Ist nach Versäumung einer gegenüber dem EPA einzuhaltenden Frist eine europäische Patentanmeldung zurückzuweisen oder zurückgewiesen worden oder gilt sie als zurückgenommen, so kann die Anmeldung weiterbehandelt werden, wenn der Anmelder innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung über die Fristversäumung oder einen Rechtsverlust einen entsprechenden Antrag stellt. Der Antrag auf Weiterbehandlung muss durch Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr gestellt werden. Die versäumte Handlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Der Antrag gilt erst dann als gestellt, wenn die entsprechende Weiterbehandlungsgebühr entrichtet worden ist. Wurde die Weiterbehandlungsgebühr fristgerecht entrichtet, aber die versäumte Handlung nicht innerhalb der Antragsfrist nachgeholt, so ist der Antrag nicht zulässig.
Wenn mehrere Handlungen dieselbe Rechtsgrundlage haben, bilden sie eine einheitliche Verfahrenshandlung und unterliegen einer einheitlichen Frist (siehe J 26/95). Die Weiterbehandlung in Bezug auf eine solche Frist unterliegt der Zahlung einer gemeinsamen Gebühr für die Weiterbehandlung. Die Höhe der gemeinsamen Gebühr hängt von der Zahl und der Art der versäumten Handlungen ab, die die einheitliche Verfahrenshandlung bilden.
Die folgenden Beispiele sollen dies veranschaulichen:
Eine Ausnahme vom oben genannten Prinzip betrifft Regel 71 (3):
Handlungen, die keine gemeinsame Verfahrenshandlung darstellen, unterliegen Fristen, die unabhängig voneinander ablaufen und die jeweils zur Folge haben, dass die Anmeldung als zurückgenommen gilt. Laufen solche Fristen an demselben Datum ab, führt die Versäumnis jeder unabhängigen Frist dazu, dass die Anmeldung als zurückgenommen gilt (siehe J 26/95). Dies gilt unabhängig davon, ob der Anmelder über die Nichtvornahme von Verfahrenshandlungen in einer Mitteilung oder in mehreren Mitteilungen informiert wird. In solchen Fällen ist eine Weiterbehandlungsgebühr für jede versäumte Frist zu entrichten. Ein Beispiel findet sich in E‑VIII, 3.1.3.
Weiterbehandlung kann auch zwischen dem Ablauf der versäumten Frist und der Zustellung der Mitteilung über die Fristversäumung oder den Rechtsverlust beantragt werden.
Über den Antrag auf Weiterbehandlung entscheidet das Organ, das über die versäumte Handlung zu entscheiden hat.
Ein Antrag auf mündliche Verhandlung allein gilt nicht als Nachholung der versäumten Handlung; die Weiterbehandlung kann nicht gewährt werden (B‑XI, 8).
Die Weiterbehandlung ist der Regelrechtsbehelf bei Fristversäumnissen im Verfahren vor der Erteilung, und zwar selbst dann, wenn das Versäumnis einen Teilrechtsverlust zur Folge hat (z. B. Erlöschen eines Prioritätsanspruchs). Von der Möglichkeit der Weiterbehandlung ausgeschlossen sind dagegen die Fristen nach Art. 121 (4) sowie nach den Regeln 6 (1), Regel 16 (1) a), Regel 31 (2), Regel 36 (2), Regel 40 (3), Regel 51 (2) bis Regel 51 (5), Regel 52 (2) und Regel 52 (3), Regel 55, Regel 56, Regel 58, Regel 59, Regel 62a, Regel 63, Regel 64, Regel 112 (2) sowie Regel 164 (1) und Regel 164 (2).