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Axel Ullrich

Krebsmedikamente der nächsten Generation und Meilensteine in der Laborgenetik

Preiskategorie
Lebenswerk
Technisches Gebiet
Biotechnologie
Firma
Genentech Inc., Roche Diagnostics GmbH, Max-Planck-Gesellschaft
Die Arbeit des deutschen Molekularbiologen Axel Ullrich sorgte für einen Quantensprung im wissenschaftlichen Verständnis der genetischen und zellulären Ursachen von Krebs und anderen Erkrankungen. In seiner vier Jahrzehnte umspannenden Forschungslauf-bahn hat Ullrich Pionierarbeit bei der Entwicklung neuer Klassen von Medikamenten geleistet, darunter zellwachstumshemmende Arzneimittel gegen Brust-, Darm- und Nierenkrebs.

Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2017

Vor der Entwicklung von Ullrichs neuen Methoden hatten Mediziner nach Möglichkeiten gesucht, mit denen sie den Krebs bekämpfen konnten, ohne gesundes Gewebe zu schädigen, wie dies bei der Chemotherapie oder der Strahlentherapie der Fall ist. Auf der Grundlage neuer Erkenntnisse zur Signaltransduktion - der Vorgänge mittels derer Zellen im menschlichen Körper kommunizieren - entwickelte Ullrich Medikamente der nächsten Generation, die den Krebs an seinen Wurzeln bekämpfen, indem sie die zellulären Kommunikationsprozesse unterbrechen. Unter den Medikamenten, die Ullrich im Laufe der letzten 20 Jahre auf den Markt gebracht hat, sind zum Beispiel Herceptin, das gegen Brustkrebserkrankungen wirksam ist, die von dem Onkogen HER2, einem von Ullrich entdeckten genetischen Auslöser, verursacht werden, oder das Medikament Sunitinib, das Tumoren "aushungert".

Ullrich ist eine international anerkannte Kapazität auf seinem Gebiet. Er war in Schlüsselfunktionen in pharmazeutischen Unternehmen wie Genentech tätig. Als Leiter der Abteilung für Molekularbiologie am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München hat er auch einen neuen Zweig der genetischen Forschung maßgeblich mitgeprägt, der sich mit der Signaltransduktion (Signalübertragung) der Zellen beschäftigt. Ullrichs erster bahnbrechender Erfolg kam bereits 1977, als es ihm erstmals gelang, eine Kopie des menschlichen Insulin-Gens in Bakterien zu übertragen, was dann 1982 zur Entwicklung des weltweit ersten Medikaments führte, dessen Herstellung auf Gentechnologie basierte: das rekombinante menschliche Insulin.

Gesellschaftlicher Nutzen

Brustkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erlagen diesem Leiden 2011 weltweit mehr als 508 000 Frauen. Die Überlebensrate hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm erhöht - aktuell liegt sie in Nordamerika, Schweden und Japan bei 80 Prozent und höher. Aber die Behandlung der Krankheit zieht die Patientinnen häufig sehr stark in Mitleidenschaft, insbesondere aufgrund der Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Patientinnen, die positiv auf bestimmte genetische Marker getestet werden, können mittlerweile von gezielten Therapien mit bislang unerreichter Wirksamkeit profitieren. Ullrichs Schlüsselerkenntnisse zu den genetischen Ursachen der Krankheitsentstehung haben dafür den Grundstein gelegt.

Ullrichs Brustkrebsmedikament, das 1998 auf den Markt kam, hat die Tumorredizivrate bei Frauen, deren Tumoren das HER2-Onkogen exprimieren, um 50 Prozent gesenkt. Wenngleich Ullrichs Forschungsergebnisse bereits die Grundlage für zielgerichtete Therapien gelegt haben, so steht die Wissenschaft beim Verständnis der menschlichen DNA in ihrer ganzen Dimension doch noch am Anfang. Bislang wurden mehr als 1 800 Krankheitsgene identifiziert und es stehen schon mehr als 2 000 genetische Tests zur Verfügung, aber das menschliche Genom besteht aus insgesamt 20 000 Genen. Mit globalen Forschungsinitiativen wie dem "Singapore Oncogenome Project" setzt sich Ullrich mit großem Engagement dafür ein, das Verständnis krankheitsverursachender Gene voranzutreiben und weitere genetische Marker für Krebserkrankungen zu finden.

Wirtschaftlicher Nutzen

Ullrich hat nicht nur wichtige Positionen in der kommerziellen Arzneimittelentwicklung bei internationalen Pharmaunternehmen wie Genentech inne, sondern hat auch diverse erfolgreiche Start-ups gegründet, beispielsweise Sugen (1991, wurde von Pfizer aufgekauft), Axxima Pharmaceuticals (1998, heute GPC Biotech AG), U3 Pharma (2001, heute Daiichi Sankyo Company Ltd.), Kinaxo Biotechnologies GmbH (2005, gehört heute zur Evotec AG) und Blackfield AG (2012).

Ullrichs Medikamente der nächsten Generation wurden zu Blockbustern. Herceptin zählt zu den 50 meistverkauften Medikamenten. Bis im Jahr 2014 das Patent ablief, war der Jahresumsatz auf 6,3  Mrd. EUR geklettert. Sunitinib, das von Pfizer vermarktet wird, wird wohl bis 2018 einen Jahresumsatz von rund 1,5 Mrd. EUR erreicht haben.

Es wird erwartet, das der Weltmarkt für Krebsmedikamente in den nächsten Jahren noch erheblich wachsen wird: Wurde der Gesamtumsatz 2015 noch mit 72 Mrd. EUR angegeben, so soll er bis 2020 bei 103 Mrd. EUR liegen. Bei den Kinase-Inhibitoren zur Krebsbehandlung - ein Gebiet, auf dem Ullrich ebenfalls Pionierarbeit geleistet hat - geht man bis 2019 von einem Jahresnettoumsatz von rund 29 Mrd. EUR aus.

Funktionsweise

 

Das Prinzip, das hinter Ullrichs Medikamenten steht, mit denen Tumoren regelrecht "ausgehungert" werden, besteht darin, die Krebstumoren von der Blutversorgung abzukoppeln und somit deren Wachstum zu stoppen. Dies wird dadurch erreicht, dass man bestimmte zelluläre Signalübertragungsprozesse, einschließlich der Protein-Tyrosin-Kinase-Gentranskripte, "stilllegt".

Diese Skripte senden Signale an den vaskulär-endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor, der die Bildung neuer Blutgefäße des Tumors steuert. Ohne neue Blutgefäße kann der Tumor nicht mehr wachsen und der Patient kann sich erholen.

Ullrichs Brustkrebsmedikament Herceptin greift Tumoren an, die eine bestimmten Art von Brustkrebsgenen enthalten, das HER2. Diese HER2-positiven Krebszellen wachsen und vermehren sich, sobald die HER2-Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche Wachstumssignale empfangen. Herceptin verhindert diesen Vorgang, indem es selbst an die Rezeptoren bindet und damit den Empfang solcher Signale blockiert.

Der Erfinder

Ullrich hatte 1975 an der Universität Heidelberg in Molekulargenetik promoviert, dann ging er als Postdoktorand an die University of California in San Francisco. Dort war es, wo er in einem Labor, das mit einigen der allerersten molekularen Werkzeuge zur Genforschung ausgestattet war, 1977 als erster Wissenschaftler der Welt eine Kopie des menschlichen Insulin-Gens in Bakterien einsetzte - ein Durchbruch, der seinen gesamten weiteren Lebensweg bestimmen sollte.

Im Laufe seiner beruflichen Karriere kamen weitere Meilensteine hinzu. 1978 machte Ullrich als einer der ersten Mitarbeiter des Biotech-Unternehmens Genentech in San Francisco entscheidende Entdeckungen im Bereich der Onkogene und zu den zellulären Prozessen bei der Krankheitsentstehung. 1988 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er seine Forschung als Leiter der Abteilung für Molekularbiologie am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried fortführte.

Ullrich gilt international als eine Kapazität in der Genetik, insbesondere auf dem neuen Forschungsgebiet der Signaltransduktion. In mehr als 100 weltweit angemeldeten Patenten ist Ullrich als Erfinder genannt. Als Autor von mehr als 570 wissenschaftlichen Publikationen gehört er mit mindestens 50 000 Nennungen zu den zehn meistzitierten Wissenschaftlern der letzten 25 Jahre. Seine wissenschaftlichen Errungenschaften brachten ihm einige der angesehensten Auszeichnungen und Ehrungen ein, darunter der Robert-Koch-Preis (2001), der "Clifford Prize for Cancer Research" (2005), der "Hamdan Award for Medical Research Excellence" (2008) und der "Wolf Prize in Medicine" (2010), um nur einige zu nennen. Er ist einer von zwölf Wissenschaftlern, die in die "Hall of Fame der deutschen Forschung" aufgenommen wurden.

Wussten Sie das?

Das menschliche Genom enthält etwa 20 000 verschiedene proteincodierende Gene. Ihre Rolle bei der Entstehung von Krankheiten wird seit der ersten Entschlüsselung der menschlichen DNA im Rahmen des "Human Genome Project" (2001) erforscht. Dabei wurden immer wieder Meilensteine gesetzt. Obwohl die erste Entschlüsselung des menschlichen Genoms 2,8 Mrd. EUR an Forschungsgeldern verschlang, kosten DNA-Tests mittlerweile nur noch ein paar Hundert Dollar.

Heute kann ein Bluttest Aufschluss darüber geben, ob jemand ein bestimmtes Gen trägt, das die Wahrscheinlichkeit erhöht, an einer Krebsart zu erkranken, die mit dem Gen in Zusammenhang steht. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten: Mit der neuen personalisierten Medizin können Behandlungen - und, was noch wichtiger ist, präventive Maßnahmen - genau auf die individuelle DNA eines Menschen abgestimmt werden.

Für Patienten mit genetisch bedingten Krebserkrankungen können mit einer neuen Generation von Medikamenten - wie dem von Ullrich entwickelten Krebsmedikament, das gezielt das Onkogen HER2 angreift - viel bessere Ergebnisse erzielt werden. Auf radikale chirurgische Präventiveingriffe wie im Falle der Schauspielerin Angelina Jolie kann in Zukunft vielleicht verzichtet werden: Sie ließ sich im Alter von 37 Jahren die Brüste operativ entfernen, nachdem sie positiv auf eine Mutation im Gen BRCA1 getestet worden war. Das Gen ist ein Marker für ein erhöhtes Risiko, an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken.

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