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T 1197/20 14-06-2022
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUM REINIGEN UND/ODER DESINFIZIEREN EINER VORRICHTUNG ZUR HERSTELLUNG VON MIT EINEM FLÜSSIGEN FÜLLGUT GEFÜLLTEN BEHÄLTERN
KHS GmbH
KHS Corpoplast GmbH
Entscheidung im schriftlichen Verfahren - (ja)
Neuheit - (ja)
I. Die gemeinsam vertretenen Patentinhaberinnen (Beschwerdeführerinnen, im Folgenden "Patentinhaberin" genannt) legten form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der das europäische Patent Nr. 2 709 819 in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde.
II. Die Patentinhaberin beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag,
oder die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 bis 7,
sowie
die Anberaumung einer mündliche Verhandlung für den Fall der Nichtgewährung des Hauptantrags.
III. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte sinngemäß
die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Diese Entscheidung stützt sich auf das Dokument
D5: WO 2010/0003873 A1.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Reinigen und/oder Desinfizieren zumindest der Form (5) wenigstens einer Form- und Füllstelle (4) einer Vorrichtung (1, 1a) zum Herstellen von gefüllten Behältern (2) aus Vorformlingen (3) aus einem thermoplastischen Material, wobei die thermisch konditionierten Vorformlinge (3) jeweils in einem Form- und Füllprozess in der Form (5) durch Druckeinwirkung eines zugeführten Füllgutes in den jeweiligen Behälter (2) umgeformt und dabei zumindest zeitweise durch eine Reckstange (9) geführt und/oder in einer Achsrichtung, vorzugsweise in einer der Achse der Behälter (2) entsprechenden Achsrichtung gestreckt werden, dadurch gekennzeichnet, dass während eines Reinigungs- und/oder Desinfektionsbetriebes der Vorrichtung (1, 1a) über wenigstens ein Reinigungselement zumindest der Innenraum der Form (5) mit zumindest einem Reinigungs- und/oder Desinfektionsmittel gereinigt und/oder desinfiziert wird, und dass während des Reinigungs- und/oder Desinfektionsbetriebes die wenigstens eine Form (5) zumindest einmal, vorzugsweise mehrmals geöffnet und geschlossen und/oder die Reckstange (9) zumindest einmal, vorzugsweise mehrmals zwischen ihrer Ausgangsstellung und Endstellung bewegt wird."
VI. Der nebengeordnete Anspruch 13 des Patents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Vorrichtung zum Herstellen von mit einem flüssigen Füllgut gefüllten Behältern (2) aus zumindest thermisch konditionierten Vorformlingen (3) aus einem thermoplastischen Material, mit wenigstens einer zumindest eine Form (5) sowie einen Form- und Füllkopf (7) aufweisenden Form- und Füllstelle (4), vorzugsweise mit mehreren Form- und Füllstellen (4) an einem umlaufend antreibbaren Transportelement, beispielsweise an einem um eine vertikale Maschinenachse (MA) umlaufend antreibbaren Rotor (6), wobei die wenigstens eine Form- und Füllstelle (4) mit einer Reckstange (9) ausgebildet ist, die durch axiales Bewegen aus einer Ausgangsposition den Vorformling (3) oder den sich formenden Behälter (2) zumindest zeitweilig führt und streckt, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Reinigungselement vorgesehen ist, mit dem zumindest der Innenraum der Form (5) der wenigstens einen Form- und Füllstelle (4) mit wenigstens einem Reinigungs- und/oder Desinfektionsmittel beaufschlagbar ist."
VII. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer ist eine Wiedergabe des Wortlauts der Hilfsanträge nicht erforderlich.
VIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020.
Der Grundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ ist uneingeschränkt gewahrt, da die Parteien zur Sache vorgetragen haben und die Kammer deren Vorbringen ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Die Einsprechende hat keinen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Da die Kammer dem Antrag der Patentinhaberin auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung stattgibt, entfaltet deren dazu nachrangiger Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung keine prozessuale Wirkung (Artikel 116 (1) EPÜ).
Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif.
2. Hauptantrag (Patent in erteilter Fassung) -
Neuheit - Artikel 100 a) EPÜ
2.1 Die Patentinhaberin wandte sich gegen die Feststellung unter Punkt II.2.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, dass die Gegenstände der beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 13 des Patents in erteilter Fassung nicht neu gegenüber der Offenbarung von Dokument D5 seien.
Die Einspruchsabteilung begründete die Feststellung damit, dass D5 explizit sämtliche Merkmale der unabhängigen Ansprüche offenbare.
2.2 Diese Feststellung hält jedoch einer gerichtlichen Überprüfung nach Artikel 106 (1) EPÜ und Artikel 12 (2) VOBK 2020 nicht stand. Wie die Patentinhaberin zurecht rügte (siehe Beschwerdebegründung, Punkte I.B.f), j) bis l)), ist zumindest das Merkmal von Anspruch 1,
- dass während eines Reinigungs- und/oder Desinfektionsbetriebes der Vorrichtung über wenigstens ein Reinigungselement zumindest der Innenraum der Form mit zumindest einem Reinigungs- und/oder Desinfektionsmittel gereinigt und/oder desinfiziert wird (Merkmal 1.2)
sowie das korrespondierende Merkmal von Anspruch 13,
- dass mindestens ein Reinigungselement vorgesehen ist, mit dem zumindest der Innenraum der Form der wenigstens einen Form- und Füllstelle mit wenigstens einem Reinigungs- und/oder Desinfektionsmittel beaufschlagbar ist (Merkmal 13.3)
aus Dokument D5 nicht bekannt.
2.3 Die Einspruchsabteilung hatte unter den Punkten II.2.2.2 und II.2.2.3 der Entscheidungsgründe festgestellt, dass das Merkmal 1.2 auf Seite 3, Zeilen 21 bis 26, und Anspruch 13 sowie das Merkmal 13.3 auf Seite 3, Zeilen 18 bis 20, und Ansprüchen 11 und 13 von D5 offenbart seien.
2.4 Zur Offenbarung des Merkmals 13.3 in D5 argumentierte die Einsprechende, dass der Begriff des Reinigungselements in Merkmal 13.3 nicht genauer definiert sei. Damit umfasse der Begriff des Reinigungselements in Merkmal 13.3 sowohl Elemente, die beispielsweise die Blasform mit einem Reinigungsmittel beaufschlagten als auch mechanische Reinigungselemente und dergleichen (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt I, Seite 4, zweiter bis vierter Absatz).
Da nach D5 unzweifelhaft ein Reinigungsbetrieb vorgesehen sei, lese die Fachperson in D5 mit, dass hierzu auch ein irgendwie geartetes Reinigungselement vorgesehen sein müsse. Daher verweise die Einspruchsabteilung zurecht auf Anspruch 13, der darstelle, dass in einem Reinigungsschritt Verschmutzungen von der Form entfernt werden, nachdem der Vorformling expandiert wurde. Hierzu sei selbstverständlich ein irgendwie geartetes Reinigungselement vorzusehen. Dies gelte auch für Anspruch 11 von D5, wonach die Reckstange mit einem Sterilisationsmittel beaufschlagt werde. Bereits das in Anspruch 11 von D5 angegebene "exposing" setze ein Mittel voraus, das dieses bewirke und damit auch ein Reinigungs- und/oder Sterilisationsmittel.
2.5 Dass D5 das Merkmal 1.2 nicht zeigt, wie von der Patentinhaberin zutreffend argumentiert, bestritt die Einsprechende hingegen nicht (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt I, Seite 2, erster Absatz, bis Seite 4, erster Absatz).
2.6 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt. Entgegen der angefochtenen Entscheidung unter Punkt II.2.2 teilt die Kammer vielmehr wie folgt die Auffassung der Patentinhaberin (siehe Beschwerdebegründung, Punkte I.B.f), j) bis l)).
2.6.1 Entsprechend dem Vorbringen der Patentinhaberin beschreibt Anspruch 11 von D5, dass eine Reckstange dem Sterilisierfluid ausgesetzt wird. Aus Seite 3, Zeilen 21 bis 26, von D5 ist zu entnehmen, dass optional nach dem Expandieren des Vorformlings Anhaftungen von der Form entfernt werden, ohne dass jedoch ein Mittel dafür in D5 angegeben ist. Somit geht aus keiner der von der Einspruchsabteilung zur Offenbarung des Merkmals 1.2 zitierten Stellen von D5 hervor, dass der Innenraum der Form mit zumindest einem Reinigungs- und/oder Desinfektionsmittel gereinigt und/oder desinfiziert wird.
Daher ist Merkmal 1.2 in D5 nicht verwirklicht.
2.6.2 Zur Offenbarung des Merkmals 13.3 in D5 verweist die Einspruchsabteilung auf die Ansprüche 11 und 13 und auf Seite 3, Zeilen 18 bis 20, von D5. Anspruch 11 von D5 beschreibt eine Sterilisierung der Reckstange (siehe obigen Punkt 2.5.1). Nach Anspruch 13 von D5 kann ein Schritt vorgesehen sein, bei dem Anhaftungen von der Form entfernt werden. Dieser Anspruch beschreibt hingegen nicht, dass der Innenraum der Form mit einem Reinigungs- und/oder Desinfektionsmittel beaufschlagbar ist. Ebenso ist weder den Ansprüchen 11 und 13 noch der Offenbarung auf Seite 3, Zeilen 18 bis 20, von D5 zu entnehmen, dass ein Reinigungselement für das Beaufschlagen des Innenraums der Form mit einem Reinigungs- und/oder Desinfektionsmittel vorgesehen ist.
Daher ist Merkmal 13.3 in D5 nicht verwirklicht.
2.7 Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 13 gemäß Hauptantrag sind daher neu gegenüber der Offenbarung von Dokument D5, so dass der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit nach Artikel 100 a) EPÜ nicht durchgreift.
3. Hilfsanträge
Angesichts der unter obigem Punkt 2 angegebenen Entscheidungsgründe erübrigt sich eine Entscheidung zu den Hilfsanträgen.
4. Schlussfolgerung
Die Patentinhaberin konnte in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der Feststellungen und der diese tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung zur mangelnden Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 13 des Patents in der erteilten Fassung gegenüber der Offenbarung von D5 darlegen.
Da die Einsprechende im Beschwerdeverfahren entsprechend der angefochtenen Entscheidung keine weiteren Einwände als die oben unter Punkt 2 zum Hauptantrag diskutierten gegen die Gewährbarkeit des Hauptantrags geltend machte (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt I, insbesondere Seite 4, letzter Absatz), ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in erteilter Fassung aufrechtzuerhalten.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.