T 0516/20 20-12-2022
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SCHARSPITZE BZW. WERKZEUGKOMBINATION MIT EINER SCHARSPITZE
Amazonen-Werke
H. Dreyer GmbH & Co. KG
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (nein)
Änderung des Vorbringens - in zulässiger Weise vorgebracht und aufrechterhalten (ja)
Änderung nach Ablauf der in einer Mitteilung nach R. 100 (2) EPÜ gesetzten Frist - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ablauf der in einer Mitteilung nach R. 100 (2) EPÜ gesetzten Frist - berücksichtigt (nein)
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 966 954 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 9 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht neu gegenüber D1 sei, dass Anspruch 9 des Hilfsantrags 2 nicht klar sei, und dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 nicht neu gegenüber D1 sei. Außerdem hatte die Einspruchsabteilung entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D1 US 4,869,328 A
D4 DE 100 14 155 A1
III. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin (nachfolgend: Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag). Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrag 1A, oder gemäß einem der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geltend gemachten Hilfsanträge 1-14.
IV. Die Beschwerdeführerin Einsprechende (nachfolgend: Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Mit einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 20. Dezember 2022 in Anwesenheit aller Parteien statt.
VI. Die für diese Entscheidung relevanten unabhängigen Ansprüche der Anträge haben den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (erteilte Fassung), Hilfsantrag 1
"9. Werkzeugkombination mit einer Scharspitze (30) und einem daran angeschlossenen Leitelement (50), wobei die Scharspitze (30) und das Leitelement (50) Schraubaufnahmen (33, 57) zur Befestigung an einem Zinken (10) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass das Leitelement (50) eine Schraubaufnahme (57) aufweist, die in Werkzeugvorschubrichtung (V) mittels eines Deckabschnitts (38.1) der Scharspitze (30) überdeckt ist."
Hilfsantrag 1A (während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht; Änderungen gegenüber Anspruch 9 der erteilten Fassung durch die Kammer hervorgehoben)
"Werkzeugkombination mit einer Scharspitze (30) nach einem der Ansprüche 1 bis 8 und einem ..."
Hilfsantrag 2 (Änderungen gegenüber Anspruch 1 der erteilten Fassung durch die Kammer hervorgehoben)
"1. Scharspitze (30) zur Montage an einem Leitelement (50) für eine landwirtschaftliche Bodenbearbeitungs-maschine mit einem Basisteil (31), das eine Schneide (40.3) aufweist, wobei das Basisteil (31) eine Schraubaufnahme (33) an einem Schneidenträger (3~) zur Befestigung an einem Träger, insbesondere Zinken (10) der landwirtschaftlichen Bodenbearbeitungsmaschine aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Basisteil (31) eine Aufnahme (38) zur Aufnahme eines freien Endes eines Leitelementes (50) aufweist, die in Werkzeug-vorschubrichtung (V) mittels eines Deckabschnitts (38.1) überdeckt, dass im montierten Zustand die Scharspitze (30) im Bereich der Aufnahme (38) mit einer dort endenden Ableitfläche (34) über die Oberseite des Leitelements (50) übersteht, wobei sich damit ein Abstand mit einem Überstand (T) ergibt, wobei dieser Überstand (T) als Deflektor dient, und dass das
Abstandsmaß (T) mindestens 8 mm beträgt."
Hilfsantrag 3 (Änderungen gegenüber Anspruch 1 der erteilten Fassung durch die Kammer hervorgehoben)
"1. Scharspitze (30) für eine landwirtschaftliche Bodenbearbeitungsmaschine mit einem Basisteil (31 ), das eine Schneide (40.3) aufweist, wobei das Basisteil (31) eine Schraubaufnahme (33) an einem Schneidenträger (37) zur Befestigung an einem Träger, insbesondere Zinken (10) der landwirtschaftlichen Bodenbearbeitungs-maschine aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Basisteil (31) eine Aufnahme (38) zur Aufnahme eines freien Endes eines Leitelementes (50) aufweist, die in Werkzeugvorschubrichtung (V) mittels eines Deckabschnitts (38.1) überdeckt, dass die Aufnahme (38) wenigstens ein Blockierstück (38.3) zur formschlüssigen Arretierung eines Leitelements (50) quer zur Werkzeugvorschubrichtung aufweist, dass im Bereich des Deckabschnitts (38.1) zwei Blockierstücke (38.3) an das Basisteil (31) rückseitig angeformt sind, und dass die Blockierstücke (38.3) Anlageflächen bilden."
Hilfsantrag 4
"1. Werkzeugkombination mit einer Scharspitze (30) für eine landwirtschaftliche Bodenbearbeitungsmaschine und einem daran angeschlossenen Leitelement (50), wobei die Scharspitze (30) und das Leitelement (50) Schraubaufnahmen (33, 57) zur Befestigung an einem Zinken (10) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass das Leitelement (50) eine Schraubaufnahme (57) aufweist, die in Werkzeugvorschubrichtung (V) mittels eines Deckabschnitts (38.1) der Scharspitze (30) überdeckt ist, wobei die Scharspitze (30) ein Basisteil aufweist, das eine Schneide (40.3) aufweist, wobei das Basisteil (31) eine Schraubaufnahme (33) an einem Schneidenträger (37) zur Befestigung an einem Träger, insbesondere Zinken (10) der landwirtschaftlichen Bodenbearbeitungs-maschine aufweist, dass das Basisteil (31) eine Aufnahme (38) zur Aufnahme eines freien Endes des Leitelementes (50) aufweist, die in Werkzeugvorschubrichtung (V) mittels des Deckabschnitts (38.1) überdeckt, dass die Aufnahme (38) wenigstens ein Blockierstück (38.3) zur formschlüssigen Arretierung des Leitelements (50) quer zur Werkzeugvorschubrichtung aufweist, dass im Bereich des Deckabschnitts (38.1) zwei Blockierstücke (38.3) an das Basisteil (31) rückseitig angeformt sind, und dass die Blockierstücke (38.3) Anlageflächen bilden."
Hilfsantrag 5
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 3, wobei das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
"... und dass die Aufnahme (38) einen Verbindungsabschnitt (38.4) aufweist, der die Blockierstücke (38.3) einteilig miteinander verbindet."
Hilfsantrag 6
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 5, wobei das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
"... und dass eine Steckaufnahme der Aufnahme (38) seitlich mittels zweier zueinander beabstandet angeordneter Einführschrägen (38.2) begrenzt ist."
Hilfsantrag 7
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 6, wobei die folgenden Merkmale am Ende des Anspruchs eingefügt wurden:
"... dass die Aufnahme (38) zur Rückseite des Basisteils (31) hin geöffnet ist und seitlich eine Steckaufnahme bildet, und dass die Aufnahme zwei quer zur Werkzeugvorschubrichtung zueinander beabstandet angeordnete Blockierstücke (38.3) aufweist."
Hilfsanträge 8-10, 12-14
Der auf eine Werkzeugkombination mit einer Scharspitze und einem daran angeschlossenen Leitelement gerichtete Anspruch 7 des Hilfsantrags 8, Anspruch 6 des Hilfsantrags 9, Anspruch 5 des Hilfsantrags 10, Anspruch 6 des Hilfsantrags 12, Anspruch 5 des Hilfsantrags 13 bzw. Anspruch 9 des Hilfsantrags 14 ist identisch mit Anspruch 9 des Hauptantrags.
Hilfsantrag 11
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 2, wobei die folgenden Merkmale am Ende des Anspruchs eingefügt wurden:
"dass die Aufnahme (38) wenigstens ein Blockierstück (38.3) zur formschlüssigen Arretierung eines Leitelements (50) quer zur Werkzeugvorschubrichtung aufweist, dass im Bereich des Deckabschnitts (38.1) zwei Blockierstücke (38.3) an das Basisteil (31) rückseitig angeformt sind, und dass die Blockierstücke (38.3) Anlageflächen bilden."
VII. Die Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Anspruch 9 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1. Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 2 und 11 sei nicht klar. Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 3-7 beruhe ausgehend von D1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Der auf eine Werkzeugkombination mit einer Scharspitze und einem daran angeschlossenen Leitelement gerichtete Anspruch 7 des Hilfsantrags 8, Anspruch 6 des Hilfsantrags 9, Anspruch 5 des Hilfsantrags 10, Anspruch 6 des Hilfsantrags 12, Anspruch 5 des Hilfsantrags 13 bzw. Anspruch 9 des Hilfsantrags 14 sei nicht neu gegenüber D1.
VIII. Die Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Anspruch 9 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 sei neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1. Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 2 und 11 sei klar. Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 3-7 beruhe ausgehend von D1 auf erfinderischer Tätigkeit. Der auf eine Werkzeugkombination mit einer Scharspitze und einem daran angeschlossenen Leitelement gerichtete Anspruch 7 des Hilfsantrags 8, Anspruch 6 des Hilfsantrags 9, Anspruch 5 des Hilfsantrags 10, Anspruch 6 des Hilfsantrags 12, Anspruch 5 des Hilfsantrags 13 bzw. Anspruch 9 des Hilfsantrags 14 sei neu gegenüber D1.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Scharspitze für eine landwirtschaftliche Bodenbearbeitungsmaschine wie z.B. einen Grubber. Die Scharspitze (30) besitzt ein Basisteil (31) mit einem Schneidenträger (37), einer Schneide (40.3) und einer Schraubaufnahme (33) zur Befestigung an einem Träger, z.B. einem Zinken (10) des Grubbers. Solche Scharspitzen befinden sich an der Spitze jedes Grubberzinkens. Wenn der Grubber von einem Traktor über das Feld gezogen wird, lockert zuerst die Schneide der Scharspitze den Boden auf. Das abgetragene Bodenmaterial gleitet danach an einem sich an die Scharspitze anschließenden Leitelement (50) vorbei. Zum Schutz des Leitelements vor dem Angriff des Bodenmaterials besitzt das Basisteil der Scharspitze eine Aufnahme (38) zur Aufnahme eines freien Endes des Leitelementes, die in Werkzeugvorschubrichtung (V) mittels eines Deckabschnitts (38.1) der Scharspitze überdeckt ist. Dadurch kann das freie Ende des Leitelements gesichert hinter dem Deckabschnitt untergebracht werden, siehe Absatz 0005 sowie die Figuren 5 und 6 der Patentschrift.
Außerdem wird eine Werkzeugkombination aus einer Scharspitze und einem angeschlossenen Leitelement beansprucht.
3. Hauptantrag - Neuheit
Die Zwischenentscheidung befand, dass die Werkzeug-kombination mit einer Scharspitze und einem daran angeschlossenen Leitelement nach den erteilten Anspruch 9 nicht neu gegenüber der D1 sei, siehe Absatz 3.3.1.2 der Entscheidungsgründe. Die Patentinhaberin bestreitet diesen von der Einsprechenden unterstützten Befund.
3.1 Für die Neuheit von Anspruch 9 gemäß Hauptantrag ist das einzige Ausführungsbeispiel der D1 relevant, das eine Werkzeugkombination mit einer Scharspitze ("chisel plow point A") und einem daran angeschlossenen Leitelement ("moldboard B") betrifft. Die Scharspitze und das Leitelement sind mittelbar unter Zwischenlegung eines Adapters ("adaptor D") an einem Pflugschaft ("plow shank E") befestigt, siehe Spalte 2, Zeilen 40-66 und die Figuren 1 und 2 des Dokuments. Anspruch 9 schließt mangels entsprechender Merkmale nicht aus, dass das Leitelement mittelbar unter Zwischenlegung eines Adapters am Schaft einer Bodenbearbeitungs-maschine befestigt wird. Daher ist der in Figur 1 der D1 gezeigte Adapter für die Beurteilung der Neuheit unerheblich. Die beiden Öffnungen ("apertures 26") in der Scharspitze, siehe die Figuren 3 und 4 der D1, bilden unbestritten Schraubaufnahmen, die zur Befestigung der Scharspitze am Pflugschaft mittels der Befestigungsmittel ("fasteners 27") und des zwischengelegten Adapters geeignet sind. Außerdem besitzt die Scharspitze einen Deckabschnitt ("tip extender portion 14"), der in der Figur 1 nach links weisenden Werkzeugvorschubrichtung das freie Ende C des Leitelements überdeckt, siehe Spalte 2, Zeilen 62-65 und die Anordnung des Leitelements in Figur 1. Im Bereich des Deckabschnitts sind in Figur 2 zwei senkrecht übereinander angeordnete, gestrichelte Kreise dargestellt, siehe den Bereich zwischen den Bezugszeichen C und K in dieser Figur.
Die Kammer muss darum nun den von der Patentinhaberin bestrittenen Aspekt prüfen, wonach diese beiden Kreise unmittelbar und eindeutig als eine Schraubaufnahme am unteren Ende des Leitelements zu dessen Befestigung am Pflugschaft zu verstehen sind.
3.2 Die Parteien stimmen darin überein, dass das Leitelement der D1 lösbar mit dem Pflugschaft verbunden ist, und eine solche Befestigung geht auch für die Kammer aus der Formulierung "moldboards ... must be replaced in large quantities" in Spalte 1, Zeilen 48 und 49 hervor. Aufgrund der mechanischen Belastung durch das vorbei gleitende Bodenmaterial kommt dafür nach Auffassung der Kammer nur eine Verschraubung in Frage. Da das Leitelement entweder mit dem Adapter oder direkt mit dem Pflugschaft verschraubt werden muss, besitzt es zwangsläufig mindestens eine Schraub-aufnahme.
3.3 In Figur 2 der D1 sind zwei kreisförmige Öffnungen am oberen Ende des Leitelements dargestellt, siehe den Bereich oberhalb des Bezugszeichens B in dieser Figur. In Bezug auf diese beiden Öffnungen teilt die Kammer nicht die Sichtweise der Patentinhaberin, wonach diese Öffnungen in der gezeigten Stellung zur Befestigung am Pflugschaft dienen.Genau wie im Streitpatent, siehe dessen Figuren 1 und 2, ist auch das Leitelement in D1 gebogen ausgeführt. Dort befindet sich in Figur 1 das untere Ende des Leitelements in einer Flucht mit der Längsachse des Pflugschafts, während das obere Ende in Werkzeugvorschubrichtung nach links gegenüber der Achse versetzt ist, so dass es eine gebogene Form haben muss. Das ist konsistent mit der Darstellung in Figur 2 der D1, wo die divergierenden Linien im Bereich des oberen Endes des Leitelements die Biegung des Leitelements nach rechts bestätigen. Aus der vom Pflugschaft beabstandeten Anordnung des oberen Endes des Leitelements geht daher nach Auffassung der Kammer unmittelbar und eindeutig hervor, dass die beiden Öffnungen am oberen Ende in dieser Stellung nicht zu einer Verschraubung des Leitelements mit dem Pflugschaft dienen.
3.4 In Figur 1 der D1 befinden sich neben den beiden quer zur Schaftachse angeordneten Befestigungsmitteln 27 am Adapter weitere zwei Befestigungsmittel ohne Bezugszeichen am unteren Ende des Pflugschafts, auf dessen vom Leitelement bzw. Adapter abgewandten Seite. Im Gegensatz zur Sichtweise der Patentinhaberin handelt es sich dabei wohl nicht um Schraubenköpfe, sondern um Muttern, da sich zusätzliche Kreise innerhalb der Stirnflächen der sechseckigen Köpfe befinden. Dessen ungeachtet sind diese beiden Befestigungsmittel entlang der Längsachse des Pflugschafts bzw. Leitelements übereinander angeordnet. Die Anordnung der vier Befestigungsmittel in Figur 1 stimmt mit der Lage der unteren vier Kreise in Figur 2 überein, wo die beiden nicht-gestrichelten Kreise im Bereich der "tip section 12" wegen desselben Bezugszeichens 27 unmittelbar und eindeutig den beiden quer zur Längsachse des Leitelements angeordneten Befestigungsmitteln 27 in Figur 1 zuzuordnen sind. Die beiden gestrichelten Kreise im Bereich des Deckabschnitts "tip extender portion 14" der Figur 2 wiederum befinden sich oberhalb der Öffnungen für die Befestigungsmittel 27 und sind zudem quer zu diesen entlang der Längsachse des Leitelements angeordnet. Nach Auffassung der Kammer folgt für den Fachmann, der bestrebt ist, ein Dokument und auch seine Zeichnungen auf technisch sinnvoller Weise zu verstehen, aus einer Zusammenschau der Figuren 1 und 2 wegen der konsistenten Darstellung der vier Befestigungs-mittel bzw. Kreise unmittelbar und eindeutig, dass die gestrichelten Kreise den beiden Befestigungsmitteln ohne Bezugszeichen am unteren Ende des Pflugschafts in Figur 1 zugeordnet sind.
3.5 Das Gegenargument der Patentinhaberin, wonach die gestrichelten Kreise Bohrungen, Vertiefungen oder Erhebungen des Adapters D oder des Pflugschafts E oder auf die Rückseite des Adapters oder Leitelements aufgeschweißte Bolzensein könnten, überzeugt die Kammer nicht, da weder der Adapter noch der Pflugschaft in Figur 2 dargestellt sind. Außerdem wären diese beiden Bauteile hinter dem Leitelement angeordnet, so dass Strukturen wie Bohrungen, Vertiefungen oder Erhebungen auf deren zur Scharspitze zeigenden Vorderseite nur bei einer Schnittdarstellung des Leitelements sichtbar wären. Das gilt erst recht für auf der von der Scharspitze wegzeigenden Rückseite des Leitelements oder Adapters aufgeschweißte Bolzen. Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Patentinhaberin, wonach die gestrichelten Kreise deswegen keine Öffnungen im Leitelement sein könnten, da hinter dem Deckabschnitt 14 kein Platz für Schraubenköpfe sei. In Figur 1 ist nämlich das Leitelement mit der halben Dicke der Schraubaufnahme 27 im unteren Bereich der Scharspitze dargestellt. Da sich im Bereich der gestrichelten Kreise auch noch der Adapter zwischen dem Leitelement und dem Pflugschaft befindet, ist dort nach Auffassung der Kammer ausreichend Platz für eine Verschraubung vorhanden - notfalls mit Senkkopfschrauben. Deswegen sieht die Kammer die beiden gestrichelten Kreise als Öffnungen an, die auf der zur Scharspitze zeigenden Oberseite des Leitelements angeordnet sind. Diese Öffnungen sind nach den Konventionen für technische Darstellungen gestrichelt dargestellt, da sie vom ebenfalls dargestellten Deckabschnitt der Scharspitze verdeckt werden. Auch das weitere Gegenargument, wonach die beiden Befestigungsmittel auf der Rückseite des Pflugschafts Befestigungsstellen für seitlich anbaubare Flügel, oder sonstiges Zubehör, wie beispielsweise ein Rohr zur Ausbringung von Saatgut und/oder Düngersein könnten, führt zu keiner anderen Sichtweise. Diese Bauteile könnten dort tatsächlich an durch die gestrichelten Öffnungen der Figur 2 verlaufenden Schrauben zusätzlich angeordnet sein, jedoch unter Beibehaltung der von diesen Schrauben bewirkten Befestigungsfunktion von Leitblech/Adapter am Pflugschaft.
3.6 Die Kammer schließt aus alledem, dass die Schraubaufnahmen zur Befestigung des Leitelements in Figur 2 der D1 als gestrichelte Kreise dargestellt sind. Daher weist das aus dem Dokument bekannte Leitelement "moldboard" zwei Schraubaufnahmen auf, die in Werkzeugvorschubrichtung mittels des Deckabschnitts "tip extender portion 14" der Scharspitze "chisel plow point" überdeckt sind. Mithin weist die Werkzeugkombination aus Scharspitze und Leitelement alle Merkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags auf, so dass dessen Gegenstand nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 ist, Artikel 100(a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ.
4. Hilfsanträge - Zulassung zum Verfahren
4.1 Die Vorlage des Hilfsantrags 1A erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Dieser verspätet vorgelegte Hilfsantrag stellt geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13 VOBK 2020 erfolgt. Daher ist der Hilfsantrag 1A als Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung anzusehen, dessen Zulassung einer Rechtfertigung bedarf.
Die Patentinhaberin hat in Anspruch 9 von Hilfsantrag 1A einen Rückbezug auf den unabhängigen Anspruch 1 hinzugefügt, so dass die Scharspitze nun zwingend eine Aufnahme für das freie Ende des Leitelements aufweist. Sie rechtfertigt die verspätete Vorlage dieses Hilfsantrags mit dem Argument, dass die Eingabe der Einsprechenden vom 22. Juli 2022 einen neuen Tatsachenvortrag zur Auslegung und mangelnden Neuheit von Anspruch 9 des Hauptantrags enthalte.
Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, da sie keinen neuen Tatsachenvortrag zur Auslegung und mangelnden Neuheit erkennen kann. Die Überlegungen zur Auslegung in Absatz 1 dieser Eingabe betreffen den unabhängigen Anspruch 1, da dort eine Aufnahme für das freie Ende des Leitelements im Basisteil der Scharspitze bzw. ein Blockierstück in der Aufnahme thematisiert wird. Entsprechende Merkmale sind zwar in Anspruch 1, nicht aber in Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 1 enthalten. Auch die Ausführungen zur Neuheit in Absatz 3 dieser Eingabe betreffen nur den unabhängigen Anspruch 1, da die dort thematisierte Schneide bzw. der Schneidenträger nicht von Anspruch 9 enthalten sind. Bereits aus diesen Gründen kann die Änderung in Anspruch 9 von Hilfsantrag 1A nicht durch den vermeintlich neuen Tatsachenvortrag der Einsprechenden zur Auslegung oder Neuheit veranlasst sein.
Außerdem wurde der Gegenstand von Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 1 bereits in der angefochtenen Entscheidung (Absätze 3.2.1.2 und 4.1 der Entscheidungsgründe) als nicht neu gegenüber D1 angesehen. Ein entsprechender Einwand war bereits in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden enthalten (Seite 7, drittletzter Absatz bis Seite 9, erster Absatz). Spätestens mit der Beschwerdebegründung hätte daher klar sein können, dass die Neuheit von Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 1 gegenüber D1 im Beschwerdeverfahren diskutiert wird. In ihrer Einschätzung, dass die gestrichelten Kreise in Figur 2 der D1 als Schraubaufnahme im Leitelement anzusehen sind, ist die Kammer folglich einem Einwand der Einspruchsabteilung und der Einsprechenden gefolgt, der bereits mit der angefochtenen Entscheidung bzw. mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden, und damit mehr als zwei Jahre vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen wurde.
Was auch immer der Grund für das Ausbleiben einer Reaktion der Patentinhaberin - z.B. durch das rechtzeitige Stellen eines entsprechenden Hilfsantrags - auf diesen Einwand gewesen sein mag, ausreichend Zeit dafür wäre vorhanden gewesen. Die Tatsache, daß sich die Kammer einem Einwand der Einspruchsabteilung bzw. der Einsprechenden anschließt, ist insoweit weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern liegt in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses. Überraschend wäre vielmehr, wenn die Kammer ihrerseits einen neuen Einwand erhöbe. Vorliegend war das nicht der Fall.
Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage des Hilfsantrags 1A zu rechtfertigen wäre. Somit entscheidet die Kammer, diesen Hilfsantrag nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(2) VOBK 2020.
4.2 Im Hinblick auf die Zulassung des mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin eingereichten Hilfsantrags 4 verweist die Einsprechende auf ihr schriftliches Vorbringen, wonach der Antrag wegen fehlender Substantiierung nicht zuzulassen sei. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen, da die angegriffene Entscheidung auf Basis von Hilfsantrag 4 ergangen ist. Die Kammer sieht keine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Nichtzulassung eines Antrags, der von der Einspruchsabteilung zum Verfahren zugelassen wurde. Das gilt mutatis mutandis auch für die Hilfsanträge 1-3.
4.3 Die Hilfsanträge 5 bis 14 wurden nicht in der angefochtenen Entscheidung behandelt (da dem Hilfsantrag untergeordnet), sind aber gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht als Änderung zu betrachten, da sie bereits im Einspruchsverfahren in zulässiger Weise vorgebracht (Hilfsanträge 5 bis 7 wurden als Hilfsanträge 4 bis 6 während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung und Hilfsanträge 8 bis 14 als Hilfsanträge 2 bis 8 mit Schriftsatz vom 5. April 2019 eingereicht) und aufrechterhalten wurden.
5. Hilfsanträge 1, 8 bis 10, 12 bis 14 - Neuheit
Der Hilfsantrag 1 enthält unbestritten einen mit dem Hauptantrag identischen Anspruch 9. Zudem sind der auf eine Werkzeugkombination mit einer Scharspitze und einem daran angeschlossenen Leitelement gerichtete unabhängige Anspruch 7 des Hilfsantrags 8, der Anspruch 6 des Hilfsantrags 9, der Anspruch 5 des Hilfsantrags 10, der Anspruch 6 des Hilfsantrags 12, der Anspruch 5 des Hilfsantrags 13 bzw. der Anspruch 9 des Hilfsantrags 14 identisch mit Anspruch 9 des Hauptantrags. Die Argumentation zur mangelnden Neuheit in Abschnitt 3 dieser Entscheidung gilt daher für jeden dieser Hilfsanträge mutatis mutandis. Mithin sind auch die Gegenstände der genannten Ansprüche nicht neu, Artikel 54 EPÜ.
6. Hilfsanträge 2 und 11 - Klarheit
Die Zwischenentscheidung befand, dass das auf einen Überstand und das daraus resultierende Abstandsmaß gerichtete Merkmal in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wegen des nicht beanspruchten Leitelements nicht klar sei, siehe Absatz 5.1.3 der Entscheidungsgründe. Die Patentinhaberin bestreitet diesen von der Einsprechenden unterstützten Befund.
6.1 Die Angabe in Anspruch 1, dass "im montierten Zustand die Scharspitze (30) im Bereich der Aufnahme (38) mit einer dort endenden Ableitfläche (34) über die Oberseite des Leitelements (50) übersteht, wobei sich damit ein Abstand mit einem Überstand (T) ergibt, wobei dieser Überstand (T) als Deflektor dient, und dass das Abstandsmaß (T) mindestens 8 mm beträgt" betrifft die Abmessungen der Scharspitze. Jedoch werden nun ein Überstand und ein Abstandsmaß beansprucht, statt die Abmessungen im Bereich der Aufnahme konkret durch Merkmale der Scharspitze - wie deren dortige Länge, Breite oder Dicke - zu definieren. Insofern es der Fachperson aus einer solchen Angabe sofort ersichtlich ist, welche Merkmale der Scharspitze damit gemeint sind, und sie ohne unzumutbaren Aufwand so ausgebildet werden können, wäre die Klarheit gegeben.
6.2 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin darin zu, dass der in Anspruch 1 definierte Absatz mit dem Überstand T ein Bestandteil der Scharspitze ist. Jedoch ist aus Sicht der Kammer unklar, was genau mit dem Begriff "Abstandsmaß" gemeint ist, und wo dieser Abstand an der Scharspitze bzw. an deren Absatz zu messen ist. Da laut Regel 43(7) EPÜ Bezugszeichen nicht zu einer einschränkenden Auslegung eines Patentanspruchs herangezogen werden dürfen, ist das Abstandsmaß trotz desselben Bezugszeichens (T) nicht mit dem Überstand gleichzusetzen. Mangels weiterer Angaben zu diesem Abstand bleibt offen, zwischen welchen beiden Punkten, Linien oder Flächen das Abstandsmaß zu messen ist. Der Verweis der Patentinhaberin auf Figur 3 der Patentschriftführt zu keiner anderen Sichtweise, da in dieser Figur nur ein Abstand "I" zwischen der Oberseite des Leitelements und der vom Leitelement abgewandten Oberseite des Deckabschnitts der Aufnahme markiert ist. Dagegen enthält die Figur trotz der gegenteiligen Angabe in Absatz 0025 der Patentschrift keinen Hinweis auf einen Überstand T oder ein Abstandsmaß T. Deswegen kann die Kammer auch unter Berücksichtigung der Figur 3 der Patentinhaberin nicht darin zustimmen, dass sich das Abstandsmaß von mindestens 8 mm auf einen Absatz zwischen der Oberseite des Leitelements und der Ableitflächean der Scharspitze bezieht.
6.3 Aus Sicht der Kammer übersteigt es die normalen Fachkenntnisse der Fachperson, mangels weiterer Angaben in der Patentschrift zu einer eindeutigen Festlegung des Abstandsmaßes an der Scharspitze zu gelangen. Folglich ist Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unklar formuliert und erfüllt nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.
6.4 Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 enthält die gleiche Angabe (Abschnitt 6.1 oben). Daher gelten die obigen Überlegungen zum Hilfsantrag 2 für den Hilfsantrag 11 mutatis mutandis. Mithin ist auch der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 nicht klar, Artikel 84 EPÜ.
7. Hilfsanträge 3-7 - erfinderische Tätigkeit
Die angefochtene Zwischenentscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit von Hilfsantrag 4 ausgehend vom Dokument D1, siehe Absatz 7.3 der Entscheidungsgründe. Die Einsprechende bestreitet diesen von der Patent-inhaberin unterstützten Befund der Entscheidung.
7.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 enthält gegenüber dem bereits in Abschnitt 3 dieser Entscheidung für nicht neu befundenen Anspruch 9 gemäß Hauptantrag die zusätzlichen Merkmale, dass
- die Scharspitze ein Basisteil aufweist, an dem ein Schneidenträger ausgebildet ist,
- das Basisteil eine Aufnahme zur Aufnahme eines freien Endes des Leitelementes aufweist, die in Werkzeug-vorschubrichtung mittels des Deckabschnitts überdeckt [ist], und dass
- die Aufnahme wenigstens ein Blockierstück zur formschlüssigen Arretierung des Leitelements quer zur Werkzeugvorschubrichtung aufweist, wobei im Bereich des Deckabschnitts zwei Blockierstücke an das Basisteil rückseitig angeformt sind, und wobei die Blockierstücke Anlageflächen bilden.
Die Parteien stimmen darin überein, dass bei der aus dem Dokument D1 bekannten Werkzeugkombination aus Scharspitze "chisel plow point A" und Leitelement "moldboard B" im Ausschnitt 16 der Scharspitze keine Blockierstücke am Deckabschnitt 14 angeformt sind. Stattdessen wird dort das freie Ende C des Leitelements hinter dem Deckabschnitt von der in Breitenrichtung der Scharspitze verlaufenden Oberfläche 28 festgelegt, siehe Spalte 3, Zeilen 3-9 sowie die Figuren 1 und 3 des Dokuments. Zudem herrscht Einigkeit darüber, dass die Schneide "elongate end 24" in D1 direkt an der Scharspitze, also einteilig mit dieser, ausgebildet ist, siehe Spalte 3, Zeilen 24-26 und die Figuren 2 und 3 des Dokuments.
7.2 Hinsichtlich des Basisteils und des Schneidenträgers ist die Kammer nicht vom Argument der Patentinhaberin überzeugt, wonach ein Träger zwingend getrennt vom Getragenen ausgebildet sei, so dass Anspruch 1 wegen des Merkmals "Schneidenträger" verlange, dass das Basissteil der Scharspitze ein zusätzliches, mit einer Schneide versehenes Bauteil tragen müsse. Stattdessen können nach Auffassung der Kammer ein Träger und das davon Getragene ein einziges Objekt sein. So sind beispielsweise bei einem Tonträger in Form einer Schallplatte die Töne als Relief in den Rillen der Schallplatte enthalten, und ein Denkmal ist Träger einer darin eingemeisselten Inschrift. Bei dieser Auslegung ist das Basisteil "chisel plow point A" der aus D1 bekannten Scharspitze bereits der Schneidenträger für die an der Scharspitze ausgebildete Schneide "elongate end 24", so dass dieses Merkmal kein Unterscheidungsmerkmal bildet. Dessen ungeachtet läge einem zusätzlichen, mit einer Schneide versehenen Bauteil nach Auffassung der Kammer mangels Synergie mit den auf das Leitelement bezogenen übrigen Unterscheidungsmerkmalen die objektive technische Aufgabe zugrunde, die Schneide verschleißfest oder leichter reparierbar zu machen. Zur Lösung dieser Aufgabe wird die Fachperson anhand ihres Fachwissens auf naheliegende Weise z.B. auf separat gefertigte, mit einer Schneide versehene Hartmetallplättchen zurückgreifen.
7.3 Hinsichtlich des unbestritten nicht in D1 offenbarten Unterscheidungsmerkmals Blockierstücke vertritt die Patentinhaberin die Auffassung, dass sie ein seitliches Verdrehen des Leitelements verhindern und dessen Seitenbereiche vor Verschleiß schützen. Die Kammer sieht das anders, da der Anspruch mangels entsprechender Merkmale nicht auf Blockierstücke beschränkt ist, die seitlich neben dem Leitelement angeordnet sind. Mithin treten die behaupteten Wirkungen nicht bei allen unter den Anspruch fallenden Anordnungsmöglichkeiten der Blockierstücke auf, so dass sie nicht bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe berücksichtigt werden können. Dagegen nennt Absatz 0007 des Streitpatents die Reduzierung der erforderlichen Anzahl der Befestigungs-mittel als technische Wirkung eines formschlüssig arretierenden Blockierstücks. Diese Wirkung wird nach Auffassung der Kammer wegen der formschlüssigen Arretierung bereits von einem einzigen derartigen Blockierstück erzielt, so dass sie bei allen unter den Anspruch fallenden Anordnungsmöglichkeiten der Blockierstücke auftritt. Folglich besteht die den Blockierstücken zugrunde liegende objektive technische Aufgabe nach Auffassung der Kammer darin, die Anzahl der Befestigungsmittel zu reduzieren.
7.4 Zur Lösung dieser Aufgabe würde eine Fachperson das Dokument D4 heranziehen, da es ebenfalls eine Werkzeugkombination aus einer Scharspitze 3 und einem Leitblech 4 offenbart, die jeweils durch Befestigungsschrauben 9, 10 mit dem Halm 2 eines Grubberzinkens verschraubt sind, siehe die Figur 1 des Dokuments. Um die Scharspitze dort verdrehsicher am Halm zu befestigen, besitzt sie eine mittig angeordnete, V-förmige Einkerbung. In diese greift die V-förmige Spitze 8 des Leitblechs ein und erzielt dadurch eine Formschlußverbindung, siehe Spalte 3, Zeilen 53-57. An mehreren Stellen des Dokuments wird betont, dass wegen der Formschlussverbindung eine einzige Befestigungsschraube für das Schar ausreicht, siehe Spalte 2, Zeilen 3-11 und Spalte 3, Zeilen 53-57. Das wird dadurch erreicht, dass sich wegen der links und rechts der V-förmigen Spitze 8 des Leitblechs angeordneten beiden dreieckigen Seitenteile der Scharspitze weder das Leitblech noch die Scharspitze quer zur Arbeitsrichtung 30 verdrehen können, sobald die Scharspitze 3 und das Leitblech 4 mit ihrer jeweiligen Befestigungsschraube 9, 10 am Halm 2 festgelegt sind, siehe die Figur 1 des Dokuments. Daher ist nach Auffassung der Kammer jedes der beiden dreieckigen Seitenteile der Scharspitze im Bereich ihrer V-förmigen Einkerbung als ein Blockierstück zur formschlüssigen Arretierung des Leitblechs quer zur Werkzeugvorschubrichtung anzusehen. Zudem besitzt jedes dieser dreieckigen Seitenteile entlang der V-förmigen Kontaktfläche von Scharspitze und Leitblech eine Anlagefläche für die Stirnseite 27 des Leitblechs. Die Kammer gelangt somit zum Zwischenfazit, dass die Fachperson durch das Dokument D4 dazu veranlasst wird, bei der aus D1 bekannten Werkzeugkombination zwei dreieckige Blockierstücke zur formschlüssigen Arretierung des Leitelements quer zur Werkzeugvorschub-richtung vorzusehen, wobei die Blockierstücke zudem Anlageflächen bilden.
7.5 Für die Frage der erfinderischen Tätigkeit ist darum entscheidend, ob die aus D4 bekannten Blockierstücke bei einer Übertragung auf die D1 rückseitig an den Deckabschnitt 14 der Scharspitze, also im Bereich des Ausschnitts 16 angeformt werden, siehe die Figur 3 des Dokuments. Die Patentinhaberin verneint das mit dem Argument, dass D4 einen völlig anderen Aufbau der Scharspitze betreffe, wo diese aus Stahlblech ausgestanzt werde und somit im Bereich der V-förmigen Einkerbung keine Überdeckung des freien Endes des Leitelements möglich sei. Anders ausgedrückt vertritt die Patentinhaberin die Auffassung, dass die aus D1 bekannte Scharspitze nur durch die in D4 gezeigte ersetzt werden könne.
Die Kammer sieht das anders, da die zentrale Idee der D1 in einer Überdeckung des freien Endes des Leitelements liegt, siehe Spalte 1, Zeilen 31-34, Spalte 2, Zeilen 13-20 oder Spalte 3, Zeilen 66-69 des Dokuments. Die Fachperson wird dieses wesentliche Merkmal der Scharspitze beibehalten, wenn sie die Anzahl der Befestigungsmittel durch Nutzung der in D4 gezeigten dreieckigen Blockierstücke reduziert. Deswegen wird sie eine hybride Scharspitze mit Blockierstücken und einer Überdeckung schaffen, indem sie zwei dreieckige Blockierstücke in V-Form im Bereich des Deckabschnitts 14 der D1 rückseitig an die Scharspitze anformt und am freien Ende des Leitelements eine entsprechende V-förmige Spitze vorsieht. Auf diese Weise wird die Spitze des Leitelements an drei Oberflächen festgelegt - in Dickenrichtung der Scharspitze durch den Deckabschnitt und in Breitenrichtung der Scharspitze links und rechts durch die beiden Blockierstücke - so dass dann automatisch am Basisteil der Scharspitze eine Aufnahme für das Leitelement entsteht.
7.6 Aus diesen Gründen gelangt die Fachperson durch eine Kombination von D1 und D4 zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4, ohne erfinderisch tätig zu werden. Mithin beruht der Gegenstand dieses Anspruchs nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.
7.7 Diese Schlussfolgerung trifft unbestritten auch auf den breiter formulierten Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 zu, der nur auf eine Scharspitze mit zwei rückseitig an das Basisteil angeformten Blockierstücken gerichtet ist. Mithin beruht auch der Gegenstand dieses Anspruchs nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.
7.8 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 enthält gegenüber Hilfsantrag 3 die zusätzlichen Merkmale, dass
- die Aufnahme einen Verbindungsabschnitt aufweist, der die Blockierstücke einteilig miteinander verbindet, dass
- eine Steckaufnahme der Aufnahme seitlich mittels zweier zueinander beabstandet angeordneter Einführschrägen begrenzt ist, und dass
- die Aufnahme zur Rückseite des Basisteils hin geöffnet ist und seitlich eine Steckaufnahme bildet, und dass die Aufnahme zwei quer zur Werkzeug-vorschubrichtung zueinander beabstandet angeordnete Blockierstücke aufweist.
Die Kammer ist im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 (dessen Befund fehlender erfinderischer Tätigkeit auch für Hilfsantrag 3 gilt) bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass die Fachperson auf naheliegende Weise die in D4 gezeigte V-Form des Formschlusses zwischen Scharspitze und Leitelement derart auf D1 überträgt, dass sich am Basisteil der Scharspitze eine rückseitig an die Scharspitze angeformte Aufnahme für das Leitelement mit zwei dreieckigen Blockierstücken bildet. Die Parteien stimmen darin überein, dass eine derartige Aufnahme in Dickenrichtung der Scharspitze zur Rückseite des Basisteils hin geöffnet ist, so dass sie in Richtung des zum Leitelement weisenden Endes des Deckabschnitts 14 seitlich eine Steckaufnahme für die Spitze des Leitelements bildet. Wegen der Dreiecksform der beiden Blockierstücke besitzen diese unbestritten Einführschrägen und begrenzen die Steckaufnahme seitlich in Breitenrichtung der Scharspitze. Da die Werkzeugvorschubrichtung in D1 zudem im wesentlichen in Dickenrichtung der Scharspitze verläuft, und da die beiden Blockierstücke zumindest an ihrem leitelement-seitigen Ende in Breitenrichtung der Scharspitze zueinander beabstandet sind, besitzt die durch Kombination von D1 und D4 erhaltenen Aufnahme auch zwei quer zur Werkzeugvorschubrichtung zueinander beanstandet angeordnete Blockierstücke.
Die Patentinhaberin vertrat jedoch während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ohne Begründung die Auffassung, dass die Fachperson die beiden Blockierstücke in D1 nicht entlang der gesamten Unterseite des Deckabschnitts 14 anordne, sondern sie mit Abstand zu der in Breitenrichtung der Scharspitze verlaufenden Oberfläche 28 enden lasse. Daher weise eine durch die Blockierstücke und den Deckabschnitt gebildete Aufnahme keinen Verbindungsabschnitt auf, der die Blockierstücke einteilig miteinander verbindet. Die Kammer sieht das anders, da die in Figur 1 der D4 gezeigte Scharspitze einteilig ausgebildet ist. Wegen dieser Einteiligkeit bietet das Dokument D4 keine Veranlassung dafür, die beiden links und rechts der V-förmigen Spitze 8 des Leitblechs angeordneten dreieckigen Seitenteile der Scharspitze anders auszugestalten. Da die beiden dreieckigen Seitenteile der Scharspitze im Bereich des Grundes der V-förmigen Einkerbung miteinander und mit dem Körper der Scharspitze verbunden sind, wird die Fachperson diese Form auch in D1 realisieren und die beiden Blockierstücke bis zur Oberfläche 28 führen und dort miteinander verbinden. Dessen ungeachtet weist selbst die von der Patentinhaberin behauptete, von der Oberfläche 28 beabstandete, Ausgestaltung zu einem anspruchsgemäßen Verbindungsabschnitt. Im Bereich solcher nicht bis zur Oberfläche 28 weisender Blockierstücke bildet nämlich der rückseitige, zum in die Aufnahme eingeführten Leitelement weisende Teil der Oberfläche des Deckabschnitts einen Verbindungs-abschnitt, der die beiden Blockierstücke einteilig miteinander verbindet.
Da die oben genannten Merkmale zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 folglich keine Unterscheidungsmerkmale gegenüber D1 bilden können, verändern sie im Vergleich zum Hilfsantrag 3 nicht die Basis für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz. Folglich beruht der Gegenstand dieses Anspruchs aus denselben wie Hilfsantrag 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.
7.9 Diese Schlussfolgerung trifft unbestritten auch auf den breiter formulierten Anspruch 1 gemäß einem der Hilfsanträge 5 oder 6 zu, der eine Scharspitze mit zwei durch einen Verbindungsabschnitt verbundenen Blockierstücken (Hilfsantrag 5) bzw. eine Scharspitze mit zwei durch einen Verbindungsabschnitt verbundenen Blockierstücken und zwei Einführschrägen (Hilfsantrag 6) betrifft. Mithin beruht auch der Gegenstand dieser Ansprüche nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.
8. Zwar bestätigt die Kammer den Befund in der angefochtenen Entscheidung zum Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2. Den Befund einer erfinderischen Tätigkeit für den Hilfsantrag 4, Patent wie aufrechterhalten, verneint sie jedoch, so dass sie die angefochtene Entscheidung aufheben muss. Da der Hilfsantrag 1A von der Kammer nicht zugelassen wurde und die Hilfsanträge 3 sowie 5-14 nicht gewährbar sind, ist das Patent nach Art 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.