4.4.1 Begriff der "therapeutischen Behandlung"
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Die erste Definition wurde in T 144/83 (ABl. 1986, 301) gegeben. Danach hat eine therapeutische Behandlung die Behandlung einer Krankheit im Allgemeinen oder eine Heilbehandlung im engeren Sinne sowie eine Linderung der Schmerz- und Leidenssymptome zum Ziel.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine prophylaktische Behandlung, die darauf abzielt, die Gesundheit durch Abwenden sonst auftretender schädlicher Wirkungen zu erhalten, einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung im Sinne des Art. 53 c) EPÜ gleich; der Begriff "therapeutische Behandlung" beschränkt sich nicht allein auf die Wiederherstellung der Gesundheit durch Heilung einer bereits ausgebrochenen Krankheit (s. z. B. G 1/83, ABl. 1985, 60). Sowohl prophylaktische Behandlungen als auch Heilbehandlungen fallen unter den Begriff der "therapeutischen Behandlung", da sie beide demselben Zweck dienen, nämlich der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit (T 19/86, ABl. 1989, 24; T 290/86, ABl. 1992, 414; T 438/91, T 820/92, ABl. 1995, 113).
In T 2420/13 stellte die Kammer fest, dass eine "therapeutische Behandlung" eine Einwirkung auf den zu behandelnden Körper bzw. auf den zu behandelnden Teil des Körpers voraussetzt, die ursächlich für eine therapeutische Wirkung ist.
Eine Unterscheidung zwischen "Therapie" und "Leistungsförderung" wurde in T 774/89 getroffen. Demnach ist das Ziel einer Therapie immer die Rückkehr von einem pathologischen Zustand zum Normalzustand bzw. die Vorbeugung gegen einen pathologischen Zustand zu sehen. Eine nicht therapeutische Leistungsförderung ist dagegen ausgehend von einem zu definierenden Normalzustand zu betrachten (s. T 385/09).
Therapeutische Verfahren müssen von kosmetischen Verfahren unterschieden werden. In G 1/07 (ABl. 2011, 134) wies die Große Beschwerdekammer darauf hin, dass Art. 53 c) EPÜ ausdrücklich nur therapeutische Verfahren von der Patentierbarkeit ausschließt (nicht aber kosmetische Verfahren) und dass dieser Ausschluss nicht auf Behandlungsverfahren ausgeweitet werden kann, die ihrem Charakter nach nicht therapeutisch sind (s. auch T 1172/03 mit Bezugnahme auf T 144/83, ABl. 1986, 301).