2. Europäische Eignungsprüfung
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In D 2/95 wurde darauf hingewiesen, dass die Behauptung, dass der Beschwerdeführer aufgrund der einigen anderen Bewerbern erteilten Erlaubnis, normales Papier statt Durchschreibepapier zu verwenden, diskriminiert worden sei, keine Verletzung der Prüfungsbestimmungen darstellt. Es mag sein, dass einige Bewerber das Letztere als mühsamer empfinden, aber auch das Umgekehrte kann vorkommen. Auch andere Argumente in diesem Bereich, wie z. B. dass allzu kurze Zeit für die Aufgaben zur Verfügung stehe oder dass Bewerber benachteiligt seien, weil sie keine offizielle Sprache des EPÜ 1973 als Muttersprache hätten und somit mehr Zeit als andere Bewerber bräuchten, die Aufgaben fertigzustellen, sind nicht als Verletzung der anzuwendenden Bestimmungen anzusehen (D 11/00).
Allerdings wurde in D 1/94 (ABl. 1996, 468) festgestellt, dass ein Übersetzungsfehler eine Verletzung des Art. 11 (3) VEP 1991 (vgl. Art. 12 (3) VEP, R. 5 ABVEP) darstellen kann, da diese Vorschrift davon ausgeht, dass die Übersetzung aus der vom Bewerber gewählten Sprache in eine der Amtssprachen des EPA absolut richtig ist. Die Prüfungskommission muss deshalb in ihrer Entscheidung begründen, weshalb sie die Übersetzungsfehler nicht für schwerwiegend im obigen Sinne hielt.
In D 14/95 hatte sich der Beschwerdeführer auf die Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung berufen, weil er, der seine fachlichen Qualifikationen auf dem Gebiet der Biochemie erworben habe, in der Prüfungsarbeit C aus dem Gebiet des Maschinenbaus gegenüber einem Fachmann aus diesem Gebiet benachteiligt gewesen sei. Die Kammer war der Auffassung, dass schon deshalb kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt, da das Problem des "anderen" Fachgebietes alle, d. h. alle diejenigen, die nicht Fachleute auf einem bestimmten, zum Gegenstand der Prüfung gehörenden Gebiet sind, trifft. Es ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass das Prüfungsverfahren im Ergebnis zu einer gewissen "Ungleichheit" führt. Bei der Auswahl der technischen Fachgebiete muss sich die Prüfungskommission auf bestimmte festlegen, da nur eine begrenzte Zahl von Prüfungsarbeiten geschrieben werden. Immer wird es deshalb Kandidaten geben, die gerade in dem ausgewählten Fachgebiet spezialisierter sind als ihre Kollegen. Solche Unterschiede sind aber bei einer allgemeinen Prüfung systemimmanent und stellen daher keine willkürliche Ungleichbehandlung dar. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil es bei der Prüfungsaufgabe C vordergründig nicht um den Nachweis von technischem Fachwissen geht, sondern um den Nachweis der Befähigung, eine Einspruchsschrift gegen ein europäisches Patent auszuarbeiten.
Auf die Verletzung der Gleichbehandlung berief sich ein Kandidat in D 9/96 im Hinblick auf die Sprachenregelung in Art. 15 VEP 1994 (s. Art. 12 VEP). Die Kammer räumte ein, dass nicht alle Bewerber gleich behandelt würden, da nicht alle die Prüfungsaufgaben in ihrer Muttersprache erhielten. Diese unterschiedliche Behandlung gehe aber direkt auf die Sprachenregelung des EPÜ 1973 selbst zurück. Amtssprachen des EPA seien nach Art. 14 (1) EPÜ 1973 Deutsch, Englisch und Französisch. Auf jeden zugelassenen Vertreter kämen unweigerlich Unterlagen und Mitteilungen in einer der drei Amtssprachen des EPA zu. Daher müsse von jedem zugelassenen Vertreter im Interesse der Öffentlichkeit und seiner Mandanten erwartet werden, dass er zumindest eine der Amtssprachen verstehe und in dieser Sprache abgefasste Unterlagen und Mitteilungen bearbeiten könne.
Hintergrund mehrerer Beschwerden (D 10/97, D 15/97, D 17/97 und D 5/97) gegen Entscheidungen der Prüfungskommission, in denen die Aufgabe D der europäischen Eignungsprüfung von 1996 als nicht bestanden gewertet wurde, war der Umstand, dass in einigen, aber nicht allen Exemplaren der Prüfungsaufgabe D, die den Bewerbern ausgehändigt wurden, die Frage 11 fehlte. Daher gab die Prüfungskommission allen Bewerbern für die Frage 11 automatisch die volle Punktezahl. Die Beschwerdekammer stellte dazu fest, dass sich, wie schon in D 14/95 ausgeführt, aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung kein Anspruch auf absolute Gleichbehandlung ableiten lasse, solange in einer gegebenen Situation die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß sachlich vertretbar sei. Ein zu beanstandender Rechtsfehler läge allerdings dann vor, wenn die Prüfungsbedingungen so gewählt würden, dass sie einen Teil der Bewerber benachteiligten, ohne dass hierfür ein sachlich vertretbarer Grund erkennbar wäre. Die Prüfungskommission habe den von den unvollständigen Prüfungsunterlagen betroffenen Kandidaten einen Ausgleich gewährt, der nach Art und Ausmaß der gegebenen Situation durchaus angepasst erscheine. Auch wenn sich daraus zwangsläufig eine gewisse Ungleichbehandlung der Bewerber ergebe, so sei diese in ihrem Ausmaß geringfügig und in der besonderen Situation vertretbar. Insbesondere könne damit sichergestellt werden, dass keiner der Bewerber schlechter gestellt werde als bei einer objektiven Beurteilung seines Ergebnisses. Die von der Prüfungskommission gewählte Korrektur des Versehens sei deshalb den Umständen angemessen und stelle nach der Überzeugung der Kammer keine rechtswidrige Ungleichbehandlung dar.