https://www.epo.org/de/node/virna-cerne-ombretta-polenghi

Virna Cerne, Ombretta Polenghi

Gluten substitutes from corn

Preiskategorie
Industrie
Technisches Gebiet
Lebensmittelchemie
Firma
Dr. Schär SPA
Im Zeitalter sozialer Medien und Stardiäten gilt es fast schon als chic, sich glutenfrei zu ernähren. Gesundheitsbewusste Esser schwören reihenweise auf den Verzicht von Proteinen in Weizen und anderen Getreidesorten; auf Veranstaltungen werden alle möglichen glutenfreien Produkte angepriesen. Für etwa 1 % der Weltbevölkerung ist der Verzicht auf Gluten jedoch keine Frage des Lebensstils, sondern dient der Vermeidung von quälenden Begleiterscheinungen der Zöliakie.

Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2016

Im Zeitalter sozialer Medien und Stardiäten gilt es fast schon als chic, sich glutenfrei zu ernähren. Gesundheitsbewusste Esser schwören reihenweise auf den Verzicht von Proteinen in Weizen und anderen Getreidesorten; auf Veranstaltungen werden alle möglichen glutenfreien Produkte angepriesen. Für etwa 1 % der Weltbevölkerung ist der Verzicht auf Gluten jedoch keine Frage des Lebensstils, sondern dient der Vermeidung von quälenden Begleiterscheinungen der Zöliakie.

Allerdings ist es schwierig, eine echte Alternative zu Weizenteig zu finden, da seine chemischen Eigenschaften, sein Geschmack und seine Textur einzigartig sind. Mit einer Ersetzung ist es oft nicht getan. Also ließen Cerne und Polenghi 2013 eine Methode patentieren, mit der glutenähnliche Proteine, sogenannte Zeine, aus Mais extrahiert und in Rezepturen verarbeitet werden. Mais ist weit verbreitet und günstiger als andere alternative Getreidesorten. Das Resultat ist ein Ersatzprotein, das den Geschmack und die Textur von Weizenprodukten bietet, aber kostengünstiger ist, sodass die Produkte für mehr Menschen erschwinglich sind.

Gesellschaftlicher Nutzen

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Gluten die feinen Zotten im Dünndarm schädigt. Da eine der Hauptaufgaben des Dünndarms darin besteht, Nährstoffe aus der Nahrung ins Blut aufzunehmen, leiden Zöliakiepatienten häufig unter chronischer Müdigkeit, Vitaminmangel und Blutarmut. Für die Betroffenen ist eine streng glutenfreie Ernährung bisher die einzig wirksame Behandlungsmethode. Der Verzicht auf Gluten ist allerdings nicht immer leicht oder erfreulich. Für Menschen, die trotz Einschränkungen bei der Ernährung gerne gut essen, ist die Extraktionsmethode von Cerne und Polenghi ein Geschenk des Himmels - ein leckeres noch dazu.

Schätzungen zufolge leidet etwa 1 % der Weltbevölkerung unter Zöliakie. Die Verbreitung unter Erwachsenen ist in Europa je nach Land unterschiedlich. Den geringsten Anteil hat Deutschland mit 0,3 % (240 000), den höchsten Finnland: Hier sind es rund 2,4 % (120 000). Geschätzt 3 Millionen Amerikaner, also etwa einer von 133, zeigen Symptome der Krankheit. Mit zunehmendem Bewusstsein werden wohl auch die Zahlen nach oben gehen, denn bislang wurde die Krankheit häufig unter- und fehldiagnostiziert.

Daneben gibt es auch immer mehr Menschen mit einer sogenannten Glutenunverträglichkeit oder -sensitivität. Sie klagen beim Verzehr von Getreideprodukten über ähnliche Symptome, die unterschiedlich schwer sein können. Schätzungen zufolge kommt Glutenunverträglichkeit sechsmal häufiger vor als echte Zöliakie.

Wirtschaftlicher Nutzen

2015 hatte der Markt für glutenfreie Ernährung einen Wert von etwa 4,27 Mrd. EUR. Wer sich glutenfrei ernährte, gab sein Geld jedoch nicht nur für alternative Brote und Pasta aus: Reisende buchten glutenfreie Urlaube, und Apps für Gesundheitsbewusste führten die Hungrigen in glutenfreie Restaurants oder präsentierten ihnen die neuesten leckeren Rezepte.

Glutenfreie Seife? Kein Problem. Glutenfreies Hundefutter? Auch das gibt es. Scheinbar jeden Tag werden neue Produkte kreiert. Der Umsatz bei glutenfreien Produkten wird daher bis 2020 auf voraussichtlich 7 Mrd. EUR ansteigen. Währenddessen arbeitet das Team im Dr. Schär R&D Centre in Triest, Italien, an neuen Zutaten und Prozessen - von Anbautechniken bis hin zu Sensortechnologien. So möchte das Unternehmen, das mehr als 1 070 Mitarbeiter beschäftigt, seine Marktposition - etwa 35-40 % des europäischen Markts glutenfreier Produkte - verteidigen und seinen Jahresumsatz von derzeit 320 Mio. EUR weiter steigern.

Funktionsweise

Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einer Bäckerei, ein feiner Brotduft liegt in der Luft. Frische Brote kommen luftig und zugleich knusprig aus dem Ofen. Die meisten dieser Eigenschaften, die Brot so lecker machen, hängen mit dem Weizengluten zusammen, dessen molekulare Struktur, Aminosäurenkombination und Polymerstruktur einzigartig sind. Während der Gärung speichern die Glutenproteine im Weizenteig Kohlendioxid und sorgen somit dafür, dass das Brot schön locker wird und seine Form auch nach dem Abkühlen beibehält.

Andere Getreidesorten haben diese Eigenschaften nicht. Will man etwas herstellen, das aussieht wie Brot, riecht wie Brot und auch so schmeckt wie Brot, braucht man einen Ersatz für Weizenmehl. Cerne, Polenghi und ihr Team haben mit Mais geforscht und daraus zwei Proteine, nämlich Glutelin und Zein, extrahiert. Das Protein Zein steckt größtenteils im Mais-Endosperm, das, ähnlich wie ein Eidotter, den Samen als Nährgewebe dient, bevor sie zur Pflanze werden.

Dafür experimentierten die Wissenschaftler zunächst mit Maisproteinen. Sie entwickelten eine Methode, bei der sie weißes Maismehl in eine Lösung aus Wasser und Alkohol gaben und diese unter Rühren erhitzten. Durch diesen Vorgang wurden die glutenähnlichen Proteine isoliert und konnten in verschiedenen Mengenanteilen Nahrungsmitteln beigefügt werden, je nachdem, welche Textur, welche Konsistenz oder welcher Geschmack erzielt werden sollte.

Die Erfinder

Virna Lucia Cerne lebte lange Zeit in ihrer Heimatstadt Triest, einem malerischen Ort an der italienischen Adriaküste. Als typische Italienerin liebt sie gutes Essen. 1994 machte sie ihren Masterabschluss in Ernährungswissenschaft und -technologie an der Universität Udine.

Nach zweijähriger Tätigkeit in Berlin, bei der sie halbverarbeitete Fruchtprodukte für Joghurthersteller entwickelte, begann sie ihre Arbeit im Dr. Schär R&D Centre, zunächst in Postal/Burgstall, Italien, und anschließend in Triest. Ihre Liebe zum Essen hat sie die ganze Zeit begleitet. Heute leitet sie das R&D Centre und sitzt im Vorstand des Unternehmens.

Ombretta Polenghi verfolgte ihr Interesse an Ernährung und hervorragender Küche im Masterstudiengang Ernährungswissenschaft und ‑technologie an der Universität Udine. Sie begann ihr Studium im selben Jahr, in dem Virna Lucia Cerne ihren Abschluss machte. Im Rahmen ihrer Ausbildungstätigkeit bei Teagasc, der irischen Behörde für Landwirtschaft und Ernährung, beschäftigte sich Polenghi mit glutenfreien Produkten - ein Thema, für das sie großes Interesse entwickelte.

2002 verstärkte sie das Forschungs- und Entwicklungsteam von Dr. Schär und stieg schließlich zur Abteilungsleiterin für den Bereich Forschung und Innovation auf. Polenghi ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie meistert den Balanceakt zwischen Beruf und Familie und findet neben der Erforschung glutenfreier und anderer Ernährungsprodukte sogar noch Zeit, für ihre Familie zu kochen.

Wussten Sie das?

Die Häufigkeit von Zöliakie ist im Laufe der letzten 40 Jahre um mehr als 300 % gestiegen. Das ist mehr als das Vierfache. Den Wissenschaftlern fehlt jede Erklärung. Manche sind der Meinung, es liege an der Umwelt, andere führen den Anstieg auf die besseren Diagnosemöglichkeiten zurück. Denkbar ist außerdem, dass unsere heutige Ernährung schuld daran ist. Niemand kann es sicher sagen.

Eigentlich werden Patente eher mit Bereichen wie der Elektro- oder Medizinindustrie in Verbindung gebracht, in der Nahrungsmittelindustrie spielen Patente wie das von Cerne und Polenghi für glutenfreie Proteine jedoch eine wichtige Rolle. Alles kann patentiert werden, von Back- und Verarbeitungsgeräten über Nahrungsmittelzusätze bis hin zu Lagerungsmethoden und Lebensmittelverpackungen. Der Lebensmittelhersteller mit den weltweit meisten Patenten ist Nestlé mit mehr als 20 000 Patenten

 

Patentnummer:

Kontakt

Fragen zum Europäischen Erfinderpreis und zum Young Inventors Prize:

european-inventor@epo.org Erfinderpreis Newsletter abonnieren

Medienanfragen:

Kontaktieren Sie unser Presse-Team
#InventorAward #YoungInventors