T 1050/92 20-11-1995
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Zahnärztliche Absaugeinrichtung
Neuheit - nach Änderung (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja)
Prioritätsrecht (ja)
Novelty - yes (after amendment)
Inventive step - yes (after amendment)
Priority - yes
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 12. November 1992, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 237 708 zurückgewiesen worden ist.
Mit dem auf Artikel 100 a) EPÜ gestützten Einspruch war das die Priorität der deutschen Patentanmeldung Nr. 3 601 254 vom 17. Januar 1986 beanspruchende Patent im Umfang der Ansprüche 1 bis 13 angegriffen worden. Die Argumente stützten sich auf die Druckschriften
(E1) DE-A-3 521 929,
(E2) WO-A-86/03669 und
(E3) DE-A-1 766 315.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.
II. Am 20. November 1995 fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt, zu der, wie vorher angekündigt, die Beschwerdeführer (Einsprechenden) nicht erschienen. Während der Verhandlung reichte der Beschwerdegegner (Patentinhaber) einen neuen Anspruch 1 ein.
III. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Zahnärztliche Absaugeinrichtung, mit einer ein umlaufendes Pumpelement aufweisenden Unterdruckpumpe (32), mit einem auf die Pumpenwelle arbeitenden Antriebsmotor (30), mit einer der Einlaßöffnung der Unterdruckpumpe vorgeschalteten Einrichtung (34) zum Abtrennen von Flüssigkeit aus dem der Absaugeinrichtung zugeführten Luft/Flüssigkeitsgemisch, wobei die Einlaßöffnung der Unterdruckpumpe (32) mit der Luftauslaßöffnung der Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung (34) verbunden ist, und mit einer, ein in einem Austragpumpengehäuse (70) umlaufendes Pumpenlaufrad (68; 104, 106) aufweisenden Austragpumpe (36) für die abgetrennte Flüssigkeit, dadurch gekennzeichnet, daß ein Abschnitt der Antriebswelle (66) das Pumpenlaufrad (68; 104, 106) der Austragpumpe (36) trägt; und daß die Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung (34), die Unterdruckpumpe (32) und die Austragpumpe (36) zu einer Einheit zusammengefaßt sind."
Dieser Anspruch unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Einfügung des Nebensatzes "wobei die Einlaßöffnung der Unterdruckpumpe (32) mit der Luftauslaßöffnung der Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung (34) verbunden ist".
IV. Die Beschwerdeführer beantragten schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents im Umfang der Ansprüche 1 bis 13.
V. Der Beschwerdegegner beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1 sowie der Beschreibung, der Ansprüche 2 bis 16. und der Figuren des erteilten Patents aufrechtzuerhalten.
VI. Die zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beschwerdeführer haben schriftlich im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:
Der Prioritätsanspruch sei für den Anspruch 1 unwirksam. Die deutsche Prioritätsanmeldung Nr. 3 601 254 offenbare nämlich für die Abtrennung der Flüssigkeit aus dem Luft/Flüssigkeits-Gemisch ausschließlich einen Zyklon, nicht aber allgemein eine Luft/Flüssigkeits- Trenneinrichtung. Daher stelle die im Prioritätsintervall des Streitpatents veröffentlichte Druckschrift E2 einen auch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehenden Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ dar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents sei gegenüber dem aus der Druckschrift E2 bekannten Stand der Technik nicht neu. Die in dieser Druckschrift offenbarte Hilfspumpe (47) entspreche der im Anspruch 1 des Streitpatents genannten Unterdruckpumpe.
Ferner beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn der aus den Druckschriften E1 und E3 bekannte Stand der Technik lege die kompakte Bauweise der beanspruchten Absaugeinrichtung nahe.
VII. Der Beschwerdegegner hat ausgeführt, daß es in der Prioritätsanmeldung eine ausreichende Basis für den Ersatz des Merkmals Flüssigkeitsabscheidzyklon durch das im geltenden Anspruch 1 enthaltene Merkmal Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung gebe. Die Priorität sei somit zu Recht in Anspruch genommen.
Außerdem seien Neuheit und erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Absaugeinrichtung gegeben. Für den nicht im Erfindungsbesitz befindlichen Fachmann bestehe keine Veranlassung, die Lehren der Druckschriften E1 und E3 zu kombinieren.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 sind in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart. Dies gilt im Hinblick auf Seite 7, Zeilen 12 bis 14 der ursprünglichen Beschreibung auch für das nunmehr in den Anspruch 1 aufgenommene, die Verbindung der Unterdruckpumpe mit der Luftauslaßöffnung der Trenneinrichtung betreffende Merkmal. Ferner ist durch dieses Merkmal der Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 beschränkt worden. Nachdem auch die Beschreibung und die Figuren nicht unzulässig geändert worden sind, verstoßen somit die geltenden Unterlagen nicht gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
3. Priorität
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kann dem Gegenstand der Ansprüche 1 bis 13 die Priorität der deutschen Patentanmeldung Nr. 3 601 254 vom 17. Januar 1986 zugestanden werden. Das Prioritätsdokument offenbart nämlich auf Seite 7, Zeile 26 bis Seite 8, Zeile 17, daß das Abtrennen der Flüssigkeit aus dem der Absaugeinrichtung zugeführten Luft/Flüssigkeits-Gemisch nicht nur während des Durchlaufens des Zyklons (34) auf einer wendelförmigen Bahn erfolgt, sondern auch während des Durchquerens des Propellers (84). Daher ist es gerechtfertigt, ohne Verlust des Prioritätsrechts den in der Prioritätsanmeldung verwendeten Begriff des Flüssigkeitsabscheidezyklons durch den im geltenden Anspruch 1 enthaltenen allgemeineren Begriff der Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung zu ersetzen.
Die Druckschrift E2 mit dem Anmeldedatum 16. Dezember 1985 und dem Veröffentlichungsdatum 3. Juli 1986 stellt somit für die Ansprüche 1 bis 13 lediglich einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) und (4) EPÜ dar.
Daß dem Gegenstand der Ansprüche 14 bis 16 die beanspruchte Priorität nicht zugestanden werden kann, ist im vorliegenden Fall belanglos, da gegen das erteilte Patent lediglich im Umfang der Ansprüche 1 bis 13 eingesprochen worden ist und die Gültigkeit der abhängigen Ansprüche 14 bis 16 prima facie nicht in Frage gestellt werden kann.
4. Neuheit
Nachdem in den Anspruch 1 das die Verbindung der Unterdruckpumpe mit der Luftauslaßöffnung der Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung betreffende Merkmal aufgenommen worden ist, ist ohne weiteres erkennbar, daß weder die Vorrichtung gemäß Druckschrift E2 noch die aus den Druckschriften E1 und E3 bekannten Vorrichtungen dem Gegenstand des Anspruchs 1 die Neuheit nehmen. Während gemäß Anspruch 1 das umlaufende Pumpelement der mit der Luftaustrittsöffnung der Trenneinrichtung verbundenen Unterdruckpumpe und das Pumpenlaufrad der Austragpumpe auf der Antriebswelle eines gemeinsamen Antriebsmotors sitzen, befindet sich nämlich bei den aus den Druckschriften E1 und E2 bekannten Vorrichtungen die mit dem Luftauslaß der Trenneinrichtung verbundene Unterdruckpumpe (in E1 Saugmotor oder Unterdruckquelle und in E2 Saugpumpe genannt) außerhalb der die Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung enthaltenden Einheit und weist einen vom Antrieb der Austragpumpe getrennten eigenen Antrieb auf. Diesbezüglich wird insbesondere auf Anspruch 1, Seite 6, letzter Absatz, Seite 10, erster Absatz und Figuren 1 und 4, Bezugsziffern 19 und 52 der Druckschrift E1 sowie auf Seite 10, letzter Absatz und Figuren 1 bis 3, Bezugsziffern 42 und 8 der Druckschrift E2 hingewiesen. Die aus der Druckschrift E3 bekannte Absaugeinrichtung besitzt keine Austragpumpe.
Da auch die zur Abgrenzung des Anspruchs 1 herangezogene Druckschrift EP-A-0 102 000 einen gemeinsamen Antrieb der Unterdruckpumpe und der Austragpumpe durch die Antriebswelle eines Antriebsmotors nicht offenbart, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften neu.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Die Druckschrift E2 kann nach Artikel 56, Satz 2 EPÜ bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 nicht in Betracht gezogen werden, da sie, wie vorstehend unter Punkt 3 dargelegt, einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ bildet.
5.2. Von den im Verfahren befindlichen, den Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ darstellenden Druckschriften kommt die Druckschrift EP-A-0 102 000 dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten. Aus ihr (s. insbesondere die Ansprüche 1 und 5 und die Figur, Bezugsziffern 1, 2, 9, 4, 8 und 17) ist eine zahnärztliche Absaugeinrichtung bekannt, die sämtliche im Oberbegriff des Anspruchs 1 aufgeführten Merkmale aufweist.
5.3. Ausgehend von dem vorstehend genannten Stand der Technik ist die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin zu sehen, bei einer gattungsgemäßen zahnärztlichen Absaugeinrichtung eine kompakte Bauweise zu erzielen.
Diese Aufgabe wird bei der Absaugeinrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
5.4. Die erfindungsgemäße Lösung umfaßt u. a. das Merkmal, daß die Antriebswelle des auf die Welle der Unterdruckpumpe arbeitenden Antriebsmotors das Pumpenlaufrad der Austragpumpe trägt. Der Antriebsmotor dreht somit das Pumpelement der Unterdruckpumpe und das Pumpenlaufrad der Austragpumpe gemeinsam, da diese Teile auf der Welle des Antriebsmotors sitzen (s. Spalte 5, Zeilen 17 bis 20 des Streitpatents).
Dieser gemeinsame Antrieb der mit der Luftaustrittsöffnung der Trenneinrichtung verbundenen Unterdruckpumpe und der Austragpumpe durch die Antriebswelle eines Antriebsmotors wird weder durch die Druckschrift EP-A-0 102 000 noch durch die Druckschriften E1 und E3 nahegelegt. Aus der erstgenannten Druckschrift (s. insbesondere Seite 5, Zeilen 18 bis 23) geht nämlich hervor, daß die der Unterdruckpumpe entsprechende Saugpumpe (1) und die der Austragpumpe entsprechende Kreiselpumpe (17) jeweils einen separaten Antrieb aufweisen. Auch nach der Druckschrift E1 (s. insbesondere Seite 10, Zeilen 4 bis 10) sind der Antrieb der Unterdruckpumpe (in E1 Saugmotor oder Unterdruckquelle genannt) und die Antriebseinrichtung (10) der Zentrifuge (31, 32), die nach Seite 11, drittletzte Zeile bis Seite 12, Zeile 4 auch die Funktion einer Austragpumpe ausübt, voneinander getrennt. Eine Anregung dahingehend, die Unterdruckpumpe und die Austragpumpe gemeinsam durch die Antriebswelle eines Antriebsmotors anzutreiben und das Pumpenlaufrad der Austragpumpe auf einem Abschnitt der Antriebswelle der Unterdruckpumpe vorzusehen, ist diesen beiden Druckschriften nicht zu entnehmen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer gibt auch die Druckschrift E3 dem Fachmann diesbezüglich keinen Hinweis. Aus dieser Druckschrift geht nur hervor, daß auf einer Luft/Flüssigkeits-Trenneinrichtung ein Saugaggregat (11) mit Elektromotor angeordnet ist. Eine Anregung, den für den Antrieb eines Aggregates vorgesehenen Motor nicht nur zum Antrieb dieses Aggregates, sondern gleichzeitig für den Antrieb eines zweiten Aggregates zu verwenden, um so zu einem kompakten Aufbau einer zahnärztlichen Absaugeinrichtung zu gelangen, enthält diese Druckschrift jedoch nicht. So führt eine Kombination der Lehren der Druckschriften E1 und E3, für die im übrigen aufgrund der Offenbarung dieser Druckschriften keine Veranlassung besteht, nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Leistungen des die Unterdruckpumpe antreibenden Motors und des die Austragpumpe antreibenden Motors sehr unterschiedlich sind.
5.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 und der auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Da der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 13 auch den übrigen Erfordernissen des EPÜ genügt und die Gültigkeit der abhängigen Ansprüche 14 bis 16 prima facie nicht in Frage gestellt werden kann, ist das Patent in dem geänderten Umfang mit den Ansprüchen 1 bis 16 aufrechtzuerhalten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Anspruch 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, Ansprüche 2 bis 16, Beschreibung und Figuren der Patentschrift.