T 2485/19 03-02-2022
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Vorrichtung zum Transport von Tow
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
I. Die Einsprechende legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2080440 aufgrund des Artikels 101(2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.
II. In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung zu der Auffassung gelangt, dass der einzige vorgetragene Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegensteht.
III. In der angefochtenen Entscheidung wird unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
D1: EP 1 314 363 A1
D2: EP 1 625 797 A2
IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) zusätzlich die Entgegenhaltung
D6: US 5,339,836
ein.
V. Am 3. Februar 2022 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage einer der im Einspruchsverfahren und erneut mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 8.
VI. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt (Merkmalsanalyse von der Patentinhaberin übernommen):
Vorrichtung zum Transport von Filtertow zur Herstellung von Rauchartikeln, vorzugsweise Filterzigaretten, mit
O1) mindestens einem bewegbar gelagerten Transportmittel (12), das eine Eingriffsfläche (12a) aufweist, mit der das Filtertow (8) zeitweise in Eingriff für einen Transport entlang eines Bewegungsweges bringbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
K1) außerhalb des Bewegungsweges des Filtertow (8) mindestens eine Rakelwange (30; 130) benachbart zur Eingriffsfläche (12a) des Transportmittels (12) angeordnet ist, um an der Eingriffsfläche (12a) anhaftende Teile des Filtertows (8) von der Eingriffsfläche (12a) zu entfernen, und
K2) zwischen der Rakelwange (30; 130) und der Eingriffsfläche (12a) des Transportmittels (12) ein Spalt (32) gebildet ist,
K3) der zwischen Rakelwange (30) und Eingriffsfläche (12a) des Transportmittels (12) in Bewegungsrichtung des Transportmittels (12) größer wird.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einsprechende) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Neuheit gegenüber D1
Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung seien auch die Merkmale K2 und K3 in der D1 offenbart.
Merkmal K2 ergebe sich aufgrund des nur zeitweiligen Kontakts der Schaber 23, 29 mit der Mantelfläche (= Eingriffsfläche) der Walzen 20, 25, 27 (Figur 1 mit Spalte 5, Zeilen 4-7, 20-23, 46-51). Anspruch 1 beanspruche keinen permanenten Spalt.
Der Spalt vergrößere sich durch das zunehmende Abheben des Schabers beim Außer-Kontakt-treten (Beschwerdebegründung, Seite 5, vorletzter Absatz). Somit sei auch Merkmal K3 offenbart.
In der mündlichen Verhandlung wurde zusätzlich das im Einspruchsverfahren vorgebrachte Argument (Entscheidung, Seite 4, zweiter Absatz) wiederholt, dass Merkmal K3 durch die dreieckige Form der Schaber 23, 29 in Figur 1 offenbart sei. Die Schaber seien systematisch derart schräg angestellt, dass sich entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung ein in Bewegungsrichtung des Transportmittels (Walzen 20a, 20b, 25a, 25b, 27a, 27b) größer werdender Spalt ergebe.
Neuheit gegenüber D2
Entgegen der Entscheidung (Punkt 13.1.2) der Einspruchsabteilung sei der als Rakelwange anzusehende Schaber 27 in der D2, Figur 2, implizit mit einem Spalt zum Transportmittel 3 angeordnet. Gemäß Absatz [0019] der D2 würden an den Bauteilen der Vorrichtung hängengebliebene Fasern gelöst, "indem Druckluft in Form eines Druckluftstroms 31 auf das Strangmaterial gerichtet wird [...]. Die Druckluft kann hierbei zum einen auf den Einlauffinger 7 bzw. den Schaber 27 oder die Abstreifkante 26 gerichtet sein und/oder auf den Saugstrangförderer 3." Dieser Druckluftstrom 31 streife gemäß Absatz [0020] und Figur 2 "an der Oberseite der Abstreifkante 26 etwaige gebildete Fasern des Strangmaterials ab und bringt diese wieder zum Strang."
Das Zurückbringen der Fasern sei nur möglich, wenn ein Spalt zwischen der Abstreifkante 26 und dem Saugförderer 3 ausgebildet sei. Merkmal K2 sei folglich offenbart.
Merkmal K3 sei der Figur 2 klar zu entnehmen (Beschwerdebegründung, Seite 7, oben). Der Spalt zwischen dem mit 27 gekennzeichneten Schaber und der entsprechend gegenüberliegenden Fläche des Saugstrangförderers 3 vergrößere sich in Bewegungsrichtung (Richtung von Pfeil 11) des Transportmittels 3.
Der Schaber 27 liege wie in Merkmal K1 definiert außerhalb des Bewegungsweges des Filtertows, da er an der Oberfläche, d.h. der vom Filtertow entgegengesetzten Seite des Einlauffingers 24 angeordnet sei. Auch sei der Figur 2 zu entnehmen, dass der Saugstrangförderer weiter nach unten reicht als das Einlaufende 24. Im Bereich der Abstreifkante 26 gelange das Filtertow daher nicht in Kontakt mit dem Einlauffinger. Erst weiter links am Einlauffinger 24 in Figur 2 werde ein Kontakt hergestellt. Dies ergebe sich auch dadurch, dass der Strang durch den Saugstrangförderer 3 stark komprimiert werde (D2, Spalte 4, Zeilen 50 bis 53).
Zulassung von D6/ Neuheit gegenüber D6
D6 sei als Reaktion auf die überraschenden Entscheidung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der D2 in das Verfahren zuzulassen. D6 widerlege die fälschliche Annahme der Einspruchsabteilung, dass D2 keinen Spalt zwischen der Abstreifkante 26 und dem Transportmittel 3 offenbare.
D6 zeige den gleichen Maschinentyp wie die D2. Die Passagen "very close" (D6, Spalte 3, Zeile 57), "in immediate proximity" (D6, Spalte 5, Zeile 27) und "as closely as possible" (D6, Spalte 6, Zeile 9) offenbarten eindeutig die Ausbildung eines Spaltes gemäß Merkmal K2 zwischen dem Führungsfinger 45 und dem Transportmittel 21, das an der Walze 22 umgelenkt werde.
Die Ausformung des Spaltes gemäß Merkmal K3 sei der Figur 2 durch die der Walze 22 gegenüberliegenden Krümmung des Führungsfingers realisiert.
Bei Betrachtung des Führungsfingers 45 (Figur 3A) sei lediglich der vordere, gekrümmte Bereich der Rakelwange zuzuordnen. Der gekrümmte Bereich stehe nicht in Kontakt mit dem Strang und liege somit außerhalb des Bewegungsweges des Strangs. Der Strang laufe, wie in Figur 2 dargestellt, an der Unterseite des Führungsfingers 45 entlang. Eine derartige Auslegung sei gerechtfertigt, da der Begriff "Rakelwange" kein fachüblicher Begriff sei. Außerdem werde wie in D2 auch in D6 der Strang derart vorkomprimiert (Spalte 5, Zeile 66 bis Spalte 6, Zeile 7), dass er kontaktlos an der vorderen Kante vorbeilaufe.
Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergebe sich auf naheliegende Weise aus D1 mit Fachwissen, mit D2 oder mit D6 sowie ausgehend von D2 mit D6.
Ausgehend von D1 unterscheide sich Anspruch 1 lediglich durch Merkmal K3. Die Aufgabe sei darin zu sehen, eine spezifische Ausführung für den nur schematisch dargestellten Scraper 23, 29 zu finden, wobei das Reinigen der Eingriffsfläche ohne Behinderung des Transportmittels und mit geringem Verschleiß erfolgen soll (Beschwerdebegründung, Seite 10, Zeilen 3-4).
Zur Kombination von D1 mit Fachwissen sei schriftlich dahingehend vorgetragen worden, dass der Fachmann aus der Darstellung der Scraper 23, 29 in Figur 1 der D1 implizit erkenne, dass diese mit einem sich vergrößernden Spalt gemäß Merkmal K3 angeordnet seien.
Die Fortführung dieser Argumentation dahingehend, dass dem Fachmann auf der Suche nach einer spezifischen Ausführung der Scraper 23, 29 entsprechend nahegelegt werde, eine eben solche zu wählen, bei der sich der Spalt zwischen Rakelwange und Eingriffsfläche des Transportmittels in Bewegungsrichtung des Transportmittels vergrößere, könne nicht als Änderung des Beschwerdevorbringens gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 angesehen werden. Allein durch Anwendung des allgemeinen Fachwissens gelange der Fachmann bereits zum beanspruchten Gegenstand.
Sollte der Fachmann trotz der bereits ausreichenden Hinweise aus D1 weitere Anregungen zur Ausgestaltung der Rakelwange benötigen, würde er die D2, die sich ebenfalls (siehe Absatz [0021]) auf die Verarbeitung von Filtertow beziehe, oder die D6 heranziehen. Der in D2 offenbarte Schaber 27 (Figur 2) oder der in D6 dargestellte Führungsfinger 45 (Figur 3A) zeige die in D1 angedeutete Dreiecksform mit dem Merkmal K3, die der Fachmann zur Lösung der Aufgabe übernehmen würde.
Weiterhin lerne der Fachmann aus der D2 und der D6, einen permanenten Spalt gemäß Merkmal K2 auszubilden, um den Verschleiß zu reduzieren.
Ausgehend von D2 unterscheide sich Anspruch 1 aus Sicht der Einspruchsabteilung durch die Ausbildung eines Spaltes gemäß den Merkmalen K2 und K3. Wie in Bezug zur Neuheit zu D6 bereits vorgetragen, werde darin eindeutig die Ausbildung eines Spaltes offenbart. Dass dieser dann gemäß Merkmal K3 gestaltet ist, ergebe sich sowohl aus der D2 als auch aus der D6.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Neuheit gegenüber D1
Der Anspruch sei derart formuliert ("ist ein Spalt gebildet"), dass der Spalt im Betrieb dauerhaft vorhanden sein müsse. Anderenfalls hätte der Wortlaut "bildbar" sein müssen. Daher sei weder Merkmal K2 noch Merkmal K3 offenbart.
Weiterhin sei der Begründung der Einspruchsabteilung (Entscheidung, Punkt 13.1.1) zu folgen, dass der schematischen Figur 1 weder ein Spalt zwischen dem Scraper 23, 29 und dem Transportmittel 20, 25, 27, noch dessen etwaige Ausformung zu entnehmen sei.
Neuheit gegenüber D2
Die Merkmale K2 und K3 seien nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. D2 lasse das Anordnen eines Spalts völlig offen. Die Begründung der Einspruchsabteilung, dass der Fachmann auch alternative Ausgestaltungen für das Zurückbringen der Fasern kenne, sei schlüssig. Folglich sei ein Spalt für die Funktion der Druckluft nicht unbedingt notwendig.
Auch liege die Abstreifkante 26 nicht außerhalb des Bewegungsweges des Filtertows. In Spalte 1, Zeilen 25 bis 30, und Absatz [0019] werde eindeutig beschrieben, dass die Abstreifkante 26 dazu diene, den Tabakstrang vom Saugstrangfördererband abzukratzen, bzw. "das Fasermaterial von dem Saugstrangförderer 3 abzulösen".
Das Referenzzeichen 27 beziehe sich gemäß der Figur 1 auf die gesamte Baugruppe des Schabers, nicht auf den in Figur 2 gezeigten kurzen Oberflächenbereich der Abstreifkante 26. Dieser Bereich werde in D2 nicht thematisiert.
Zulassung von D6/ Neuheit gegenüber D6
D6 sei nicht prima facie relevant. Wie in D2 seien auch in D6 (Spalte 3, Zeilen 54-57 und Spalte 5, Zeilen 19-21) die Merkmale K1 bis K3 nicht offenbart.
Insbesondere liege der in Figur 1 gezeigte Schuh 23 bzw. der in Figur 2 gezeigte Führungsfinger 45 im Bewegungsweg des Tabakstrangs 31 (Erwiderung der Patentinhaberin, Seite 9, Punkt 2.3.4).
Erfinderische Tätigkeit
Der Angriff D1 mit Fachwissen sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden und stelle eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar. Gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 sei der Angriff ohne das Vorbringen von stichhaltigen Gründen für das späte Vorbringen nicht zuzulassen.
D1 könne als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, da es sich bei dem "Tow processing device 2" um eine ähnliche Strangfördervorrichtung wie im Streitpatent handele. Der Fachmann würde D1 jedoch nicht mit D2 oder D6 kombinieren, da sich die offenbarten Schaber an völlig anderen Stellen im Herstellungsprozess befänden (Erwiderung, Punkte 4.3.3). Aus dem selben Grund sei D2 auch nicht als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.
Die Kombination von D1 mit D2 oder D6 basiere alleine daher schon auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
Aus den Unterscheidungsmerkmalen K2 und K3 ergebe sich die Aufgabe, ein Reinigen der Eingriffsfläche zu ermöglichen, ohne die Transportmittel zu behindern und den Verschleiß von Schaber und Transportmittel zu verringern. Dies sei auch von der Einspruchabteilung so gesehen worden (Erwiderung, Seite 20, Punkt 4.2, Entscheidung der Einspruchsabteilung, Punkt 14.2).
Die D6 beschäftige sich nicht mit der gestellten Aufgabe, sondern richte sich auf eine Verbesserung der Führung und Formung des Tabakstrangs. Hierfür schlägt die D6 einen neuen Führungsfinger 45 vor, der wie in Figur 1 der D6 oder der D2 im Bewegungsweg des Tabakstrangs liege. Da der Fachmann keine Lösung zu der gestellten Aufgabe entnehmen könne, würde er D6 nicht heranziehen.
Selbst wenn der Fachmann D1 mit D2 oder D6 kombinieren würde, lehre die D2 oder die D6 den Schaber nicht intermittierend, d.h. ohne Spalt, anzuordnen. Auch sei der Schaber der D2 (und der D6) für die Fördervorrichtung der D1 nicht brauchbar. Der Fachmann müsse in der D1 mehrere der Schaber der D2 bzw. der D6 nebeneinander anordnen. Die Breite des Filtertows im Bereich der Walzen 20, 25 und 27, und damit auch die Breite der Walzen selbst, sei in der Fördervorrichtung der D1 viel größer als in den Strangformungsmaschinen der D2 oder der D6. Zusätzlich enthalte weder D2 noch D6 eine Anregung, den Schaber bzw. Führungsfinger außerhalb des Bewegungswegs anzuordnen.
1. Neuheit gegenüber D1
1.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass Anspruch 1 neu gegenüber D1 ist, da zumindest Merkmal K3 nicht offenbart ist.
1.2 Umstritten sind die Merkmale K2 und K3. Die Beantwortung der Frage, ob der Anspruchswortlaut einen permanenten Spalt fordert oder ob das Merkmal K2 auch in einem nur zeitweilig auftretenden Spalt (z.B. Spalte 5, Zeilen 4-7) zu lesen ist, kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechende) folgen würde und der in D1 offenbarte, zeitweilige Spalt zwischen den Scraper 23, 29 und den entsprechenden Walzen 20, 25, 27 als Spalt gemäß Merkmal K2 angesehen würde, fehlt es der D1 - wie von der Einspruchsabteilung festgestellt - an Details zur Ausgestaltung des Scrapers, aus denen das Merkmal K3 eindeutig und unmittelbar entnommen werden könnte.
1.3 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stellt das zunehmende Abheben der Scraper 23, 29 beim Außer- Kontakt-treten keine Spaltvergrößerung in Bewegungsrichtung des Transportmittels dar. Der Spalt würde sich allenfalls in etwa senkrecht zur Bewegungsrichtung vergrößern.
1.4 Auch die dreieckige Darstellung der Scraper 23, 29 in der schematischen Figur 1 erlaubt weder einen Rückschluss auf die Offenbarung des Merkmals K3 noch auf die Ausgestaltung des Scrapers an sich, aus der auf Merkmal K3 geschlossen werden könnte.
2. Neuheit gegenüber D2
2.1 Anspruch 1 ist neu gegenüber D2, da zumindest das Merkmal K1 nicht offenbart ist. Ob der D2 tatsächlich ein anspruchsgemäßer Spalt zu entnehmen ist, kann somit dahingestellt bleiben.
2.2 In D2 wird gemäß der Absätze [0017, 0018] der Strang, z.B. aus Tabakfasern oder Filterfasern (Absatz [0021]), von einem Führungskanal 9 in einen Strangführungskanal 22 übergeben (vgl. Figur 1). Gemäß Absatz [0017] ist "als weiteres Strangführungsmittel der Einlauffinger 7 mit einem Schaber 27 angeordnet, der zusammen mit der Strangführungsfläche 12 des Formatbettes 6 eine den Faserstrang 40, [...], weiter komprimierende und formende Strangführung bildet." Folglich befindet sich der Einlauffinger 7, "dessen Unterseite als Strangführungsfläche 21 ausgebildet ist und in Einbauposition des Schabers der Strangführungsfläche 12 des Formatbettes 6 gegenüberliegt, so dass beide Strangführungsflächen 12 und 21 einen Strangführungskanal 22 einschließen" (Fig. 1), mit der am Einlaufende 24 angeordneten Abstreifkante 26, entgegen Merkmal K1 im Bewegungsweg des Faserstrangs. Der Schaber 27 dient an seiner Abstreifkante nicht nur dem Lösen des Materials im Übergang vom Saugstrangförderer zur Formatvorrichtung sondern auch der Strangführung und -formung. Aufgrund dieser Lehre in Zusammenschau mit den Figuren 1, 2 und 4 entnimmt der Fachmann unmittelbar, dass der Schaber 27 mit seiner Abstreifkante 26 im Bewegungsweg des Filtertows anzuordnen ist.
2.3 Die Argumente der Beschwerdeführerin (Einsprechende), dass der Strang aufgrund der in Absatz [0017] beschriebenen starken Kompression im Bereich des Saugstrangförderers und der tiefer liegenden Anordnung des Saugstrangförderers 3 im Übergabebereich gar nicht in Kontakt mit der Abstreifkante 26 käme, und somit wie in Merkmal K1 gefordert, außerhalb der Bewegungsrichtung des Filtertows läge, ist rein spekulativ und im Lichte der Gesamtoffenbarung nicht plausibel.
2.4 Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin (Einsprechende) sieht die Kammer nicht nur die in Figur 2 markierte Oberfläche der Abstreifkante 26 als Rakelwange an. Die Rakelwange dient gemäß Merkmal K1 dazu, an der Eingriffsfläche anhaftende Teile des Filtertows zu entfernen. Diese Funktion wird in der D2, Absatz [0019], eindeutig der Abstreifkante 26 selbst zugeordnet, nicht einer dem Strang abgewandten Oberfläche der Abstreifkante, die in D2 tatsächlich nicht weiter beschrieben ist.
3. Neuheit gegenüber D6
3.1 Anspruch 1 ist neu gegenüber D6, da wie in D2 zumindest das Merkmal K1 nicht offenbart ist. Die Frage, ob D6 in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden sollte, sowie die Frage der Offenbarung eines Spaltes gemäß der ebenfalls umstrittenen Merkmale K2 und K3 können daher unbeantwortet bleiben.
3.2 Das für D2 bzgl. Merkmal K1 Gesagte gilt im Wesentlichen auch für D6. Der in Figur 1 gezeigte Schuh 23 genauso wie der in Figur 2 gezeigte Führungsfinger 45 liegen entgegen Merkmal K1 im Bewegungsweg des Tabakstranges 31. Der Führungsfinger 45 dient wie der Schaber in D2 nicht nur dem Ablösen des Strangs (D6, Spalte 3, Zeile 57, 58: "in order to detach rod 31 from the band" mit Spalte 5, Zeilen 19-21), sondern auch dem Führen und Formen des Strangs (Figuren 3A, 3B mit Spalte 5, Zeilen 52-66). Der Fachmann entnimmt folglich entsprechend der D2 auch der D6 die Lehre, dass der Führungsfinger zur Ausführung seiner Funktion im Bewegungsweg des Strangs anzuordnen ist.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der erteilte Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt. Die Frage, ob D6 in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden sollte, kann auch in der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit unbeantwortet bleiben.
4.2 D1 mit D2 oder D6
4.2.1 Anspruch 1 unterscheidet sich von der aus D1 bekannt gewordenen Vorrichtung zumindest durch das Merkmal K3. Die zu lösende Aufgabe wird unbestritten darin gesehen, ein Reinigen der Eingriffsfläche zu ermöglichen, ohne die Transportmittel zu behindern und den Verschleiß von Schaber und Transportmittel zu verringern (Beschwerdebegründung, Seite 10, Zeilen 3-4, Erwiderung, Seite 20, Punkt 4.2).
4.2.2 Die Kombination von D1 mit D2 oder D6 ist nicht naheliegend.
Wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen, betreffen D2 und D6 keine Vorrichtungen, die der in D1 (Figur 1) mit "2: Tow processing device" bezeichneten Vorrichtung entsprechen. Vielmehr sind die in D2 und D6 offenbarten Vorrichtungen dem Bereich zuzuordnen, der in D1 mit "4: Rod-forming device" bezeichnet wird (vgl. D1, Absätze [0022, 0030, 0033, 0034], D2, Absatz [0018] und D6, Spalte 4, Zeilen 9-15, 51-57, Spalte 5, Zeilen 52-57).
D2 und D6 betreffen folglich Vorrichtungen, in denen ein Tow zu einem Stab geformt und mit Hüllmaterial (Papier) umhüllt wird. Dies erfolgt in D1 im "Rod-forming device", mit Übergabe des Strangs S an dem "Trumpet guide 31" und der anschließenden "Wrapping section 32" (D1, Absätze [0033, 0034]).
4.2.3 Daraus folgend hat der in D2 bzw. D6 offenbarten Schaber bzw. Führungsfinger nicht nur die Funktion des Ablösen eines bereits vorkomprimierten und vorgeformten Strangs von einem Saugförderer, sondern auch die Funktion des Führens und des Formens des Strangs zu einer zylindrischen Zigarette. Hierfür ist eine Anordnung des Schaber bzw. Führungsfingers im Bewegungsweg des Strangs technisch erforderlich.
Aufgrund ihrer Mehrfachfunktion erhält der Fachmann weder aus der D2 noch aus der D6 den Hinweis, dass der Schaber bzw. Führungsfinger außerhalb des Bewegungswegs angeordnet werden könnte. Daher ist die Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechende), dass der Fachmann den Schaber aus D1 mit dem Schaber aus D2 oder dem Führungsfinder aus D6 in seiner Gesamtheit ersetzen würde, nicht überzeugend.
4.2.4 Selbst wenn der Fachmann die D1 mit D2 oder D6 kombinieren würde, enthält weder die D2 noch die D6 einen Hinweis zur Lösung der gestellten Aufgabe. Der Fachmann erhält auch keinen Hinweis darauf, welche gesonderten Merkmale des Schabers aus D2 bzw. Führungsfingers aus D6 auf den Scraper 23, 29 der D1 zur Lösung der Aufgabe zu übertragen sind. Lediglich die Merkmale zu übernehmen, die zum beanspruchten Gegenstand führen, beruht auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
4.2.5 Die D2 lehrt dem Fachmann zur Entfernung von Faserresten am Saugstrangförderer außerhalb des Bewegungsweges des Filtertows Druckluft vorzusehen (Spalte 5, Zeilen 30-44). Die Druckluft scheint somit eine Alternative zu dem in D1 offenbarten Schaber 23, 29 darzustellen (D1, Spalte 5, Zeilen 20-23). Würde der Fachmann D1 mit der D2 kombinieren, würde er folglich zur Lösung der Aufgabe die in D2 gelehrte Druckluft einsetzten, sei es als Ersatz für oder zusätzlich zu den Schabern 23, 29. Zum beanspruchten Gegenstand gelangt er jedoch nicht.
4.3 D2 mit D6
4.3.1 D2 ist ein weniger vielversprechender Ausgangspunkt als D1, da lediglich D1 eine Art Rakelwange außerhalb des Bewegungsweges des Filtertows offenbart.
4.3.2 Selbst wenn der Fachmann von D2 ausgehen würde, gelangt er nicht zur beanspruchten Vorrichtung, da weder in D2 noch in D6 eine Rakelwange außerhalb des Bewegungswegs des Filtertows bzw. des Tabakstrangs angeordnet ist (vgl. Punkte 2 und 3 dieser Entscheidung).
5. Artikel 13(2) VOBK 2020
5.1 Der erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Kombination von D1 mit Fachwissen wurde nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen. Der Angriff D1 mit Fachwissen stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar. Entgegen den Erfordernissen des Artikels 13(2) VOBK 2020 brachte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) keine stichhaltigen Gründe zum Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen vor, die das späte Vorbringen rechtfertigen könnten.
5.2 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Angriff D1 mit Fachwissen bereits implizit im Neuheitsangriff enthalten sei, ist nicht überzeugend, u.a. weil schriftlich nicht diskutiert wurde, was bei diesem Angriff als allgemeines Fachwissen anzusehen ist.
Weiterhin beschränkt sich die Beschwerdebegründung (Seite 5, unten) in ihrem Neuheitsangriff bzgl. der Offenbarung des Merkmals K3 in der D1 auf den zunehmenden Abstand des Scrapers vom Transportmittel, wenn dieser zeitweise außer Kontakt gebracht wird.
Dass Merkmal K3 auch in der Dreiecksform der Scraper 23, 27 in Figur 1 der D1 zu sehen sei, worauf der Angriff D1 mit Fachwissen aufgebaut wurde, wurde - wie der Angriff selbst - erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.