T 0754/89 24-04-1991
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Apparatus for hair removal
1) Bodywell AG
2) Basille Marketing
3) Remington Products
Inventive step (yes)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 29. Juli 1983 angemeldete Patentanmeldung Nr. 83 401 574.5 wurde am 5. November 1986 das europäische Patent Nr. 0 101 656 mit den Ansprüchen 1 bis 20 erteilt. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. An electrically powered depilatory device comprising:
a hand held portable housing (2); motor means (4, 4') disposed in said housing; and a helical spring (24) comprising a plurality of adjacent windings arranged to be driven by said motor means in rotational sliding motion relative to skin bearing hair to be removed, said helical spring (24) including an arcuate hair engaging portion arranged to define a convex side whereat the windings are spread apart, and a concave side corresponding thereto whereat the windings are pressed together, the rotational motion of the helical spring (24) producing continuous motion of the windings from a spread apart orientation at the convex side to a pressed together orientation at the concave side and for engagement and plucking of hair from the skin of the subject, whereby the surface velocities of the windings relative to the skin greatly exceeds the surface velocity of the housing relative thereto."
Das Streitpatent ist in englischer Sprache gehalten, aber die Einspruchsabteilung hat gestützt auf Regel 3 (1) EPÜ die Verfahrenssprache auf Antrag der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) und nach Anhörung der übrigen Beteiligten von Englisch auf Deutsch geändert, so daß vorliegende Entscheidung ebenfalls in Deutsch gehalten ist.
II. Gegen dieses Patent haben die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und III) sowie die Firma Basille Marketing Ltd. (Einsprechende II) Einspruch eingelegt, wobei die Beschwerdegegnerin II (gemäß Artikel 105 EPÜ dem Einspruchsverfahren beigetreten ist, weil sie von der Beschwerdeführerin vor dem Landgericht Düsseldorf wegen Verletzung des Streitpatents am 1. Juli 1988 unter dem Aktenzeichen 40173/88 verklagt worden sei. Andererseits hat die Einsprechende II mit Schreiben vom 20. Mai 1988 ihren Einspruch zurückgezogen.
Die Einsprüche waren zunächst auf folgende Druckschriften gestützt:
D1: US-A-4 079 741 D2: CH-A-268 696 D3: US-A-1 743 590 D4: US-A-2 486 616 D5: US-A-2 458 911 D6: US-A-1 232 617 D7: US-A-2 496 223 D8: US-A-3 150 409 D9: GB-A-1 077 020 D10: US-A-2 900 661 und D11: US-A-2 592 484, wobei gefolgert wurde, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 im Lichte dieser Druckschriften nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat die Beschwerdegegnerin II mit Eingaben vom 24. Oktober 1988 und vom 21. März 1989 u. a. folgende Druckschriften vorgebracht:
D12: US-A-2 112 230 D13: US-A-2 423 245 D14: US-A-4 575 902 D15: US-A-4 726 375 D16: FR-A-2 245 314 D17: FR-A-2 307 491 D18: CH-A-652 899 D19: CH-A-179 261 und D20: GB-A-203 970.
Die Beschwerdegegnerin II hat darüber hinaus mit Eingabe vom 21. März 1989 eine offenkundige Vorbenutzung des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 geltend gemacht und mit Schreiben vom 20. September 1989 hierzu eine eidesstattliche Erklärung (Affidavit) des Hr. Wilcox vom 16. März 1989 vorgelegt. Ihrer Meinung nach ist damit der Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich getroffen.
III. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 1989 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 101 656 gemäß Artikel 102 (1) EPÜ widerrufen. Die schriftlich begründete Entscheidung trägt das Datum des 7. Dezembers 1989. In ihr kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 zwar neu sei, aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhe.
IV. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr am 2. November 1989 Beschwerde eingelegt und mit dem am 16. Februar 1990 eingegangenen Schriftsatz ausdrücklich bestätigt. Die Beschwerdebegründung wurde am 17. April 1990 eingereicht.
V. In der Beschwerdebegründung vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß die Einspruchsabteilung die Dokumente (D1) und (D2) ex post bewertet hätte, wobei die Aufgabe nicht allein vom Dokument (D1) ausgehend formuliert werden dürfe. Selbst wenn der Fachmann aber die Dokumenten (D1) und (D2) in Kombination gesehen hätte, wäre damit kein direkter Weg zum Gegenstand des Anspruchs 1 eröffnet worden, weil die Arbeitsprinzipien gemäß Dokumente (D1) und (D2) unterschiedlich und einander ausschließend seien. Somit hätte ein völlig neues Gerät konzipiert werden müssen, was aber die Fähigkeiten eines Durchschnittsfachmannes bei weitem übersteigen würde. Die Beschwerdeführerin legte weiter dar, daß das Merkmal einer hohen Differenzgeschwindigkeit zwischen der Feder und dem Gehäuse beim Gegenstand des Anspruchs 1 auch im ungünstigsten Fall - d. h. bei extrem hoher Gerätegeschwindigkeit - gegeben sei, wobei diese Lehre im gesamten vorliegenden Stand der Technik aber ohne Vorbild sei, was bereits für sich für die erfinderische Qualität des Geräts nach Anspruch 1 spreche. Die vorgenannte Differenzgeschwindigkeit wird seitens der Beschwerdeführerin als differenzierend gegenüber dem Stand der Technik angesehen, u. a. auch deshalb, weil damit eine reine Abrollbewegung der Feder auf der Haut auszuschließen sei.
Weitere Argumente der Beschwerdeführerin betreffen die Befriedigung eines lange bestehenden Bedürfnisses, die Schaffung eines neuen Marktes, die Tatsache einer Vielzahl von Nachahmungen bzw. Verletzungsformen trotz eines geringen Werbeaufwands. Schließlich wurde auch noch das Zeitargument bezüglich der Dokumente (D1) und (D2) ins Feld geführt.
VI. Die Beschwerdegegnerinnen I und II haben dem Vorbringen der Beschwerdeführerin widersprochen.
Die Beschwerdegegnerin I machte im einzelnen geltend, daß von Dokument (D1) ausgehend lediglich deren gerade Schraubenfeder durch eine gebogene Schraubenfeder zu ersetzen sei, wobei eine solche aus Dokument (D2) bekannt sei. Ohne ex-post-facto-Betrachtungsweise gelange der Fachmann damit zum Gegenstand des Anspruchs 1, ohne daß ein Vorurteil zu überwinden gewesen wäre bzw. besondere technische Schwierigkeiten bei der Vereinigung der Lehren gemäß Dokumenten (D1) und (D2) erkennbar seien. Gehe man andererseits bei der Gattungsbildung von Dokument (D2) aus, dann verbleibe nur noch die Motorisierung des bekannten Handgerätes übrig, wofür aber Dokument (D1) als Vorbild dienen könne. Allein die Motorisierung des Handgerätes gemäß Dokument (D2) mache das daraus gewonnene Gerät frei von einer bloßen Abrollbewegung der Feder auf der Haut und damit auch von der Gehäusegeschwindigkeit. Als beachtlich wurde auch die Personenidentität der Erfinder des Gegenstands gemäß Dokument (D1) und des Streitpatents angesehen. Darüber hinaus vertrat die Beschwerdegegnerin I die Auffassung, daß der Markterfolg Sache der Werbung sei und nicht als Indiz für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit ausreiche; auch das sog. Zeitargument der Beschwerdeführerin wurde mit dem Hinweis auf das Vorhandensein von Damen-Rasiergeräten und Cremes zur Haarentfernung auf dem Markt zurückgewiesen, da damit klar sei, daß ein Bedürfnis nach motorgetriebenen Epiliergeräten nicht bestanden hätte.
Die Beschwerdegegnerin II führte im einzelnen folgendes aus:
Die behauptete offenkundige Vorbenutzung - gestützt auf das Affidavit des Hr. Wilcox - wurde als "neuheitsschädliche Vorverlautbarung" angesehen, zumindest sei aber darin "hilfsweise auch das Bestreiten der erfinderischen Tätigkeit enthalten".
Vom druckschriftlichen Stand der Technik wurden vor allem die Dokumente (D9), (D10), (D1) und (D2) als relevant angesehen. Aus Dokument (D9) sei in einem zu berücksichtigenden Nachbargebiet des Streitpatents schon eine gebogene und drehangetriebene Feder bekannt, wobei das damit zusammenwirkende Messer vom Fachmann weggelassen werden könne, so daß in Dokument (D9) lediglich der Hinweis auf das Haarausreißen fehle. Diesbezüglich seien aber die Dokumente (D10), (D1) und (D2) zu beachten, die genau dieses in Dokument (D9) fehlende Merkmal dem Fachmann nahelegten, so daß insgesamt die Kombination des Inhalts von zwei Dokumenten zum Gegenstand des Anspruchs 1 führe, ohne daß diese Dokumente ex-post-facto betrachtet werden müßten. Es wurde weiterhin ausgeführt, daß beide Möglichkeiten einer Schraubenfeder zum Haarausreißen im Stand der Technik bekannt seien, nämlich abrollende Feder gemäß Dokument (D2) und drehangetriebene Feder hoher Differenzgeschwindigkeit gemäß Dokument (D9) bzw. (D1). Sollte der Fachmann indes von Dokument (D2) ausgehen, so bleibe nach Auffassung der Beschwerdegegnerin II lediglich die Motorisierung der Feder übrig, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, so daß zumindest bei Heranziehung des Dokuments (D1) kein erfinderischer Schritt mehr erkennbar wäre. Das Vorliegen eines Vorurteils wurde entschieden bestritten, genauso wie der Markterfolg des angegriffenen Geräts nicht als Stütze der erfinderischen Tätigkeit anerkannt wurde. Rein formal wurde auch noch auf den nichttechnischen Charakter der Gehäusegeschwindigkeit verwiesen, die von der Bedienungsperson abhänge und demnach undefiniert sei.
VII. Mit vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 9. Januar 1991, in der die Dokumente (D1), (D2), (D7) und (D10) als relevant herausgestellt wurden, fand am 24. April 1991 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Grundlage derselben war das erteilte Patent (Hauptantrag) und waren Ansprüche 1 in der Fassung vom 16. April 1991 (Telekopie) als Hilfsanträge I und II in Verbindung mit abhängigen Ansprüchen und Zeichnungen aus der Patentschrift und einer in zwei Fassungen eingereichten Beschreibung.
Die Beschwerdeführerin beantragt damit die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Rahmen des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge I und II.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragen dagegen die Zurückweisung der Beschwerde im Rahmen aller vorstehend genannten Anträge der Beschwerdeführerin. Beide Beschwerdegegnerinnen erachten die Hilfsanträge I und II als verspätet vorgelegt, so daß sie schon deshalb zu verwerfen seien. Die Beschwerdegegnerin I hielt ihren Kostenantrag aus der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung aufrecht, und zwar mit dem Hinweis auf das geringe Stammkapital der Mandantin; die Beschwerdeführerin stellt hingegen den Antrag, dieses Vorbringen als unbillig zu verwerfen.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer tauchten keine neuen Argumente auf, vielmehr wurden die Argumente der Parteien gemäß schriftlichem Vorbringen erneut vorgetragen, teilweise in anderem Lichte.
Im einzelnen hielt die Beschwerdegegnerin II ihren Einwand der Nichtneuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 mit Blick auf die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung aufrecht und trug außerdem vor, daß ihrer Meinung nach der Stand der Technik gemäß den Dokumenten (D1), (D2), (7) und (D10) das in Anspruch 1 definierte Gerät nahelege. Auch die Beschwerdegegnerin I stützte ihren Einwand auf das Fehlen erfinderischer Tätigkeit, wohingegen die Beschwerdeführerin den Vortrag zur geltendgemachten offenkundigen Vorbenutzung als unsubstantiiert ansah und dem weiteren tragenden Argument der Beschwerdegegnerinnen bezüglich des Fehlens der erfinderischen Tätigkeit u. a. mit dem Hinweis auf eine ex-post-facto-Betrachtung der relevanten Dokumente entgegentrat.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig. Der Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 2. November 1989 (im Amt am gleichen Tag eingegangen) liegt zwar vor dem Datum das die schriftlich begründete Entscheidung trägt - nämlich 7. Dezember 1989 - aber mit dem am 16. Februar 1990 eingegangenen Schriftsatz hat die Beschwerdeführerin ihren Schriftsatz vom 2. November 1989 vorsorglich ausdrücklich bestätigt, so daß zweifelsfrei eine zulässige Beschwerde vorliegt.
2. Formale Erfordernisse
2.1. Das erteilte Schutzbegehren entspricht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ:
Im Anspruch 1 wurden gegenüber der ursprünglichen Fassung desselben lediglich Bezugszeichen eingefügt.
Die Ansprüche 2, 3, 5 bis 11 und 13 bis 17 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen gleicher Zählung, während die Ansprüche 18 bis 20 aus den ursprünglichen Ansprüchen 19 bis 21 hervorgehen.
Anspruch 4 war ursprünglich ein unabhängiger Anspruch, ist aber nunmehr abhängig vom Anspruch 1; hiergegen bestehen indes aus der Sicht des Artikels 123 (2) EPÜ keine Bedenken; Gleiches gilt für Anspruch 12, der ebenfalls ein unabhängiger Anspruch war und in seiner erteilten Fassung ebenfalls vom Anspruch 1 abhängt.
2.2. Da gemäß Hauptantrag das erteilte Patent unverändert verteidigt wird, stellt sich die Frage des Artikels 123 (3) EPÜ nicht.
2.3. Es fällt auf, daß Anspruch 1 des Streitpatents in einteiliger Form vorliegt, obschon eine Unterteilung desselben in Oberbegriff und kennzeichnenden Teil im vorliegenden Fall im Sinne der Regel 29 (1) a) und b) EPÜ zweckdienlich wäre. Mit Blick auf den erteilten Anspruch 4 ist festzuhalten, daß er unklar ist (Artikel 84 EPÜ), da eine Zeile des ursprünglichen Anspruchs 4 offenbar versehentlich nicht übertragen wurde, nämlich "whereat the windings are spread apart, and a concave side" im Anschluß an das Wort "side" von Sp. 7, Z. 46 des Streitpatents.
Da sowohl Regel 29 (1) EPÜ als auch Artikel 84 EPÜ keine Einspruchsgründe im Sinne des Artikels 100 EPÜ darstellen, sind die vorgenannten Mängel im vorliegenden Fall aufgrund von Artikel 102 (1) und (2) i. V. mit Regel 66 (1) EPÜ unbeachtlich, wobei auch die Passagen des Streitpatents, die im Gegensatz zum Anspruch 1 stehen ("an electrically powered depilatory device ..."), vgl. Streitpatent, Sp. 3, Z. 7 bis 11 ("employed"), Sp. 6, Z. 27 bis 35 sowie Sp. 6, Z. 49 bis 52, hinzunehmen sind und für sich den Bestand des Patents nicht in Frage stellen können.
3. Vom geltendgemachten druckschriftlichen Stand der Technik hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessensspielraumes gemäß Artikel 114 (2) EPÜ - wie in der Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK angekündigt - nach Beratung die Dokumente (D12) bis (D20), die mit Eingaben vom 24. Oktober 1988 und 21. März 1989 seitens der Beschwerdegegnerin II erstmals benannt wurden und daher als verspätet vorgebracht zu betrachten sind, wegen Irrelevanz nicht zum Verfahren zugelassen.
4. Zum Vorbringen der Beschwerdegegnerin II bezüglich der beanspruchten offenkundigen Vorbenutzung ergibt sich folgendes:
4.1. Die behauptete offenkundige Vorbenutzung ist gestützt auf das "Affidavit" des Hr. Wilcox. Die Überprüfung dieses Schriftstücks läßt aber erkennen, daß genaue Angaben darüber fehlen, wann, wie oft, an welchem Ort und vor welchem genauen Personenkreis dessen Gegenstand vorgeführt worden ist (vgl. auch Protokoll vom 31. Oktober 1989 über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom12. Oktober 1989, S. 2, Abs. 1 mit 5 bzw. angefochtene Entscheidung S. 5, Abs. 1/2). Wie die Anlage "A" des in Rede stehenden "Affidavits" ausweist, ist die gezeigte Feder lediglich ein Transportelement und nicht das eigentliche Haarentfernungswerkzeug. Dieses ist offensichtlich das gezackte Bauteil, welches als Messer wirkt. Mithin liegt beim Gegenstand der geltendgemachten offenkundigen Vorbenutzung kein Ausreißen von Haaren vor, sondern ganz offensichtlich ein Abscheren an einer Messerplatte.
4.2. Ganz abgesehen von den nicht im einzelnen erhärteten Begleitumständen der geltendgemachten offenkundigen Vorbenutzung ist somit keine Identität bezüglich der zu vergleichenden Gegenstände gegeben, da der vermeintlich neuheitsschädliche Gegenstand zwingend ein Messer in Kombination mit einer Transportfeder vorsieht, während der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent auf einem ganz anderen Prinzip beruht, nämlich einer rotierenden Feder, welche die Haare nicht nur aufgrund einer Klemmwirkung zwischen den Federwindungen erfaßt, sondern durch die Federrotation auch ausreißt.
4.3. Es kommt hinzu, daß das entgegengehaltene Gerät erst hätte umgebaut werden müssen - nämlich Entfernung der gezackten Messerplatte bzw. der rotierenden Messerplatte in der Weiterentwicklung gemäß den Dokumenten (D8) und (D9) -, um die Eigenschaft des Enthäutens zu verlieren und damit für kosmetische Zwecke am Menschen verwendbar zu sein.
4.4. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung im Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streit- patents wesensfremd ist, so daß dieser weder die Neuheit desselben noch dessen erfinderische Tätigkeit in Zweifel ziehen kann. Bezüglich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist zu beachten, daß das Enthaaren und gleichzeitige Enthäuten von Schlachtvieh ein vom beanspruchten Gebiet des Epilierens von menschlichen Haaren weit entferntes Gebiet darstellt, so daß es dahingestellt sein kann, ob die behauptete offenkundige Vorbenutzung Stand der Technik wurde oder nicht, zumal davon auszugehen ist, daß das gezackte Bauteil gemäß Anlage "A" des "Affidavits" von Hr. Wilcox ein Messer zum Abscheren der Borsten ist und nicht ein Bauteil zum Aufrichten von Borsten. Allein das Vorhandensein dieses Messers rückt den Gegenstand der angeblichen Vorbenutzung so weit vom Beanspruchten weg, daß die Fragen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit davon unberührt bleiben.
4.5. Damit werden die Dokumente (D8), (D9) und die damit eng verknüpfte behauptete offenkundige Vorbenutzung nachfolgend von allen weiteren Betrachtungen ausgeschlossen, so daß sich die Kammer der diesbezüglichen Beurteilung der ersten Instanz voll anschließt.
5. Nächstkommender Stand der Technik, Aufgabe, Lösung
5.1. Anspruch 1 des Streitpatents ist auf ein elektrisch betriebenes Epiliergerät gerichtet, das ein in der Hand zu haltendes, tragbares Gehäuse aufweist (vgl. Z. 1 und 4 des Anspruchs 1).
Von daher gesehen ist unstrittig Dokument (D1) als gattungsnächster Stand der Technik anzusehen und nicht etwa Dokument (D2), das ein Handgerät zum Ausreißen von Haaren zum Inhalt hat, bei dem sowohl ein elektrischer Antrieb als auch ein in der Hand zu haltendes Gehäuse im Sinne des erteilten Anspruchs 1 fehlen.
Insoweit können die Argumente der Beschwerdegegnerinnen, die das Dokument (D2) als Ausgangspunkt der Erfindung voraussetzen, nicht überzeugen, da nach Auffassung der Kammer eine solche Betrachtungsweise des Standes der Technik rückschauender Natur ist (ex post facto). Eine Argumentation in Kenntnis der Erfindung ist aber dem Wesen des EPÜ fremd.
5.2. Anspruch 1 des Streitpatents ist einteilig abgefaßt, so daß zunächst die Frage zu beantworten ist, welche Merkmale dieses Anspruchs aus Dokument (D1) bekannt sind und welche nicht.
5.2.1. Nach Auffassung der Kammer müßte eine Abgrenzung des Anspruchs 1 gegenüber Dokument (D1) zu folgendem Oberbegriff führen (Regel 29 (1) a) EPÜ):
"An electrically powered depilatory device comprising:
a hand held portable housing; motor means disposed in said housing; and a helical spring comprising a plurality of adjacent windings arranged to be driven by said motor means in rotational sliding motion relative to skin bearing hair to be removed, said helical spring including a hair engaging portion whereat the windings are spread apart and whereat the windings are pressed together, the motion of the helical spring producing continuous motion of the windings from a spread apart orientation to a pressed together orientation and for engagement and plucking of hair from the skin of the subject, whereby the surface velocities of the windings relative to the skin greatly exceeds the surface velocity of the housing relative thereto." 5.2.2 Als Überschußmerkmale zwischen den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent und dem des Dokuments (D1) verbleiben demnach nach Regel 29 (1) b) EPÜ:
"that the helical spring (24) includes an arcuate hair engaging portion with a convex side whereat the windings are spread apart and a concave side whereat the windings are pressed together and that the helical spring (24) is subjected to a rotational motion for continuously spreading and pressing together the windings."
5.3. Dokument (D1) beschreibt verschiedene Ausführungen eines elektrisch angetriebenen Enthaarungsgerätes. Gemäß Fig. 1/2 liegen zwei Spiralfedern und zugeordnete Antriebe vor, um dieselben a) zu drehen und b) axial zu pressen bzw. zu entlasten.
Die eigentliche Spaltbildung erfolgt im Gegensatz zum Streitpatent somit durch axiale Betätigung und nicht durch die Bogenform und die gleichzeitige Rotation der Spiralfeder. Gemäß Fig. 7/8 und 9 bis 12 des Dokuments (D1) erfolgt das Drehen der Spiralfedern sogar noch intermittierend, so daß noch ein weiterer Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent vorliegt. Die Nachteile des Gegenstands gemäß Dokument (D1) sind evident: kompliziertes Antriebssystem der Spiralfeder(n).
5.4. Nach Festlegung des gattungsnächsten Standes der Technik und Aufteilung der Merkmale des Anspruchs 1 in solche, die aus diesem Stand der Technik bekannt und in solche, die aus diesem Stand der Technik nicht bekannt sind, ist nun die objektiv verbleibende technische Aufgabe, die es zu lösen gilt, zu definieren, und zwar im Lichte der Merkmale gemäß Regel 29 (1) b) EPÜ.
Im Streitpatent werden in Sp. 1, Z. 33 bis 40 die Nachteile des Gegenstands gemäß Dokument (D1) herausgestellt und in Z. 53 bis 58 wird die Aufgabe der Erfindung darin gesehen ein marktfähiges Elektrogerät zu schaffen, das sich hinsichtlich seiner Größe, seines Aufbaus, seiner Kosten und seines Bedienungskomforts an einem Elektrorasierer orientiert.
Die dem Streitpatent entnehmbare Aufgabe ist als Rahmenaufgabe anzusehen, nicht aber als die objektiv verbleibende, technische Aufgabe. Gestützt wird diese Aussage durch die Fassung des Anspruchs 1 dieses Patents selbst, da ohne klare Definition des nächstkommenden Standes der Technik (Bildung des Oberbegriffs) ohnehin die Basis für eine Objektivierung der Aufgabe fehlt.
Seitens der Kammer wird die objektiv verbleibende, technische Aufgabe darin gesehen, daß das Antriebssystem und das eigentliche Haarausreißwerkzeug in Richtung baulicher Vereinfachung und in Richtung einer Leistungssteigerung verbessert werden sollen. Erkennbar enthält diese Aufgabe keinen Hinweis auf ihre Lösung.
5.5. Die im erteilten Anspruch 1 angegebene Lösung der vorstehend definierten Aufgabe beruht auf dem Einsatz einer gebogenen Schraubenfeder, an deren konvexer Außenseite die Windungen auseinandergespreizt sind und an deren korrespondierender konkaver Innenseite die Windungen zusammengepreßt sind, wobei diese Schraubenfeder - ausschließlich - einer Drehbewegung unterworfen wird, um das kontinuierliche Spreizen und Zusammenpressen der Windungen zu erreichen.
5.6. Mit der (oben in Abschnitt 5.5) aufgezeigten Lösung der gestellten Aufgabe wird folgendes erreicht:
5.6.1. Im erteilten Anspruch 1 ist ausgesagt, daß die Umfangsgeschwindigkeit der Windungen die Geschwindigkeit, mit der das Gehäuse über die Haut geführt wird, bei weitem übersteigt. Zunächst trifft es zu, daß weder die eine noch die andere vorgenannte Geschwindigkeit im einzelnen angegeben ist, vielmehr wird in diesem Anspruch 1 nur auf die Differenzgeschwindigkeit abgestellt. Dennoch liefert dieses Merkmal des erteilten Anspruchs 1 eine wesentliche Aussage für das beanspruchte Gerät. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Merkmal von Z. 8/9 des erteilten Anspruchs 1 zu verweisen, nämlich "rotational sliding motion relative to skin bearing hair to be removed".
Die vorgenannten Merkmale des erteilten Anspruchs 1 stellen sicher, daß beim bestimmungsgemäßen Betrieb des Geräts nach diesem Anspruch eine bloße Abrollbewegung der Feder auf der Haut - wie beim Gegenstand des Dokuments (D2) - auszuschließen ist. Obwohl die Bedienungsperson nichttechnisch ist (Anweisung an den menschlichen Geist?) vermittelt der erteilte Anspruch 1 im Lichte der Beschreibung (Artikel 69 EPÜ) eine klare und sinnvolle Lehre, weil die Gechwindigkeit des Gehäuses aller Wahrscheinlichkeit von der das Gerät bedienenden Person zwischen 0 und 30 m/min gehalten wird. Diesbezüglich mag ein Elektrorasierer als Referenzgerät herangezogen werden. Das Patent enthält nun an mehreren Stellen (vgl. Ansprüche 19 und 20 bzw. Sp. 2, Z. 57 bis 62 oder Sp. 5, Z. 59 bis 62) konkrete Angaben über die Umfangsgeschwindigkeit der Schraubenwindungen, also mindestens 70 m/min bevorzugt mindestens 100 m/min, so daß ohne weiteres auf die bestimmungsgemäße Gehäusegeschwindigkeit geschlossen werden kann.
Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich daher insgesamt, daß der erteilte Anspruch 1 auch bezüglich des Merkmals der "Differenzgeschwindigkeit" eine klare, technische Lehre vermittelt, auch wenn quantitative Angaben im unabhängigen Anspruch fehlen.
5.6.2. Das im erteilten Anspruch 1 definierte Gerät hat folgende besondere Wirkungen:
Im Verhältnis zum Federdurchmesser liegt ein kleiner Klemmweg der Windungen vor, da sich die Windungen nach dem Zusammenpressen sofort wieder voneinander entfernen, und zwar keilförmig.
Bedingt durch die hohe Federrotation treten Trägheitswirkungen der zu enthaarenden Haut auf, so daß die Haare sicher auszureißen sind, bzw. tritt eine Selbststabilisierung der Feder durch Kreiselmomente der Windungen auf, die die Feder quasi starr machen, so daß bei deren Rotation das erfaßte Haar sicher ausgerissen wird. Die hohe Federrotation führt somit nicht nur zu einem schnelleren Haarausreißen, sondern hat auch einen anderen Ausreißvorgang zur Folge, da sowohl die Haut als auch die Feder durch Trägheitskräfte ausgesteift sind. Diese Aussteifung der Feder erlaubt es grundsätzlich ohne innere Abstützung (Draht) zu arbeiten; nur wenn komplizierte Schlingungen der Feder gefordert werden, muß ggf. ein Stützdraht vorgesehen werden. Mit der Optimierung des Haarausreißvorgangs ist eine wirkungsvolle Flächenbearbeitung möglich, weil die Feder lediglich drehangetrieben ist, was erkennbar mit einfachen Mitteln sehr wirkungsvoll ausführbar ist.
6. Abgesehen von der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung (vgl. vorstehende Ausführungen unter Abschnitt 4.) ist die Frage der Neuheit nicht strittig zwischen den Parteien, so daß sich ein detailliertes Eingehen auf diese Frage erübrigt. Mit Blick auf das Dokument (D1) ergibt sich die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 schon aus der (oben in den Abschnitten 5.2.1 und 5.2.2) durchgeführten Aufteilung in bekannte und überschießende Merkmale.
7. Hinsichtlich der entscheidenden Frage der erfinderischen Tätigkeit kommt die Kammer zu folgendem Ergebnis:
7.1. Wie schon in der die mündliche Verhandlung vorbereitenden Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK der Kammer ausgeführt wurde, ist diese Frage mit Blick auf die Dokumente (D1), (D2), (D7) und (D10) zu beantworten, weil die Dokumente (D3), (D4), (D5), (D6) und (D11) so weit vom Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 abliegen, daß sie keinen Einfluß auf die Frage des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens der beanspruchten Aufgabenlösung haben können.
7.2. Zunächst sind die vier relevanten Druckschriften einzeln daraufhin zu untersuchen, ob sie dem Fachmann einen verwertbaren Hinweis auf den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 geben können oder nicht.
7.2.1. Dokument (D1) hat nicht nur eine Feder zum Inhalt, sondern zwei, und zwar in gerader Erstreckung. Damit ist klar, daß der Mechanismus zum Spreizen und Schließen der Federwindungen grundlegend anderer Art sein muß, als jener der im erteilten Anspruch 1 definiert ist. Dokument (D1) zeigt deutlich auf, wie hoch der Antriebsaufwand bei Vorsehen einer geraden Feder als Ausreißwerkzeug ist, wobei auffällt, daß die Federn von Stangen "24, 26" durchdrungen sein müssen, um die Windungen spreizen und schließen zu können. Die Arbeitsweise des Gegenstands des Dokuments (D1) mag insgesamt kontinuierlich sein, aber bezüglich des Spreizens/Schließens der Windungen liegt ein intermittierender Vorgang vor, der auch Übergangsbereiche umfaßt (vgl. Fig. 4/5 des Dokuments (D1)). Einer deutlichen Leistungssteigerung des Geräts bzw. einer Vereinfachung desselben in antriebstechnischer Hinsicht steht somit der Spreiz-Schließvorgang der Federwindungen im Wege und darüber hinaus die Notwendigkeit zusätzlich zu den Federwindungen auch noch die Führungsstangen "24, 26" zyklisch bewegen zu müssen. Der Gegenstand gemäß Dokument (D1) ist somit nicht besonders geeignet für eine Flächenbearbeitung, so daß sie den Fachmann nicht auf das im erteilten Anspruch 1 definierte Gerät hinlenken kann.
7.2.2. Ein grundlegend anderes Gerät zum Ausreißen von Haaren ist Dokument (D2) entnehmbar, da es sich hierbei um ein handbetriebenes Gerät handelt, welches eine zwangsgeführte, gebogene Schraubenfeder als Ausreißwerkzeug aufweist, die durch Abrollen auf der Haut angetrieben ist. Dieses Gerät liegt somit schon von dem im Streitpatent beanspruchten Gerät weiter ab, weil es weder die Rahmenaufgabe noch die engere Aufgabe (vgl. oben Abschnitt 5.4) anspricht. Beim Gegenstand gemäß Dokument (D2) kann in baulicher Hinsicht nichts mehr vereinfacht werden, weil das Gerät im Grunde nur zwei Bauteile hat, nämlich einen Führungsbügel und eine Schraubenfeder; darüber hinaus kann eine Leistungssteigerung des Geräts nur über die Bedienungsperson selbst erreicht werden, indem diese das Handgerät schneller bewegt. Auch wenn auf S. 2, Z. 34 bis 36 von Dokument (D2) ausgesagt ist, daß das Ausziehen der Haare durch die Vorwärtsbewegung des Apparates erfolgt, ergibt sich für den Fachmann, daß der Ausziehvorgang der Haare zumindest unter Mitwirkung der rotierenden Feder erfolgen muß. Mit den Augen des Fachmanns gesehen, sind die dem Gegenstand des Dokuments (D2) inhärenten Grenzen offensichtlich, nämlich die geringe Eignung dieses Apparates für die Flächenepilation.
Vor der zu lösenden Aufgabe stehend, ist nicht erkennbar, wie der Fachmann vom Gegenstand des Dokuments (D2) zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen sollte, weil deren Arbeitsprinzipien grundlegend verschieden sind, nämlich Abrollbewegung der Feder einerseits und Realisierung einer erheblichen Differenzgeschwindigkeit Feder zum Gehäuse andererseits.
7.2.3. Der Gegenstand des Dokuments (D7) liegt vom beanspruchten Gebiet schon weiter weg, da bei Interpretation des erteilten Anspruchs 1 im Lichte der Beschreibung (Artikel 69 EPÜ) das beanspruchte Gerät ausschließlich für kosmetische Zwecke konzipiert ist (vgl. Sp. 1, Z. 4 bis 6 und Z. 9 bis 12 des Streitpatents). Ansonsten hat das aus Dokument (D7) bekannte Gerät zum Ausrupfen von Federn von Geflügel viele Gemeinsamkeiten mit dem Wirkprinzip des Gerätes gemäß Dokument (D1), da auch dort ein Antrieb (Schablonen und Abtastrollen) der Federwindungen gegeben ist, der ein zyklisches Stauchen und Spreizen der Federwindungen ergibt, so daß im Grunde genommen eine gerade Federanordnung vorliegt. Die Bogenform der Federwindungen ist somit nur temporär und für den im Streitpatent geforderten Zweck der Feder eher nachteilig, weil sich die Feder damit vom Schutzgitter "3" wegbewegt, mit der Folge, daß die erfaßbaren Haare länger sein müssen. Dieser Umstand und die Tatsache, daß die Schraubenwindungen im zusammengepreßten Zustand immer noch einen Spalt aufweisen, macht das Gerät gemäß Dokument (D7), welches stationär angeordnet ist, nicht zum nacharbeitbaren Vorbild für die Schaffung des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1. Dies auch deshalb, weil wiederum die Feder von einem Bauteil, nämlich der Welle "2" durchdrungen ist, um die Zwangsbetätigung der Feder auszuführen. Darüber hinaus ist es unbeachtlich, wenn in Dokument (D7) von einer bestimmten Drehzahl die Rede ist, weil eine Differenzgeschwindigkeit im Falle eines stationären Gerätes sinnvollerweise nicht definierbar ist und auch deshalb Verhältnisse vorliegen, die für den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht gelten.
7.2.4. Am Gerät gemäß Dokument (D10) fällt auf, daß wiederum eine zentrale Antriebswelle "5" vorliegt, die Taumelscheiben "7, 7" trägt und antreibt. Erkennbar weisen die Berührungspunkte dieser Scheiben - nur in diesen Bereichen wäre ein Erfassen und Ausreißen von Haaren möglich - einen erheblichen seitlichen Abstand auf, so daß schon von daher die Eignung für eine leistungsstarke Flächenepilation nicht gegeben ist. Das aus Dokument (D10) bekannte Gerät mag für den bestimmungsgemäßen Zweck des Ausreißens von Geflügelfedern brauchbar sein, aber es ist nicht ersichtlich wie der Gegenstand gemäß Dokument (D10) den Fachmann auf den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 hinlenken sollte, der ja gerade ohne Spreizscheiben, zentrale Antriebswelle usw. auskommt.
7.2.5. Wie vorstehend aufgezeigt wurde, kann dem Stand der Technik gemäß den Dokumenten (D1), (D2), (D7) und (D10), sofern dieser einzeln betrachtet wird, kein Hinweis im Sinne eines Nahelegens der Gerätekonzeption gemäß erteiltem Anspruch 1 entnommen werden.
7.3. Es ist nun noch auf die Zusammenschau der vier relevanten Druckschriften einzugehen und zu untersuchen, ob sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 hieraus in naheliegender Weise ergibt oder nicht.
7.3.1. Zunächst weisen die Antriebe der Ausrupfwerkzeuge aller vier Entgegenhaltungen eine Gemeinsamkeit auf, die beim Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht gegeben ist und aufgrund von dessen Antriebskonzept auch nicht nötig ist, nämlich daß die Ausrupfwerkzeuge jeweils von Antriebselementen durchdrungen werden (vgl. in Dokument (D1) Bezugszeichen "24, 26" bzw. in Dokument (D2) Bezugszeichen "A" bzw. in Dokument (D7) Bezugszeichen "2" und in Dokument (D10) Bezugszeichen "5"). Der Antrieb der Schraubenfeder(n) bzw. Taumelscheiben der vorgenannten Entgegenhaltungen erfolgt damit quasi "von innen her". Es liegt auf der Hand, daß ein solches Antriebskonzept für eine gebogene Schraubenfeder, wie sie im erteilten Anspruch 1 vorgeschrieben ist, nicht ausführbar ist, wobei zu bemerken ist, daß der Gegenstand gemäß Dokument (D2) ohnehin schon deshalb weit hinter dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 bzw. hinter denjenigen der Dokumente (D1), (D7) und (D10) zurückbleibt, weil dort der Antrieb nicht motorischer Art ist, sondern aus der Abrollbewegung des Werkzeuges resultiert.
Die vorgenannten Überlegungen zum Antrieb der in den Dokumenten (D1), (D2), (D7) und (D10) offenbarten Geräte zeigen bereits auf, daß auch die Zusammenschau dieser Geräte nicht auf das Gerät gemäß erteiltem Anspruch 1 hinführen kann, weil auch dann kein Werkzeugantrieb zu erhalten wäre, bei dem das Werkzeug frei von einer Antriebswelle bzw. einem Tragelement im Sinne des Dokuments (D2) wäre. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen, die auf das Naheliegen des Gegenstandes gemäß erteiltem Anspruch 1 im Lichte von paarweisen Kombinationen der Gegenstände gemäß den Dokumenten (D1), (D2), (D7) und (D10) zielen, sind somit rückschauender Art.
7.3.2. Die Beschwerdegegnerinnen haben argumentiert, daß die Lehre des Dokuments (D2) auf den Gegenstand des Dokuments (D1) übertragbar sei. Die Kammer vermag dieser Ansicht nicht zu folgen. Zunächst ist zu bezweifeln, ob der Fachmann die Kombination der Gegenstände der Dokumente (D1) und (D2) überhaupt in Betracht ziehen würde, da das Gerät gemäß Dokument (D2) mit Sicherheit nicht besonders geeignet ist für einen Flächenbetrieb und ohnehin aus der Sicht des Antriebsprinzips (reines Abrollen der Feder auf der Haut) ein Handgerät ist. Aber selbst wenn Dokument (D2) zusammen mit Dokument (D1) gesehen wird, ergibt sich, daß das Gerät gemäß Dokument (D1) keine gebogene Feder zuläßt, weil die Antriebsstangen "24, 26" gemäß Dokument (D1) ansonsten nicht mehr funktionieren könnten.
Es müßte schon eine vollständige Neukonstruktion bzw. - konzeption des Geräts erfolgen, wenn die divergenten Arbeitsprinzipien gemäß Dokument (D1) - axial bewegte Antriebsstangen schließen und öffnen eine lineare Schraubenfeder - und Dokument (D2) - eine gebogene Schraubenfeder erhält die Spreiz- und Schließbewegung ihrer Windungen aus einer Abrollbewegung der Feder auf der Haut - in einem Gerät vereinigt werden sollten.
Die Lehren der Dokumente (D1) und (D2) lassen bei objektiver Betrachtung ihrer für den Fachmann entnehmbaren Lehren nicht den Schluß zu, den die Beschwerdegegnerin II anhand einer Merkmalsgegenüberstellung vorgetragen hat, nämlich daß lediglich das aus Dokument (D1) bekannte Getriebe zum Spreizen/Schließen der Feder und die Kupplung zum Anhalten der Feder wegzulassen sind - was Inhalt des Dokuments (D2) sei - um den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 zu erhalten, wobei unterstellt wurde, daß eine gebogene Feder in gleicher Weise antreibbar sei wie eine gerade Feder.
Zurückzuweisen ist auch das weitere Argument, daß die Feder gemäß Dokument (D2) nur mit einem billigen, auf dem Markt befindlichen Motor hoher Drehzahl zu versehen sei, um in Kombination mit dem Gegenstand gemäß Dokument (D1) den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 zu erhalten, weil weder Dokument (D2) noch Dokument (D1) den objektiven Leser zu einer solchen Überlegung anregen. Überzeugender scheint in diesem Zusammenhang die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach eine gebogene, unabgestützte Schraubenfeder, der lediglich eine Drehbewegung kontinuierlicher Art mitgeteilt wird, ein Epiliergerät mit sprunghafter Verbesserung gegenüber dem aus Dokument (D1) bekannten Gerät erzielen läßt, welches in hohem Maße den Antrieb vereinfacht und die Forderung der Leistungssteigerung (objektiv verbleibende Aufgabe) erfüllt. Mit Blick auf Dokument (D2) ist damit nicht einmal ein Kontakt der Feder zur Haut notwendig und dennoch funktioniert das Gerät gemäß erteiltem Anspruch 1 (Staubsaugerprinzip).
7.3.3. Wie die (oben in Abschnitt 7.2.3 vorgenommene) Einzelabhandlung des Dokuments (D7) schon erkennen läßt, wird dort eine an sich lineare Feder zyklisch geschlossen bzw. geöffnet, so daß diese Konstruktion weitgehend als äquivalent zur Lehre gemäß Dokument (D1) anzusehen ist. Die Überlegungen zur Kombinierbarkeit des Gegenstands dieses Dokuments mit dem Gegenstand des Dokuments (D1) wurden seitens der Beschwerdegegnerin II vor allem mit der in Dokument (D7) angegebenen Drehzahl der Feder von 1000 U/min begründet, woraus sich durch Rückgriff auf die Zeichung eine Umfangsgeschwindigkeit der Feder von 100 bis 150 m/min errechnen lasse. Dieses vermeintliche Kombinationsmerkmal des Dokuments (D7) ist aber nach Auffassung der Kammer völlig unbeachtlich mit Blick auf den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, weil in letzterem keine Umfangsgeschwindigkeit der Feder per se beansprucht wird, sondern eine Differenzgeschwindigkeit zwischen dieser und einer Gerätegeschwindigkeit. Es muß weiterhin bezweifelt werden, ob der Fachmann, der ein Handgerät zum Epilieren verbessern soll, ein stationäres Gerät wie es in Dokument (D7) beschrieben ist, überhaupt einer näheren Prüfung unterziehen würde. Das Vorhandensein eines Schutzgitters wird ihn aber sicherlich davon abhalten, aus Dokument (D7) wesentliche Anleihen für ein Epiliergerät zu entnehmen, da mit dem Schutzgitter gemäß Dokument (D7) jede Möglichkeit der Entfernung kurzer Haare von vornherein verbaut ist. Garade darauf kommt es aber bei kosmetischen Geräten zum Haarentfernen entscheidend an.
7.3.4. Es verbleibt ein Eingehen auf die mögliche Ausstrahlung der in Dokument (D10) enthaltenen Lehre auf die Lehre anderer Entgegenhaltungen. Unter Abschnitt 7.2.4 wurde schon auf die Antriebskonzeption gemäß Dokument (D10) näher eingegangen. In diesem Zusammenhang wurde auch schon herausgestellt, daß die Werkzeuge gemäß Dokument (D10) zur Flächenbearbeitung ungeeignet sind. Dies läßt den Schluß zu, daß paarweise angeordnete Taumelscheiben eben kein Ersatz für engbenachbarte Windungen einer Schraubenfeder sind, die allein durch die Schaffung einer Bogenform und bei Drehantrieb der Feder ein zyklisches Öffnen/Schließen ergeben. Im übrigen ist weder seitens der Beschwerdegegnerinnen in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt worden noch ist es sonstwie erkennbar, wie rotierende Taumelscheiben in Gerätekonzeptionen gemäß Dokument den (D1), (D2) und (D7) hätten integriert werden können, um zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 zu gelangen.
7.3.5. Es könnten zwar grundsätzlich auch noch andere Kombinationen der Gegenstände der Dokumente (D1), (D2), (D7) und (D10) als die vorstehend untersuchten angestellt werden, aber hierzu hatte der Fachmann keinerlei Veranlassung, da z. B. die Kombination der Gegenstände der Dokumente (D7) und (D10) allenfalls auf ein Gerät zum verbesserten Ausreißen von Geflügelfedern, nie aber auf ein wirksames Epiliergerät hinauslaufen würde. Diese theoretisch denkbaren Kombinationen sind schon so weit von der Rahmenaufgabe und von der objektiv verbleibenden technischen Aufgabe weg, daß, wenn überhaupt, höchstens bei rückschauender Betrachtungsweise eine entfernte Wahrscheinlichkeit für sie spricht.
7.4. Die Kammer kommt damit zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht, so daß dieser Anspruch Rechtsbestand haben kann. Gleiches gilt für die erteilten abhängigen Ansprüche.
8. Bei dieser Sachlage war, wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verkündet, dem Hauptantrag, d. h. Aufrechterhaltung des Streitpatents in erteilter Fassung, stattzugeben und demzufolge auf die Hilfsanträge I und II nicht mehr weiter einzugehen.
Die Kammer ist sich bewußt, daß die Beschreibung des Streitpatents Mängel aufweist. Da aber dem Streitpatent Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 EPÜ, wie vorstehend ausgeführt (vgl. oben Abschnitt 2.3), nicht entgegen- stehen, bestand keine Möglichkeit bzw. Veranlassung auf die Beseitigung dieser Mängel hinzuwirken.
9. Die Parteien haben im mündlichen, aber vor allem im schriftlichen Vorbringen den Hilfserwägungen wie Markterfolg des beanspruchten Geräts, Überwindung eines Vorurteils, Alter der Entgegenhaltungen, Werbeaufwand und Schaffung eines neuen Marktsegments bzw. Befriedigung eines lange bestehenden Bedürfnisses, sowie dem Auftreten von Nachbauten und Verletzungsformen breiten Raum gegeben. Hierzu ist festzustellen, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch ohne Berücksichtigung dieser Hilfserwägungen bereits auf einer patentbegründenden erfinderischen Leistung beruht, so daß er zu seinem Rechtsbestand nicht auf sekundäre Beweisanzeichen für das Bejahen eines erfinderischen Schrittes angewiesen ist.
Völlig neben der Sache liegt ferner der Hinweis der Beschwerdegegnerinnen auf die Erfinderidentität beim Streitpatent und bei Dokument (D1), weil diesem Aspekt im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ keinerlei Bedeutung zukommt.
10. Die Beschwerdegegnerin I hat einen Kostenantrag gestellt und diesen mit dem Hinweis auf eine schwache Kapitaldecke begründet. Die Beschwerdeführerin sieht eine Kostenübernahme als unbillig an, weil der vorgebrachte Grund nicht stichhaltig sei.
Wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer schon angedeutet, kann die Kammer kein unbilliges Handeln seitens der Beschwerdeführerin erkennen. Ein solches wäre aber nach Artikel 104 (1) i. V. mit Regel 66 (1) EPÜ Voraussetzung für eine Abweichung von dem Prinzip, daß jeder am Einspruchs-/ Beschwerdeverfahren Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.
Nach anerkannter Praxis entspricht es der Billigkeit, eine Entscheidung über die Verteilung der Kosten dann zu treffen, wenn die Kosten ganz oder teilweise durch ein Verhalten eines Beteiligten verursacht werden, das mit der bei der Wahnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang steht, also wenn beispielsweise die Kosten schuldhaft durch leichtfertiges oder gar böswilliges Handeln verursacht werden. Zwar kann jeder sein Recht bzw. seine Interessen (z. B. der Patentinhaber sein Patent) mit allen im Rahmen des Einspruchsbeschwerdeverfahrens gesetzlich zulässigen Mitteln verteidigen, also z. B. mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen beantragen. Nicht zulässig ist jedoch ein Mißbrauch dieser Mittel.
Ein Mißbrauch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte ist der Beschwerdeführerin weder vorgeworfen worden, noch ist ein solcher seitens der Kammer erkennbar. Da die Begründung der Beschwerdegegnerin I zur Kostenauferlegung nicht stichhaltig ist und da die Sache selbst keinen Anhaltspunkt für die Billigkeit einer Kostenauferlegung gibt, ist der diesbezügliche Antrag der Beschwerdeführerin I zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent wird in erteilter Fassung aufrechterhalten.
3. Der Antrag auf Kostenverteilung wird zurückgewiesen.