T 3089/19 12-12-2022
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Verfahren zum Betrieb eines Windparks
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der festgestellt wurde, dass das europäische Patent Nr. 1 433 238 in der Fassung des Hilfsantrags 3b die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
II. In der angefochtenen Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung unter anderem festgestellt, dass der Hauptantrag gegen das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.
III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 hatte die Kammer ihre vorläufige Meinung mitgeteilt, wonach sie unter anderem das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ für den Hauptantrag vorläufig als erfüllt ansehe.
IV. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2022, eingegangen am selben Tag, hat die Einsprechende ihre Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung sowie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen. Sie ist daher Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des Hauptantrags, eingereicht in elektronischer Form am 30. Juli 2018. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents gemäß einem der folgenden Hilfsanträge in dieser Reihenfolge:
- Hilfsantrag 1: eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2019 als "Hilfsantrag 1 neu"
- Hilfsantrag 2: eingereicht in elektronischer Form am 2. Mai 2019
- Hilfsantrag 3: eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2019
- Hilfsantrag 3a: eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2019
VI. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte schriftlich die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut (Merkmalsbezeichnungen in eckigen Klammern hinzugefügt):
"[1M0] Verfahren zum netzunterstützenden Betrieb eines Windparks, bestehend aus mehreren Windenergieanlagen, wobei
[1M1] der Windpark an ein elektrisches Versorgungsnetz angeschlossen ist, in welches die von dem Windpark erzeugte elektrische Leistung eingespeist wird und
[1M2] der Windpark und/oder wenigstens eine der Windenergieanlagen des Windparks über einen Steuereingang verfügt,
[1M3] mittels dem die elektrische Leistung des Windparks bzw. einer oder mehrerer einzelner Windenergieanlage(n) in einem Bereich von 0 bis 100% der jeweiligen zur Verfügung zu stellenden Leistung, insbesondere der Nennleistung, eingestellt werden kann und dass
[1M4] eine Datenverarbeitungseinrichtung vorgesehen ist, welche mit dem Steuereingang verbunden ist und mittels welcher der Stellwert im Bereich von 0 bis 100% eingestellt wird, je nachdem, wie groß die Leistung ist, die der gesamte Windpark an seinem Ausgang für die Einspeisung in das Energienetz zur Verfügung stellt und wobei
[1M5] der Betreiber (EVU) des elektrischen Versorgungsnetzes, an dem der Windpark angeschlossen ist, die vom Windpark abgegebene Leistung über den Steuereingang einstellt und
[1M6] somit der Windpark vom Betreiber des öffentlichen Netzes (EVU) netzunterstützend gesteuert wird."
Die Ansprüche 2 bis 13 sind von Anspruch 1 abhängig.
VIII. Anspruch 14 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut (Merkmalsbezeichnungen in eckigen Klammern hinzugefügt):
"[14M0] Windpark mit mindestens einer Windenergieanlage zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Windenergieanlage ein Rotor und einem mit dem Rotor gekoppelten elektrischen Generator zum Abgeben elektrischer Leistung an ein elektrisches Netz aufweist, gekennzeichnet durch
[14M1] eine Regelungseinrichtung mit einem Frequenzaufnehmer zum Messen der Frequenz der am Netz anliegenden elektrischen Spannung (Strom), dass die von dem Windpark an das Netz abgegebene Leistung in Abhängigkeit der vom Frequenzaufnehmer gemessenen Netzfrequenz und über den Steuereingang durch den Betreiber (EVU) des elektrischen Versorgungsnetzes eingestellt werden kann und/oder
[14M2] wenigstens eine der Windenergieanlagen des Windparks über einen Steuereingang verfügt,
[14M3] mittels dem die elektrische Leistung des Windparks bzw. einer oder mehrerer einzelner Windenergieanlagen in einem Bereich von 0 - 100% der jeweils zur Verfügung zu stellenden Leistungen, insbesondere der Nennleistung, eingestellt werden kann und dass
[14M4] eine Datenverarbeitungseinrichtung vorgesehen ist, welche mit dem Steuereingang verbunden ist und mittels welcher der Stellwert der Leistung im Bereich von 0 - 100% einstellbar ist, je nachdem, wie groß die Leistung ist, die der gesamte Windpark an seinem Ausgang für die Einspeisung in das Energienetz zur Verfügung stellt und
[14M5] wobei der Betreiber (EVU) des elektrischen Versorgungsnetzes, an dem der Windpark angeschlossen ist, die vom Windpark abgegebene Leistung über den Steuereingang einstellt und somit
[14M6] der Windpark vom Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes (EVU) netzunterstützend steuerbar ist."
Die Ansprüche 15 bis 18 sind von Anspruch 14 abhängig.
IX. Angesichts der von der Kammer über den Hauptantrag getroffenen Entscheidung ist es an dieser Stelle nicht erforderlich, den Wortlaut der Hilfsanträge wiederzugeben.
X. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Aufnahme der Merkmale 1M6 bzw. 14M6 in die Ansprüche 1 bzw. 14 stellten keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar. Die betreffenden Merkmale seien der ursprünglichen Anmeldung wörtlich entnommen, siehe Seite 14, letzter Absatz. Der nachfolgende erste Absatz auf Seite 15 besage zwar, dass für die erfindungsgemäße zentrale Steuerung des Windparks der Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes nicht nur einen Steuerzugriff mittels einer entsprechenden Steuerleitung zum Windpark bzw. zur Windenergieanlage habe, sondern vom Windpark bzw. der Windenergieanlage auch Daten erhalte. Dieser Absatz nehme jedoch nicht auf die im vorherigen Absatz beschriebene erfindungsgemäße zentrale Steuerung Bezug, denn dort heiße es nicht "diese erfindungsgemäße zentrale Steuerung", sondern lediglich "die erfindungsgemäße zentrale Steuerung". Es ergebe sich auch nicht aus dem betreffenden Absatz, dass die Übermittlung von Daten zwingend vorgesehen sei.
Es werde auch auf Seite 15, zweiter Absatz verwiesen, wo eine netzstützende Funktion mittels der zentralen Steuerung beispielhaft so beschrieben sei, dass der Windpark gänzlich vom Netz genommen werde.
Die ursprüngliche Beschreibung nehme auf Seite 14, letzter Absatz nicht Bezug auf ein detailliertes, abgeschlossenes Ausführungsbeispiel, sondern offenbare ein allgemeingültiges Merkmal der zentralen Regelung des Windparks. Dementsprechend offenbare der erste Absatz auf Seite 15 sowie die weiteren Absätze spezifische Weiterberbildungen der Windparkregelung.
Des weiteren beziehe sich der letzte Absatz auf Seite 16 auf die Bereitstellung von Reserveleistung, wie im zweiten und dritten Absatz auf Seite 16 beschrieben sei. Für den speziellen Fall der Reserveleistung sei die Übertragung von Daten durch den Windpark erforderlich. Die Bereitstellung von Reserveleistung sei jedoch nicht Gegenstand von Anspruch 1.
Das Merkmal des Anspruchs 1, wonach der Windpark vom Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes netzunterstützend steuerbar ist, stelle somit keine Zwischenverallgemeinerung dar, wenn nicht gleichzeitig der Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes auch Daten über den Windpark erhalte.
XI. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Erhalt von Daten des Windparks gemäß der Beschreibung auf Seite 15, erster Absatz, der ursprünglichen Anmeldung, sei obligatorisch in Verbindung mit der netzunterstützender Steuerung des Windparks durch den Betreiber beschrieben. Die Verwendung des Begriffs "erfindungsgemäß" in den beiden aufeinanderfolgenden Absätzen auf Seite 14 und auf
Seite 15 belege, dass beide Merkmale nicht losgelöst voneinander verstanden werden könnten. Beide Absätze beträfen "die erfindungsgemäße Steuerung". Dass der erste Absatz auf Seite 15 nicht "diese erfindungsgemäße Steuerung" offenbare, hindere den Fachmann nicht daran zu verstehen, dass die beiden betreffenden Absätze in Kombination miteinander verstanden werden müssten.
Der von der Beschwerdeführerin herangezogene zweite Absatz auf Seite 15 beschreibe lediglich eine Trennung des Windparks vom Netz und somit einen besonders starken Steuereingriff durch den Betreiber. Er betreffe somit lediglich die elektrische Leistungsübertragung und nicht die Datenübertragung und könnte somit eine Offenbarung der netzunterstützenden Steuerung durch den Betreiber, unabhängig von der Bereitstellung von Daten durch den Windpark, nicht belegen.
Ferner gebe es keinen Zusammenhang zwischen dem zweiten Absatz auf Seite 16 der ursprünglichen Anmeldung und dem letzten Absatz auf derselben Seite. Vielmehr sei der Einspruchsabteilung darin zuzustimmen, dass sich aus dem letzten Absatz der Seite 16 und insbesondere aus dem Begriff "vorbeschrieben" ergebe, dass für die Leistungssteuerung das Merkmal der Datenübermittlung an den Betreiber obligatorisch sei.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
2.1 Da die Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung nur für den Fall beantragt hat, dass weder dem Hauptantrag noch den Hilfsanträgen im schriftlichen Verfahren stattgegeben wird, und die Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen hat, kann die vorliegende Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020 ergehen.
2.2 Darüber hinaus basiert diese Entscheidung nur auf Argumenten und Beweismitteln, die den Parteien mit der Beschwerdebegründung und der Beschwerdeerwiderung zugestellt worden sind und die in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 berücksichtigt worden sind. Die Parteien hatten daher Gelegenheit, sich diesbezüglich zu äußern (Artikel 113 EPÜ).
3. Formale Aspekte
3.1 In ihrem Schreiben vom 22. Juni 2020 hat die Beschwerdeführerin die Vertretungsbefugnis von Herrn Sauthoff im Namen der Beschwerdegegnerin zu handeln in Zweifel gezogen.
Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Vertretungsbefugnis. Dem Europäischen Patentamt liegt eine allgemeine Vollmacht vor, die Herrn Karsten Sauthoff als Unterbevollmächtigten der Einsprechenden ausweist.
3.2 Im Hinblick auf das Unterschriftenerfordernis wird Folgendes festgestellt: Da sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründung der Einsprechenden (jetzt Beschwerdegegnerin) elektronisch eingereicht wurden, gelten die diesbezüglichen Vorschriften im Europäischen Patentamt (siehe Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 14. Mai 2021 über die elektronische Einreichung von Unterlagen, ABl. EPA 2021, A42). Demnach kann eine händische Unterschrift durch eine elektronische Unterschrift ersetzt werden (siehe Artikel 12 des vorgenannten Beschlusses).
4. Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
4.1 Die Beschwerdegegnerin hat gegen den im Beschwerdeverfahren vorliegenden Hauptantrag lediglich einen Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ erhoben (siehe Argumente unter Punkt XI.).
4.2 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 gemäß Hauptantrag geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erfüllt somit das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ.
4.3 In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung zu dem Schluss gelangt, dass die Ansprüche 1 und 14 des Hauptantrags Gegenstand einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung seien. Dieser Einwand bezieht sich auf das folgende, während des Prüfungsverfahrens in den Anspruch 1 aufgenommene Merkmal 1M6:
"... und somit der Windpark vom Betreiber des öffentlichen Netzes (EVU) netzunterstützend gesteuert wird."
Der unabhängige Anspruch 14 weist ein entsprechendes Merkmal 14M6 wie folgt auf:
"... und somit der Windpark vom Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes (EVU) netzunterstützend steuerbar ist."
4.4 Die vorstehend wiedergegebenen Merkmale stützen sich auf Seite 14, letzter Absatz der ursprünglichen Anmeldung, siehe die internationale Veröffentlichungsschrift WO 03/030329 A1. Dort heißt es:
"Die erfindungsgemäße zentrale Regelung eines Windparks stellt im Wesentlichen darauf ab, dass der Windpark nicht nur elektrische Energie in einen [sic] öffentliches Versorgungsnetz einspeist, sondern auch gleichzeitig netzunterstützend gesteuert wird, bevorzugt vom Betreiber des öffentlichen Netzes (EVU). Soweit von einem Windpark in der vorliegenden Anmeldung die Rede ist, ist hiermit auch eine einzelne Windenergieanlage gemeint und nicht nur stets eine Mehrzahl von Windenergieanlagen, wobei bevorzugt gerade eine Mehrzahl von Windenergieanlagen stets einen Windpark bildet." (Hervorhebung kammerseitig hinzugefügt)
4.5 Nach Auffassung der Einspruchsabteilung sind die Merkmale 1M6 sowie 14M6 untrennbar verknüpft mit dem auf Seite 15, erster Absatz der ursprünglichen Anmeldung beschriebenen Datentransfer vom Windpark zum Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes. Dort heißt es:
"Für die erfindungsgemäße zentrale Steuerung des Windparks hat der Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes nicht nur einen Steuerzugriff mittels einer entsprechenden Steuerleitung (Bussystem) zum Windpark / zur Windenergieanlage, sondern erhält auch vom Windpark/Windenergieanlage Daten, wie beispielsweise gemessene Winddaten, Daten über den Status des Windparks, auch z.B. Daten über die verfügbare Leistung (aktuelle Leistung (Wirkleistung)) des Windparks." (Hervorhebung kammerseitig hinzugefügt)
Durch den betreffenden Absatz wird nach Auffassung der Einspruchsabteilung der netzunterstützende Steuereingriff des Betreibers des öffentlichen Versorgungsnetzes untrennbar mit dem weiteren Merkmal verknüpft, wonach der Betreiber Daten vom Windpark, insbesondere über den Status des Windparks erhält.
4.6 Des Weiteren verweist die Einspruchsabteilung in ihrer Begründung auf Seite 16, letzter Absatz der ursprünglichen Anmeldung, wo es heißt:
"Damit diese vorgeschriebene Leistungssteuerung erfolgen kann, benötigt der Netzbetreiber auch die vorbeschriebenen Daten, wie Windgeschwindigkeit, Anlagenstatus des Windparks (wie viele Anlagen sind im Betrieb, wie viele sind ausgefallen oder gestört) und bevorzugt auch die maximal mögliche Wirkleistungsabgabe. ..."
4.7 Die Aufnahme der betreffenden Merkmale in die Ansprüche 1 und 14 bedingt nach Überzeugung der Kammer keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung.
Eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung würde dann vorliegen, wenn bei der Änderung der Ansprüche 1 und 14 isolierte Merkmale aus einer Reihe von Merkmalen herausgegriffen worden wären, die ursprünglich nur in untrennbarer Weise in Kombination miteinander, z.B. in einer bestimmten Ausführungsform, offenbart waren (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, II.E.1.9.1).
4.8 Die Grundlage für die betreffenden Merkmale 1M6 und 14M6 findet sich in der ursprünglichen Beschreibung in dem isoliert stehenden letzten Absatz auf Seite 14, dessen Wortlaut oben unter Punkt 4.4 wiedergegeben ist.
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die in dem letzten Absatz auf Seite 14 beschriebene netzunterstützende Steuerung durch den Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes eine allgemeine Lehre offenbart, die der Fachmann weder in funktioneller noch in struktureller Hinsicht untrennbar verknüpft mit den Merkmalen des anschließenden ersten Absatzes auf Seite 15 verstehen würde.
Zwar werden beide in Rede stehenden Absätze mit einem ähnlichen Wortlaut eingeleitet werden, nämlich "Die erfindungsgemäße zentrale Regelung" bzw. "die erfindungsgemäße zentrale Steuerung". Die Kammer kann hierin jedoch keine einschränkende Bedeutung etwa in dem Sinne erkennen, dass die beiden Absätze nur in Kombination miteinander gelesen werden können. Ganz im Gegenteil ergibt sich durch den betreffenden Wortlaut regelmäßig der Hinweis an den Fachmann, dass die Absätze unabhängige Konkretisierungen bzw. Weiterbildungen der beanspruchten erfindungsgemäßen zentralen Regelung beschreiben.
4.9 Im Hinblick auf die Offenbarung in dem letzten Absatz auf Seite 16 der ursprünglichen Anmeldung stimmt die Kammer des weiteren mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass die dort als notwendig beschriebene Übertragung von Daten an den Netzbetreiber ausschließlich in Zusammenhang mit der auf Seite 16 beschriebenen Bereitstellung einer Reserveleistung steht. Nach Überzeugung der Kammer kann der Wortlaut "diese vorbeschriebene Leistungssteuerung" im konkreten Fall von einem Fachmann nur so verstanden werden, dass er sich auf die unmittelbar vorstehend beschriebene konkrete Ausführungsform der Leistungssteuerung mittels Reserveleistung bezieht.
Schließlich lässt der letzte Absatz auf Seite 16 auch in keiner Weise unmittelbar und eindeutig erkennen, dass die Übertragung von Daten des Windparks an den Netzbetreiber generell eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung der beanspruchten netzunterstützenden Steuerung des Windparks durch den Betreiber des öffentlichen Netzes darstellt.
4.10 Schließlich lässt der zweite Absatz auf Seite 15 der ursprünglichen Anmeldung ebenfalls erkennen, dass eine netzunterstützende Steuerung durch den Betreiber des öffentlichen Netzes nicht zwingend mit der Übertragung von Daten an den Netzbetreiber einhergeht. Zumindest ist der betreffende Absatz ausschließlich auf eine zentrale Steuerung durch die Trennung des Windparks vom Netz gerichtet. Die Erforderlichkeit eines Datentransfers vom Windpark an den Netzbetreiber wird in diesem Zusammenhang hingegen nicht beschrieben.
4.11 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die ursprüngliche Anmeldung in ihrer Gesamtheit dem Fachmann keine unmittelbare und eindeutige Lehre vermittelt, nach der eine netzunterstützende Steuerung des Windparks vom Betreiber des öffentlichen Netzes in struktureller oder funktioneller Weise untrennbar mit der Übertragung von Daten des Windparks an den Betreiber des öffentlichen Netzes verbunden ist.
Vielmehr bildet der letzte Absatz auf Seite 14 der ursprünglichen Anmeldung eine allgemeine Offenbarungsgrundlage für die netzunterstützende Steuerung des Windparks durch den Betreiber des öffentlichen Netzes. Diese wird an verschiedenen Stellen der ursprünglichen Anmeldung für konkrete Anwendungsfälle näher beschrieben und sieht in einem konkreten Fall vor, dass der Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes nicht nur einen Steuerzugriff aufweist, sondern auch Daten vom Windpark erhält. Dies ist insbesondere der Fall bei der Bereitstellung einer Reserveleistung, wie auf Seite 16 der ursprünglichen Anmeldung beschrieben.
4.12 Die Ansprüche 1 und 14 erfüllen daher das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ.
5. Ergebnis
Da der Hauptantrag das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllt und da die Beschwerdegegnerin keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag vorgebracht hat, war dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattzugeben.
Die Einwände nach Artikel 54 und 56 EPÜ richteten sich lediglich gegen die Hilfsanträge, so dass die Kammer in der vorliegenden Entscheidung nicht dazu Stellung nehmen musste. Ebenfalls musste die Kammer nicht Stellung nehmen zu dem weiteren Vorbringen gemäß dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 23. August 2022 hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichkeit der Druckschrift E02 zum Stand der Technik.
Der in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden erhobene Einwand unter Artikel 83 EPÜ richtete sich ausschließlich gegen den von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Hilfsantrag 3b. Durch die Rücknahme der Beschwerde der Einsprechenden ist dieser Einwand nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, sodass eine Äußerung in der vorliegenden Entscheidung zu diesem Thema nicht erforderlich war.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung:
Absätze: 1 bis 95 der Patentschrift
Ansprüche:
Nr.: 1 bis 18, eingereicht in elektronischer Form am 30. Juli 2018
Zeichnungen:
Nr. 1, 2, 11 bis 16 und 21 bis 25 der Patentschrift