Der Universal Serial Bus (USB) ist eine Innovation, die ihrem Namen alle Ehre macht. Der praktische USB-Stecker und das zugehörige Protokollsystem haben sich in der Computerbranche längst zu einem Standard entwickelt. Heute gibt es weltweit Milliarden USB-fähiger elektronischer Geräte, seien es Webcams, Mobiltelefone oder Speichersticks.
Intel-Computerexperte Ajay V. Bhatt leitete das Team, das die USB-Technologie entwickelt und patentiert hat. Gemeinsam haben sie dazu beigetragen, die Art und Weise, in der wir mit Computern arbeiten, erheblich zu vereinfachen und dabei eine der wohl bedeutendsten Erfindungen in der Computertechnologie nach dem Mikroprozessor gemacht.
Als Ajay V. Bhatt im Jahr 1990 einen neuen Drucker am Computer seiner Frau einrichtete, hatte er mit allerlei Problemen zu kämpfen: Das Anschließen neuer Peripheriegeräte wie Druckern, Scannern und Modems war damals noch zeitaufwendig und oft frustrierend.
Computerbenutzer mussten mit verschiedensten konkurrierenden Steckerlayouts zurechtkommen, neue Treiber installieren und häufig sogar das Computergehäuse öffnen, um neue Karten zu installieren. Damit einher ging ein langwieriges Ausprobieren, das u. a. wiederholte Neustarts des Computers sowie präzise Feinabstimmung erforderte, bis das System schließlich korrekt arbeitete.
In Anbetracht seiner eigenen Probleme konnte sich Bhatt – seines Zeichens Entwickler beim Mikrochipkonzern Intel – sehr gut vorstellen, wie schwierig dieser Prozess erst für den Durchschnittsbenutzer sein musste. Glücklicherweise entdeckte Bhatt eine Möglichkeit, das Verfahren erheblich zu vereinfachen. Seine innovative Lösung entwickelte sich schnell zu einer der Schlüsseltechnologien, die für die moderne Computertechnologie maßgeblich sind.
Als einziges technisch begabtes Kind in einer Familie von Geisteswissenschaftlern war Bhatt schon früh die Anlaufstelle für kleinere Reparaturen im Haushalt, z. B. von Radio, Fernseher oder Lichtschalter. Sein Interesse an Elektronik veranlasste ihn schließlich, sein Heimatland Indien zu verlassen und ein Studium an der City University of New York aufzunehmen. Hier war er u. a. an der Entwicklung der Videotechnologie beteiligt, die an Bord der Raumfähre Columbia zum Einsatz kam.
Die Entwicklung einer bequemen Methode zum Anschließen neuer Geräte an einen Computer erforderte natürlich eine völlig andere Herangehensweise als die Entwicklung von Elektronik für die Raumfahrt. Als Inspirationsquelle diente Bhatt die herkömmliche Wandsteckdose. Er stellte sich die Frage, ob es möglich wäre, ein System zu entwickeln, das ähnlich funktioniert und es den Benutzern ermöglicht, Geräte einfach an den Computer „anzustecken“ und automatisch verwenden zu können. Vor diesem Hintergrund entstand die Vision der USB-Technologie.
Die Ursache der Probleme beim Einrichten neuer Geräte resultierte aus sich überschneidenden Kommunikationsleitungen innerhalb der Computer. Computer arbeiteten relativ ähnlich wie eine mangelhaft konzipierte Telefonanlage für mehrere Länder: Jedes Peripheriegerät musste sich erst einwählen, um die „Vermittlung“, d. h. die Computerplatine, zu erreichen, und jedes Gerät sprach seine eigene „Sprache“.
Um dieses Durcheinander an verschiedenen Sprachen zu verstehen, benötigte die Vermittlung eine Übersetzungshilfe: einen speziellen Treiber für jedes Gerät, der die jeweilige Sprache decodieren und sicherstellen konnte, dass alle gesendeten oder angeforderten Daten korrekt verarbeitet wurden. Jeder dieser Treiber musste vom Benutzer separat installiert werden.
Darüber hinaus war es mit jedem weiteren Peripheriegerät schwieriger, die verschiedenen „Gespräche“ auseinander zu halten und die miteinander konkurrierenden Aufgaben zu gewichten. Häufig konnten bestimmte Funktionen verschiedener Geräte einfach nicht mehr verwendet werden, oder der Computer stürzte unversehens ab.
Die Lösung von Bhatt bestand darin, die Kommunikation innerhalb des Computers radikal zu verschlanken. Anstatt es jedem Gerät zu gestatten, in seiner eigenen Sprache und nach Belieben zu kommunizieren, führte er die verschiedenen Signale in einer zentralen Kommunikationsleitung zusammen, über die sie direkt an das Betriebssystem des Computers übermittelt wurden.
Das von Bhatt entwickelte Zentralmodul des USB-Protokollsystems, der Hub, fungiert als „Übersetzer“ zwischen den verschiedenen Geräten, und der Computer erhält keine Anforderungen mehr, die miteinander in Konflikt stehen. Dank dieser deutlichen Verbesserung können Benutzer nun gleichzeitig eine wesentlich größere Anzahl von Einzelgeräten an einen Computer anschließen als bisher: theoretisch bis zu 127.
Gemeinsam mit einem Team von Computer- und Kommunikationsexperten bei Intel konnte Bhatt 1994 die erste voll funktionsfähige Version dieser Architektur entwickeln. Intel meldete diese kurz darauf zum Patent an. Der ursprünglich etwas schwerfällige Name „Hierarchical serial bus assembly“ wurde später in Universal Serial Bus (USB) geändert, um dem universellen Charakter der Verbindung mit Computergeräten Rechnung zu tragen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Computerherstellern, darunter Microsoft, Compaq, Digital, Northern Telecom, NEC und IBM, nahm Intel die Markteinführung von USB in Angriff.
Diese lief zunächst etwas schleppend an, da für die Verwendung von USB eine Neugestaltung der Softwareplattform Microsoft WindowsTM erforderlich war, die erst 1998 fertiggestellt wurde. In der Zwischenzeit stellte Apple Computer Inc. den iMac vor, den ersten in Serie gefertigten USB-fähigen Computer. Im Zuge dieses Computerbooms wurden Tausende von USB-Produkten für nahezu jeden erdenklichen Zweck entwickelt.
Mittlerweile gehört der Einrichtungsaufwand für Peripheriegeräte der Vergangenheit an, und dank USB-Technologie sind die Geräte mit den verschiedensten Softwareplattformen kompatibel. Benutzer können Geräte nach Bedarf anschließen und wieder trennen und müssen dem Computer dies nicht erst melden oder das System neu starten, bevor sie ein Gerät zum ersten Mal nutzen. Darüber hinaus liefern die USB-Verbindungen auch gleich den Strom für den Betrieb und die Aufladung von Mobiltelefonen und MP3-Playern.
Auch Hardware- und Softwareentwicklern bietet die Technologie immense Vorteile: Dank USB kann der Zeitaufwand für die Produktentwicklung erheblich reduziert werden, weil die Geräte nicht wieder und wieder auf mögliche Konflikte getestet werden müssen. Die Entwickler müssen lediglich die USB-Standards einhalten, und die Endbenutzer profitieren praktisch immer von einer problemlosen Verbindung.
Der von Bhatt erfundenen USB-Technologie einen monetären Wert beizumessen, ist nahezu unmöglich, denn die Erfindung wird nicht als Produkt vermarktet und vertrieben, sondern hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts als Standard in der Computerindustrie durchgesetzt. Bis 2011 waren weltweit rund 7 Mrd. USB-fähige Geräte ausgeliefert worden, davon 3,5 Mrd. allein im Jahr 2010. Das Marktforschungsunternehmen In-Stat geht davon aus, dass die weltweiten Stückverkäufe von USB-Geräten bis 2015 die Marke von 7 Mrd. pro Jahr überschreiten werden.
Der Erfolg des USB-Standards geht weit über das hinaus, was Ajay V. Bhatt sich ursprünglich ausgemalt hatte. Seine Erfindung wurde mittlerweile sogar in einem Fernsehwerbespot gewürdigt, in dem Bhatt von dem bekannten indischen Schauspieler Sunil Narkar verkörpert wird.
Trotz der Aufmerksamkeit ist Bhatt seinem ursprünglichen Ziel treu geblieben, nämlich die Interaktion zwischen Benutzer und Computer zu verbessern und zu vereinfachen. Neben der USB-Technologie ist Bhatt Inhaber von mindestens 31 weiteren wichtigen Patenten, die sich in unterschiedlichen Phasen der Anmeldung befinden.
Er zählt zu den weltweit einflussreichsten Indern (Most influential global Indians) und befand sich unter den Finalisten der Light of India Awards 2012, wo seine Beiträge zum Fortschritt in Wissenschaft und Technik gewürdigt wurden. Bhatts jüngste technische Errungenschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines energieeffizienten Laptops mit geringem Gewicht, der einen ganzen Tag mit einer einzigen Aufladung auskommt. Das neue Gerät soll offiziell Anfang 2013 vorgestellt werden.
Wenn ein USB-fähiges Peripheriegerät an einen Computer angeschlossen wird, weist ihm der USB-Hub eine sogenannte Adresse in Form einer Nummer zu. Bei dem Hub handelt es sich um den Übersetzer, der Daten zwischen den Geräten und der Hauptplatine des Computers übermittelt. Der Hub ermittelt auch, welche Art von Gerät angeschlossen wurde und welche Art von Datenübertragungsverbindung (Stream-Pipe) zwischen diesem Gerät und dem Computer bestehen sollte.
Geräte wie Tastaturen oder Mäuse müssen schnell kleine Datenmengen senden. Diesen werden daher spezielle Stream-Pipes vom Typ „Interrupt-Transfer“ zugewiesen, womit sie im System Vorrang vor anderen Verbindungen erhalten. Anderen Geräten werden Stream-Pipes zugewiesen, über die sie entweder große Datenblöcke mit einer geringeren Geschwindigkeit, aber größerer Genauigkeit (Bulk-Transfer), oder kleinere Datenmengen mit einer höheren Geschwindigkeit, aber ohne Fehlerkorrektur (Isochroner Transfer) senden können.
Abhängig von der jeweiligen Funktion, die ein Gerät gerade erfüllt, können ihm verschiedene Stream-Pipes zur Verfügung stehen. Dank dieser Unterscheidung kann der Computer die verschiedenen Datenanforderungen effizient verarbeiten und dabei sicherstellen, dass wichtige Funktionen stets verfügbar bleiben.
Der USB-Hub fragt alle Geräte unzählige Male pro Sekunde ab und sendet über die Stream-Pipes Datenpakete hin und her. Bei begrenzter Bandbreite wirkt der Hub Datenstaus entgegen, indem er die Frequenz beschränkt, auf der Stream-Pipes für Bulk-Transfers mit niedriger Priorität (und ggf. auch Stream-Pipes für isochrone Transfers) Daten übertragen können.
Die Datenübertragungsrate bei USB wurde bei den beiden Generationen nach der ursprünglich von Bhatt entwickelten Version deutlich verbessert. Waren anfangs 12 Megabit pro Sekunde möglich, ist die jüngste Version USB 3.0 nun 3.500 Mal schneller.
Der Intel Corporation wurde 1997 ein Patent für die USB-Technologie erteilt, das Protokollsystem hingegen wurde in Kooperation mit sechs weiteren Unternehmen entwickelt. Die Technologie hat sich jedoch zu einem Industriestandard entwickelt. Aus rechtlicher und geschäftlicher Sicht können Patente und Industriestandards jedoch problematisch sein.
Unternehmen müssen alle relevanten Patentinformationen offenlegen, bevor sie vorgeschlagene Industriestandards implementieren können. Unter Umständen ist es auch sehr kostspielig, solche Patente zu schützen und aufrecht zu erhalten, und ihr proprietärer Charakter erweist sich möglicherweise für die breite Anwendung als hinderlich.
Eine Lösung für diese Probleme ist die Schaffung eines „Patentpools“ – diese Methode nutzen die Unternehmen, die am USB-Standard beteiligt sind. Alle Inhaber wesentlicher Patente im Zusammenhang mit der USB-Technologie – sowohl der ersten als auch von Folgeversionen von USB – haben ihre Patente in einem Pool, dem USB Implementers Forum, zusammengelegt.
Diese Organisation gestattet anderen beteiligten Unternehmen die Lizenzierung von USB-Patenten unter angemessenen und nicht diskriminierenden (Reasonable And Non-Discriminatory, RAND) Bedingungen ohne Lizenzgebühren. Implementierungsunternehmen, die den USB-Standard verwenden, können so diesen Standard unterstützen, ohne Klagen seitens der Patentinhaber fürchten zu müssen.