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Tim Lüth

Chirurgischer Roboter "Otto an der Decke"

Preiskategorie
Lebenswerk
Technisches Gebiet
Medizintechnik
Hochschule
Humboldt University
Nicht allen Patienten ist so richtig wohl bei dem Gedanken, dass ein Roboter einen chirurgischen Eingriff an ihnen vornimmt. Tausenden von Patienten wurde jedoch durch Robotersysteme geholfen, die wichtige digitale Daten bereitstellen, während der Chirurg die volle Kontrolle über die eigentliche Operation behält. Professor Tim Lüth aus Deutschland ist einer der innovativsten Denker auf diesem Gebiet. Eine seiner wegweisenden Erfindungen ist ein chirurgischer Roboter mit dem Spitznamen „Otto an der Decke".

Übermenschliche Präzision

Präzision ist das Ein und Alles in solch fein abgestimmten medizinischen Verfahren wie Gesichtschirurgie und Dentalimplantation. Jeder Millimeter zählt, wenn Chirurgen das Gesicht eines Patienten mit Silikonimplantaten rekonstruieren, deren Detailgenauigkeit über das Sehvermögen des bloßen menschlichen Auges hinausgeht.

Dieser Genauigkeitsgrad hat in den vergangenen zehn Jahren eine sprunghafte Verbesserung durch Chirurgie-Roboter erfahren, die das digitale Modell eines Implantats auf die tatsächliche Anatomie des Körpers eines Patienten abstimmen können - und dem Chirurgen mitteilen, wie er entsprechend vorgehen muss.

Einige wesentliche Errungenschaften im Bereich der chirurgischen Robotertechnik ist Professor Tim Lüth von der Humboldt-Universität in Berlin, Deutschland, zu verdanken. Seine Erfindungen sind heute in OP-Sälen in aller Welt zu finden.

Professor Lüths zurzeit bekannteste patentierte Erfindung ist ein Chirurgie-Roboter mit dem Spitznamen „Otto an der Decke", der vorrangig bei der Gesichts- und Kiefern- sowie Dental- und Neurochirurgie Anwendung findet. Das an der Decke montierte Gerät sieht einer riesigen Metallspinne ähnlich, die ein dreidimensionales Computer-Positioniersystem mit einem präzisen Chirurgiebohrer kombiniert.

Otto kann während der Operation Live-Aufnahmen herstellen, die er dann mit vorprogrammierten, in seinem Rechner abgelegten Koordinaten von Patient und Implantat vergleicht und so dafür sorgt, dass der Erfolg der Maßnahmen einer konstanten Überwachung unterliegt.

Jedoch gibt der Chirurg während der gesamten Operation die Kontrolle über die durchgeführten Maßnahmen zu keiner Zeit aus der Hand. Der Roboter, dessen Deckenmontagefuß die Bohrmaschine trägt, fungiert als intelligentes Werkzeug - als Roboter-Fachberater sozusagen. Der Chirurg kann die Daten aus dem Computer nutzen, um den richtigen Bohrweg mit höchster Genauigkeit auszuwählen, handhabt jedoch die Bohrmaschine während des gesamten Eingriffs wie üblich selbst.

Gesellschaft für Otto

Eine andere Erfindung von Lüth ist gerade auf dem Weg in die zahnärztliche Praxis. „RoboDent" besteht aus einem regulären PC-Monitor, einem kleinen Infrarot-Navigationsgerät - das sich problemlos an ein übliches zahnärztliches Handstück montieren lässt - und weiteren Zusatzkomponenten.

Genau wie sein Roboterkollege Otto arbeitet RoboDent bei der Einsetzung von Implantaten mit einem Abgleich chirurgischer Soll-Daten gegenüber Ist-Positionsdaten des Patientenkörpers. Im Ergebnis kann ein Patient seinen neu eingesetzten Zahnersatz nur eine Woche nach dem Eingriff mit voller Leistung verwenden. Einige hundert RoboDent-Geräte sind bereits weltweit im Einsatz.

Der Hauptvorteil der Systeme von Professor Lüth besteht darin, dass sie dem Chirurgen die vollständige Kontrolle über die Operationswerkzeuge lassen, während sie „live" Ist-Daten des Patientenkörpers aufnehmen und im Vergleich zu vorgeplanten Behandlungsabläufen auswerten.

Ergänzt, doch ersetzt nicht den Chirurgen

Rückschauend betrachtet, ist Professor Lüths Aufstieg im medizinischen Beruf genauso bemerkenswert wie seine Erfindungen. Lüth, heute 41 Jahre alt, ist nicht von Haus aus Chirurg, sondern kommt aus der Elektrotechnik und kombiniert in seiner Tätigkeit Informatik und Technik.

Als die Berliner Charité ihn zum Arzt designierte, wurde zum allerersten Mal in der Geschichte der deutschen Medizintechnik eine technische Disziplin institutionell in den Bereich der Chirurgie fest eingebunden. Sein Aufstieg ging weiter: Im Jahr 1997 wurde Lüth Deutschlands erster Professor für Medizinrobotik an der Berliner Humboldt-Universität. Zu jener Zeit war dies eine relativ neue Disziplin mit nur drei Lehrstühlen weltweit.

Allein in den letzten zehn Jahren hat Professor Lüth als Pionier im Alleingang Chirurgie-Roboter und Navigationssysteme für gesichts- und zahnchirurgische Eingriffe entwickelt. Er arbeitete an 17 Patenten mit und ist auch als Berater für die industrielle Medizinrobotik tätig.

Aber es stellt sich die Frage, ob wir bei all der von Robotern ermöglichten Präzision überhaupt noch Menschen im Operationssaal benötigen. Wie Professor Lüths selbst erklärt, streben seine Innovationen nicht danach, das menschliche Element aus dem Operationssaal zu verbannen:
„Der Chirurg wird immer unersetzbar bleiben. Auch in der Zukunft werden Roboter Operationen nicht unabhängig ausführen, sondern nur den Chirurgen unterstützen."

Funktionsweise

Eine der bahnbrechenden Erfindungen von Professor Lüth ist ein Positioniersystem, das Computerdaten mit örtlichen Ist-Daten des Patientenkörpers abstimmt und dadurch die Chirurgierobotik und ferngesteuerte chirurgische Eingriffe möglich macht.

Während eines Eingriffs greift der Roboter - der als „Otto an der Decke" weithin bekannt ist - auf biometrische Koordinaten zurück, um den Bohrer des Chirurgen auf 0,2 mm genau ans Ziel zu führen. Eine wesentliche Maßnahme der Gesichtschirurgie für den Einsatz von Prothesen ist das Einbringen von Bohrungen in das Knochengewebe des Patienten. Die Bohrungen dienen zur Verankerung winziger Titanbolzen zur Befestigung des Implantats. Bei so einer Prothese könnte es sich beispielsweise um die lebensechte Silikonnachbildung eines Ohres handeln. Und genau hier bringt Professor Lüths Roboter den entscheidenden Unterschied.

Bis zur Einführung des Roboters in die klinische Praxis liefen gesichtschirurgische Eingriffe für Implantationen in zwei Phasen ab: In einem ersten Schritt setzte der Chirurg die Bohrungen und befestigte die Titanbolzen, wonach er eine Positionsmessung durchführte, auf deren Grundlage dann eine passende Prothese zu fertigen war. Das bedeutete, dass nach diesem ersten Operationsgang einige Wochen vergingen, bis die Wunden vom Bohren verheilt waren und das Implantat in einem zweiten Eingriff eingepflanzt werden konnte.

Mit dem robotergeführten System kann das Implantat mit Hilfe von Bilddaten des Patientenkörpers im Computer vor dem chirurgischen Eingriff modelliert und gefertigt werden. In dieser operationsvorbereitenden Stufe wird auch der optimale Standort für die Titanstifte bestimmt, mit denen das Implantat gesichert wird.

Aus gestalterischer Sicht bietet die Erfindung von Professor Lüth eine für die praktischen Erfordernisse des Operationssaals sinnfällige Lösung. Durch die Deckenmontage berücksichtigt das Konzept die im OP-Saal vorherrschenden engen räumlichen Bedingungen. Auch lässt es den Bereich rund um den Operationstisch völlig frei und unbehindert und ermöglicht so einen nie da gewesenen Zugang zum Patienten, wodurch das Gerät zum weltweit ersten und am häufigsten verwendeten deckenmontierten Medizinroboter für den klinischen Einsatz geworden ist.

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