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T 2922/19 (Antenne für ein Hörinstrument/SIVANTOS) 22-12-2022
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Antenneneinrichtung für Hörinstrumente
Ausführbarkeit - (ja): vollumfängliche Funktionsfähigkeit der beanspruchten Erfindung keine Frage der Ausführbarkeit
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der gemeinsamen Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.
II. Auf folgenden Stand der Technik wurde in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen:
D1: WO 2013/135307 A1
D2: DE 10 2007 042 590 A1
D3: WO 01/52598 A1
D4: US 7,333,786 B2
D5: US 2,981,950 A
D6: DE 10 2006 043 909 B3
D7: EP 2 680 366 A1
D8: EP 1 450 379 A2
D9: DE 43 26 358 C1
D10: EP 2 043 149 A1.
III. Die Verfahrensbeteiligten stellten die folgenden Anträge:
- Die Beschwerdeführerin (Einsprechenden) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 brachte die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck, dass weder Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ noch Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegenstünden.
V. In Reaktion auf die Mitteilung der Kammer reichte die Beschwerdeführerin Argumente zur Frage der erfinderischen Tätigkeit ein.
VI. Am 22. Dezember 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende die Entscheidung der Kammer verkündet wurde.
VII. Anspruch 1 gemäß dem von der Einspruchsabteilung unverändert aufrechterhaltenen Patent (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut:
"Antenneneinrichtung für ein Hörinstrument (13), umfassend eine Antennenanordnung (16,36) mit einem Spulenkern (22,32) aus magnetisch permeablem Material, die eine bevorzugte Sende- und Empfangs-Raumrichtung aufweist, und eine weitere elektrische
Hörinstrument-Komponente, die elektromagnetische Störstrahlung emittiert, wobei zwischen der Antennenanordnung (16,36) und der weiteren Hörinstrument-Komponente ein zumindest teilweise flächiger Schirm (26,37) aus magnetisch permeablem Material angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Schirm (26,37) quer zur Längsachse der Antennenanordnung (16,36) angeordnet ist, und dass der Schirm (26,37) mit einem Abstand von 50 bis 150 Mikrometern zum Spulenkern (22,32), vorzugsweise 75 bis 100 Mikrometern, angeordnet ist."
1. Technischer Hintergrund des Patents
Das Patent betrifft eine Antenneneinrichtung 16 mit einem Spulenkern 22 für ein Hörinstrument, wobei zwischen dem Spulenkern und einer weiteren, Störstrahlung emittierenden Komponente, Receiver 14, des Hörinstruments ein flächiger Schirm 26 angeordnet ist (vgl. die unten wiedergegebene Figur 4 des Streitpatents).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Der Schirm 21 besteht aus magnetisch permeablem Material und ist quer zur Längsachse 17 der Antennenanordnung und in einem bestimmten Abstand zu deren Spulenkern 22 angeordnet. Auf diese Weise soll laut Streitpatent bei verbesserter Übertragungs-bandbreite der Platz- und Energiebedarf nicht oder nur unwesentlich vergrößert sein (Absatz [0017] der Patentschrift).
2. Hauptantrag - Gegenstand
Anspruch 1 des Streitpatents enthält die folgenden einschränkenden Merkmale (Nummerierung von der Kammer):
a) Antenneneinrichtung für ein Hörinstrument, umfassend
b) eine Antennenanordnung mit einem Spulenkern aus magnetisch permeablem Material, die eine bevorzugte Sende- und Empfangs-Raumrichtung aufweist, und
c) eine weitere elektrische Hörinstrument-Komponente, die elektromagnetische Störstrahlung emittiert,
d) wobei zwischen der Antennenanordnung und der weiteren Hörinstrument-Komponente ein zumindest teilweise flächiger Schirm aus magnetisch permeablem Material angeordnet ist,
e) wobei der Schirm quer zur Längsachse der Antennenanordnung angeordnet ist, und
f) der Schirm mit einem Abstand von 50 bis 150 Mikrometern zum Spulenkern angeordnet ist.
3. Hauptantrag - Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)
3.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte zur Frage der Ausführbarkeit generell, dass die Fachperson in die Lage versetzt werden müsse, die Erfindung über den gesamten beanspruchten Bereich ausführen zu können, und dass alle umfassten Alternativen den beabsichtigten technischen Effekt erzielen müssten.
Die Kammer stellt hierzu fest, dass die Merkmale von Anspruch 1 nur die Art der genannten Komponenten bzw. deren Anordnung zueinander betreffen und mithin für eine Fachperson ohne weitere Informationen realisierbar sind. In welchem Ausmaß ein Abschirmungseffekt durch den Einsatz eines anspruchsgemäßen "Schirms" eintritt, berührt nicht die Ausführbarkeit, sondern allenfalls die erfinderische Tätigkeit. Mit anderen Worten ist die vollumfängliche Funktionsfähigkeit einer beanspruchten Erfindung in allen erdenklichen Fällen und für alle möglichen Randbedingungen keine Frage der Ausführbarkeit (siehe z. B. T 2272/18, Gründe 2.3).
3.2 Bezüglich Anspruch 1 des Streitpatents argumentierte die Beschwerdeführerin im Speziellen, dass das Erzielen des beabsichtigten technischen Effekts, d. h. die Abschirmung von elektromagnetischen Störungen, von weiteren Parametern des Hörinstruments bzw. dessen konkreter Ausgestaltung abhinge, die aber nicht angegeben seien. Dies würde noch dadurch verschärft werden, dass der Begriff "Hörinstrument" laut dem Streitpatent sehr unterschiedliche Geräte wie auch
MP3-Player umfasse. Die Fachperson könne also die Lehre des Patents nicht in der vollständigen Breite des Schutzumfangs ausführen. Darüber hinaus habe die Einspruchsabteilung bei der Prüfung der Ausführbarkeit fälschlicherweise unterstellt, Anspruch 1 sei auf ein ITE-Hörgerät ("In-The-Ear"-Hörgerät) eingeschränkt, und dementsprechend diese Ausgestaltung angenommen. Zudem blieben zahlreiche Fragen betreffend die genaue Ausgestaltung des Gegenstands von Anspruch 1 offen (siehe Seiten 8 und 9 der Beschwerdebegründung). Zur Stütze werden auf Seite 9 der Beschwerdebegründung mögliche Anordnungen der Antenne und der störenden Komponente gezeigt und argumentiert, der beanspruchte Gegenstand würde den gewünschten technischen Effekt nur "in Aussicht stellen". Gemäß der Absätze [0070] bis [0072] der Patentschrift sei der angegebene Abstandsbereich laut Merkmal f) von Simulations-ergebnissen ableitbar, die jedoch nicht angegeben seien. Weiter lehre Absatz [0073], dass der angegebene Bereich nur unter bestimmten Umständen, betreffend "Antenneneigenschaften und Baugröße", wirksam sei und dass der wirksame Bereich für unterschiedliche Konfigurationen unterschiedlich sein könne ("Es liegt auf der Hand, dass sich je nach individueller Gestaltung von Antenne, Spulenkern, Schirm und Receiver andere Werte ergeben können").
Die Kammer ist nicht überzeugt. Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung sieht vor, dass die Fachperson - im vorliegenden Fall auf dem Gebiet der Hörgeräte und der drahtlosen Übertragung im Nahfeld - in der Lage sein muss, die Erfindung und damit die beanspruchten Merkmale auszuführen. Da, wie oben ausgeführt, eine Abschirmung von elektromagnetischen Störungen zwar der beabsichtigte technische Effekt sein mag, aber kein einschränkendes Merkmal in Anspruch 1 darstellt, kann ein entsprechender Einwand nicht auf eine mangelnde Erzielung einer solchen Abschirmung gestützt werden. Insofern hilft es der Beschwerdeführerin auch nicht, wenn sie in ihrer Beschwerdebegründung versucht, darzulegen, dass es Anordnungsmöglichkeiten gibt, in denen keine oder nur eine geringe Abschirmwirkung erzielt wird. Die angeblich offen gebliebenen Fragen betreffen nach Ansicht der Kammer somit Details, die nicht für die Ausführung des Gegenstands von Anspruch 1 erforderlich sind. Auch die Absätze [0070] bis [0073] ändern nichts an dieser Einschätzung, da die Abschirmwirkung kein Anspruchsmerkmal ist und weil die sich gegebenenfalls ergebenden "anderen Werte" nicht den Abstand zwischen Schirm und Spulenkern betreffen, sondern die erzielte Abschirmwirkung.
3.3 Zudem ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass Anspruch 5 des Streitpatents definiere, dass die Antennenanordnung und die weitere Hörinstrument-Komponente derart quer zueinander angeordnet sind, dass eine Einkopplung von Störstrahlung in die Antennenanordnung reduziert wird. Die Beschreibung des Streitpatents führe nämlich aus, dass die Orientierung zueinander sich auf das jeweilige magnetische Feld beziehe, aber die Hauptrichtungen der Felder "nicht ohne weiteres theoretisch bestimmbar" seien und die optimale Orientierung im Einzelfall ermittelt werden müsse (Absatz [0026]). Weiter wird argumentiert, dass die Fachperson somit ausprobieren müsse, wie sich der gewünschte technische Effekt erzielen ließe, und daher die Offenbarung unzureichend sei.
Die Kammer kann sich jedoch nicht der obigen Auffassung anschließen, da die Textstelle "nicht ohne weiteres theoretisch bestimmbar" nicht ausschließt, dass die Feldrichtungen experimentell oder mit höherem Aufwand bestimmbar sind. Auch die Ermittlung im Einzelfall, ggf. durch bloßes Ausprobieren, ist von einer Fachperson durchführbar, da der gewünschte technische Effekt, nämlich eine verringerte Einkopplung von Störstrahlung, problemlos überprüfbar ist.
3.4 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegen.
4. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 100 a) und 54 EPÜ)
4.1 Die Neuheit wurde von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht in Zweifel gezogen und auch die Kammer sieht hierfür keine Grundlage.
4.2 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegen.
5. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
(Artikel 100 a) und 56 EPÜ)
5.1 Als nächstliegender Stand der Technik wird von den Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit der angegriffenen Entscheidung Dokument D1 herangezogen, das sich ebenso auf eine Antennenanordnung mit einem "Spulenkern 2" und deren Wicklung 7 für ein Hörinstrument richtet, das auch Störquellen (Lautsprecher bzw. "Receiver 3") aufweist (vgl. Zusammenfassung und nachstehend wiedergegebene Fig. 5).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Dokument D1 führt weiter aus, dass der Spulenkern herkömmlicherweise aus magnetisch permeablem Material besteht und die Störquelle eine elektrische Komponente des Hörinstruments, insbesondere der Lautsprecher, sein kann, was eine Abschirmung oder Kompensation erforderlich macht (vgl. die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz). Auch wenn die Abschirmung nicht weiter spezifiziert ist, kann sie implizit als zwischen der Antennenanordnung und einer potentiell störenden Komponente angeordnet angenommen werden, da sonst keine Abschirmungswirkung erzielbar wäre. Als zu lösende technische Aufgabe werden in D1 geringere Anforderungen an eine Abschirmung oder Kompensation genannt (vgl. die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz). Zum Material des in Figur 5 abgebildeten Gehäuses 4 ("shell") werden aber keine Aussagen gemacht. Gelöst wird diese Aufgabe im System von D1 dadurch, dass der Spulenkern einen axialen Durchgang hat und mindestens teilweise im Hörkanal des Benutzers angeordnet werden kann (Anspruch 1). Dadurch kann die Antennenanordnung von den Störungen verursachenden Komponenten entfernt angeordnet werden, wodurch Abschirmungen oder Kompensierungen nicht oder nur in geringerem Umfang erforderlich sind (Seite 3, Punkt 1). Es wird auch der Platzbedarf verringert, da die Antennenanordnung an einem üblicherweise nicht genutzten Raum angeordnet ist (Seite 4, Punkt 2).
5.2 Dokument D1 offenbart somit die Merkmale a) bis c). Merkmal d) ist nur insoweit offenbart, als dass eine Abschirmung ("shielding") durch einen anspruchsgemäßen "Schirm" vorhanden sein kann. Die Kammer ist also entgegen der angefochtenen Entscheidung (vgl. Gründe 2.2.1.2) der Ansicht, dass D1 in der Tat den Einsatz einer Abschirmung lehrt (siehe z. B. den die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz). Die dort genannte Aufgabe richtet sich nämlich auf die Verringerung der Anforderungen an eine "Abschirmung", die demzufolge auch vorhanden ist, wenn die in D1 vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen werden.
5.3 Die technische Wirkung der Abschirmung gemäß den Unterscheidungsmerkmalen d) bis f) besteht nun darin, dass der Abstand zwischen der Antennenanordnung und der störenden Komponente bei gleicher Störeinkopplung geringer sein kann bzw. bei gleichem Abstand eine geringere Störeinkopplung erzielt wird. Die der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende objektive technische Aufgabe kann somit darin gesehen werden, den Platzbedarf beim System von D1 bei gleich wirksamer Abschirmung zu verringern.
Der in der angefochtenen Entscheidung und von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung formulierten objektiven technischen Aufgabe, nämlich die "Verringerung der Störkopplung/Störstrahlung zwischen Antennenanordnung und weiterer störender Komponente", wird nicht gefolgt, da Dokument D1 eben eine Abschirmung ("shielding") schon impliziert, mit der diese Aufgabe bereits gelöst wird.
5.4 Dokument D1 mit allgemeinem Fachwissen
5.4.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass es für eine von D1 ausgehende Fachperson zum Anmeldezeitpunkt naheliegend gewesen wäre, einen Schirm zwischen der Antennenanordnung und der störenden Komponente (d. h. dem Lautsprecher) anzuordnen, um den Abschirmungseffekt zu verstärken, und sie nicht danach trachten würde, eine Abschirmung zu vermeiden, um die Anzahl der Komponenten zu verringern. Da D1 nach Ansicht der Kammer einen "Schirm" zwischen der Antennenanordnung und einer störenden Komponente bereits offenbart, kann dieses Argument dahingestellt bleiben.
5.4.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin spezifiziere Anspruch 1 grundsätzlich nicht, wie hoch die Permeabilität des Schirms aus "magnetisch permeablem Material" sei. Außerdem besäße jeder Werkstoff eine gewisse Permeabilität.
In diesem Punkt folgt die Kammer dem von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argument, dass die Fachperson unter "magnetisch permeable" Materialien magnetische und eben nicht para- oder diamagnetische Materialien verstehen würde.
5.4.3 Ferner seien die Form, das Material und die Anordnung des Schirms naheliegend gewesen. Die Abschirmung quer zur Längsachse der Antennenanordnung anzuordnen sei ebenfalls offensichtlich gewesen, da es die einzige geeignete Anordnung sei. Die Fachperson hätte zudem gewusst, dass der Schirm niemals die Antenne berühren sollte, da dies den magnetischen Fluss der Antenne durch den Schirm leiten würde, und dass der Schirm nicht zu weit von der Antenne oder deren Spule entfernt sein sollte, da dies aufgrund des Umstands, dass die Feldlinien der störenden Komponente den Schirm umgehen könnten, den Abschirmungseffekt verringern würde. Die Fachperson wäre demzufolge unvermeidbar zu dem beanspruchten Abstand gemäß Merkmal f) gekommen. Der Abstand sei laut Absatz [0019] des Streitpatents ein Ausgleich zwischen der Sättigung des Kerns und des Signal-Rausch-Abstands und hätte auch keinen für eine Fachperson überraschenden technischen Effekt erzielt.
Die Kammer teilt zwar die Ansicht, dass die Fachperson den Schirm in naheliegender Weise quer zur Längsachse der Antennenanordnung gemäß Merkmal e) eingebaut hätte, um eine möglichst große Fläche in der Hauptempfangsrichtung der Antennenanordnung abzudecken. Bezüglich des Abstands nach Merkmal f) merkt die Kammer indes an, dass die magnetische Abschirmung mittels permeablen Materialien auf dem Effekt der Feldumleitung beruht. Hierbei wird ausgenutzt, dass permeable Materialien einem Magnetfeld weniger Widerstand entgegensetzen und so die Feldlinien in dieser umgeleitet werden, sodass eine Feldverarmung im geschirmten Bereich erreicht wird. Üblicherweise wird eine störende Komponente so weit wie möglich umhüllt, um ein Nachaußendringen der Störungen zumindest zu verringern. Ob das Abschirmungsmaterial eine Magnetfelder erzeugende oder erfassende Komponente "berührt" bzw. damit Kontakt hat, ist hierbei unerheblich, da der Verlauf der magnetischen Feldlinien von der räumlichen Anordnung und Geometrie des permeablen Materials der Komponenten abhängt. Dies zeigt sich auch in den Diagrammen der Figuren 11 und 12 des Streitpatents, in denen kein "Sprung" beim Erreichen des Abstands von 0 Millimetern zu sehen ist. Die Fachperson hätte demnach keinen zwingenden Grund gehabt, den Abstand Null auszuschließen.
Unabhängig davon wäre die Fachperson grundsätzlich bemüht gewesen, die Störungen soweit wie möglich an der Quelle einzugrenzen, d. h. den Schirm an der Störkomponente auszurichten und in geringem Abstand zu dieser anzuordnen. Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen eine Antennenanordnung abzuschirmen ist, deren Sende- und Empfangsfunktion auf keinen Fall beeinträchtigt werden darf. Die nächstliegende Lösung wäre in daher im vorliegenden Fall gewesen, die Abschirmung möglichst nahe am Receiver (Lautsprecher) anzubringen. Es war daher für die Fachperson zum Prioritätszeitpunkt nicht naheliegend, den Schirm am Spulenkern der Antennenanordnung auszurichten und so zu dem beanspruchten geringen Abstandsbereich gemäß Merkmal f) zu gelangen.
5.4.4 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin würde die Fachperson den in Figur 12 (nachstehend wiedergegeben) des Streitpatents dargestellten Verlauf des
Signal-Rausch-Abstands in Abhängigkeit des geometrischen Abstands zwischen dem Schirm und dem Spulenkern kennen. Folglich hätte sie für ein Hörgerät einen möglichst kleinen Abstand gewählt und wäre so zu dem beanspruchten "optimalen" Abstand gemäß Merkmal f) gelangt.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Ein Nachweis für die Annahme, der Verlauf des besagten Signal-Rausch-Abstands in Abhängigkeit vom Abstand zum Kern der Antennenanordnung gemäß Figur 12 wäre allgemeines Fachwissen oder vor dem Anmeldezeitpunkt bekannt gewesen, wurde nicht vorgebracht. Nach Ansicht der Kammer hätte die Fachperson auch keine Veranlassung gehabt, eine solche Abhängigkeit zu untersuchen, da sie den Schirm eben nahe des Receivers angeordnet hätte, um dort bereits die Störungen abzuschirmen. Figur 12 kann daher nicht als Beleg für die Annahme dienen, die Fachperson hätte in naheliegender Weise den beanspruchten Bereich als "optimalen" Bereich erkannt.
5.4.5 Außerdem hätte die Fachperson nach Ansicht der Beschwerdeführerin erkannt, dass nicht nur die Antennenanordnung gegenüber dem Receiver abgeschirmt werden muss, sondern auch umgekehrt der Receiver gegenüber der Antenne. Der Grund dafür sei, dass beide Komponenten elektromagnetische Störungen erzeugten und Störungen in beiden Richtungen aufträten. Die Fachperson hätte daher auch in Betracht gezogen, den Schirm am Kern der Antennenanordnung auszurichten. Als Beleg für einen Anlass für solche Überlegungen würde beispielsweise Dokument D2 in Absatz [0046] liefern, wo es am Ende heißt, dass auch notwendig sein kann, beispielsweise den Lautsprecher "elektromagnetisch gegenüber der Antenneneinheit" abzuschirmen. Dies würde sich auch aus dem Streitpatent aus den Figuren 13 und 14 und der entsprechenden Beschreibung in den Absätzen [0074] und [0075] ergeben.
Die Kammer sieht hingegen keine Veranlassung für eine Fachperson, den Receiver gegenüber Störungen abzuschirmen, die von der Antennenanordnung ausgehen. Der Receiver ist nämlich sehr niederohmig und wird mit entsprechend geringem Quellwiderstand getrieben. Die von der Antennenanordnung ausgehenden Signale sind zudem viel zu schwach, um einen nennenswerten Einfluss auf den Receiver zu haben. Absatz [0046] von D2, wenn man das Dokument als Beleg für das allgemeine Fachwissen verstehen sollte, stellt am Anfang fest, dass die Antenne von Störeinflüssen abgeschirmt werden muss und nennt als hauptsächliche Quelle die Elektronik ("Hybrid 40"). Die anschließend genannte weitere Maßnahme, den Lautsprecher gegenüber der Antenneneinheit abzuschirmen, ist nach Ansicht der Kammer als eine Möglichkeit unter der zuvor genannten Prämisse zu verstehen, die Antenne vor Störungen zu schützen. Ungeachtet der Tatsache, dass das Streitpatent selbst grundsätzlich nicht als Stand der Technik oder Beleg für das allgemeine Fachwissen herangezogen werden kann, zeigen dessen Figuren 13 und 14 zusammen mit der entsprechenden Beschreibung nur die Ausbreitung der Felder, die vom Receiver bzw. von der Antennenanordnung erzeugt werden, und belegen nur, dass das von der Antenne erzeugte Feld (Fig. 13) sich trotz des Schirms weitgehend ungehindert ausbreiten kann. Eine Veranlassung zur Abschirmung des Receivers gegenüber Störungen von der Antennenanordnung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.
5.4.6 Die vor die oben genannte objektive Aufgabe gestellte Fachperson wäre daher, ausgehend von D1, unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens nicht ohne Ausüben einer erfinderischen Tätigkeit zu einer Antenneneinrichtung mit allen Merkmalen von Anspruch 1 gelangt.
5.5 Dokument D1 mit D2
5.5.1 Dokument D2 offenbart ein Hörgerät mit einem Bauteil 30, das eine elektromagnetische Abschirmschicht aufweist (Zusammenfassung). Grundsätzlich sind diejenigen Bauteile mit einer erfindungsgemäßen Abschirmschicht versehen, die die Antenne stören können (Absatz [0017]). Insbesondere soll eine Antenneneinheit gegenüber elektromagnetischen Störungen einer Elektronik bzw. einem Hybrid 40 abgeschirmt werden (Absätze [0041] und [0046]). Die Abschirmung ist in einer Ausführungsform als Abschirmgehäuse 30 ausgeführt, das den "Hybrid" wenigstens teilweise aufnimmt (Absatz [0047]). Das Abschirmgehäuse 30 ist zudem becherförmig und mit dem Boden der Antenneneinheit zugewandt, wobei die Längsachse der Antenneneinheit parallel zum Boden verläuft und nicht senkrecht wie in Merkmal e) von Anspruch 1 (Figur 2). Die Seitenteile des becherförmigen Abschirmgehäuses sind zwar zum Teil quer zur Längsachse der Antennenanordnung ausgerichtet, sind aber nicht zwischen der Antenneneinheit und der störenden Komponente (Hybrid) angeordnet. Die Anordnung der Abschirmung ist somit an der störenden Komponente ausgerichtet und nicht wie in Merkmal f) an der Antenneneinheit. Somit führt die Lehre von D2 von der beanspruchten Erfindung des Streitpatents weg.
5.5.2 Laut der Beschwerdeführerin würde die Fachperson von dem Hörinstrument von Figur 5 von D1 ausgehen (siehe Punkt 5.1 oben), das ein Gehäuse 4 umfasst, das sich mit einem Teil quer zur Längsachse der Antennenanordnung zwischen dessen Kern 2 und dem störenden Receiver 3 erstreckt. Um die vom Receiver 3 ausgehende Störung auf die Antennenanordnung zu verringern, hätte die Fachperson die Anregung aus D2 aufgegriffen und das Gehäuse 4 mit einer elektromagnetischen Abschirmschicht versehen. Dokument D2 würde zudem auch Nickel als Abschirmschicht offenbaren, das magnetisch permeabel sei (Absatz [0015]). Außerdem hätte die Fachperson die Anregung aufgegriffen, den Lautsprecher gegenüber Störungen der Antenne abzuschirmen und den Schirm nahe am Kern der Antenne anzuordnen (Absatz [0046]). Die Fachperson wäre auf diese Weise in naheliegender Weise zu einer Antennenanordnung mit allen Merkmalen von Anspruch 1 gelangt.
Die Kammer weist in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, dass eine elektromagnetische Abschirmschicht, wie sie in D2 offenbart ist, nicht notwendigerweise magnetische Felder abschirmt und daher nicht implizit aus "magnetisch permeablem" Material gemäß Merkmal d) ist. Als Material der Abschirmschicht offenbart D2 insbesondere metallische Beschichtungen, die sich aus einer metallischen Grundbeschichtung und einer darauf galvanisch aufgebrachten weiteren Schicht zusammensetzen (Absätze [0009] bis [0011]). Als einziges konkretes Beispiel wird eine Grundbeschichtung aus Kupfer mit darauf stromlos bzw. chemisch abgeschiedener Nickelschicht offenbart (Absatz [0015]).
Kupfer ist jedoch diamagnetisch und ist somit nicht "magnetisch permeabel". Chemisch abgeschiedene Nickelschichten bestehen wiederum typischerweise aus einer Nickel-Phosphor-Legierung, deren magnetische Permeabilität vom Phosphorgehalt abhängt und daher nicht notwendigerweise magnetisch ist. Zudem enthält D2 keinen Hinweis auf eine magnetische Schirmung, sodass das Dokument weder eine eindeutige Offenbarung für einen Schirm aus magnetisch permeablem Material gemäß Merkmal d) noch eine Anregung enthält, die elektromagnetische Abschirmschicht aus magnetisch permeablem Material gemäß Merkmal e) und f) auszugestalten. Außerdem offenbart D2 weder einen geringen Abstand zwischen der Abschirmschicht und der Antennenanordnung gemäß Merkmal f), noch legt es einen solchen Abstandsbereich oder auch nur die Ausrichtung der Abschirmschicht an der Antennenanordnung nahe. Bezüglich der vorgeblichen Anregung in Absatz [0046], den Lautsprecher gegen Störungen durch die Antenne abzuschirmen, wird auf die Ausführungen in Punkt 5.4.5 oben verwiesen.
5.5.3 Die vor die oben genannte objektive Aufgabe gestellte Fachperson wäre daher, ausgehend von D1, auch unter Berücksichtigung von D2 nicht ohne Ausüben einer erfinderischen Tätigkeit zu einer Antenneneinrichtung mit allen Merkmalen von Anspruch 1 gelangt.
5.6 Dokument D1 mit anderen Druckschriften (D3 bis D10)
5.6.1 Dokument D3 offenbart einen magnetischen Aufnehmer ("Telecoil") für Audiosignale für Hörgeräte mit einer HF-Abschirmung, die aus einer Hülle und einem Substrat mit elektrisch leitender Schicht besteht und den Aufnehmer einschließt (Zusammenfassung). Die Hülle beinhaltet ein elektrisch leitfähiges und zumindest teilweise unmagnetisches Material (Seite 2, Zeilen 30 bis 32). Die Art der Abschirmung (HF-Abschirmung) und deren Material (elektrisch leitfähig) unterscheidet sich fundamental von dem Schirm aus permeablem Material gemäß Merkmal d), was auch daran zu erkennen ist, dass eine vollständige Umhüllung der "Telecoil" mit magnetisch permeablem Material die Antenne wirkungslos machen würde. Zudem soll die Abschirmung von D3 gegen Störungen von außerhalb des Hörgeräts wirken, wie beispielsweise Mikrowellenöfen, Bildschirme, Haushaltsgeräte oder Mobiltelefone (vgl. den die Seiten 1 und 2 überbrückenden Absatz).
5.6.2 Dokument D4 richtet sich auf ein passives Interface 30 zwischen einer kontaktlosen Chipkarte 20 und einem Lesegerät 10 (Zusammenfassung und Figur 1). Das Interface 30 weist zwei Antennenspulen 31, 32 auf, von denen die eine zur Ankopplung an eine Antennenspule 11 des Lesegeräts und die andere zur Ankopplung an eine Antennenspule 21 der Chipkarte dient (Zusammenfassung). Figur 6 zeigt einen konkreten Aufbau, in dem das Interface 30 innerhalb einer Hülle aus Kunstharz vor dem Metallgehäuse 51 des Lesegeräts 10 angeordnet ist (Spalte 11, Zeilen 7 bis 11 und 27 bis 30). Die Spule 11 des Lesegeräts ist wiederum mit einer Schirmplatte 54 gegen das Lesegerät abgeschirmt (Spalte 11, Zeilen 34 bis 36). Zum Material der Schirmplatte 54 wird jedoch nichts ausgesagt. Allerdings dient sie der Abschirmung gegen elektromagnetische Störungen (ibid.), was auf ein elektrisch leitfähiges statt magnetisch permeables Material schließen lässt. Zudem führt D4 aus, dass die Schirmplatte 54 weit genug von der Spule 11 entfernt sein soll, sodass deren Funktion nicht beeinträchtigt wird (Spalte 11, Zeilen 38 bis 42). Dies und die Abbildung in Figur 6 offenbaren jedoch keinen Abstand nahe des in Merkmal f) von Anspruch 1 genannten Bereichs. Zudem weist die Spule 11 auch keinen Kern im Sinne von Merkmal b) auf.
5.6.3 Dokument D5 bezieht sich auf ein Radio mit einer Ferritantenne 10 mit elektrostatischer Abschirmung gegen elektrostatische Störungen. Die Abschirmung besteht aus einem Isolator 14 wie beispielsweise Papier oder einem Kunststoff und einer widerstandsbehafteten Schicht 12 wie beispielsweise Graphit (Spalte 3, Zeilen 40 bis 51). Ein Schirm aus magnetisch permeablem Material gemäß Merkmal d) ist aber nicht offenbart und verbietet sich hier auch, da sonst die Antenne in dieser Anordnung nichts empfangen würde.
5.6.4 Dokument D6 offenbart einen Hörer/Lautsprecher eines Hörgeräts, bei dem im Gehäuse zur Verringerung der ausgehenden Störungen ein Schirm aus magnetisch permeablem Material angeordnet ist (Zusammenfassung). Die Anordnung dieses Schirms in Bezug auf eine Antenneneinrichtung ist jedoch nicht offenbart. Weiter ist in Figur 2 dargestellt, wie der Schirm deutlich innerhalb des Gehäuses des Hörers angeordnet ist und daher überhaupt nicht in dem in Merkmal f) genannten Abstandsbereich zu einer anderen Komponente wie z. B. einer Antennenanordnung angeordnet werden kann. Die Anordnung des Schirms in Bezug auf die die Störungen erzeugenden Komponente führt zudem von der beanspruchten Erfindung des Streitpatents weg, wonach der Schirm nach Merkmal e) und f) nahe bei und in Bezug auf die Antenneneinrichtung angeordnet ist.
5.6.5 Dokument D7 offenbart ein Hörgerät mit einer Antennenanordnung 34 und weiteren elektronischen Komponenten innerhalb eines Gehäuses 31 (Fig. 5b in Verbindung mit Absatz [0063]). Zwischen der Antenne 34 und den anderen Komponenten ist ein Reflektor 51 angeordnet (ibid.). Die Antenne besitzt keinen Antennenkern. Zu dem Material des Reflektors und zum Abstand zur Antenne sind keine Angaben gemacht, wobei die Darstellung einen Abstand im Bereich mehrerer Millimeter andeutet, aber keinesfalls einen so geringen, wie er in Merkmal f) genannt ist.
5.6.6 Dokument D8 richtet sich auf Kleinstspulen in Hörgeräten und beschreibt, wie ein zusätzlicher Kondensator an die Spule angeschlossen werden kann (Absätze [0002] und [0004]). Dazu wird an der Spule ein Plättchen 4 aus vorzugsweise Plastik angebracht, an dem elektrisch leitende Metallpads angeordnet sind, an denen wiederum der Kondensator 9 angeschlossen ist (Anspruch 4). Ein Schirm aus permeablem Material gemäß Merkmal d) ist aber nicht offenbart.
5.6.7 In Bezug auf Dokument D9 wird darauf hingewiesen, dass die dort offenbarten Schichten 10 bis 13, auf die in der Beschwerdebegründung verwiesen wird, elektrisch leitende Anschlusselemente und keine magnetisch permeable Schirme sind.
5.6.8 Ungeachtet der Tatsache, dass das Dokument D10 von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen wurde, offenbart es nur ein SMD-Bauteil mit elektromagnetischer Abschirmung (Zusammenfassung). Die Abschirmung dient der Abschirmung von elektromagnetischen oder elektrischen Feldern und ist elektrisch leitfähig (Absätze [0014] bis [0018]). Eine Ausführung aus magnetisch permeablem Material ist wiederum nicht offenbart; genauso wenig die Anordnung in Bezug auf eine Antennenanordnung und eine Störkomponente.
5.7 Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) ausgehend von Dokument D1 unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens oder eines der Dokumente D2 bis D10. Auch der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ steht mithin der Aufrechterhaltung des Streitpatents wie erteilt nicht entgegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.