegenstands bildeten das Kriterium, ob der Gegenstand Stand der Technik sei, sondern vielmehr dessen öffentliche Zugänglichkeit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt. Eine möglicherweise fehlende Höhenverstellbarkeit der Blendenleiste bei dem offenkundig vorbenutzten Gegenstand betreffe den Grad der Übereinstimmung des vorbenutzten Gegenstands mit dem beanspruchten Gegenstand. Ein offenkundig vorbenutzter Gegenstand sei auch dann als Stand der Technik in Betracht zu ziehen, wenn er nicht in allen technischen Merkmale mit dem beanspruchten Gegenstand übereinstimme. Selbst wenn die behauptete Vorbenutzung nicht ausreichend bewiesen wäre, sei die offenkundig vorbenutzte Maschine daher Stand der Technik mit den Merkmalen, die eine vertikalen Höhenverstellbarkeit der Blendenleiste nicht umfassten.
3.2 Die Kammer folgt dieser Auffassung der Einsprechenden nicht. Denn die Einspruchsabteilung hielt unter Punkt II.3.1.3, vorletzter Absatz, der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich fest (Hervorhebung durch die Kammer):
"Allerdings fehlt jeglicher Beweis, dass eine Maschine gemäß Dh an einen Kunden vor dem Prioritätstag geliefert wurde und daher bleibt dieses Merkmal nicht offenkundig."
Die Einsprechende hat keine Argumente vorgetragen, dass die ausgelieferte Verpackungsmaschine genau die Konfiguration wie in der fotographischen Darstellung Dh aufwiese bzw. dieser entspräche.
Die behauptete Vorbenutzung ist entsprechend der angefochtenen Entscheidung, Punkt II.3.1.3, mangels hinreichenden Beweises nicht als Stand der Technik in Betracht zu ziehen, weil vor allem nicht bewiesen werden konnte, dass eine in der Höhe verstellbare Blendenleiste des verkauften Schrumpftunnels des Typs INNOPACK SP 060 in diesem Zusammenhang der Öffentlichkeit zugänglich geworden wäre.
Die Kammer schließt sich daher auch insoweit der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung an, die behauptete Vorbenutzung nicht als Stand der Technik zu betrachten.
3.3 Ferner, und insoweit ergänzend zu vorangegangenen Erwägungen, ist entsprechend dem Vortrag der Patentinhaberin festzuhalten, dass die Einsprechende während des Einspruchsverfahrens die behauptete Vorbenutzung lediglich bezüglich mangelnder Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung geltend gemacht hat. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht als die Einspruchsabteilung in ihrer Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hinwies, dass nicht sämtliche Merkmale der behaupteten Vorbenutzung tatsächlich bewiesen seien (siehe oben Punkt 1.1), hat die Einsprechende darauf abgestellt, dass eine offenkundige Vorbenutzung etwa zumindest ohne das Merkmal einer vertikal verstellbaren Blendenleiste erfolgt sei. Während des Einspruchsverfahrens machte die Einsprechende geltend, dass die behauptete Vorbenutzung in einer Maschine bestehe, die Merkmale besitze, die denen des erteilten Anspruchs 1 entsprächen.
Dieser Rahmen definiert, was im Hinblick auf den Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung dahingehend zu prüfen war, ob dieser vor dem Prioritätszeitpunkt Stand der Technik bildete. Selbst eine (andere) offenkundig vorbenutzte Maschine, die nicht die von der Einsprechenden behaupteten Merkmale zeigt, könnte nicht belegen, dass die von der Einsprechenden geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung tatsächlich stattgefunden hätte. Diesen Beweis konnte die Einsprechende während des Einspruchsverfahrens eben nicht erbringen. Es obliegt in einem solchen Fall auch nicht der Einspruchsabteilung, zugunsten der Einsprechenden ohne entsprechendes Vorbringen (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 12, erster Absatz), eine andere offenkundige Vorbenutzung anzunehmen, als die von der Einsprechenden geltend gemachte.
3.4 Die begründete Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass die behauptete Vorbenutzung nicht ausreichend bewiesen worden ist und deshalb deren Gegenstand nicht als Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ anzusehen ist, ist daher nicht fehlerhaft.
3.5 Die Einsprechende machte zudem geltend, dass ihr durch den von der Einspruchsabteilung gezogenen Schluss, wonach die behauptete Vorbenutzung keinen Stand der Technik darstelle, die Möglichkeit genommen worden sei, die Relevanz des vorbenutzten Gegenstands für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Streitpatentgegenstands zu verdeutlichen und entsprechende Tatsachen und Argumente dazu vorzubringen, so dass mit der angefochtenen Entscheidung auch dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zuwidergehandelt worden sei.
Da zum einen die Feststellung der Einspruchsabteilung fehlerfrei ist, die behauptete Vorbenutzung nicht als Stand der Technik anzusehen (siehe obige Punkte 3.2 bis 3.4), und zum anderen ein Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von dem Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung im Einspruchsverfahren nie erhoben wurde (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 12, erster Absatz), obwohl, wie von der Patentinhaberin zutreffend argumentiert, dazu spätestens während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung Gelegenheit bestand (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 5), ist keine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sehen.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ)
4.1 Ausgehend von D2 in Kombination mit D1
4.1.1 Die Einsprechende wandte sich gegen die begründete Feststellung der angefochtene Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D2 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D1 und dem allgemeinen Fachwissen erfinderisch ist, und argumentierte, dass sich durch die in D2 beschriebene Anordnung für die Fachperson unmittelbar und eindeutig ergäbe, dass das Wechseldüsenblech zwangsläufig beabstandet zu einer Düsenreihe verlaufe und ein Abstand der Halterung des Düsenblechs zur Schachtwand und damit zu einer Düsenreihe bestehe, so dass D2 auch das Merkmal von Anspruch 1 offenbare, dass die Blendenleiste in der mindestens einen zweiten Arbeitsposition mindestens einer Düsenreihe vorgelagert und von dieser beabstandet ist. Dabei gebe D2 bereits einen Hinweis auf eine Verschiebbarkeit der Blendenleiste in vertikaler Richtung, da nach Anspruch 4 von D2 das Wechseldüsenblech parallel zur Schachtwand beweglich sei.
Die technische Aufgabe sei gemäß Absatz [0007] des Streitpatents darin zu sehen, eine optimale Beaufschlagung von Artikeln mit Schrumpfmedium zu erzielen, so dass empfindliche Bereiche der Artikel gezielt geschützt werden können.
Dokument D1 beschäftige sich gemäß Spalte 1, Zeilen 35 bis 40, mit dem Problem der Wärmereduzierung und die Beaufschlagung unterschiedlicher Bereiche der zu verpackenden Artikel mit Schrumpfmedium derart zu kontrollieren, dass eine angemessene Hitze für jeden einzelnen Abschnitt der Folie zur Verfügung gestellt werde und daraus eine qualitativ hochwertige Verpackung resultiere. Hierzu schlage D1 vor, in einem Schrumpftunnel mehrere beweglich montierte Abdeckleisten ("blocking bars 20") einer Düsenfläche der Schachtwand zuzuordnen, wobei die Abdeckleisten gemäß der Ausführungsform nach Figur 7 und Spalte 3, Zeilen 25 bis 28, von D1 vertikal bewegbar seien, so dass die Düsen ("openings 11") aufgrund der Vertikalbewegung der Abdeckleiste selektiv und partiell abgedeckt werden könnten und dadurch eine direkte Anströmung bestimmter Bereiche des zu verpackenden Artikels durch das Schrumpfmedium vermieden werden könne. Ausgehend von D2 erhalte die Fachperson aus D1 eine technische Lehre, um ohne erfinderisches Zutun zur streitpatentgemäßen Lösung zu gelangen.
4.1.2 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt. Unabhängig von der streitigen Frage, ob das Dokument D2 auch das Merkmal von Anspruch 1 offenbart, dass die Blendenleiste in der zweiten Arbeitsposition von einer Düsenreihe beabstandet ist, unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 von der Offenbarung von D2 zumindest dadurch, dass die Blendenleiste durch eine Vertikalbewegung in die zweite Arbeitsposition bringbar ist.
Ausgehend von D2 ist die objektive technische Aufgabe gemäß Absatz [0007] des Streitpatents zu formulieren (siehe unter Punkt 4.1.1 oben).
Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Patentinhaberin, dass die Fachperson aus der allgemeinen Lehre in Spalte 1, Zeilen 35 bis 40, von D1, die sich zwar mit dem Problem der Wärmeregulierung für bestimmte Bereiche beschäftigt, allerdings keinerlei Hinweis erhält, die in der Ausführungsform nach Figur 7 und Spalte 3, Zeilen 25 bis 28, von D1 vorgesehene vertikale Verstellbarkeit zur Lösung dieses Problem vorzusehen. Entgegen der Argumentation der Einsprechenden sähe die Fachperson daher keine Veranlassung, die der Spalte 1, Zeilen 35 bis 40, von D1 entnehmbare Aufgabe durch die Ausführungsform einer vertikal beweglichen Blendenleiste nach Figur 7 von D1 zu lösen.
Folglich gelangte die Fachperson ausgehend von D2 in Kombination mit der Lehre von D1 nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 15 umfasst das korrespondierende unterscheidende Merkmal einer vertikal beweglichen Blendenleiste, so dass der Gegenstand von Anspruch 15 entsprechend den oben unter diesem Punkt 4.1 genannten Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4.2 Ausgehend von D1 in Kombination mit D3
Die Beschwerdekammer wies in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 unter Punkt 12.2 auf die folgende Sach- und Rechtslage hin, die von keiner der Beteiligten in Frage gestellt oder kommentiert wurden. Die Kammer sieht daher keinen Grund, von ihrer diesbezüglichen vorläufigen Meinung abzurücken und bestätigt diese wie folgt.
Die Argumentation der Einsprechenden unter Punkt IV.2.4 der Beschwerdebegründung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von der Lehre der D1 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D3 nicht erfinderisch sei, entspricht im Wesentlichen derjenigen im Einspruchsschriftsatz vom 4. Dezember 2015 (Punkt III.3.2) und überzeugt die Kammer nicht von der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Die Kammer ist nicht überzeugt, dass Figur 3 (Schieber 12) oder Figur 4 (Schieber 12 und 13) von D3 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen sei, dass der Schieber beabstandet zur Schachtwand angeordnet sei.
Die Kammer teilt die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung unter Punkt II.6.3 der angefochtenen Entscheidung, dass weder D1 noch D3 einen Hinweis auf den gemäß Anspruch 1 bzw. Anspruch 15 definierten Abstand einer vertikal beweglichen Blendenleiste zur Düsenreihe bzw. Düsenfläche gibt, so dass die Strömungsrichtung des Schrumpfmediums umgelenkt wird.
Auch ausgehend von der Lehre der D1 in Kombination mit der Lehre von D3 gelangte die Fachperson daher nicht zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 15, ohne erfinderisch tätig zu werden.
4.3 Ausgehend von im Streitpatent genannten Stand der Technik in Kombination mit D2
Die Beschwerdekammer wies in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 unter Punkt 12.3 auf die folgende Sach- und Rechtslage hin, die von keiner der Beteiligten in Frage gestellt oder kommentiert wurden. Die Kammer sieht daher keinen Grund, von ihrer diesbezüglichen vorläufigen Meinung abzurücken und bestätigt diese wie folgt.
Die Einsprechende erhob erstmals mit der Beschwerdebegründung den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 15 ausgehend von im Streitpatent genannten Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D2 (siehe Beschwerdebegründung Punkt IV.2.2 und IV.3), ohne eine rechtfertigende Begründung für dieses verspätete Vorbringen anzugeben.
Die Kammer merkt an, dass ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Punkt 12, die Einsprechende im Einspruchsverfahren keine weiteren Einwände als die in der angefochtenen Entscheidung diskutierten zur Entscheidung stellte.
Die Kammer sieht daher keinen Grund, in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007, diese verspätet vorgebrachte Argumentationslinie im Verfahren zu berücksichtigen.
4.4 Die Kammer folgt daher der begründeten Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, dass der Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung nicht entgegensteht.
5. Im Ergebnis zeigt keiner der seitens der Einsprechenden erhobenen Einwände in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung auf.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.