T 1896/19 14-10-2021
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Vorrichtung und Verfahren zum Beschichten von Werkstücken
Felder KG
HOLZ-HER GmbH
Maschinenbau Hebrock GmbH
SCM Group S.p.A.
BIESSE S.p.A.
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Patentinhaberin, die Einsprechende 01 und die Einsprechende 05 legten form- und fristgerecht Beschwerde gegen die auf den 23. April 2019 datierte Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher das europäische Patent 2 243 619 in geänderter Fassung auf Basis der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen aufrechterhalten wurde.
II. Die fünf ursprünglich eingereichten Einsprüche richteten sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang und stützten sich auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ, sowie auf den Grund mangelnder Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) EPÜ.
III. Drei dieser Einsprüche wurden zurückgenommen. Die Einsprechende 04 erklärte die Rücknahme ihres Einspruchs bereits vor Erlass der angefochtenen Entscheidung. Die Einsprechende 03 nahm mit Schriftsatz datiert auf den 24. Juni 2019 ihren Einspruch zurück. Die Einsprechende 01 nahm mit Schriftsatz datiert auf den 21. Januar 2020 sowohl ihren Einspruch als auch ihre Beschwerde zurück. Damit ist keine dieser Parteien mehr Verfahrensbeteiligte.
IV. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 19. März 2021 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, wonach der Beschwerde der Patentinhaberin im Umfang des Hauptantrags stattzugeben sein dürfte.
V. Am 14. Oktober 2021 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
VI. Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
VII. Die Patentinhaberin beantragte zuletzt
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden und erstmals mit Schriftsatz vom 20. Juli 2018 sowie erneut mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags (Hauptantrag),
hilfsweise die Verwerfung der Beschwerde der Einsprechenden 05 als unzulässig,
weiter hilfsweise die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden 05, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des Hilfsantrags I, den die Einspruchsabteilung für vereinbar mit den Vorschriften des EPÜ befunden hatte,
und weiter hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage der erstmalig mit der Beschwerde vorgelegten Hilfsanträge Ia, Ib, II, IIa, IIb, III, IIIa, IIIb, IV, IVa und IVb.
VIII. Die Einsprechende 02 als Beschwerdegegnerin der Patentinhaberin beantragte zuletzt,
die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
IX. Die Einsprechende 05 beantragte zuletzt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
den Widerruf des Patents Nr. 2 243 619.
X. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D9: DE 10 2005 015 295 A1;
D10: EP 1 445 082 A2;
D14: EP 0 728 561 A1.
XI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
Vorrichtung (1) zum Beschichten von Werkstücken (2), die bevorzugt zumindest abschnittsweise aus Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoff, Aluminium oder dergleichen bestehen, umfassend:
- eine Zuführeinrichtung (10) zum Zuführen eines Beschichtungsmaterials (12),
- eine Andrückeinrichtung (20) zum Andrücken des Beschichtungsmaterials (12) an eine Oberfläche (2a) eines Werkstücks (2) ,
- eine Fördereinrichtung (4) zum Herbeiführen einer Relativbewegung zwischen der Andrückeinrichtung (20) und dem jeweiligen Werkstück (2), und
- eine erste Fügeeinrichtung (30; 50) zum Aktivieren eines Haftmittels auf einem in der Zuführeinrichtung (10) zugeführten Beschichtungsmaterial (12), wobei
- die Vorrichtung ferner zumindest eine zweite Fügeeinrichtung (40; 60) zum Aufbringen und Aktivieren eines Haftmittels auf einer zu beschichtenden Oberfläche eines Werkstücks (2) aufweist,
wobei mindestens eine der Fügeeinrichtungen (30, 40; 50, 60) eine Energiequelle aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Energiequelle ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus
- Laser,
- Infrarotquelle,
- Ultraschallquelle,
- Magnetfeldquelle,
- Mikrowellenquelle,
- Plasmaquelle und
- Begasungsquelle,
wobei die erste (30; 50) und die mindestens eine zweite (40; 60) Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren.
XII. Der unabhängige Anspruch 11 gemäß Hauptantrag lautet:
Verfahren zum Beschichten von Werkstücken (2), die bevorzugt zumindest abschnittsweise aus Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoff, Aluminium oder dergleichen bestehen, unter Einsatz einer Vorrichtung (1), welche Vorrichtung umfasst:
eine Zuführeinrichtung (10) zum Zuführen eines Beschichtungsmaterials (12),
eine Andrückeinrichtung (20) zum Andrücken des Beschichtungsmaterials (12) an eine Oberfläche (2a) eines Werkstücks (2),
eine Fördereinrichtung (4) zum Herbeiführen einer Relativbewegung zwischen der Andrückeinrichtung (20) und dem jeweiligen Werkstück (2), und
eine erste Fügeeinrichtung (30; 50) zum Aktivieren eines Haftmittels auf einem in der Zuführeinrichtung (10) zugeführten Beschichtungsmaterial (12), wobei
die Vorrichtung ferner zumindest eine zweite Fügeeinrichtung (40; 60) zum Aufbringen und Aktivieren eines Haftmittels auf einer zu beschichtenden Oberfläche eines Werkstücks (2) aufweist,
wobei mindestens eine der Fügeeinrichtungen (30; 50) eine Energiequelle aufweist, welche
Energiequelle ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Laser, Infrarotquelle, Ultraschallquelle, Magnetfeldquelle, Mikrowellenquelle, Plasmaquelle und Begasungsquelle,
wobei die erste (30; 50) und die mindestens eine zweite (40; 60) Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren,
wobei das Verfahren die Schritte aufweist:
Herbeiführen einer Relativbewegung zwischen der Andrückeinrichtung (20) und dem jeweiligen Werkstück (2) mittels der Fördereinrichtung (4),
Zuführen des Beschichtungsmaterials (12) mittels der Zuführeinrichtung (10),
Aktivieren eines Haftmittels auf einem in der
Zuführeinrichtung (10) zugeführten Beschichtungsmaterial
(12) mittels der ersten Fügeeinrichtung (30; 50), und anschließend
Aufbringen und Aktivieren eines Haftmittels auf einer zu beschichtenden Oberfläche eines weiteren Werkstücks (2) mittels der zweiten Fügeeinrichtung (40; 60).
XIII. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer bedarf es keiner Wiedergabe der Hilfsanträge.
XIV. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Revidierte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) - Übergangsbestimmungen
Das vorliegende Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
2. Hauptantrag - Neuheit
2.1 Die Einspruchsabteilung stellte in den Punkten 7.4. der Entscheidungsgründe begründet fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber dem Dokument D10 ist.
2.2 Die Einsprechende 02 wendete dagegen ein, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Offenbarung des Dokuments D10 neuheitsschädlich vorweggenommen sei (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 6, Absatz 1 bis Seite 8, Absatz 1). Die Einsprechende 05 trug zu diesem Einwand nicht vor.
2.3 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung in Punkt 7.4.3 der Entscheidungsgründe fest, dass dem Dokument D10 keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung zu entnehmen sei, dass beide Fügeeinrichtungen zeitgleich einen körperlichen oder funktionellen Zusammenhang mit der übrigen Vorrichtung haben.
2.4 Die Einsprechende 02 verwies dazu auf die Ansprüche 7 und 8 des Dokuments D10, was nach ihrer Ansicht durch den Rückbezug des Anspruchs 8 auf den Anspruch 7 darlegte, dass die in Dokument D10 offenbarte Kantenleimvorrichtung eine Beleimungseinrichtung und ein Heißluftgebläse, d.h eine erste und zweite Fügeeinrichtung, aufweise, die zeitgleich in einem körperlichen Zusammenhang mit der übrigen Vorrichtung stünden. Dabei sei die Beleimungseinrichtung entgegen der Darstellung der Patentinhaberin sowohl zum Aufbringen als zumindest implizit auch zum Aktivieren eines Haftmittels eingerichtet. Zudem verwies die Einsprechende 02 darauf, dass in Absatz [0049] ein einfacher und schneller Austausch des Heißluftgebläses gegen eine Beleimungseinrichtung offenbart sei.
2.5 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt.
2.6 Hinsichtlich der Funktionsweise der in dem Dokument D10 offenbarten Kantenleimvorrichtung kann der Fachmann der Offenbarung des Absatzes [0013] entnehmen, dass alternativ zu der in Absatz [0012] beschriebenen, ein Heißluftgebläse umfassenden Ausführungsform, eine Beleimungseinrichtung zum Aufbringen einer adhäsiven Schicht vorgesehen sein kann. Auch der Offenbarung des Absatzes [0014] und des Absatzes [0049} der Beschreibung ist lediglich zu entnehmen, dass das Heißluftgebläse gegen eine Beleimungseinrichtung ausgetauscht werden kann. Eine weitergehende technische Lehre ist der Beschreibung des Dokuments D10 nicht zu entnehmen.
2.7 Ein Austausch von Heißluftgebläse und Beleimungseinrichtung bedeutet aber nicht, dass das Heißluftgebläse und die Beleimungseinrichtung als Teil der Gesamtvorrichtung dazu eingerichtet sind, im Wechselbetrieb, d.h. in einem alternativen oder aufeinander folgenden Betrieb, Haftmittel zu aktivieren. Auch im Hinblick auf Anspruch 8 des Dokuments D10, soweit dieser auf Anspruch 7 rückbezogen ist, entnimmt der Fachmann keine Angaben zur Funktionsweise der Kantenleimvorrichtung, insbesondere zu einem möglichen Wechselbetrieb der beiden Elemente.
2.8 Die Kammer teilt daher die Feststellung der Einspruchsabteilung, die im Ergebnis lautet, dass das Dokument D10 nicht klar, eindeutig und unmittelbar das Merkmal offenbart, dass
"die erste und die mindestens eine zweite Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren".
2.9 Das Vorbringen der Einsprechenden 02 legt somit nicht in überzeugender Weise dar, weshalb die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Dokument D10 fehlerhaft gewesen sein sollten.
2.10 Der weitere von der Einsprechenden 02 im schriftlichen Verfahren vorgetragene Einwand, dass die Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 7.2. der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in Hinblick auf Figur 2 des Dokuments D9 unrichtig gewesen seien (vgl. Beschwerdeerwiderung der Einsprechende 02, Seite 3, Absatz 2 bis Seite 5, Absatz 2), wurde von der Einsprechenden 02 und der Einsprechenden 05 nicht weiterverfolgt (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 4), nachdem die Kammer zuvor in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 eine negative Einschätzung dazu abgegeben hatte (vgl. dort Punkt 13.2).
2.11 Im Ergebnis können daher weder die Einsprechende 02 noch die Einsprechende 05 in überzeugender Weise darlegen, weshalb die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag fehlerhaft gewesen wären.
3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 8.).
3.2 Die angefochtene Entscheidung ging von der Ausführungsform nach Figur 1 des Dokuments D9 als nächstliegendem Stand der Technik aus (vgl. a.a.O., Punkt 8.2).
3.3 Die Patentinhaberin wendete dagegen ein, dass sich die Ausführungsform nach Figur 1 aus Dokument D9 zusätzlich zu dem von der Einspruchabteilung aufgeführten Unterscheidungsmerkmal darin von dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheide, dass sie nicht zeige, dass die erste und die zweite Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren (vgl. Beschwerdebegründung der Patentinhaberin, Seite 11, Absatz 4).
3.4 Entgegen der in Punkt 8.4 getroffenen Feststellung in den Entscheidungsgründen sei dem Absatz [0059] nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass sich die Schlitzdüse 11 gezielt deaktivieren lasse (vgl. a.a.O., Seite 11, Absatz 5, bis Seite 12, Absatz 1).
3.5 Auch sei entgegen der in Punkt 8.5 getroffenen Feststellung in den Entscheidungsgründen dem Absatz [0060] nicht zu entnehmen, dass die Temperierungseinrichtung 14 separat deaktivierbar sei (vgl. a.a.O., Seite 12, Absätze 2 bis 5).
3.6 Die Einsprechenden 02 und 05 verwiesen ohne ein Vorbringen weiterer Argumente auf die angefochtene Entscheidung (vgl. Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 02, Seite 3, Absatz 1; Beschwerdebegründung der Einsprechenden 05, Seite 2, Absatz 2).
3.7 Die Kammer teilt die von der Patentinhaberin vertretene Auffassung, dass eine Aktivierung von Haftmittel im Wechselbetrieb durch die erste Fügeeinrichtung, die nach Auffassung der Einspruchsabteilung der Temperiervorrichtung 14 in der Fig. 1 des Dokuments D9 entspricht, und durch die zweite Fügeeinrichtung, die nach Auffassung der Einspruchsabteilung der Spritzdüse 11 in der Fig. 1 des Dokuments D9 entspricht, voraussetzt, dass die Applikation des Klebstoffes durch die Schlitzdüse 11 zumindest zeitweise entfällt. Entgegen der Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 8.3 der Entscheidungsgründe ist die Offenbarung einer Wahlmöglichkeit sowohl für die Schlitzdüse 11 als auch für die Temperiereinrichtung 14 nicht hinreichend dafür, dass der Fachmann der Offenbarung tatsächlich entnimmt, dass die erste Fügeeinrichtung und die zweite Fügeeinrichtung für einen Wechselbetrieb, d.h. einen alternativen oder aufeinander folgenden Betrieb, eingerichtet sind, denn ein solcher Wechselbetrieb impliziert, dass die Fügeeinrichtungen nicht gleichzeitig Haftmittel aktivieren.
3.8 Dies ergibt sich gleichfalls aus der zutreffenden Feststellung der Einspruchsabteilung unter Punkt 7.2.8 der Entscheidungsgründe zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der Ausführungsform der Figur 2 des Dokuments D9, dass, wenn eine separate Ansteuerung zweier als Fügeeinrichtungen identifizierter Elemente nicht explizit erwähnt wird und eine separate Ansteuerung nicht zwingend vorliegen muss, eine Einrichtung der Fügeeinrichtungen zum Wechselbetrieb weder explizit noch implizit unmittelbar und eindeutig offenbart ist.
3.9 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich daher von der Ausführungsform der Figur 1 des Dokuments D9 entgegen der Feststellung der angefochtenen Entscheidung zumindest darin, dass
"die erste und die mindestens eine zweite Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren".
3.10 Unabhängig davon, ob der Fachmann, wie von der Einspruchsabteilung in Punkt 8.11. der Entscheidungsgründe festgestellt, die übrige Offenbarung des Dokuments D9 berücksichtigte, stellte die Einspruchsabteilung in Bezug auf die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der Ausführungsform der Figur 2 in Punkt 7.2.8 und in Punkt 7.2.14 der Entscheidungsgründe begründet fest, dass die in Figur 2 offenbarte weitere Ausführungsform ebenfalls, weder explizit noch implizit, unmittelbar und eindeutig eine Einrichtung der Fügeeinrichtungen zum Wechselbetrieb zeigt.
3.11 Damit konnte der Fachmann bereits ausgehend von der Ausführungsform der Figur 1 des Dokuments D9 in Kenntnis der gesamten Offenbarung des Dokuments D9 nicht zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gelangen.
3.12 Die Einsprechende 02 machte zusätzlich geltend, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgehend von der Ausführungsform der Figur 2 des Dokuments D9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (vgl. Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 02, Seite 5, Absätze 3 und 4). Die angefochtene Entscheidung befasste sich nicht mit diesem Einwand.
3.13 Die Einsprechende 02 führte dazu aus, dass die Ausführungsform der Figur 2 des Dokuments D9 das Merkmal offenbare, dass die erste und die zweite Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren, was sich bereits daraus ergebe, dass die erste und zweite Fügeeinrichtung unabhängig voneinander seien (vgl. Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 02, Seite 5, Absatz 1). Wie bereits in Punkt 3.7 oben in dieser Entscheidung festgestellt, ist der Umstand einer voneinander möglichen unabhängigen Ansteuerung der ersten und der zweiten Fügeeinrichtung nicht hinreichend, damit der Fachmann der Offenbarung auch eine Einrichtung zum Wechselbetrieb entnehmen kann, so dass die Einsprechende 02 nicht überzeugend darlegen kann, wie der Fachmann ausgehend von der Ausführungsform der Figur 2 des Dokuments D9 zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gelangen konnte.
3.14 Die Einsprechende 02 machte weiterhin geltend, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgehend von dem Dokument D10 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (vgl. Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 02, Seite 8, Absatz 2, bis Seite 9, Absatz 2).
3.15 Wie bereits in Punkt 2.8 oben in dieser Entscheidung festgestellt, unterscheidet sich die in Dokument D10 offenbarte technische Lehre von dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zumindest dadurch, dass D10 nicht das Merkmal aufweist, dass
"die erste und die mindestens eine zweite Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren".
3.16 Die Einsprechende 02 verwies zur Offenbarung dieses Merkmals auf den Absatz [0014] des Dokuments D10, in dem ein Ersatz des Heißluftgebläses durch eine Beleimungsvorrichtung zur Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten gezeigt ist.
3.17 Es ist jedoch nicht erkennbar, weshalb sich dem Fachmann aus einem möglichen Ersatz eines Heißluftgebläses durch eine Beleimungsvorrichtung in naheliegender Weise ergeben könnte, dass die erste und die mindestens eine zweite Fügeeinrichtung eingerichtet sind, im Wechselbetrieb Haftmittel zu aktivieren. Ein möglicher Austausch der Fügeeinrichtungen, beispielsweise durch Ersatz der ersten Fügeeinrichtung durch die zweite Fügeeinrichtung oder auch umgekehrt, ist nicht gleichbedeutend damit, dass die erste Fügeeinrichtung, die aufgrund des Anspruchswortlauts in einem körperlichen oder funktionellen Zusammenhang mit der übrigen Vorrichtung steht - also auch mit der zweiten Fügeeinrichtung - und die zweite Fügeeinrichtung für einen Wechselbetrieb eingerichtet sind.
3.18 Der Fachmann hatte daher keinen Hinweis, die in Dokument D10 offenbarte Lehre aufgrund seines Fachwissens in naheliegender Weise derart abzuändern, dass er zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gelangt wäre.
3.19 Soweit die Einsprechende 02 einwendete, dass ausgehend vom Dokument D10 in Kombination mit dem Dokument D14 der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, trug sie vor, dass der Fachmann eine Zusammenschau der beiden Dokumente D10 und D14 erwogen hätte, weil sich das Dokument D14 ebenso wie das Dokument D10 mit Bearbeitungsvorgängen an plattenförmigen Werkstücken befasse (vgl. Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 02, Seite 9, erster Teilabsatz).
3.20 Die Einspruchsabteilung widersprach nicht der Aussage, dass sich das Dokument D14 ebenso wie das Dokument D10 mit Bearbeitungsvorgängen an plattenförmigen Werkstücken befasste. Sie stellte jedoch im Zusammenhang mit der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, d.h. gemäß der aufrechterhaltenen Fassung, ausgiebig begründet fest, dass den Vorrichtungen der Dokumente D10 und D14 unterschiedliche Konzepte, insbesondere unterschiedliche Problemstellungen, zugrunde liegen. Dabei hat das Dokument D10 ausdrücklich die Vermeidung einer Spezialmaschine mit eigenem Grundgestell und eigenem Anschlag, wie sie Gegenstand der Offenbarung des Dokuments D14 ist, zur Aufgabe (vgl. Entscheidungsgründe, Punkte 10.3.7 bis 10.3.13).
3.20.1 Weder die Einsprechende 02 noch die Einsprechende 05 trugen vor, weshalb diese Feststellungen der Einspruchsabteilung fehlerhaft gewesen wären, noch sind für die Kammer Gründe für eine Unrichtigkeit dieser Feststellungen der Einspruchsabteilung erkennbar.
3.21 Die vorgetragenen Argumentationslinien zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgehend von Dokument D10 überzeugen damit nicht.
3.22 Im Ergebnis gelingt es vielmehr der Patentinhaberin, die Unrichtigkeit der Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in überzeugender Weise darzulegen.
4. Die oben in den Punkten 2. und 3. dieser Entscheidung erkannten Feststellungen treffen mutatis mutandis auf die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 11 gemäß Hauptantrag zu.
5. Sowohl die Einsprechende 02 als auch die Einsprechende 05 erhoben keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 4), noch kann die Kammer mögliche Hindernisse erkennen, die einer beschränkten Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung im Umfang des Hauptantrags entgegenstünden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der
Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang
mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung:
Spalten 1 bis 11 der Patentschrift
Ansprüche:
Nrn 1 bis 13 eingereicht als Hauptantrag mit
Schriftsatz vom 20. Juli 2018
Zeichnungen:
Blätter 1/3 bis 3/3 der Patentschrift.
3. Die Beschwerde der Einsprechenden 05 wird zurückgewiesen.