2.4.4 Ansprüche auf Computerprogramme
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Nachdem der Beitragsansatz aufgegeben wurde, haben sich die Beschwerdekammern in T 424/03 mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Anspruch auf ein Programm, das auf einem computerlesbaren Medium gespeichert ist, dem Patentierungsausschluss entgeht. In T 424/03 wurde die Begründung aus T 258/03 schließlich dahin gehend ausgeweitet, dass ein Anspruch für ein Programm (im betreffenden Anspruch "durch Computer ausführbare Anweisungen") auf einem computerlesbaren Medium ebenfalls zwingend dem Patentierungsverbot des Art. 52 (2) EPÜ entgeht (s. G 3/08 date: 2010-05-12, ABl. 2011, 10; Nr. 10.7 der Gründe).
In T 424/03 vom 23.02.2006 ging es um eine Anmeldung, in der ein Verfahren zur Bereitstellung erweiterter Zwischenablage-Datenformate für den Austausch von Daten zwischen Programmen offenbart wurde. Die Zwischenablage (Clipboard) ist ein Speicherbereich, der bei den üblichen Computerbefehlen "Ausschneiden", "Kopieren" und "Einfügen" verwendet wird. Anspruch 1 bezog sich auf ein in einem Computersystem implementiertes Verfahren. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Computersystem mit Speicher (Clipboard) ein technisches Mittel, und das beanspruchte Verfahren weist daher technischen Charakter auf. Ferner betonte die Kammer, dass ein in einem Computersystem implementiertes Verfahren eine Schrittfolge darstellt, die tatsächlich ausgeführt wird und eine Wirkung erzielt, und nicht eine Abfolge von per Computer ausführbaren Anweisungen (d. h. ein Computerprogramm), die nur das Potenzial zur Erzielung einer solchen Wirkung haben, wenn sie auf einen Computer geladen oder darauf ausgeführt werden. Die Kammer war daher der Ansicht, dass die Anspruchskategorie für ein computerimplementiertes Verfahren eine andere ist als für ein Computerprogramm. Zwar mag ein Verfahren, insbesondere ein Verfahren für den Betrieb eines Computers, mithilfe eines Computerprogramms ausgeführt werden, ein auf ein solches Verfahren gerichteter Anspruch beansprucht aber dennoch kein Computerprogramm in der Kategorie für Computerprogramme. In diesem Fall konnte sich Anspruch 1 daher nicht auf ein Computerprogramm als solches beziehen.
Außerdem tragen die beanspruchten Verfahrensschritte nach Ansicht der Kammer zum technischen Charakter der Erfindung bei. Sie lösen eine technische Aufgabe mit technischen Mitteln, indem funktionelle Datenstrukturen (Clipboard-Formate) unabhängig vom kognitiven Inhalt verwendet werden (s. T 1194/97, ABl. 2000, 525), um den internen Betrieb eines Computersystems im Hinblick auf den Datenaustausch zwischen verschiedenen Anwendungsprogrammen zu verbessern. Die beanspruchten Schritte statten also einen Universalrechner mit einer weiteren Funktionalität aus: Der Computer unterstützt den Benutzer beim Übertragen dateiexterner Daten in Dateien.
Im selben Fall war Anspruch 5 auf ein computerlesbares Medium mit per Computer ausführbaren Anweisungen (d. h. ein Computerprogramm) gerichtet, die das Computersystem zur Ausführung des beanspruchten Verfahrens veranlassen. Die Kammer befand, dass der Gegenstand von Anspruch 5 technischen Charakter habe, weil er sich auf ein computerlesbares Medium, d. h. auf ein technisches Erzeugnis mit einem Datenträger beziehe (vgl. T 258/03, ABl. 2004, 575). Außerdem hätten die per Computer ausführbaren Anweisungen das Potenzial, die oben genannte weitere technische Wirkung, nämlich einen verbesserten internen Betrieb des Computers, zu erzielen, die über die normale Wechselwirkung zwischen Hardware und Software bei der Datenverarbeitung hinausgehe (T 1173/97, ABl. 1999, 609). Das auf dem Medium aufgezeichnete Computerprogramm sei also nicht als Computerprogramm als solches aufzufassen und trage überdies zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstands bei.