T 0958/20 25-01-2023
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Roboterarm, Industrieroboter und Verfahren zum Erstellen eines mathematischen Robotermodells
(1) FANUC CORPORATION
(2) Franka Emika GmbH
Neuheit - (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Änderung des Vorbringens - Änderung zugelassen (nein)
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der das europäische Patent Nr. 2 407 283 widerrufen wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Streitpatent im gesamten Unfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und mangelnde erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ. Der Einspruch der Einsprechenden 02 stützte sich zusätzlich auf den Einspruchsgrund unzulässiger Änderungen nach Artikel 100 c) EPÜ.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 1. August 2022 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen wäre.
IV. Die Beschwerdeführerin nahm mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2022 inhaltlich zur Mitteilung der Kammer Stellung und die Einsprechende 01 (Beschwerdegegnerin) erwiderte mit Schriftsatz vom 23. Januar 2023.
V. Am 25. Januar 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag),
oder hilfsweise,
bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1, 2, 2A, 3, 3A, 4, 5, 5A, 5B oder 5B',
wobei die Hilfsanträge 3A, 5B und 5B' erstmalig mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden,
sowie weiter hilfsweise
für den Fall, dass die Beschwerdekammer im Rahmen einer der gestellten Anträge, d.h. im Rahmen des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1, 2, 2A, 3, 3A, 4, 5, 5A, 5B und 5B', nur den unabhängigen Vorrichtungsanspruch oder nur den unabhängigen Verfahrensanspruch eines Antrags für gewährbar halten sollte, die Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang dieses gewährbaren unabhängigen Anspruchs und der auf in rückbezogenen abhängigen Ansprüche.
VII. Die Einsprechende 01 beantragte zuletzt
die Zurückweisung der Beschwerde.
VIII. Die Einsprechende 02 als weitere Beschwerdegegnerin stellte im Verfahren keine Anträge noch nahm sie inhaltlich Stellung genommen.
IX. Diese Entscheidung nimmt auf das folgende Dokument Bezug:
E1: EP 1 415 771 A2.
X. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Roboterarm, aufweisend mehrere nacheinander angeordnete und mittels Gelenke verbundene Glieder (3-7), gekennzeichnet durch einen im oder am Roboterarm (2) angeordneten elektronischen Datenträger (13), in dem ein elektronischer Datensatz gespeichert ist, aufgrund dessen ein mathematisches Robotermodell des Roboterarms (2) mittels eines Rechenprogramms erstellbar ist."
XI. Der unabhängige Anspruch 8 des Patents in erteilter Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Erstellen eines mathematischen Robotermodells eines Roboterarms (2) eines Industrieroboters (1), der den Roboterarm (2), der mehrere nacheinander angeordnete und mittels Gelenke verbundene Gliedern (3-7) aufweist, und eine die Bewegung des Roboterarms (2) steuernde und/oder regelnde Steuervorrichtung (9) aufweist, aufweisend folgende Verfahrensschritte:
- Vermessen des Roboterarms (2), um den Roboterarm (2) beschreibende Vermessungsdaten zu erhalten,
- Speichern eines die Vermessungsdaten umfassenden elektronischen Datensatzes in einen im oder am Roboterarm (2) angeordneten Datenträger (13), und
- Erstellen des Robotermodells mittels der Steuervorrichtung (9) und aufgrund des Datensatzes."
XII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass er auf einen den Roboterarm aufweisenden Industrieroboter gerichtet ist und zusätzlich die folgenden Merkmale aufweist:
1.3: "der Industrieroboter weiter aufweisend eine die Bewegung des Roboterarms (2) steuernde und/oder regelnde Steuereinrichtung (9)",
1.3.1: "in der ein Rechenprogramm gespeichert ist das aufgrund des Datensatzes des Robobermodell berechnet",
1.3.2: "wobei die Steuereinrichtung (9) eingerichtet ist, nach dem Berechnen des Robotermodells dieses in der Steuervorrichtung (9) und/oder im Datenträger (13) zu speichern und die Bewegung des Roboterarms (2) basierend auf dem Robotermodell zu steuern und/oder zu regeln".
XIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass er zusätzlich die folgenden Merkmale aufweist:
(R): "das Robotermodell ist ein absolutgenaues Modell des Roboterarms, d.h. ein Modell mit Berücksichtigung von, insbesondere exemplarspezifischen, statischen Verformungen"
und/oder
(S): "die Steuervorrichtung ist in einem Steuerschrank angeordnet und über eine elektrische Verbindung mit einem Anschlusskasten verbunden, der in oder an einem Gestell des Roboterarms angeordnet ist und an dem der mit der Steuervorrichtung über die elektrische Verbindung verbundene Datenträger angeordnet ist, wobei der Roboterarm ein relativ zum Gestell um eine vertikal verlaufende Achse drehbar gelagertes Karussell aufweist".
XIV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2A unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 dadurch, dass Merkmal (S) durch Merkmal (S') ersetzt ist, nämlich
(S'): "die Steuervorrichtung ist in einem Steuerschrank angeordnet und über eine elektrische Verbindung mit einem Anschlusskasten verbunden, der in oder an einem Gestell des Roboterarms angeordnet und in dem der mit der Steuervorrichtung über die elektrische Verbindung verbundene Datenträger angeordnet ist, wobei der Roboterarm ein relativ zum Gestell um eine vertikal verlaufende Achse drehbar gelagertes Karussell aufweist, wobei weitere Glieder des Roboterarms eine Schwinge, ein Ausleger und eine Roboterhand sind, an der ein Flansch angeordnet ist, wobei die Schwinge am unteren Ende auf dem Karussell um eine Achse schwenkbar gelagert ist, wobei am oberen Ende der Schwinge um eine Achse der Ausleger schwenkbar gelagert ist, der endseitig die Roboterhand trägt, wobei der Roboterarm mit der Steuervorrichtung verbundene Antriebe umfasst, um den Roboterarm zu bewegen, wobei die Steuervorrichtung ein Rechenprogramm aufweist, das die elektrischen Antriebe derart ansteuert, dass der Roboterarm eine vorgegebene Bewegung ausführt, wobei der im Datenträger gespeicherte Datensatz dem individuellen Roboterarm zugeordnete Basisdaten aufweist, aufgrund derer es mittels des gespeicherten Rechenprogramms zur Berechnung des Robotermodells möglich ist, das mathematische Robotermodell vom Roboterarm zu erstellen".
XV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 auf die Alternative des Merkmals (S) beschränkt.
XVI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3A ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2A auf die Alternative des Merkmals (S') beschränkt.
XVII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 auf die Alternative des Merkmals (R) beschränkt.
XVIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass er zusätzlich das folgende Merkmal aufweist:
(T): "wobei in der Steuervorrichtungen mehrere Rechenvorschriften zum Berechnen mehrerer Robotermodelle desselben Typs gespeichert sind und die Steuervorrichtung eingerichtet ist diese in der Steuervorrichtung gespeicherten Rechenvorschriften anzubieten und das Robotermodell aufgrund der ausgewählten Rechenvorschrift zu berechnen".
XIX. Angesichts ihrer Nichtzulassung erübrigt sich eine Wiedergabe der Hilfsanträge 5A, 5B und 5B'.
XX. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Rechtliches Gehör
Obwohl die ordnungsgemäß geladene Einsprechende 02 nicht an der mündlichen Verhandlung teilnahm, wurde das Prinzip des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ nicht verletzt, da es ausreicht, dass sie die Gelegenheit dazu hatte, gehört zu werden. Durch das von ihr ausdrücklich angekündigte Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung verzichtet die fernbleibende Partei auf diese Möglichkeit (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage 2022, Abschnitt V.A.5.5.4).
Das Verfahren konnte daher gemäß Regel 115 (2) EPÜ und Artikel 15 (3) VOBK 2020 ohne die Einsprechende 02 fortgesetzt werden.
2. Hauptantrag
2.1 Die Beschwerdeführerin wendete sich auf Seite 4, Absatz 4, bis Seite 6, Absatz 1, ihrer Beschwerdebegründung gegen die begründeten Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 4.1 der Entscheidungsgründe zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Lehre des Dokuments E1.
2.2 Sie stützte ihren Einwand im wesentlichen darauf, dass das Merkmal 1.2, nämlich
"einen im oder am Roboterarm (2) angeordneten elektronischen Datenträger (13)"
und das Merkmal 1.2.1, nämlich dass
"in dem [elektronischen Datenträger (13)] ein elektronischer Datensatz gespeichert ist, aufgrund dessen ein mathematisches Robotermodell des Roboterarms (2) mittels eines Rechenprogramms erstellbar ist"
(die obige Ergänzung erfolgte durch die Kammer)
der Lehre des Dokuments E1 nicht zu entnehmen seien, weil diese Merkmale verlangten, dass der gesamte für die Erstellung des mathematischen Robotermodells notwendige Datensatz in einem einzigen elektronischen Datenträger gespeichert sei. Die Beschwerdeführerin verwies ergänzend auch auf Absatz [0011] des Streitpatents. Die Beschwerdeführerin trägt damit im Ergebnis vor, dass insbesondere Merkmal 1.2.1 verlange, dass in dem elektronischen Datenträger (13) ein einziger elektronischer Datensatz gespeichert sei, der hinreichend vollständig für eine Berechnung des mathematischen Robotermodells ist, und nicht nur für die Berechnung notwendige Daten enthält. Dies sei in der in Dokument E1 gezeigten Vorrichtung, nicht der Fall.
Das Beschwerdebegehren stützt damit allein auf die von der Beschwerdeführerin vertretene Auslegung der genannten Merkmale im Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung. Diese spezifische Merkmalsauslegung begründe für sich genommen die Neuheit des Anspruchsgegenstandes gegenüber der Offenbarung von Dokument E1.
2.3 Für eine derart enge Auslegung der Merkmale 1.2 und 1.2.1 findet sich jedoch keine Stütze im Streitpatent. Der Wortlaut der genannten Merkmale ist vielmehr eindeutig und erfordert weder, dass der anspruchsgemäße Roboterarm einen einzigen Datenträger aufweist, noch, dass der in dem Datenträger hinterlegten Datensatzes hinreichend vollständig für eine Berechnung des mathematischen Robotermodells ist.
2.4 Der eindeutige Wortlaut definiert vielmehr eindeutig, dass ein mathematisches Robotermodell des Roboterarms (2) aufgrund des gespeicherten Datensatzes mittels eines Rechenprogramms erstellbar ist, dass der Datensatz also notwendige Parameter bzw. Daten zur Modellberechnung enthält. Es bleibt durch die Merkmalsformulierung offen, ob weitere Parameter bzw. Daten für die Modellerstellung erforderlich und wo diese bereitgestellt wären.
2.5 Der so verstandene Wortlaut steht darüber hinaus in keinem Widerspruch zur Beschreibung, denn die Offenbarung des Absatz [0011] des Streitpatents gibt die Merkmale 1.2 und 1.2.1 fast gleichlautend wieder.
2.6 Soweit mithin die Kammer der nach Ansicht der Beschwerdeführerin neuheitsbegründenden spezifischen Merkmalsauslegung nicht folgt, gelingt es der Beschwerdeführerin somit nicht, die Unrichtigkeit der begründeten Feststellungen der Einspruchsabteilung zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptanspruch (Artikel 100 a) und 54 EPÜ) darzulegen.
3. Hilfsantrag 1
3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass er auf einen den Roboterarm aufweisenden Industrieroboter gerichtet ist und durch zusätzlichen Merkmale 1.3, 1.3.1 und 1.3.2.
3.2 Die Beschwerdeführerin wendete sich gegen die begründeten Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 5 der angefochtenen Entscheidung zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber der Lehre des Dokuments E1. Die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass die Merkmale 1.3.1 und 1.3.2 ebenfalls in dem Dokument E1 offenbart sind, sei unrichtig (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 8, Absatz 4 bis 6).
3.3 Ihr Vortrag geht dabei jedoch über ein reines Bestreiten der hinreichend begründeten Feststellungen der Einspruchsabteilung, die sich insbesondere auf die Offenbarung der Absätze [0035], [0037] und [0038] bezieht, nicht hinaus.
3.4 Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie sich bei ihrem Einwand auf ihre Argumentation zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag stützt.
3.5 Angesichts der in Punkt 2 oben dargelegten Überzeugung der Kammer gelingt es der Beschwerdeführerin folglich nicht, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 (Artikel 54 EPÜ) darzulegen.
4. Hilfsantrag 2
4.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die zusätzlichen Merkmale (R) und/oder (S).
4.2 Die Einspruchsabteilung stellte in Punkt 6.2 der Entscheidungsgründe fest, dass das Merkmal (S) in den ursprünglichen Unterlagen nicht trennbar von denjenigen Merkmalen der Beschreibung offenbart ist, die die Struktur des Roboters gemäß der Figur 1 definieren. Diese Feststellung betraf zumindest die Merkmale, die das merkmalsgemäße "Karussell" definieren, so dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung beruht.
4.3 Die Beschwerdeführerin erkannte an, dass in der ursprünglichen Offenbarung weitere, den konkreten Aufbau des Roboterarms 2 betreffende Details vorhanden sind, wendete aber ein, dass der Fachperson insbesondere aufgrund des Hinweises in Spalte 5 , Zeilen 21 bis 23 des Streitpatents, der dem Hinweis in den ursprünglichen Unterlagen auf Seite 7, Zeilen 29 und 30, entspricht, klar sei, dass diese nicht untrennbar mit den Merkmalen (R) und (S) verbunden seien (vgl. Beschwerdebegründung Seiten 9 und 10, übergreifender Absatz).
4.4 Der Kammer folgt jedoch nicht dem Argument der Beschwerdeführerin, dass die Fachperson dem Hinweis "Weitere Glieder des Roboterarms 2 sind im Falle des vorliegenden Ausführungsbeispiels ..." entnähme, dass die dann folgend aufgelisteten Glieder, wie Schwinge 5, Ausleger 6, etc., dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 eigen und nur in diesem Kontext offenbart sind, nicht untrennbar mit dem merkmalsgemäßen "Karussell" verbunden wären, weil sie erkenne, dass die Struktur des Roboterarms nicht zwingend dem Ausführungsbeispiel entspreche (siehe Punkte 2.2.3 und 2.2.4 des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2022).
4.5 Aus Sicht der Kammer kann dieses Argument nicht überzeugen, denn das nun im Anspruch übernommene "Karussell" ist ebenso wie die genannten Glieder Teil der Struktur des Roboterarms. Die Einspruchsabteilung stellte daher zurecht fest, dass die Merkmale, die das Karussell definieren, nicht trennbar von den anderen Merkmalen der Beschreibung sind, die die Struktur des Roboters gemäß Figur 1 definieren.
4.6 Der Beschwerdeführerin gelingt es folglich nicht, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Unzulässigkeit der Änderung in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 (Artikel 123 EPÜ) darzulegen.
5. Hilfsantrag 2A
5.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2A unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 dadurch, dass Merkmal (S) durch Merkmal (S') ersetzt ist.
5.2 In Punkt 9 der Entscheidungsgründe stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2A sich von der Lehre des Dokuments E1 durch die Merkmals (R) und (S') unterscheidet, dass der Fachperson diese Merkmale aber jeweils nahegelegen haben.
5.3 Die Einspruchsabteilung stellte dabei hinsichtlich der Alternative des Merkmals (R) fest, dass die Patentschrift selber anerkannt hat, dass absolut-genaue Modelle an sich bekannt sind, und dass ebenfalls bekannt ist, dass statische Verformungen übliche Fehlerquellen sind, so dass es für die Fachperson naheliegt, bei den in Absatz [0029] des Dokuments E1 offenbarten Messungen die statischen Verformungen zu integrieren. Die Beschwerdeführerin bestätigte diese Feststellung durch ihren Verweis auf die Industrienorm ISO 9283 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer letztlich selber. Der Fachperson war im Ergebnis zum Anmeldezeitpunkt des Patents ein absolut-genaues Modell bekannt und er wusste, welche Parameter bzw. Daten sie zum Bereitstellen eines absolut-genauen Modells benötigt.
5.4 Die Kammer ist deshalb nicht von dem Einwand der Beschwerdeführerin überzeugt, dass die Lehre des Dokuments E1 es nicht erlaube, ein für den gesamten Roboterarm erstelltes, absolut-genaues Modell zu erstellen bzw. entsprechende Datensätze vorab abzuspeichern (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 11, Absatz 2). Dieser Vortrag bleibt für die Kammer derzeit eine durch der Offenbarung des Dokuments E1 nicht gestützte und auch durch keine weiteren Tatsachen belegte Behauptung, insbesondere vor dem Hintergrund der in der Entscheidungsbegründung angeführten Offenbarung des Absatzes [0029] des Dokuments E1.
5.5 Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die in Dokument E1 gespeicherten Daten für die Erstellung des absolut-genauen Modells nicht hinreichend sind, überzeugt nicht. Der Wortlaut des Merkmals S' verlangt, dass "der im Datenträger gespeicherte Datensatz dem individuellen Roboterarm zugeordnete Basisdaten aufweist, aufgrund derer es mittels des gespeicherten Rechenprogramms zur Berechnung des Robotermodells möglich ist, das mathematische Robotermodell vom Roboterarm zu erstellen". Er lässt damit offen, ob ggf. weitere Parameter bzw. Daten für die Modellerstellung erforderlich und wo diese bereitgestellt wären. Hier gelten entsprechend die Erwägungen aus den Punkten 2.3 und 2.4 oben.
5.6 Die Kammer teilt zudem die Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 9.2, dass sich die Offenbarung des Dokuments E1 hinsichtlich des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2A in der Alternative des Merkmals (S') allein darin unterscheidet, dass der Datenträger in einen Anschlusskasten eingebaut ist und dass im Hinblick auf diesen Unterschied der Patentschrift, so wie im übrigen auch den ursprünglichen Unterlagen, keine Wirkung zu entnehmen oder abzuleiten ist.
5.7 Diesen Feststellungen trat die Beschwerdeführerin letztlich nur dadurch entgegen, dass sie eine mit dem genannten Unterschied verbundene Wirkung formulierte (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 12, Absatz 2 und Punkt 3.2.1 des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2022). Sie legte jedoch nicht dar, weshalb diese den ursprünglichen Unterlagen entnehmbar oder aus diesen ableitbar wäre. Im Ergebnis bestreitet Beschwerdeführerin die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Unterscheidungsmerkmal eine übliche konstruktive Maßnahme darstellt, welche die Fachperson den Umständen entsprechend wählt, ohne aber einen substantiierten Vortrag vorzulegen, weshalb diese Feststellung unrichtig wäre.
5.8 Der Beschwerdeführerin gelingt es folglich nicht, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 2A (Artikel 56 EPÜ) darzulegen.
6. Hilfsanträge 3, 3A und 4
6.1 Angesichts der in den in Punkten 4 und 5 oben dargelegten Überzeugungen der Kammer zu den alternativen Merkmalen (R) und (S) des Hilfsantrags 2, auf denen die Hilfsanträge 3 und 4 beruhen, ist keine Unrichtigkeit der begründeten Feststellungen in Punkt 10. der angefochtenen Entscheidung erkennbar, dass keiner der Hilfsanträge 3 oder 4 gewährbar ist.
6.2 Dies gilt ebenso angesichts der in Punkt 5 oben dargelegten Überzeugung der Kammer auch für Hilfsantrag 3A, mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2A auf die Alternative des Merkmals (S') beschränkt ist.
6.3 Damit erübrigt sich vorläufig auch eine Befassung mit der Frage, ob Hilfsantrag 3A, der erstmalig mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurde und daher eine Änderung im Sinne des Artikels 12 (4) VOBK 2020 darstellt, im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen wäre.
6.4 Die Kammer ist folglich nicht von einer Unrichtigkeit der begründeten Feststellungen der Einspruchabteilung bezüglich der Hilfsanträge 3, 3A und 4 überzeugt.
7. Hilfsantrag 5
7.1 Die Einspruchsabteilung stellte in Punkt 11 der Entscheidungsgründe begründet fest, dass die Fachperson auch das in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 gegenüber dem Hilfsantrag 1 neu hinzugefügte Merkmal (T) der Lehre des Dokuments E1 entnimmt und verwies dazu auf die Offenbarung des Absatzes [0033] des Dokuments E1.
7.2 Die Beschwerdeführerin wendete sich gegen diese Feststellung der Einspruchsabteilung und trug vor, dass aus der Lehre des Dokuments E1 nicht zu entnehmen sei, dass für denselben Roboterarm verschiedene Rechenvorschriften angeboten werden, mit den - für diesen Roboterarm - unterschiedliche Robotermodelle desselben Typs berechnet werden können, wobei eine Bedienperson aus diesen angebotenen Rechenvorschriften je nach Anwendung eine besonders geeignete. auswählen kann (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 14, Absatz 4).
7.3 Das merkmalsgemäße "anbieten" sei anspruchsgemäß derart zu verstehen, dass eine Auswahl bereitgestellt werde und es danach einer Entscheidung, bspw. durch eine Bedienperson, bedürfe, welche Auswahl getroffen werde. Dies sei insbesondere so in Absatz [0018] des Streitpatents dargestellt.
7.4 Dieser Darstellung kann sich die Kammer nicht anschließen, denn in Merkmal (T) wird generell ein Anbieten dargestellt, ohne das dazu weitere Einschränkungen formuliert wären. Der Begriff "anbieten" kann daher im weitesten Sinne, also im Sinne von "zur Verfügung stellen" bzw. "bereitstellen" verstanden werden.
7.5 Die Kammer schließt sich entsprechend der Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 11.3 der Entscheidungsgründe an, dass im Kontext des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 der Begriff "angeboten" als gleichbedeutend mit "bereitgestellt" verstanden werden kann.
7.6 Die Kammer teilt zudem die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass sich aus dem Merkmal (T) nicht ergibt, dass die verschiedenen Rechvorschriften für denselben Roboterarm des beanspruchten Industrieroboters bereitgestellt werden (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 24, Absätze 4 und 5).
7.7 Der Beschwerdeführerin gelingt es folglich nicht, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 (Artikel 54 EPÜ) darzulegen.
8. Hilfsanträge 5A, 5B und 5B'
8.1 Die Beschwerdeführerin wendete sich weiterhin gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Hilfsantrag 5A in Ausübung ihres Ermessens nach Regel 116 (2) EPÜ nicht ins Verfahren zuzulassen (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 12, und Beschwerdebegründung, Seite 15). Dabei blieb es unstreitig, dass Hilfsantrag 5A erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchabteilung, also verspätet, vorgelegt wurde, so dass insoweit die Vorraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach Artikel 116 (2) EPÜ gegeben waren.
8.2 Es kommt jedoch hinsichtlich des Antrages der Beschwerdeführerin, das Patent in geänderter Fassung im Umfang des Hilfsantrags 5A aufrechtzuerhalten, derzeit nicht auf die Frage eines möglichen Fehlers in der Ausübung des ihr aus Regel 116 (2) EPÜ zustehenden Ermessens durch die Einspruchsabteilung an.
8.3 Die Beschwerdebegründung muss nämlich gemäß Artikel 12 (3) VOBK 2020 in der Beschwerdebegründung das vollständige Beschwerdevorbringen eines Beteiligten enthalten. Es obliegt der Beschwerdeführerin, deutlich und knapp anzugeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung abzuändern.
8.4 Die Beschwerdeführerin hat es in der Beschwerdebegründung jedoch neben ihrer Rüge eines Ermessensfehlers versäumt vorzutragen, weshalb Hilfsantrag 5A den Erfordernissen des Übereinkommens genügte.
8.5 Es ist allerdings nicht unmittelbar offensichtlich, dass Hilfsantrag 5A die Erfordernisse des Übereinkommens erfüllte. So hat die Einspruchsabteilung in Erwägung der von ihr erörterten Ermessenskriterien - aus Sicht der Kammer schlüssig - darauf hingewiesen hat, dass die dem Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale der ursprünglichen Beschreibung entstammen und sie die Auffassung ist, dass diese Merkmale nicht in einem engeren Zusammenhang mit dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 6 stehen. Vor dem Hintergrund dieser Feststellung der Einspruchsabteilung ist aus Sicht der Kammer für Hilfsantrag 5A wenigstens eine Auseinandersetzung mit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ geboten. Dazu fehlt jedoch jeglicher Vortrag der Beschwerdeführerin, so wie ein Vortrag zu den übrigen Erfordernissen des EPÜ.
8.6 Der Vortrag der Beschwerdeführerin zu Hilfsantrag 5A ist im Ergebnis daher unvollständig und erfüllt nicht die Erfordernisse des Artikels 12 (3) VOBK 2020 und ist gemäß Artikel 12 (5) VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
8.7 Die obigen Erwägungen gelten im gleichen Maße für die auf Hilfsantrag 5A aufbauenden Hilfsanträge 5B und 5B', die somit ebenfalls gemäß Artikel 12 (5) VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen sind.
9. Weitere Hilfsanträge
9.1 Die weiteren Hilfsanträge der Beschwerdeführerin, für den Fall, dass die Beschwerdekammer im Rahmen einer der gestellten Anträge, d.h. im Rahmen des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1, 2, 2A, 3, 3A, 4, 5, 5A, 5B und 5B', nur den unabhängigen Vorrichtungsanspruch oder nur den unabhängigen Verfahrensanspruch eines Antrags für gewährbar halten sollte, das Streitpatent im Umfang dieses gewährbaren unabhängigen Anspruchs und der auf in rückbezogenen abhängigen Ansprüche aufrechtzuerhalten (vgl. Beschwerdebegründung, Seiten 16 und 17, übergreifender Absatz), waren nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.
9.2 Diese Hilfsanträge stellen jedenfalls eine Änderung des Beschwerdebegehrens im Sinne des Artikels 12 (4) VOBK 2020 dar. Die Beschwerdeführerin hat keine rechtfertigenden Gründe vorgetragen, warum diese Änderung im Beschwerdeverfahren erfolgte; solche sind für die Kammer auch nicht offensichtlich.
9.3 Eine Zulassung dieser Hilfsanträge führte im Ergebnis zudem dazu, dass zunächst sämtliche unabhängigen Ansprüche auf ihre Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Übereinkommens zu überprüfen wären. Dies steht im Widerspruch zu der vorrangigen Rolle des Beschwerdeverfahrens, die angegriffene Entscheidung auf ihres Richtigkeit zu überprüfen (Artikel 12 (2) VOBK 2020).
9.4 Eine solche Prüfung wäre aber auch nicht denkbar, denn es mangelt zudem an einem erkennbaren oder substantiierten Vortrags zur Gewährbarkeit der jeweiligen Hilfsanträge seitens der Beschwerdeführerin.
9.5 Die Kammer übt daher das ihr aus Artikel 12 (4) VOBK 2020 zustehende Ermessen dahingehend aus, diese Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren nicht zuzulassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.