T 0251/20 14-02-2023
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Vorrichtung zum Vermessen von Gleisen
Plasser & Theurer, Export von Bahnbaumaschinen,
Gesellschaft m.b.H.
I. Das europäische Patent EP-B1-2 960 371 (im Folgenden: das Patent) betrifft eine Vorrichtung zum Vermessen von Gleisen zur Steuerung und Regelung von Gleisbaumaschinen, mit zwei äußeren, einem vorderen und einem hinteren, gleisfahrbaren Messwagen und einem dazwischen angeordneten mittleren gleisfahrbaren Messwagen.
Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ und unzureichender Offenbarung gemäß Artikel 100 b) EPÜ.
II. Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gelangt, dass das Patent wie erteilt die Erfordernisse des EPÜ erfülle. Sie wies somit den Einspruch zurück.
Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt.
III. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 13. Juli 2022 gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit, dass die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen wäre.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 14. Februar 2023 statt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
V. Anträge
Am Schluss der mündlichen Verhandlung beantragte die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Patentinhaberin (im Folgenden: die Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit Schreiben vom 16. August 2019.
VI. Ansprüche
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mit der von den Verfahrenbeteiligten verwendeten Merkmalsgliederung a) bis f) lautet wie folgt:
a) Vorrichtung zum Vermessen von Gleisen zur Steuerung
und Regelung von Gleisbaumaschinen,
b) mit zwei äußeren, einem vorderen und einem
hinteren, gleisfahrbaren Messwagen (15, 21) und einem dazwischen angeordneten mittleren gleisfahrbaren Messwagen (22),
c) wobei den äußeren Messwagen (15,21) je wenigstens
ein zum mittleren Messwagen (22) weisender Positionsgeber (14, 20) zugeordnet ist und am mittleren Messwagen ein Empfänger angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet,
d) dass am mittleren Messwagen (22) wenigstens zwei
optische Sensoren (16, 17), insbesondere Kameras, als Empfänger derart auf einer optischen Achse (34) angeordnet sind,
dass wenigstens ein optischer Sensor zum hinteren Messwagen (15) und wenigstens ein anderer optischer Sensor zum vorderen Messwagen (21) gerichtet ist und
e) dass die Positionsgeber (14, 20) Positionslichter
(23, 24, 25, 26, 27) sind,
die in bestimmter geometrischer Anordnung derart zu je einer Leuchteinheit zusammengefasst sind,
dass sie ein optisches Muster aussenden,
f) womit die Ist-Position des vorderen und des
hinteren Messwagens im Gleis hinsichtlich Höhe und Seitenlage
mittels der geometrisch bekannten Abstände der Messwagen zueinander und der Abbildungsmaßstäbe der optischen Sensoren errechnet wird
und durch Vergleich mit einer Soll-Position des Gleises die Gleisbaumaschine steuer- und regelbar ist.
Der Wortlaut der Ansprüche der Hilfsanträge spielt für die vorliegende Entscheidung keine Rolle.
VII. In der vorliegenden Entscheidung werden die folgenden Dokumente aus dem Einspruchsverfahren genannt:
D1: Pieter Schrok, "Matisa Embedded Technology (MET)
for automatically guiding track maintenance machines", Rail Engineering International, Edition 2003, Nummer 3, Seiten 12-14
D2: CN 101982609 A, mit maschineller Übersetzung der
Beschreibung und der Ansprüche auf Englisch
VIII. Das für diese Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
D1 offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags. Insbesondere sei Merkmal e) breit auszulegen, so dass die in D1 offenbarte Konfiguration der Positionslichter A, C1, C2 von ihm umfasst sei.
Gleiches gelte bezüglich der Offenbarung von D2.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei somit nicht neu gegenüber D1 oder D2.
D1 könne zumindest den nächstliegenden Stand der Technik darstellen. Hinsichtlich des durch Unterscheidungsmerkmal e) erreichten technischen Effekts könne die Aufgabe darin gesehen werden, die Gleisgeometrie am vorderem Messwagen bezüglich der Verwindung des Gleises zu überwachen oder die Neigung von allen Messwägen zu erfassen.
Mit Hilfe ihres Fachwissens bringe die vor diesen Aufgaben gestellte Fachperson am vorderen Messwagen von D1 mehrere Positionslichter in geometrischer Anordnung an, wie bereits für den hinteren Messwagen von D1 gelehrt werde, und gelange so ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.
IX. Das für diese Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
D1 offenbare Merkmal d) und e) nicht. Insbesondere erfordere Merkmal e), dass jeder an den äußeren Messwagen angeordnete Positionsgeber ein optisches Muster aussende, was in D1 nicht der Fall sei.
Gleiches gelte für die Offenbarung von D2.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei somit neu gegenüber D1 und D2.
Die technische Wirkung der Unterschiedsmerkmale d) und e) gegenüber D1 als nächstliegendem Stand der Technik liege darin, dass mittels der Abbildungsmaßstäbe der optischen Sensoren und der bekannten Abstände zwischen den Messwägen die IST-Position des vorderen und hinteren Messwagens anhand der Veränderung des optischen Musters ermittelt werden könne. Zudem könne anhand der Veränderung des optischen Musters in Steigungen oder bei Kurvenfahrten anhand von Verzerrungen des Musters in x und in y - Richtung ein Einheitsvektor errechnet werden, der senkrecht auf der Musterebene steht und in Fahrtrichtung des zugeordneten Messwagens zeigt.
Die zu lösende Aufgabe könne folglich darin gesehen werden, eine Vorrichtung zur Vermessung von Gleisen und zur Steuerung und Regelung von Gleisbaumaschinen bereitzustellen, die eine höhere Messgenauigkeit erlaubt (vgl. Streitpatent, Absatz [0007]).
Ausgehend von D1 gebe es für die Fachperson keinerlei Hinweise darauf, anstelle der Anordnung einer Lampe am vorderen Wagen eine geometrische Anordnung, bestehend aus mehreren Positionslichtern, zu verwenden, geschweige denn vorzusehen, dass die Positionsgeber Positionslichter wären, die in bestimmter geometrischer Anordnung derart zu je einer Leuchteinheit zusammengefasst wären, dass sie - wie beansprucht - ein optisches Muster aussenden.
Die Fachperson gelange somit ausgehend von D1 nicht in naheliegender Art und Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
1. Hauptantrag - Neuheit
Die Beschwerdeführerin bestreitet die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung von entweder D1 oder D2.
1.1 Gegenüber D1
Unter den Beteiligten ist nur streitig, ob D1 die Merkmale d) und e) offenbart.
1.1.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass Merkmal e) auf Seite 12, linke Spalte, letzter Absatz in Verbindung mit Figur 1 offenbart sei: "a lamp (A) on the front trolley, two lamps (C1 and C2) on the rear trolley".
Laut der Beschwerdeführerin seien die beanspruchten Positionsgeber die Positionslichter A, C1, C2 in D1. Die Positionslichter C1, C2 bildeten dabei am hinteren Messwagen eine Leuchteinheit, die von den nach hinten gerichteten optischen Sensoren erfasst werde, während das Positionslicht A am vorderen Messwagen ebenfalls eine Leuchteinheit bilde, die von den nach vorne gerichteten optischen Sensoren erfasst werde. Dabei sei auch das einzelne vordere Positionslicht A z.B. zusammen mit seiner Verkabelung oder Fassung als eine "Leuchteinheit" anzusehen, wie es Merkmal e) erfordert.
Durch die im Merkmal e) verwendete Mehrzahl für die Positionslichter sei nämlich eine Konfiguration der Vorrichtung umfasst, bei welcher nur je ein einzelnes Positionslicht an beiden äußeren Messwagen angeordnet ist. Diese Auslegung des Merkmals e) werde durch Absatz 9 des Patents bestätigt ("...je wenigstens ein Positionslicht umfasst").
Merkmal e) erfordere weiterhin lediglich, dass die Positionslichter in bestimmter geometrischer Anordnung derart positioniert sind, dass sie ein optisches Muster aussenden. Aus Figur 1 von D1 sei ersichtlich, dass die Positionslichter A, C1, C2 an den Eckpunkten eines gleichschenkeligen Dreiecks angeordnet seien. Sie seien somit gemeinsam so in einer bestimmten geometrischen Anordnung zusammengefasst, dass sie ein optisches Muster in Form eines Dreiecks aussendeten. Dadurch vereinfachten sie die Auswertung der Bilder, wie im Patent angegeben, Absatz 9, zweiter Satz (siehe Seite 12, linke Spalte).
Ferner sendeten auch die Positionslichter C1, C2 am hinteren Messwagen alleine ein Muster im Sinne des Streitpatents aus. Sie bildeten die Endpunkte einer Strecke entsprechend der Geometrie eines Reflektorstreifens, der laut Streitpatent ein geeignetes optisches Muster bilde (Spalte 3, Zeilen 3-5).
Deshalb offenbare D1 Merkmal e) des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
1.1.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.
Merkmal c) verlangt, dass den äußeren Messwagen je wenigstens ein zum mittleren Messwagen weisender Positionsgeber zugeordnet ist. Gemäß Merkmal e) sind die Positionsgeber Positionslichter, die in bestimmter geometrischer Anordnung zu je einer Leuchteinheit zusammengefasst sind. Dadurch ist an jedem äußeren Messwagen eine Leuchteinheit angeordnet. Eine Leuchteinheit ist dabei nicht dasselbe wie ein Positionslicht, da der Anspruchswortlaut explizit zwischen diesen beiden Entitäten unterscheidet. Vielmehr besteht eine Leuchteinheit aus mehreren Positionslichter, die zu eben dieser Leuchteinheit zusammengefasst sind. Schon aus diesem Grund ist die Konfiguration von D1 mit einem Positionslicht ("lamp A") am vorderen Messwagen ausgeschlossen.
Ferner wird durch die Verwendung des Worts "je" im Merkmal e) definiert, dass die Positionsgeber bzw. die Positionslichter von jedem äußeren Messwagen in bestimmter geometrischer Anordnung derart zu einer Leuchteinheit zusammengefasst sind, dass sie ein optisches Muster aussenden. Deshalb erfordert Merkmal e), wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, dass jeder an den äußeren Messwagen angeordneten Positionsgeber ein optisches Muster aussendet.
Außerdem bezieht sich in der Konstruktion "Positionslichter..., die ....zu je einer Leuchteinheit zusammengefasst sind, dass sie ein optisches Muster aussenden" sowohl das Relativpronomen "die" des ersten Relativsatzes, als auch das Subjekt "sie" des nachfolgenden Konsekutivsatzes auf dieselben Entitäten.
Es sind also jeweils dieselben Positionslichter, die die jeweilige Leuchteinheit bilden und das Muster aussenden. Folgte man der Beschwerdeführerin so weit, dass die Lichter A, C1, C2 gemeinsam das Muster ausbilden, so müssten sie auch gemeinsam zu einer Leuchteinheit zusammengefasst sein. Dann gäbe es aber nur eine einzige Leuchteinheit und nicht auf jedem Messwagen eine, wobei eine Interpretation des Begriffs "Leuchteinheit" derart, dass diese sich über mehrere Messwägen erstreckt nicht fachgemäß ist.
Genauso wenig kann - selbst wenn man zu Gunsten der Beschwerdeführerin ein einzelnes Positionslicht mit seiner Fassung oder Verdrahtung als "Leuchteinheit" im Sinne des Anspruchs ansehen wollte - die in Figur 1 von D1 am rechten Messwagen offenbarte einzelne Lichtquelle ("lamp A") als derart zu einer Leuchteinheit zusammengefasst angesehen werden, dass sie ein optisches Muster aussendet, da ein einzelnes Positionslicht nicht als ein "optisches Muster" aussendend anzusehen ist.
Zusammenfassend ist Merkmal e) aus D1 nicht bekannt, so dass es sich für die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber D1 erübrigt, Merkmal d) zu diskutieren (siehe auch angefochtene Entscheidung, Punkt IV.7.3.1).
1.2 Gegenüber D2
Unter den Beteiligten ist wiederum nur streitig, ob D2 die Merkmale d) und e) offenbart.
1.2.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass Merkmal e) in Anspruch 1 sowie auf Seite 7 der Beschreibungsübersetzung, vorletzter Absatz, in Verbindung mit Figur 1 von D2 offenbart sei.
Laut der Beschwerdeführerin gälten die gegenüber der Offenbarung von D1 oben angegebenen Argumente in Bezug auf die Auslegung des Merkmals e) des Anspruchs 1 mutatis mutandis gegenüber der Offenbarung von D2 hinsichtlich des Positionslichts D des vorderen Messwagens (5) (siehe Figuren 1 und 2).
Für die Beschwerdeführerin senden die zueinander in einer geometrischen Anordnung angebrachten Positionslichter A, B1, B2 und D zusammengefasst ein optisches Muster aus. In Figur 1 seien die Positionslichter in den Eckpunkten eines Deltoids angeordnet.
1.2.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.
Den Figuren 1 und 2 von D2 ist zu entnehmen, dass am vorderen Messwagen (5) lediglich eine einzelne Lichtquelle ("lighting source D") vorgesehen ist, die aus den in obigem Punkt 1.1.2 diskutierten Gründen nicht als "Positionslichter, die in geometrischer Anordnung derart zu einer Leuchteinheit zusammengefasst sind, dass sie ein optisches Muster aussenden", angesehen werden kann (siehe auch Seite 7, vorletzter Absatz bis Seite 8, erster Absatz der Beschreibungsübersetzung von D2).
Deshalb ist Merkmal e) aus D2 ebenfalls nicht bekannt, so dass es sich für die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber D2 wiederum erübrigt, Merkmal d) zu diskutieren (siehe auch angefochtene Entscheidung, Punkt IV.7.5).
1.3 Im Lichte der oben angegebenen Gründe ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neu (Artikel 54 (1) EPÜ).
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
2.1 Laut der Beschwerdeführerin beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen der Fachperson.
2.2 Im Lichte der unter obigem Punkt 1 geführten Diskussion zur Neuheit gegenüber D1 ist zumindest Merkmal e) als Unterscheidungsmerkmal zu berücksichtigen.
Zwar teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdeführerin in Bezug auf Merkmal e), dass die Positionsgeber (C1, C2) des hinteren Messwagens ("rear trolley") von D1 als Positionslichter anzusehen sind, die in bestimmter geometrischer Anordnung (siehe Figur 1, z. B. Draufsicht und Seitenansicht) derart zu einer Leuchteinheit zusammengefasst sind, dass sie ein optisches Muster aussenden. Dies gilt jedoch nicht für das einzelne Positionslicht (A) des vorderen Messwagens ("front trolley") (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt IV.7.3.1.2).
2.3 Betreffend Unterscheidungsmerkmal e), d.h. das Positionslicht A von D1 stellt keine Lichteinheit zur Aussendung eines eigenen Musters dar, vertrat die Beschwerdeführerin schriftlich die Meinung, dass die damit erzielte technische Wirkung darin bestehe, die Neigung zwischen dem mittleren Messwagen und dem vorderen Messwagen zu ermitteln, also einen Twist A-B.
Die Aufgabe könne somit darin gesehen werden, die Gleisgeometrie am vorderem Messwagen bezüglich der Verwindung des Gleises zu überwachen (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt IV.8.1.1).
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass diese Aufgabenformulierung keinen Hinweis auf die Lösung enthalte. Die Fachperson sei von der Offenbarung von D1 auch nicht davon abgehalten, sich diese Aufgabe zu stellen, weil in D1 die Verwindungsmessung nur bezüglich der bereits berichtigten Gleislage an der Stelle des hinteren Messwagens C angegeben sei.
Während der mündlichen Verhandlung argumentierte die Beschwerdeführerin weiter, dass der technische Effekt auch darin bestehen könne, die Neigung der beiden äußeren Messwägen zu erfassen, siehe Patent, Absatz 25.
Sie trug somit mündlich vor, dass die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden könne, die Neigung von allen Messwägen zu erfassen.
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass diese Aufgabenformulierung gerechtfertig sei, d.h. keine rückschauende Aufgabe darstelle, weil das Dokument D2, Anspruch 9, das auf dem gleichen technischen Gebiet wie D1 liege, sich mit einer derartigen Aufgabe befasse.
Unabhängig von der gestellten Aufgabe erkenne die Fachperson ohne weiteres, dass die Lösung in der Erweiterung der Messung des vorderen Messwagens entsprechend der des hinteren Messwagen wie in D1 (Twist B-C) liege, siehe Seite 12. Sie bringe also auch am vorderen Messwagen mehrere Positionslichter in geometrischer Anordnung an und gelange so ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.
2.4 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.
Keine der von der Beschwerdeführerin formulierten Aufgaben in Bezug auf Unterscheidungsmerkmal e) ist gemäß dem Aufgage-Lösungs-Ansatz zulässig, weil beide jeweils einen Teil der Lösung ("je") enthalten.
In der Tat deuten sowohl die schriftlich vorgetragene Aufgabe ("die Gleisgeometrie am vorderem Messwagen") als auch die mündlich vorgetragene Aufgabe ("die Neigung von allen Messwägen") bereits auf eine Veränderung am vorderen Messwagen hin (siehe auch die angefochtene Entscheidung, Punkt IV.8.2, Seite 9, letzter Absatz). Dass die Aufgabe in einem anderen Dokument wie z.B. D2 erwähnt wird, ändert an dieser Tatsache nichts, da ja von D1 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen wird.
Die von der Beschwerdegegnerin angegebene Aufgabe ("eine höhere Messgenauigkeit") ist ebenfalls nicht zulässig, weil sie zu allgemein gefasst ist, d.h. nicht mit dem entsprechenden technischen Effekt verbunden ist.
Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin liegt im Streitpatent keine Offenbarung dahingehend vor, dass die IST-Position des vorderen und hinteren Messwagens hinsichtlich Höhe und Seitenlage (siehe Merkmal f)) wie in Merkmal e) definiert, d.h. anhand der Veränderung des optischen Musters, ermittelt wird. Der Effekt von Merkmal e) wird in Absatz 25 in Verbindung mit Figur 8 des Streitpatents erläutert. Insbesondere durch das Aussenden eines optischen Musters von einer am vorderen Messwagen angeordneten Leuchteinheit wird demnach die Neigung des vorderen Messwagens ermittelt. Da eine Neigung (Twist B-C) des Gleises in D1 bereits ermittelt wird, siehe Seite 12, linke Spalte, wird als technischer Effekt angesehen, eine höhere Messgenauigkeit der Vorrichtung von D1 hinsichtlich der Neigung zu erreichen.
Deshalb kann die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, die Vorrichtung zur Vermessung von Gleisen und zur Steuerung und Regelung von Gleisbaumaschinen von D1 so weiterzubilden, dass sie eine höhere Messgenauigkeit hinsichtlich der Neigung erlaubt.
Es sind keine Gründe ersichtlich, warum die Fachperson die beanspruchte Lösung (gemäß Merkmal e)) auswählen würde. Weder gibt es einen Hinweis darauf in den verfügbaren Dokumenten D1 und D2, noch ist ein Nachweis entsprechenden Fachwissens vorhanden. In D2 wird z. B. ein zusätzliches Positionslicht A am hinteren Messwagen angeordnet, siehe Seite 7 vorletzter Absatz bis Seite 8, zweiter Absatz der Beschreibungsübersetzung, und Figuren 1 und 2.
Deshalb beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit im Lichte des Merkmals e).
3. Hilfsanträge 1 und 2
In Anbetracht der obigen Schlussfolgerung zum Hauptantrag erübrigt es sich die Hilfsanträge zu diskutieren.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.