T 0173/20 29-01-2021
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ANDOCK-MASCHINE
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die europäische Patentanmeldung EP 16 751 473 zurückzuweisen.
a) Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 des am 7. März 2019 eingegangenen Hauptantrags nicht neu gegenüber
D2: FR 2 986 172 A1
ist und folglich die Erfordernisse des Artikel 54 EPÜ nicht erfüllt.
II. In Reaktion auf eine telefonische Rücksprache mit der Berichterstatterin der Kammer am 4. Dezember 2020, bei der Einwände unter Artikel 84 EPÜ gegen die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge erhoben wurden, reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. Dezember 2020 einen neuen Hauptantrag ein, um den Einwänden hinsichtlich des Artikels 84 EPÜ Rechnung zu tragen, sowie Hilfsanträge 1 und 2. Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 wurden von der Beschwerdeführerin ein geänderter Hauptantrag sowie geänderte Hilfsanträge 1 und 2 überreicht, in denen die zweiteilige Form des unabhängigen Anspruch 1 geändert wurde. Mit Schreiben vom 26. Januar 2021 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Beschreibungsseiten 1-8 zum Hauptantrag ein.
III. In der vorliegenden Entscheidung wird weiterhin auf das im Recherchenbericht zur Anmeldung zitierte Dokument D1 Bezug genommen.
D1: CH 480 138 A
IV. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 des Hauptantrags lautet:
1. Vorrichtung zur spanabhebenden Bearbeitung von Werkstücken mit einem um eine Werkzeugachse (W) rotierenden Werkzeug (9), mit einer Werkstückaufnahme und einem Werkzeugträger (1), wobei das Werkzeug (9) dazu vorgesehen ist, durch sukzessives Zerspanen der Werkstücke diesen eine vorbestimmte Geometrie zu geben, wobei der Werkzeugträger (1) zur Ermöglichung von Positionier- und/oder Vorschubbewegungen bei der Bearbeitung des Werkstücks mit einem an dem Werkzeugträger (1) aufgenommenen rotierbaren Werkzeug (9) relativ zu dem Werkstück verfahrbar ist, wobei die Vorrichtung eine Linearantriebsanordnung (3) mit wenigstens einem ersten Linearantrieb (6) aufweist, mit der eine Werkzeugaufnahme (8) zur rotierbaren Aufnahme des Werkzeugs (9) relativ zum Werkzeugträger (1) verfahrbar an dem Werkzeugträger (1) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass
der Werkzeugträger (1) eine Schnittstelle (4) zur wahlweisen Aufnahme eines rotierbaren Werkzeugs (9) oder der Linearantriebsanordnung (3) aufweist.
Der Verfahrensanspruch 9 des Hauptantrags lautet:
9. Verfahren zum Betreiben einer Vorrichtung zur spanabhebenden Bearbeitung von Werkstücken mit einer Vorrichtung nach einem der vorigen Ansprüche, wobei zur spanabhebenden Bearbeitung ein rotierendes Werkzeug (9) wahlweise an einem Werkzeugträger (1) oder an einer an dem Werkzeugträger (1) aufgenommenen Linearantriebsanordnung (3) aufgenommen wird und wobei das rotierende Werkzeug (9) durch sukzessives Zerspanen des Werkstückes diesem eine vorbestimmte Geometrie gibt.
1. Hauptantrag - Artikel 123(2) EPÜ
1.1 Die eingeführten Änderungen erfüllen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
1.2 Anspruch 1 des Hauptantrags basiert auf dem Wortlaut der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2, wobei optionale Merkmale ("vorzugsweise", "insbesondere") gestrichen wurden. Weiterhin wurde auf Grundlage von S. 1, Z. 12-14, der Wortlaut des Anspruchs 1 um das Merkmal "wobei das Werkzeug (9) dazu vorgesehen ist, durch sukzessives Zerspanen der Werkstücke diesen eine vorbestimmte Geometrie zu geben" ergänzt.
1.3 Anspruch 9 des Hauptantrags basiert auf dem Wortlaut des ursprünglich eingereichten Anspruchs 10, wobei die optionalen Merkmale "metallisch" und "Fräser" sowie der Begriff "insbesondere" vor "Vorrichtung nach einem der vorigen Ansprüche" gestrichen wurden. Weiterhin wurde analog zu Anspruch 1 der Wortlaut um S. 1, Z. 12-14, ergänzt.
1.4 Die abhängigen Ansprüche 2-8 basieren auf dem Wortlaut der ursprünglich eingereichten abhängige Ansprüche 3-7 und 9.
2. Neuheit gegenüber D1 und D2
2.1 Die Ansprüche 1 und 9 sind neu gegenüber D1 und D2.
2.2 Im Prüfungsverfahren wurden gegen den ursprünglichen Anspruch 2 Einwände bzgl. mangelnder Neuheit gegenüber D2 erhoben. Eine Substantiierung erfolgte jedoch nicht.
2.3 Die Kammer sieht jedoch weder in D1 noch in D2 die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 2, die nun Teil des unabhängigen Anspruchs 1 sind, offenbart. Weder die Vorrichtung der D1 noch die der D2 weist eine Schnittstelle auf, um an dem Werkzeugträger wahlweise ein rotierbares Werkzeug oder die Linearanordnung anzuordnen (kennzeichnender Teil des Anspruchs 1). D1 und D2 ermöglichen nur das Anordnen der Linearanordnung am Werkzeugträger.
In D1, Fig. 1 und 2, wird der Werkzeugträger im Bauteil 10 und die Linearantriebsanordnung in dem Verstellmechanismus zur radialen Verstellung einer Werkzeugaufnahme (Werkzeugkopf 12) relativ zum Werkzeugträger gesehen (Sp. 3, Z. 10-12, Sp. 4, Z. 67 - Sp. 5, Z. 33).
In D2 wird der Werkzeugträger im Bauteil 3 und die Linearantriebsanordnung in den Elementen 5a, 5b, 6 gesehen (Fig. 2 mit S. 3, Z. 20 bis S. 4, Z. 2).
An keinem der beiden offenbarten Werkzeugträger ist wahlweise die Aufnahme eines rotierbaren Werkzeugs möglich.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Vorrichtung nach Anspruchs 1 und das Verfahren nach Anspruch 9 erfüllen die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
3.2 Unabhängig davon, ob D1 oder D2 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist, unterscheidet sich Anspruch 1 zumindest durch den kennzeichnenden Teil von den in D1 und D2 offenbarten Vorrichtungen.
3.3 Die Schnittstelle am Werkzeugträger ermöglicht die wahlweise Aufnahme eines rotierbaren Werkzeugs oder der Linearantriebsanordnung.
3.4 Die zu lösende Aufgabe kann somit darin gesehen werden, große Werkstücke mit vereinzelt sehr fein aufgelösten Konturen effizient zu bearbeiten (urspr. Beschreibung, S. 2, Z. 31 bis S. 3, z. 2).
3.5 Da das kennzeichnende Merkmal weder in D1 noch in D2 offenbart ist, kann sich auch aus der Zusammenschau der beiden Dokumente keine Vorrichtung gemäß Anspruch 1 ergeben. Auch in Kombination mit dem Fachwissen erhält der Fachmann keinen Hinweis auf eine Vorrichtung mit den Merkmalen nach Anspruch 1.
3.6 Gleiches gilt für den Verfahrensanspruch 9 zur Bearbeitung von Werkstücken mit einer Vorrichtung nach Anspruch 1.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein europäisches Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
- Ansprüche 1 bis 9 des Hauptantrags eingereicht mit Schreiben vom 5. Januar 2021
- Beschreibungsseiten 1-8 eingereicht mit Schreiben vom 26. Januar 2021
- Zeichnungsblätter 1/4 bis 4/4 wie ursprünglich eingereicht