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T 0277/21 09-12-2022
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GASZUFÜHRSYSTEM UND ZYLINDERLINER FÜR EINE HUBKOLBENBRENNKRAFTMASCHINE, HUBKOLBENBRENNKRAFTMASCHINE, SOWIE VERFAHREN ZUM BETREIBEN EINER HUBKOLBENBRENNKRAFTMASCHINE
MAN Energy Solutions,
filial af MAN Energy Solutions SE, Tyskland
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Änderung des Vorbringens - Änderung zugelassen (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent in geänderter Form aufrecht zu erhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
C2 G. Weisser, Präsentation "Current Trends in the
Development of Large Two-Stroke Marine Diesel
Engines in the Light of Significantly Changing
Market Requirements and Environmental
Regulations", 3rd Technical Meeting 2013/14 of
The Greek Section of The Society of Naval
Architects and Marine Engineers, 21.11.2013
C3 I. Nylund et al., Paper No. 284
"Development of a Dual Fuel technology for
slow-speed engines",
CIMAC Congress 2013, Shanghai
C9 R. Wettstein, Präsentation "Dual-fuel Low-Speed
Main Engine for Newbuilds and Retrofit", Ship
Management Konferenz Hamburg, 25. September 2014
D2 EP 2 602 460 B1
III. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.
IV. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und damit die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hilfsantrag 1 wie in der angegriffenen Entscheidung aufrechterhalten. Außerdem beantragt sie, den auf einer Kombination von C2 und C3 beruhenden Angriff gegen die erfinderische Tätigkeit nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 9. Dezember 2022 in Anwesenheit aller Parteien als Videokonferenz statt.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags (aufrecht erhaltene Fassung gemäß Hilfsantrag 1) hat den folgenden Wortlaut:
"Zylinderliner für einen längsgespülten Zweitakt-Grossdieselmotor mit einer Gaseinlassdüse (3), mittels welcher ein als Treibstoff bereitgestelltes Brenngas (5) einem Brennraum (42) zuführbar ist,
wobei die Gaseinlassdüse (3) integraler Bestandteil des Zylinderliners (41) ist und als Bohrung in dem Zyllnderliner (41) ausgestaltet ist,
wobei eine Düsenachse (D) der Gaseinlassdüse (3) derart unter einem vorgebbaren Winkel (ß) in Bezug auf eine radiale Richtung (R) des Zylinderliners (41) angeordnet ist, dass das Brenngas (5) unter einem von Null verschiedenen Winkel in Bezug auf die radiale Richtung (R) in den Brennraum (42) einspritzbar ist,
dadurch gekennzeichnet dass die Gaseinlassdüse (3) im Zylinderliner (41) in einem Bereich zwischen einem oberen Totpunkt und einem unteren Totpunkt eines Kolbens der Hubkolbenbrennkraftmaschine vorgesehen ist, nämlich in einem Bereich des Zylinderliners (41), der vom oberen Totpunkt 20% bis 80%, bevorzugt 45% bis 65%, besonders bevorzugt 50% bis 60% des Abstands zwischen
oberem Totpunkt und unterem Totpunkt entfernt ist."
VII. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Dokumente C2 und C3 gehören zum Stand der Technik. Der auf einer Kombination von C3 und C2 beruhende Angriff auf die erfinderische Tätigkeit sei zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe ausgehend C3 in Zusammenschau mit C2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
VIII. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Dokumente C2 und C3 gehörten nicht zum Stand der Technik. Der auf einer Kombination von C3 und C2 beruhende Angriff auf die erfinderische Tätigkeit sei nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe gegenüber dem angezogenen Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft einen Zylinderliner für einen längsgespülten Zweitakt-Grossdieselmotor, der z.B. als Antriebsaggregat in Schiffen oder zur Herstellung elektrischer Energie in Kraftwerken dient und mit einem Brenngas wie LNG (liquefied natural gas) betrieben werden kann. Jeder Zylinder eines solchen Motors besitzt einen Brennraum, in dem sich ein Kolben zwischen seinem unteren Totpunkt und seinem oberen Totpunkt auf- und abbewegt. Über Spülluftschlitze in der Brennraumwand im Bereich des unteren Totpunkts wird dem Brennraum Luft zugeführt. Während des Kompressions-taktes bei der Aufwärtsbewegung des Kolbens in Richtung seines oberen Totpunkts wird die Luft mitsamt dem nachfolgend zugeführten Brenngas verdichtet.
Der Zylinderliner 41 bildet die Innenwand des Brennraums 42 eines Zylinders des Motors und besitzt eine Gaseinlassdüse 3 zur Zuführung von Brenngas, siehe die Figur der Patentschrift. Die Gaseinlassdüse 3 ist als Bohrung im Zylinderliner ausgestaltet und bildet einen integralen Bestandteil des Zylinderliners, was eine einfache Konstruktion ermöglicht, siehe Absatz 0023 der Patentschrift. Eine Düsenachse D der Gaseinlassdüse ist derart unter einem vorgebbaren Winkel ß in Bezug auf eine radiale Richtung R des Zylinderliners angeordnet, dass das Brenngas unter einem von Null verschiedenen Winkel in Bezug auf die radiale Richtung in den Brennraum einspritzbar ist. Das verbessert die Mischung von Spülluft und Brenngas, so dass die Abgasnormen eingehalten und der Treibstoff-verbrauch reduziert werden kann, siehe Absatz 0024 der Patentschrift. Außerdem ist die Gaseinlassdüse im Zylinderliner in einem bestimmten Bereich zwischen einem oberen Totpunkt und einem unteren Totpunkt eines Kolbens der Brennkraftmaschine angeordnet, nämlich in einem Bereich der vom oberen Totpunkt 20% bis 80% des Abstands zwischen oberem Totpunkt und unterem Totpunkt entfernt ist, so dass die Mischung von Spülluft und Brenngas weiter verbessert wird und zudem eine Einspritzung des Brenngases in heiße, noch im Brennraum befindliche Abgase vermieden wird, siehe Absatz 0048 der Patentschrift.
Ein Verfahren zum Betreiben einer Hubkolbenbrennkraft-maschine wird ebenfalls beansprucht.
3. Zugehörigkeit der Dokumente C2 und C3 zum Stand der Technik
3.1 Zum Konferenz-Paper C3 hat die Kammer bereits in ihrer Mitteilung, Abschnitt 3.2, die Auffassung vertreten, dass das Dokument zum Stand der Technik gehöre. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"3.2 Im Hinblick auf das Dokument C3 wird zwar in der Erwiderung (Punkt 2.2) die öffentliche Zugänglichkeit bestritten, aber ohne Begründung und Belege. Die Kammer sieht daher keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Angaben zur Veröffentlichung (in 2013 auf einem Congress in Shanghai), wahrheitsgetreu sein sollte. ..."
Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.
3.2 Bezüglich der Zugehörigkeit der Präsentation C2 zum Stand der Technik war der einzig strittige Punkt, ob das Dokument im Internet als ,,Presentation, Weisser, 21 Nov. 2013.pdf" unter dem Link auf der Internetseite mit der Webadresse: https://web.archive.org/web/20140405105028/https://www.sname.org/greeksection/events1/20132014technicalmeetings/new-item (die Internetseite wurde als E2 im Einspruchsverfahren eingereicht) zu finden ist, siehe Seite 5 der Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 25. Oktober 2021, wo das mit dem Auftreten einer Fehlermeldung bestritten wurde. Die Kammer konnte das Dokument am 8. Dezember 2022 unter diesem Link finden und ohne Fehlermeldung herunterladen. Auch nach Eingabe der vollständigen Webadresse des Dokuments, wie in der Eingabe auf Seite 5 wiedergegeben, dann aber ohne Wagenrücklaufzeichen, konnte die Kammer das Dokument erfolgreich herunterladen. Sonst hat die Kammer keinen Grund daran zu zweifeln, dass das Dokument C3 durch seine Archivierung im WebArchive am in der Webadresse angegebenen Datum und Zeitpunkt (20140405105028 oder am 2014.04.05 um 10:50:28) öffentlich zugänglich gemacht wurde. Hierzu hat die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin auch nicht vorgetragen. Das heruntergeladene Dokument wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mit den Parteien diskutiert; die in Absatz 5.4 dieser Entscheidung wiedergegebenen Abbildungen von Seite 27 stammen aus dem Dokument.
3.3 Aus diesen Gründen sah die Kammer die öffentliche Zugänglichkeit der Dokumente C2 und C3 zum Anmeldetag als bewiesen an. Sie gehören somit zum Stand der Technik.
4. Zulassung des auf einer Kombination von C3 und C2 basierenden Angriffs gegen die erfinderische Tätigkeit zum Beschwerdeverfahren
4.1 Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin bestreitet die Zulassung des erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten und auf einer Kombination von C3 und C2 basierenden Angriffs auf die erfinderische Tätigkeit zum Beschwerdeverfahren und verweist dazu auf ihr schriftliches Vorbringen. In ihrer Eingabe vom 25. Oktober 2021, siehe den zweiten Absatz auf Seite 16, hatte sie argumentiert, dass dieser Einwand weder innerhalb der Einspruchsfrist noch zu einem anderen Zeitpunkt des Einspruchsverfahrens vorgetragen worden sei.
4.2 In der angefochtenen Entscheidung wird eine Kombination von C3 und C9 behandelt, siehe Punkt 14.4 der Entscheidungsgründe. Demnach könne das in C3 fehlende Merkmal F5 bezüglich des Winkels der Einspritzdüse aus Sicht der Einsprechenden der C9 entnommen werden, wo die Fachperson die Abbildung oben rechts auf Seite 13 heranziehe. Das von den Parteien als F5 bezeichnete Merkmal heißt: "wobei eine Düsenachse (D) der Gaseinlassdüse (3) derart unter einem vorgebbaren Winkel (ß) in Bezug auf eine radiale Richtung (R) des Zylinderliners (41) angeordnet ist, dass das Brenngas (5) unter einem von Null verschiedenen Winkel in Bezug auf die radiale Richtung (R) in den Brennraum (42) einspritzbar ist".
4.3 Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die beiden Dokumente C2 und C9 im Hinblick auf die Ausgestaltung und Anordnung der Gaseinlassdüsen auf ihren Seiten 27 bzw. 13 dieselben beiden Abbildungen identisch enthalten, und die Kammer sieht das nach einem Vergleich der Abbildungen genauso. Bezüglich der Präsentation C9 hatte die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung die Zugehörigkeit zum Stand der Technik bestritten, siehe die Argumentation auf Seite 4 der Erwiderung auf die Beschwerde vom 25. Oktober 2021. Die Abteilung war zum Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber einer Kombination von C3 und C9 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, siehe Punkt 14.4 der Entscheidungsgründe, so dass sie die Zugehörigkeit der C9 zum Stand der Technik nicht klären musste. Mit ihrer Beschwerde hat die Beschwerdeführerin Einsprechende alternativ dann identische Angriffe vorgebracht, die alle C3 mit einer identischen Abbildung (zu der in C9) aus anderen bereits erstinstanzlich vorgebrachten Entgegenhaltungen, darunter C2, kombinieren. Folglich ist das im Hinblick auf das neue Kombinationsdokument C2 geänderte Vorbringen der Beschwerdeführerin von einer geringen Komplexität und genügt wegen der Zugehörigkeit der C2 zum Stand der Technik, siehe oben, auch dem Gebot der Verfahrensökonomie, da die bestrittene Zugehörigkeit der C9 zum Stand der Technik von der Kammer nicht mehr geklärt werden muss.
4.4 Somit entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12(4) VOBK 2020, den auf der Kombination der Dokumente C3 und C2 basierenden Angriff auf die erfinderische Tätigkeit in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
5. Erfinderische Tätigkeit
Die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 wurde ausgehend von C3 in Kombination mit C2 bestritten.
5.1 Das Dokument C3 betrifft Verbesserungen für einen Schiffsantrieb in Form eines erdgasbetriebenen, längsgespülten Zweitakt-Grossdieselmotors der Firma Wärtsilä, die zuerst in einem Motor vom Typ RT-flex50 implementiert wurden. Auch die Kammer hält C3 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da das Dokument einen Zylinderliner mit zwei als Bohrung ausgestalteten Gaseinlassdüsen offenbart, die ein integraler Bestandteil des Zylinderliners sind. Zudem sind die Gaseinlassdüsen in einem Bereich des Zylinderliners angeordnet, der vom oberen Totpunkt 50% des Abstands zwischen oberem Totpunkt und unterem Totpunkt entfernt ist (Seite 2, rechte Spalte, letzter Absatz; Seite 5, rechte Spalte, dritter Absatz; Seite 11, rechte Spalte, erster Absatz; Figur 2). Dies wurde auch nicht von der Beschwerdegegnerin bestritten.
5.2 Bezüglich der Ausrichtung der Düsenachse vertritt die Beschwerdeführerin unter Verweis auf das Simulations-modell des Zylinderliners mit zwei Gaseinlassdüsen in der nachfolgend eingeblendeten Figur 5 der C3 die Auffassung, dass in C3 die Düsenachsen der Gaseinlassdüsen unter einem Winkel in Bezug auf die radiale Richtung des Zylinderliners angeordnet seien.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Kammer sieht das anders, da diese Figur wegen ihrer schlechten Reproduktionsqualität keine Rückschlüsse auf die Ausrichtung der Düsenachsen der beiden links und rechts vom vertikal orientierten Zylinderliner angeordneten Gaseinlassdüsen zulässt. Daher ist der Figur aus Sicht der Kammer nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass die Düsenachsen der Gaseinlassdüsen unter einem Winkel zur radialen Richtung des Zylinderliners angeordnet sind.
Folglich unterscheidet sich der beanspruchte Zylinder-liner von dem aus C3 bekannten darin, dass eine Düsenachse der Gaseinlassdüse derart unter einem vorgebbaren Winkel in Bezug auf eine radiale Richtung des Zylinderliners angeordnet ist, dass das Brenngas unter einem von Null verschiedenen Winkel in Bezug auf die radiale Richtung in den Brennraum einspritzbar ist. Diesem einzigen Unterscheidungsmerkmal liegt unbestritten die objektive technische Aufgabe zugrunde, eine bessere Durchmischung mit der Spülluft zu erreichen, siehe Absatz 0076 der Patentschrift.
5.3 Das Dokument C2 betrifft ebenfalls einen längsgespülten Zweitakt-Grossdieselmotor der Firma Wärtsilä. Es ist unstrittig, dass eine Fachperson das Dokument C2 zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe heranziehen wird, und die Kammer sieht das genauso, da Seite 24 der C2 auf den bereits in C3 genannten Motortyp RT-flex50 verweist. Zudem wird auf Seite 27 im Zusammenhang mit diesem Motortyp eine optimierte Durchmischung des Brennstoffs mit der Spülluft genannt (fünfter Spiegelstrich: "The key to optimized fuel/air mixture formation").
Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von C3 davon ab, ob die Fachperson anhand des Dokuments C2 zum Unterscheidungsmerkmal gelangt.
5.4 Für das Verständnis der nachfolgenden Argumentation ist es hilfreich, zuerst die beiden Abbildungen auf Seite 27 der C2 zu betrachten. Die hier eingeblendete obere Abbildung zeigt an jedem Zylinder des Motors jeweils eine vordere und hintere Gaszuführung, die an eine rechteckige Gasverteilungsleitung angeschlossen sind:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bezog sich die Beschwerdeführerin in der oberen Abbildung auf die hintere Gaszuführung des zweiten Zylinders von rechts, die nachfolgend vergrößert wiedergegeben ist:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die untere Abbildung auf Seite 27 stellt eine der Gaszuführungen in einer Dreiviertel-Schnittansicht dar. Am linken Rand befindet sich der Zylinderliner mit einem darin angeordneten Einsatz. Rechts schließt sich daran das Gaseinlassventil in Form eines Tellerventils an, das über ein doppelwandiges Wellrohr an die Gasverteilungsleitung am rechten Rand der unteren Abbildung angeschlossen ist:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bezogen sich die Parteien im Hinblick auf die Gaseinlassdüse und deren Düsenachse auf den Einsatz im Zylinderliner, der hier vergrößert wiedergegeben ist:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Nach Auffassung der Kammer ergänzt die Fachperson aus den folgenden Gründen die beiden Abbildungen auf Seite 27 der C2 zu einer einzigen, widerspruchsfreien Lehre, die zum Unterscheidungsmerkmal führt:
5.5 Die Parteien stimmen darin überein, dass der Einsatz im Zylinderliner als Gaseinlassdüse dient. Das ist auch aus Sicht der Kammer der Fall, da sich die im Einsatz angeordnete Gasleitung vom Tellerventil bis zur Innenseite des Zylinderliners erstreckt. Der Beginn der Leitung ist in der Dreiviertel-Schnittansicht der unteren Abbildung auf Seite 27 als Hohlraum links vom Tellerventil dargestellt. Das Ende der Leitung an der Innenseite des Zylinderliners - also die Düsenöffnung der Gaseinlassdüse - ist in der oberen Abbildung auf Seite 27 als Kreis dargestellt. Der (nicht gezeigte) Endabschnitt der Leitung mit der Düsenöffnung bildet unbestritten eine Düsenachse der Gaseinlassdüse.
Daher muss die Kammer nun klären, ob die Fachperson, die ausgehend von der Anordnung der C3 das Dokument C2 zu Rate zieht, daraus ableiten kann, wie sie den Endabschnitt verwirklichen kann, insbesondere, ob die C2 lehrt oder nahelegt, den Endabschnitt mit der Düsenöffnung im Sinne des Unterscheidungsmerkmals derart unter einem vorgebbaren Winkel in Bezug auf eine radiale Richtung des Zylinderliners anzuordnen, dass das Brenngas unter einem von Null verschiedenen Winkel in Bezug auf die radiale Richtung in den Brennraum einspritzbar ist.
5.6 Der in C2 offenbarte Einsatz im Zylinderliner hat eine im wesentlichen zylindrische Form, da er in der oberen Abbildung auf Seite 27 - siehe die Vergrößerung in Absatz 5.4 oben - als zylindrisches Ende der Gaszuführung dargestellt ist. Wegen seiner Zylinderform besitzt der Einsatz eine Mittelachse. Die Mittelachse ist in der unteren Abbildung auf Seite 27 diejenige Linie in der Dreiviertel-Schnittansicht, entlang welcher der horizontale Schnitt auf den vertikalen Schnitt trifft und die entlang der Achse des (in der den Parteien vorliegenden Darstellung leicht gelben) Tellerventils verläuft. Die Mittelachse des Einsatzes erstreckt sich in radialer Richtung des Zylinderliners, siehe den geschnittenen, senkrecht orientierten Zylinderliner in der unteren Abbildung auf Seite 27 und die Darstellung der beiden Gaszuführungen und des ungeschnittenen Kolbens im Verhältnis zum geschnittenen Zylinderliner auf Seite 24 der C2. Die Beschwerde-gegnerin hat die radiale Ausrichtung des Einsatzes in Bezug auf die senkrechte Mittelachse des Zylinderliner auch nicht bestritten.
5.7 Die untere Abbildung auf Seite 27 zeigt die genaue Form der Gasleitung. Ein erster Leitungsabschnitt beginnt unmittelbar links vom Tellerventil und verläuft entlang der Mittelachse des Einsatzes. Die Beschwerdegegnerin erkennt an, dass ein zweiter Leitungsabschnitt, der sich links an den ersten Abschnitt anschließt, unter einem Winkel in Bezug auf eine radiale Richtung des Zylinderliners angeordnet sein muss. Das ist auch aus Sicht der Kammer der Fall, da die Fachperson den winkligen Verlauf dieses Bereichs in der unteren Abbildung auf Seite 27 daran erkennt, dass die Leitung in der horizontalen Schnittebene auf ihrem Weg in Richtung der Innenwand des Zylinderliners nur teilweise und nach links schwindend hinter die vertikale Schnittebene - die aus den unter 5.6 genannten Gründen in radialer Richtung des Zylinderliners verläuft - zurücktritt, und nicht etwa wie die Bolzendurchbohrung, die oberhalb des Abschnittes mittels parallelen Linien abgebildet ist. Das Zurücktreten der Leitung hat zur Folge, dass ihr Endabschnitt mit der Düsenöffnung in dieser Abbildung nicht sichtbar ist.
Die Beschwerdegegnerin vertritt dagegen die Auffassung, dass eben weil dieser Endabschnitt nicht gezeigt ist, nur vermutet werden kann, wie dieser ausgeführt ist. Es gäbe verschiedene Möglichkeiten diese auszuführen, so dass nicht ohne weiteres als unmittelbare und eindeutige Offenbarung aus C2 abgeleitet werden kann, dass der Endabschnitt unter einem Winkel in Bezug auf eine radiale Richtung des Zylinderliners angeordnet ist. Die Kammer sieht das anders.
5.7.1 Aus der unteren Abbildung auf Seite 27 geht mangels einer Düsenöffnung auf der Mittelachse hervor, dass die Düsenöffnung hinter der vertikale Schnittebene bzw. in der horizontalen Schnittebene seitlich versetzt mit einem horizontalen Abstand zur Mittelachse des Einsatzes liegen muss. Diese Anordnung wird durch die obere Abbildung auf Seite 27 bestätigt, wo der Mittelpunkt und damit die Mittelachse des Einsatzes durch ein Kreuz und links davon die Düsenöffnung durch einen Kreis dargestellt sind, siehe die Vergrößerung in Absatz 5.4 dieser Entscheidung. Der Versatz der Düsenöffnung nach links entspricht dem in der unteren Abbildung auf Seite 27 gezeigten Zurücktreten des Endabschnitts der Leitung hinter die vertikale Schnittebene, da man die untere Abbildung gedanklich um 90° im Gegenuhrzeigersinn um die senkrechte Mittelachse des Zylinderliners drehen muss, um zur Ausrichtung der Gaseinlassdüse gemäß der oberen Abbildung zu gelangen.
5.7.2 Um die in der oberen Abbildung auf Seite 27 gegenüber der Mittelachse des Einsatzes horizontal nach links versetzte Düsenöffnung mit dem in der unteren Abbildung gezeigten abgewinkelten zweiten Leitungsabschnitt zu verbinden, gibt es nach Ansicht der Kammer nur eine technisch sinnvolle Möglichkeit:
Demzufolge ist der Endabschnitt der Leitung einfach eine Fortsetzung des abgewinkelten zweiten Leitungsabschnitts. In diesem Fall verläuft der Endabschnitt unter demselben Winkel zur Mittelachse des Einsatzes wie der zweite Leitungsabschnitt, so dass die vom Endabschnitt bestimmte Düsenachse an der Stelle der Düsenöffnung unter dem in der unteren Abbildung auf Seite 27 gezeigten Winkel (des zweiten Leitungs-abschnitts) gegenüber der von der senkrechten Mittelachse des Zylinderliners ausgehenden und entlang der Mittelachse des Einsatzes verlaufenden radialen Richtung des Zylinderliners angeordnet ist. Außerdem ist die Düsenachse dann aus geometrischen Gründen unter einem (größeren) Winkel zu derjenigen radialen Richtung angeordnet, die von der senkrechten Mittelachse des Zylinderliners durch die in der oberen Abbildung auf Seite 27 gezeigte Düsenöffnung verläuft. Die Kammer hält diese Ausgestaltung der Leitung für die technisch sinnvolle, da der in der unteren Abbildung auf Seite 27 nicht gezeigte Endabschnitt gleichzeitig mit dem dort gezeigten zweiten Leitungsabschnitt z.B. durch eine einzige Bohrung im Einsatz hergestellt werden kann.
5.7.3 Die Beschwerdegegnerin hat versucht, alternative Ausgestaltungen des Endabschnitts glaubhaft zu machen. So könnte der Endabschnitt der Leitung aus Platzgründen gegenüber dem zweiten Leitungsabschnitt um einen dem Betrag nach gleichen Winkel in Gegenrichtung abgewinkelt sein, so dass er in der horizontalen Schnittebene wieder parallel, aber versetzt zur Mittelachse des Einsatzes verläuft. Die Kammer hält zum einen eine solche weitere Abwinklung des Endabschnitts als technisch abwegig, da sie besonders kompliziert und mit sehr viel Herstellungsaufwand verbunden ist. Zum anderen ist für die Kammer nicht überzeugend dargelegt worden, warum der Fachmann eine solche komplizierte Ausführung der Leitung überhaupt erwägen würde. Dass und welche Platzprobleme bestehen würden bei Einbau des Einsatzes, wie pauschal behauptet, ist weder belegt noch sonst glaubhaft gemacht worden. Insoweit andere Vorkehrungen im Inneren des Zylinderliners einer Düsenöffnung an einer bestimmten Stelle im Wege stehen würden, wie von der Beschwerdegegnerin gemutmaßt, könnte sehr viel einfacher durch einen seitlich verschobene Einbau des ganzen Einsatzes verwirklicht werden. Dass eine interne Kammer im Einsatz die mehrfache Abwinklung der Leitung bedingen könnte (um die Kammer zu umgehen), ist ebenfalls rein spekulativ und wenig glaubhaft. Warum der Fachmann mit sehr viel Aufwand eine Kammer vorne im (anscheinend einstückigen) Einsatz ausführen würde, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar.
Somit gelangt die Kammer zum Zwischenfazit, dass eine Fachperson bei der technisch sinnvollen Interpretation des Dokuments C2 die Düsenachse der Gaseinlassdüse unter einem von ihr gewählten - und damit vorgebbaren - Winkel in Bezug auf eine radiale Richtung des Zylinderliners anordnet.
5.8 Diese Ausrichtung der Düsenachse der Gaseinlassdüse führt nach Auffassung der Kammer unmittelbar dazu, dass das Brenngas unter einem von Null verschiedenen Winkel in Bezug auf die radiale Richtung in den Brennraum einspritzbar ist. Für die in Absatz 5.7.2 genannte Ausgestaltung des Endabschnitts der Leitung im Einsatz als Fortsetzung des abgewinkelten zweiten Leitungsabschnitts hatte die Beschwerdegegnerin das nicht bestritten, da auch aus ihrer Sicht der Winkel des eingespritzten Gases dem Winkel der Düsenachse entspricht. Das weitere Argument der Beschwerdegegnerin, wonach die Düsenöffnung bei der zweitgenannten Ausgestaltung des Endabschnitts der Leitung eine ebene Fläche wäre, so dass eine der in Figur 5 der D2 gezeigten asymmetrischen Mulden vorhanden sein müsse, um eine Einspritzung des Brenngases unter einem von Null verschiedenen Winkel zu erreichen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Durch eine solche asymmetrische Mulde scheint der Strahl des eingespritzten Gases weiter aufzufächern, siehe die drei in unterschiedliche Richtungen weisenden Pfeile an der Düse unten rechts in Figur 5 der D2. Der Endabschnitt der Leitung bewirkt bei der zweitgenannten Ausgestaltung aus den voranstehend genannten Gründen bereits, dass das Brenngas unter einem Winkel zur radialen Richtung des Zylinderliners eingespritzt wird, die ausgehend von dessen senkrechter Mittelachse durch die Düsenöffnung verläuft. Daher wird dieser Winkel infolge der Auffächerung durch eine asymmetrische Mulde zumindest für einen Teil der eingespritzten Gasmenge sogar noch vergrößert.
5.9 Aus diesen Gründen wird die Fachperson auf naheliegende Weise anhand des auf Seite 27 der C2 offenbarten Verlaufs der Leitung im Einsatz die Gaseinlassdüse der C3 so umgestalten, dass ihre Düsenachse derart unter einem Winkel in Bezug auf die radiale Richtung des Zylinderliners angeordnet ist, dass das Brenngas unter einem von Null verschiedenen Winkel in Bezug auf die radiale Richtung in den Brennraum einspritzbar ist. Somit gelangt sie ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags.
6. Im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags (Hilfsantrag 1 in der angefochtenen Entscheidung) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.