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T 1223/21 (Rauchgasreinigung/SMS) 27-02-2023
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VORRICHTUNG UND VERFAHREN ZUM REINIGEN VON RAUCHGAS EINER METALLURGISCHEN ANLAGE
I. Ursprünglich hatten sowohl die Patentinhaberin (nunmehr Beschwerdegegnerin) als auch die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerden gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, das Streitpatent in geänderter Fassung auf der Basis des Hilfsantrags 2 aufrechtzuerhalten.
II. Unter anderem waren die folgenden für diese Entscheidung relevanten Dokumente Gegenstand des Einspruchsverfahrens:
D1|DE 39 27 701 A1 |
D5|C. Nagata et al., "Wet Type Electrostatic Precipitator Successfully Applied for SO3 Mist Removal in Boilers Using High Sulfur Content Fuel", pdf vom Konferenzbeitrag #22 von der offiziellen CD, Combined Power plant Air Pollutant Control Mega Symposium, Washington D.C., 2004, Seiten 1-18|
III. Die Einspruchsabteilung war zum Schluss gekommen, dass der damalige Hauptantrag (erteilte Fassung) und der damalige Hilfsantrag 1 angesichts der Kombination von D1 mit D5 die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ nicht erfüllen.
IV. Der Wortlaut von Anspruch 1 des aufrechterhaltenen Hilfsantrags 2 ist wie folgt. Dabei wird auf die auf den Seiten 9 und 15 der angefochtenen Entscheidung benutzte Merkmalsnummerierung (a) bis (c) und (e) zurückgegriffen.
|"1. Verfahren zum Reinigen von Rauchgas einer metallurgischen Anlage (2), mit den Schritten: |
|Einleiten von Rauchgas in eine durch eine erste Verbindungsleitung (3) mit der metallurgischen Anlage (2) verbundene Vorreinigungsstufe (4), in der das Rauchgas unter Verwendung von Wasser vorgereinigt und gekühlt wird, und |
|Zuleiten des in der Vorreinigungsstufe (4) vorgereinigten und gekühlten Rauchgases durch eine zweite Verbindungsleitung (5) in eine Hauptreinigungsstufe (6), in der eine Feinreinigung des Rauchgases und damit eine Hauptreinigung des Rauchgases durch elektrostatische Abscheidung an zumindest einer Niederschlagselektrode erfolgt,|
|wobei das Rauchgas in der zweiten Verbindungsleitung (5) beschleunigt und dadurch in Richtung der Hauptreinigungsstufe (6) gefördert wird, |
|dadurch gekennzeichnet, |
(a)|dass die Hauptreinigungsstufe in Form eines Nasselektrofilters (6) ausgebildet ist, |
(b)|wobei im Filterbetrieb des Nasselektrofilters (6) Wasser durch Nebeldüsen (14) in den Nasselektrofilter (6) eingedüst wird, |
(c)|so dass alle Komponenten des Nasselektrofilters (6) ständig mit dem eingedüsten Wasser benetzt sind, und |
(e)|dass das Rauchgas in der zweiten Verbindungsleitung (5) durch einen innerhalb der zweiten Verbindungsleitung (5) angeordneten Ventilator (7.2) beschleunigt und in Richtung des Nasselektrofilters (6) gefördert wird." |
Dabei entsprechen die Merkmale (a) bis (c) und (e) den Merkmalen (7) bis (10) der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin (siehe Seite 2).
V. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin:
- vor Einreichen einer Beschwerdebegründung ihre Beschwerde zurückgezogen
- inhaltlich nicht auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin reagiert sowie
- angekündigt, nicht an einer zwischenzeitlich anberaumten mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
VI. Daraufhin konnte die mündliche Verhandlung abgesagt werden, und die Entscheidung kann schriftlich ergehen (Artikel 12(8) VOBK 2020).
VII. Die entscheidungswesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin werden wie folgt zusammengefasst:
Der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 sei unter anderem angesichts der Kombination von D1 mit D5 und dem allgemeinen Fachwissen nicht erfinderisch.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin hat keine Anträge gestellt. Die Kammer hat gleichwohl die Berechtigung, die Beschwerde von Amts wegen zu prüfen, da gemäß Artikel 110 und 111(1) EPÜ nur eine zulässige und begründete Beschwerde zur Aufhebung einer angefochtenen Entscheidung führen kann.
Hilfsantrag 2
Beim Hilfsantrag 2 handelt es sich um die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung. Aus den folgenden Gründen erfüllt diese jedoch nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.
1. Erfinderische Tätigkeit
1.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Reinigen von Rauchgas einer metallurgischen Anlage (Abschnitt [0001] des Streitpatents).
1.2 D1 betrifft ebenfalls ein Verfahren zum Reinigen von Rauchgas einer metallurgischen Anlage (Spalte 1, Zeilen 3 bis 7).
1.3 Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen eines Verfahrens, welches den Reingasstaubgehalt des Rauchgases weiter vermindert (Absatz [0014]).
1.4 Hilfsantrag 2 schlägt vor, diese Aufgabe mittels des Verfahrens aus Anspruch 1 zu lösen, welches durch die Merkmale (a) bis (c) und (e) charakterisiert ist.
1.5 Ein kombinatorischer Effekt zwischen den Merkmalen (a) bis (c) einerseits und (e) andererseits wurde nicht geltend gemacht und konnte auch nicht identifiziert werden. Dies gilt umso mehr für einen synergetischen Effekt.
Die Kammer teilt somit auch die Meinung der Einspruchsabteilung, wonach es sich bei folgenden Aspekten um unabhängige Teilaufgaben handelt:
- Merkmale (a) bis (c): Bereitstellen eines Verfahrens mit vermindertem Reingasstaubgehalt (vierter vollständiger Absatz auf Seite 10 der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die erteilte Fassung) und
- Merkmal (e): Bereitstellen einer alternativen Förderung (zweiter Absatz auf Seite 16 der angefochtenen Entscheidung)
1.6 Die Einspruchsabteilung (siehe Punkt II.2.3 der angefochtenen Entscheidung) war im Rahmen des damaligen Hauptantrages zum Schluss gekommen, dass die Merkmale (a) bis (c) keine erfinderische Tätigkeit begründen würden. Der Fachmann zöge die Lehre von D5 in Betracht, wonach es diese Merkmale erlaubten, den Reststaubgehalt zu vermindern. Die Einspruchsabteilung bezog sich insbesondere auf die folgenden Passagen von D5: zweiter Absatz auf Seite 2, Figur 2, der die Seiten 3 und 4 überbrückende Absatz.
Die Einspruchsabteilung war zudem auf der Basis von zusätzlichen Beweismitteln zum Schluss gelangt, dass D5 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war und daher zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ gehört (Punkt II.1 der angefochtenen Entscheidung).
Die Kammer kann keine Gründe erkennen, warum diese Schlussfolgerungen nicht zutreffend sein sollten.
Auch wenn D5 nicht ausdrücklich die Reinigung von Rauchgasen aus metallurgischen Anlagen behandelt, so handelt es sich doch zumindest um ein benachbartes Gebiet, da sowohl in D1 (Spalte 9, Zeilen 56 bis 61) als auch in D5 (Zusammenfassung) Staub und SO3 enthaltende Rauchgase gereinigt werden.
Die Einspruchsabteilung bezweifelte allerdings, dass die von D1 ausgehende Fachperson einen Ventilator anstelle des Venturirohrs mit zugeführtem Waschmittel (siehe Figur 1: 2 und 16 bis 20) einsetzen würde, da die zweite Einrichtung dann nicht mehr für die Gaswäsche genutzt würde.
Dagegen erachtet die Kammer, dass das Ersetzen des Venturirohrs durch einen Ventilator unter diesen Umständen eher als eine nachteilige Änderung anzusehen ist, wobei eine solche nachteilige Wirkung keine erfinderische Tätigkeit begründen kann (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, I.D.9.21.1). Doch selbst wenn ein solcher Nachteil nicht bewirkt werden sollte, so wäre ein Ventilator jedenfalls ein bekanntes Mittel zum Transport von Gasen (wie nicht nur Fachpersonen bekannt ist). Daher wird auch die zweite Teilaufgabe in naheliegender Weise gelöst.
Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 des aufrechterhaltenen Hilfsantrags 2 nicht erfinderisch.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.