T 2882/19 31-03-2022
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STRASSENFERTIGER
Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte form - und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher das europäische Patent Nr. 2 822 711 unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen aufrechterhalten wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf alle Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) bis c) EPÜ.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 6. September 2021 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen sein dürfte.
IV. Die Beschwerdeführerin reagierte inhaltlich auf die Mitteilung der Kammer mit Schriftsatz datiert auf den 10. November 2021.
V. Am 31. März 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen. Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
den vollständigen Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 822 711.
VII. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte zuletzt
die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen (Hilfsantrag 1 im Einspruchsverfahren und Hauptantrag im Beschwerdeverfahren).
VIII. In dieser Entscheidung werden die folgenden Dokumente erwähnt:
D1: EP 843 044 A1;
D7: US 6 079 901.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Straßenfertiger mit einem einen Führerstand (1) tragenden Chassis (2), einem Fahrwerk (3), mindestens einem Antriebsaggregat (4), einem Hydrauliksystem, einer Bohle (5), einer Asphaltzufuhranordnung umfassend einen Vorratsbunker (6) und eine aus dem Vorratsbunker (6) zu einem Querverteiler (7) fördernde Längsfördervorrichtung (8), und mit einer Gebläse betriebenen Dampfabsaugung (10) mit mindestens einem Luftstromweg (X), dessen Abzugsleitung (11) eine Ansaugöffnung (12) oberhalb des Querverteilers (7) und eine Auslassöffnung (18) in einer Höhe oberhalb des Führerstands (1) aufweist, und das Gebläse (13) im Bereich der Ansaugöffnung (12) der Abzugsleitung (11) des mindestens einen Luftstromweges (X) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Ansaugöffnung (12) der Abzugsleitung (11) die Ansaugöffnung der Dampfabsaugung (10) bildet, das Gebläse (13) einen Ansaugstutzen aufweist, der frei im Raum stehend eine Ansaugfläche als Ansaugöffnung (12) bildet und das Gebläse (13) eingangsseitig der Abzugsleitung (11) im Bereich der Ansaugöffnung (12) angeordnet ist."
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Verfahrensaspekte
Das vorliegende Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
2. Ursprüngliche Offenbarung von Anspruch 1 -
(Artikel 100 c) und 123 EPÜ)
2.1 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinausgeht. Dies begründete die Einspruchsabteilung in Punkt 11.2.3 der Entscheidungsgründe damit, dass der ursprünglichen Offenbarung auf Seite 5, letzter Absatz, zu entnehmen ist, dass die Ansaugöffnung 12 vom Ende der Abzugsleitung 11 zum Ende des Ansaugstutzens verschoben ist. Das entspricht dem in Punkt 10. der Entscheidungsgründe dargelegtem Verständnis von Anspruch 1, wonach dieser dahingehend zu lesen ist, dass es eine einzige Ansaugöffnung gibt, welche die als erste auf dem Luftstromweg der Dampfabsaugung auftretende Öffnung darstellt.
2.2 Die Beschwerdeführerin wendete dagegen ein, dass aus dem Merkmal M1.5b, nämlich dass das Gebläse einen Ansaugstutzen aufweist
"der frei im Raum stehend eine Ansaugfläche als Ansaugöffnung (12) bildet",
hervorgehe, dass die Ansaugfläche des Ansaugstutzens eine unbestimmte Ansaugöffnung sei, welche nicht unbedingt der einzigen, zuerst auftretenden Ansaugöffnung der Dampfabsaugung entspreche, so dass Anspruch 1 auch Lösungen mit mehreren zuerst entlang des Luftstromwegs X auftretenden Ausgangsöffnungen umfasse, was ursprünglich nicht offenbart sei (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 11, erster Absatz).
2.3 Die Beschwerdeführerin räumte jedoch ein, dass sowohl das Merkmal M1.15a, nämlich dass
"das Gebläse (13) einen Ansaugstutzen aufweist"
als auch das Merkmal M1.15b dem ursprünglich eingereichten Anspruch 4 und der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 5, letzter Absatz, zu entnehmen ist (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 6, letzter Absatz). Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von Anspruch 4 der ursprünglichen Unterlagen durch das Merkmal M1.14 und das Merkmal M1.16, nämlich dass
"das Gebläse (13) eingangseitig der Abzugsleitung (11) im Bereich der Ansaugöffnung (12) angeordnet ist".
2.4 Die Offenbarung des Merkmals M1.16 in den ursprünglichen Unterlagen wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
2.5 Offen ist damit allein die Frage, ob das Merkmal 1.14 dem Fachmann in Kombination mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag den ursprünglichen Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
2.6 Es kann dahingestellt bleiben, dass das Merkmal M1.14, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, dem Anspruch 1 "in freier Formulierung" hinzugefügt wurde. Jedenfalls hatte sich die Einspruchsabteilung, wie oben in Punkt 2.1 dargestellt, in den Entscheidungsgründen zur Offenbarung des Merkmals M1.14 ausführlich und in begründeter Weise geäußert. Die dazu dargelegten Erwägungen der Einspruchsabteilung werden von der Beschwerdegegnerin weder bestritten, noch geht sie auf diese ein.
2.7 Soweit die Beschwerdeführerin nunmehr vorträgt, dass das Merkmal M1.14 nicht konform mit dem Merkmal M1.15b sei, da die in Merkmal 1.15b mittels der Ansaugfläche des Ansaugstutzens gebildete Ansaugöffnung 12 nicht zwingend der einzigen, zuerst entlang des Luftstromweges X auftretenden Ansaugöffnung der Abzugsleitung 11 entspreche, sondern auch als gesonderte Ansaugöffnung, ggf. mit unterschiedlicher Geometrie bzw. Öffnungsfläche vorliegen könne (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 11, Absatz 2), ist für die Kammer nicht erkennbar, wie sich aus dieser Aufführung ergäbe, dass das Merkmal M1.14 in den ursprünglichen Unterlagen nicht in Kombination mit den anderen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag offenbart gewesen sein sollte.
2.8 Der von der Beschwerdeführerin schriftlich vorgelegte (Schriftsatz vom 10. November 2021, Seiten 1 und 2) und im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ergänzte Vortrag, dass sich aufgrund der Formulierung und der sprachlichen Struktur des Merkmals M1.15b nicht ableiten lasse, dass eine durch die Formulierung in Merkmal M1.15b definierte Ansaugöffnung die im Merkmal M1.14 definierte Ansaugöffnung bildet, erweitert das im vorherigen schriftlichen Verfahren vorgebrachte Argument der Beschwerdeführerin um einen grammatikalischen Aspekt, lässt aber immer noch offen, weshalb die begründete Feststellung der Einspruchsabteilung zur eindeutigen und zweifelsfreien Offenbarung des Merkmals M1.14 mit den damit verbundnen Merkmalen in der ursprünglichen Offenbarung fehlerhaft gewesen wäre.
2.9 Die Kammer vermag im übrigen auch keinen Widerspruch zwischen den genannten Merkmalen erkennen, vielmehr beschränkt das Merkmal M1.14 nach Überzeugung der Kammer lediglich den Inhalt des Merkmals M1.15b.
2.10 Die Kammer gelangt folglich zu der Überzeugung, dass keiner von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einwände geeignet ist, ausreichend darzulegen, dass die Feststellung der Einspruchsabteilung unrichtig gewesen wäre, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.
3. Hauptantrag - Artikel 100 a) und 54 EPÜ -
Neuheit
3.1 Die Einspruchsabteilung hat in Punkt 11.3.3 der Entscheidungsgründe festgestellt, dass das Dokument D1 nicht das Merkmal M1.5b offenbart, nämlich dass das Gebläse (13) einen Ansaugstutzen aufweist,
"der frei im Raum stehend eine Ansaugfläche als Ansaugöffnung bildet".
Sie begründet dies insbesondere damit, dass das zwischen dem Saug-Blas-Aggregat 12 und der Abdeckung 11 gezeigte kurze Rohrstück durch die Verbindung mit der an ihrem unteren Ende angeordneten "zumindest nach oben abdeckenden Anordnung" nicht als "frei im Raum stehender Ansaugstutzen" angesehen werden kann, wie es das Merkmal M1.15b verlangt (vgl. angefochtene Entscheidung, Seiten 14 und 15, übergreifender Absatz).
3.2 Die Beschwerdeführerin wendete sich gegen diese Feststellung (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 12, Absatz 2) und bemängelte, dass die Einspruchsabteilung in unzutreffender Weise den Ansaugstutzen des Merkmals M1.15b mit einem in Figur 1 gezeigten Rohrstummel identifiziere und dabei den am Boden des Saug-Blas-Aggregats 12 vorhandenen weiteren Ansaugstutzen übersehen habe, durch dessen "frei" dem Scheckenraum zugewandter Ansaugöffnung 6' abgesaugt werde. Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die Ansaugöffnung des Ansaugstutzens frei in den Raum gerichtet sei und dass weiterhin der Ansaugstutzen nicht als Stummelstutzen zu verstehen sei (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 15, Absätze 1 bis 3). Dabei verwies sie insbesondere darauf, dass das im Merkmal M1.15b genannte Attribut "frei stehend" zur genaueren Beschreibung der Ansaugfläche und zumindest nicht nur zu Beschreibung des Ansaugstutzens geeignet sei (vgl. Schriftsatz datiert auf den 10. November 2021, Seite 3, Absatz 2).
3.3 Im Ergebnis geht die Beschwerdeführerin bei ihrer Argumentation davon aus, dass die Einspruchsabteilung ihrer Feststellung eine fehlerhafte Auslegung des Merkmals M 1.15b zugrundegelegt habe. Die Kammer ist von einer solchen fehlerhaften Auslegung jedoch nicht überzeugt, denn der Wortlaut des Merkmals M1.15b ist eindeutig und kann nicht anders verstanden werden, als von der Einspruchsabteilung dargestellt, jedenfalls nicht im Sinne eines Ansaugstutzens, der eine frei im Raum stehende Ansaugfläche als Ansaugöffnung bildet, wie von der Beschwerdeführerin behauptet.
3.4 Die Beschwerdeführerin legte weiter nicht dar, woraus sich ergäbe, dass der von der Beschwerdeführerin in der Figur 1 des Dokuments D1 identifizierte Ansaugstutzen des Saug-Blas-Aggregats 12, an dessen öffnungsseitigen Ende die nach abdeckende Anordnung 11 vorgesehen ist, "frei im Raum stehend" wäre, wie es das Merkmal M1.15b fordert.
3.5 Im Ergebnis kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin die Kammer nicht davon überzeugen, dass die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Lehre des Dokuments D1 (Artikel 54 EPÜ) fehlerhaft gewesen wären.
4. Hauptantrag - Artikel 100 a) und 56 EPÜ -
erfinderische Tätigkeit
4.1 Ausgehend von D1
4.1.1 Die Beschwerdeführerin rügte eine Fehlbewertung der Einspruchsabteilung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgehend von der Lehre des Dokuments D1. Wenn man wie die Einspruchsabteilung davon ausginge, dass das Merkmal M1.15b das unterscheidende Merkmal zwischen den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und der in Dokument D1 offenbarten technischen Lehre sei, dann bestehe die objektive technische Aufgabe nicht darin, eine Ablagerung von Partikeln aus den abgesaugten Dämpfen weitgehend zu vermeiden, wie es die Einspruchsabteilung in Punkt 12.3.4, dritter Absatz, festgestellt hat. Vielmehr sei die objektive technische Aufgabe darin zu sehen, an der Vorrichtung aus Dokument D1 bauliche Maßnahmen zu tätigen, die das Mitreißen von Umgebungsluft bzw. Begleitluft besser ermöglichen (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 18, Absätze 1 bis 3).
4.1.2 Es ist jedoch unerheblich, ob, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, Umgebungsluft bei sämtlichen Ausführungen in Dokument D1 Zugang zum Schneckenraum fände und unvermeidbar zusammen mit den Emissionen abgesaugt würde (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 17, letzter Absatz), denn dies ergäbe sich dann immer noch nur als Konsequenz der in Dokument D1 dargestellten Ausführungsformen des Straßenfertigers. Es bleibt hingegen weiterhin offen, an welcher Stelle sich die technische Lehre des Dokuments D1 für den Fachmann erkennbar mit dem Effekt des (ob erwünschten oder hingenommenen) Mitreißens von Umgebungsluft beschäftigt, so dass er eine Veranlassung hätte, die in Dokument D1 offenbarte Vorrichtung zu verändern.
4.1.3 Das von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erstmalig unter Hinweis auf die Offenbarung der Seite 6, letzte Zeile, bis Seite 7, Zeile 3, vorgebrachte Argument, der Fachmann habe durch den Aspekt der Vermeidung einer Einschränkung im Sichtbereich des Maschinenführers eine Veranlassung zur Abänderung der in Dokument D1 offenbarten Vorrichtung gehabt, stellt entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin keine bloße Ergänzung ihres Vortrages aus der Beschwerdebegründung auf Seite 18, vorletzter Absatz, bis Seite 19, erster Absatz, dar. In dem ursprünglichen Vortrag der Beschwerdebegründung wird weder auf die angeführte Passage aus dem Dokument D1 noch auf den Aspekt der Einschränkung eines Sichtbereichs des Maschinenführers Bezug genommen, noch ist erkennbar, in welchem Zusammenhang ein Hinweis auf eine minimalistische Ausgestaltung der Anordnung 11, die in der angeführten Passage der Beschwerdebegründung thematisiert ist, mit einer Vermeidung einer Sichtbeschränkung stünde. Die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argumentationslinie ist daher eine Änderung des Beschwerdevorbringens, dessen Zulassung den Voraussetzungen des Artikels 13 (2) VOBK 2020 unterliegt.
4.1.4 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass sich diese Änderung ihres Vorbringens als Reaktion auf die Diskussion zur Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber dem Dokument D1 ergeben hätte. Jedoch zeigte sie dabei weder auf, welche Aspekte in der Neuheitsdiskussion eine solche Reaktion veranlasst hätte, noch ist objektiv erkennbar, dass im Verlauf der Diskussion der Neuheit im Beschwerdeverfahren zusätzliche, neue Aspekte aufgekommen wären, die nicht bereits Teil der Diskussion im Einspruchsverfahren oder in den verfahrensbegründenden Schriftsätzen, d.h. der Beschwerdebegründung oder in der Beschwerdeerwiderung, vorgetragen waren. Es bestehen daher keine außergewöhnlichen Umstände, die eine Zulassung des geänderten Vorbringens rechtfertigten, und das unter Hinweis auf die Offenbarung der Seite 6, letzte Zeile, bis Seite 7, Zeile 3, vorgebrachte Argument ist daher gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht ins Verfahren zuzulassen.
4.1.5 Die Beschwerdeführerin hat damit nicht ausreichend darlegen können, dass die in Punkt 12.3.4, Absatz 8, der Entscheidungsgründe getroffene Feststellung fehlerhaft wäre, dass der Fachmann ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments D1 keine Veranlassung hatte, die in Dokument D1 auf der nach oben abdeckenden Anordnung 11 beruhende Anordnung abzuändern.
4.1.6 Auch soweit die Beschwerdeführerin vortrug, dass sich das Merkmal M1.15b dem Dokument D7 entnehmen ließe (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 19, Absatz 3, bis Seite 20, Absatz 2), bleibt weiter nicht erkennbar, weshalb der Fachmann die technische Lehre des Dokuments D1 verändern würde.
4.1.7 Das von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, dass der Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse über den Wirkungsgrad einer Dampfabsagung und der Lehre der Figur 3 des Dokuments D7, sowie in der dazugehörigen Beschreibung des Dokuments D7, Spalte 5, Zeilen 51 bis 59, in der an dem Sammelkollektor ("collector manifold 102") des Abluftkamins ("fume exhaust assembly 98") keine Abdeckplatte gezeigt ist, veranlasst gewesen wäre, die Lehre des Dokuments D1 abzuändern, kann jedenfalls nicht überzeugen. Die Offenbarung des Dokuments D7 enthält keine technische Lehre zu der Ausgestaltung des Sammelkollektors. Allein aber der Umstand, dass ein in Dokument D1 dargestelltes Vorrichtungselement (d.h. die am der Absaugvorrichtung V1 vorgesehene Abdeckplatte 11) in der in Dokument D7 offenbarten Vorrichtung fehlt, ohne weitere technische Lehre zu einem solchen Vorrichtungselement in Dokument D7, ist nicht hinreichend geeignet um darzulegen, weshalb der Fachmann veranlasst gewesen wäre, die in Dokument D1 offenbarte, in sich geschlossene und funktionierende Vorrichtung durch Weglassen der Abdeckplatte abzuändern.
4.1.8 Zusammenfassend gelangt die Kammer damit zur Überzeugung, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelingt, die Unrichtigkeit der Feststellung der Einspruchsabteilung darzulegen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber der Lehre des Dokuments D1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder der Lehre des Dokuments D7 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4.2 Ausgehend von D7
4.2.1 Soweit die Beschwerdeführerin einwendete, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auch ausgehend von Dokument D7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, beschränkte sich ihr Vortrag auf die bloße Behauptung, dass der Fachmann in naheliegender Weise ausgehend von Dokument D7 zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gelangte. Sie begründete diesen Einwand im gesamten Verfahren indes lediglich auf Seite 20, vierter Absatz, der Beschwerdebegründung damit, dass "der Fachmann auch ausgehend von D7 in naheliegender Weise auf den Gegenstand von Anspruch 1" käme, da das Merkmal M1.12 zwar nicht aus Dokument D7 hervorgehe, aber in D1 als logische bauliche Maßnahme gezeigt werde. Diesen Vortrag ergänzte sie weder in ihrem Schriftsatz vom 10. November 2021 noch substantiell im Verlauf der mündlichen Verhandlung.
4.2.2 Die Kammer hatte in Punkt 9.2.2 ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 darauf hingewiesen, dass die reine Behauptung der Unrichtigkeit der Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Lehre des Dokumentes D7 als Ausgangspunkt ohne Angabe von diese stützenden Gründen nicht den Erfordernissen der Regel 99 (2) EPÜ und des Artikels 12 (3) VOBK 2020, der im Wesentlichen Artikel 12 (2) VOBK 2007 entspricht, geforderten, vollständigen Sachvortrag genügt. Insbesondere hat es die Beschwerdeführerin in ihrem schriftlichen Vortrag und trotz des ausdrücklichen Hinweises der Kammer in Punkt 9.2.2 ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 auch in ihrer Einlassung mit Schriftsatz vom 10. November 2021 und der folgenden mündlichen Verhandlung versäumt, ein substantiiertes Vorbringen zur Unrichtigkeit der Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 12.3.3 der Entscheidungsgründe vorzulegen, dass das Dokument D7 keinen nächstkommenden Stand der Technik gegenüber dem Gegenstand von Anspruch 1 darstellt.
4.2.3 Die ausgehend von dem Dokument D7 als vermeintlichen nächstliegenden Stand der Technik erhobenen Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit blieben damit im gesamten Beschwerdeverfahren unvollständig, und können entsprechend, unabhängig von der Frage, ob sie nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 ins Verfahren zuzulassen wären, auch nicht überzeugen.
4.3 Im Ergebnis überzeugt keiner der von der Beschwerdeführerin in zulässiger Weise vorgebrachten Einwände die Kammer davon, dass die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Artikel 56 EPÜ) fehlerhaft gewesen wären.
5. Schlussfolgerung
5.1 Die Beschwerdeführerin konnte die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur ursprünglichen Offenbarung (Artikel 123 (2) EPÜ) des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht überzeugend darlegen.
5.2 Die Beschwerdeführerin konnte die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Lehre des Dokuments D1 nicht überzeugend darlegen.
5.3 Die Beschwerdeführerin konnte die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht überzeugend darlegen.
5.4 Dem Antrag der Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen, ist daher stattzugeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.