4. Kriterien zur Beurteilung mangelnder Einheitlichkeit
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Wie aus der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern hervorgeht, ist eine Voraussetzung für die Beurteilung der Einheitlichkeit der Erfindung die Bestimmung der technischen Aufgabe bzw. der Aufgaben, die der jeweiligen Gruppe von Erfindungen zugrunde liegen (vgl. W 11/89, ABl. 1993, 225; W 6/97, T 188/04), d. h., ob der Gegenstand der Erfindung, der als Lösung einer solchen Aufgabe beansprucht wird, eine einzige allgemeine erfinderische Idee darstellt (s. W 6/91; s. auch T 2248/12 und T 129/14). Die Missachtung dieses Grundsatzes rechtfertige an sich bereits in ausreichendem Maße die Rückzahlung zusätzlicher Recherchengebühren. In W 8/94 stellte sich die Kammer auf den Standpunkt, dass es einer Erörterung der dem beanspruchten Gegenstand zugrunde liegenden Aufgabe bedürfe, weil nur dann festgestellt werden könne, ob es für verschiedene Ausführungsformen ein gemeinsames besonderes technisches Merkmal im Sinne der R. 13.1 und 13.2 PCT gebe (s. W 11/89, ABl. 1993, 225; W 14/89, W 59/90, W 14/91, W 17/91).
In W 6/97 befand die Kammer, dass bei der Bestimmung der technischen Aufgabe, die der beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen gegenüber dem Stand der Technik zugrunde liegt, i. d. R. von der erzielten Wirkung der Erfindung ausgegangen werden sollte, die aus der Beschreibung hervorgeht. Denn aus Ansprüchen, die sich auf Stoffverbindungen richten, ist normalerweise nicht ablesbar, welche technische Wirkung durch diese Verbindungen zu erzielen ist. Wird im Rahmen der Recherche ein Stand der Technik ermittelt, der eindeutig relevanter ist als der in der Beschreibung der internationalen Anmeldung aufgeführte, ist es erforderlich, festzulegen, was angesichts der Offenbarung der internationalen Anmeldung als Ganzes und angesichts des so ermittelten Stands der Technik als die betreffende technische Aufgabe zu betrachten ist (vgl. W 6/91). Die Beurteilung der Einheitlichkeit der Erfindung kann erst erfolgen, wenn die technische Aufgabe auf diesem Wege bestimmt wurde.
Wiederholt unterstrichen die Kammern, dass die mangelnde Klarheit eines Patentanspruchs nicht als Begründung für einen Einwand wegen Nichteinheitlichkeit der Erfindung herangezogen werden kann (vgl. W 31/88, ABl. 1990, 134; W 7/89, W 59/90, W 9/02). In W 21/04 verwies die Kammer auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach ein Merkmal eines unabhängigen Anspruchs, das nach Ansicht der IPEA den Erfordernissen des Art. 6 PCT nicht genügt, bei der Prüfung eines Einwands mangelnder Einheitlichkeit der Erfindung nicht außer Acht gelassen werden darf.
In W 17/03 setzte sich die Kammer bei der Prüfung der Einheitlichkeit mit der Frage des technischen Zusammenhangs auseinander. Die betreffende Entscheidung wird nachfolgend in diesem Kapitel II.B.4.2. erörtert.