Über Tausende von Jahren hat die Menschheit die Kunst der Stahlerzeugung weiter verfeinert. Doch angesichts schwindender natürlicher Ressourcen und immer strengerer Umweltauflagen arbeitet eine Gruppe von Wissenschaftlern daran, die Stahlerzeugung durch eine neuartige Alternative für den jahrzehntealten herkömmlichen Hochofenprozess zu revolutionieren.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass nahezu alle modernen Gebrauchsgegenstände mittlerweile aus oder mit Stahl hergestellt werden. Stahl findet sich fast überall, von Autos über Mobiltelefone und Fernseher bis hin zu Teleskopen. Die einzigartige Vielseitigkeit des Metalls in Kombination mit dem raschen Wachstum der bevölkerungsreichen asiatischen Länder sind die Ursache dafür, dass die globale Stahlproduktion im Jahr 2011 nahezu 1,5 Mrd. Tonnen überschritten hat. Schätzungen der World Steel Association zufolge wird sich diese Zahl aufgrund der anhaltend großen Nachfrage bis 2015 um weitere 25 % erhöhen.
Mehr Stahl bedeutet jedoch auch höhere Luftverschmutzung. Außerdem zeichnet der Eisen- und Stahlsektor bereits für 27 % des industriebedingten CO2-Ausstoßes und für 5 % aller vom Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich.
Dies macht Stahlhersteller zum Ziel von Lobbyisten, die sauberere industrielle Verfahren durchsetzen wollen. Eine der Maßnahmen, die Stahlhersteller ergreifen, um die immer strengeren Umweltauflagen zu erfüllen, ist der schrittweise Verzicht auf herkömmliche Hochöfen. Diese aus dem 16. Jahrhundert stammende Technologie galt mehr als ein Jahrhundert lang als effektivste Methode zur Stahlerzeugung.
Die bloße Menge an Stahl, die jedes Jahr erzeugt wird, ganz abgesehen von den zahllosen Anwendungsmöglichkeiten und Endprodukten, lässt bereits erkennen, dass schon die geringste Veränderung am Produktionsprozess erhebliche Auswirkungen haben kann.
Vor diesem Hintergrund haben sich der koreanische Stahlhersteller POSCO und die österreichische Siemens VAI Metals Technologies GmbH zusammengetan und ihre besten Erfinder damit beauftragt, eine Methode zur Rationalisierung des Schmelzverfahrens, d. h. der Verhüttung, zu finden. Sie entwickelten ein neues Verfahrens namens Finex, in Anlehnung an das pulverförmige Eisenerz, aus dem bei der Stahlerzeugung in einem einzigen Schritt geschmolzenes Eisen gewonnen wird.
Während herkömmliche Hochöfen auf Verfahren wie Verkokung und Sintern beruhen, um Kohle so zu reinigen, dass eine Verhüttung des Eisenerzes möglich ist, entfallen bei der neuen Methode die Notwendigkeit für teuren Koks und damit auch entsprechende Koksherstellungsverfahren vollständig.
Beim Finex-Verfahren wird außerdem auf den Einsatz teurer Vollwert-Steinkohle verzichtet, die nur 15 % der globalen Kohlevorkommen ausmacht. Stattdessen kann Ballastkohle eingesetzt werden, aus der die anderen 85 % bestehen. Was bleibt, ist derselbe Qualitätsstahl zu drei Viertel des Preises.
Finex bietet sowohl wirtschaftliche als auch umweltbezogene Vorteile. Eine Senkung der Betriebskosten um 25 % ist ein unerhoffter Gewinn für die Industrie. Und dabei werden nicht nur die begrenzten natürlichen Ressourcen geschont: Aufgrund metallurgischer Reaktionen unter geschlossener Atmosphäre haben Joo, Shin und Schmidt außerdem die Schwefel-, Stickoxid- und Staubemissionen so gut wie beseitigt, d. h., es gibt weniger Verunreinigungen, die zum Klimawandel beitragen.
Etwa 99 % dieser gasförmigen Nebenprodukte werden beim Finex-Verfahren aufgefangen und zur Stromerzeugung genutzt. So wird nichts verschwendet. Das Ergebnis ist ein neues Herstellungsverfahren, das zur Erzeugung einer einzigen Tonne Stahl 2,5 Gigajoule (GJ) Energie weniger benötigt als der herkömmliche Hochofenprozess.
Das bedeutet, dass beispielsweise das Stahlwerk Pohang in Südkorea mit einer jährlichen Produktionskapazität von 1,5 Mio. Tonnen jedes Jahr ca. 3,75 Mio. GJ Energie weniger benötigt als beim Einsatz des herkömmlichen Hochofenprozesses. Darüber hinaus liegt der CO2-Ausstoß ca. 12 % (oder gut 350.000 Tonnen) niedriger.
Diese Werte sind beeindruckend, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass das Stahlwerk seit seiner Errichtung in den 1970er Jahren genügend Stahl für den Bau von rund 250 Mio. Autos produziert hat.
Da die Vorverarbeitung von Rohstoffen entfällt, können Anlagen, die mit der Finex-Technologie ausgerüstet sind, um 8 % billiger gebaut werden als Hochofenanlagen der gleichen Größe. POSCO hat die erste Testanlage mit dem neuen System im Mai 2003 in Südkorea gebaut. Vier Jahre später lagen die Investitionen zur Erforschung und Entwicklung von Finex bereits bei fast 600 Mio. USD.
2009 ging eine zweite großtechnische Anlage mit einer Jahreskapazität von 1.500.000 Tonnen in Indien in Betrieb. Die Bauarbeiten an einem weiteren Werk in Südkorea im Wert von ca. 1,2 Mrd. USD, das im Juli 2013 in Betrieb gehen soll, wurden Ende 2011 aufgenommen.
Zahlreiche Stahlhersteller aus aller Welt haben konkurrierende Technologien entwickelt, um ihre veralteten Hochöfen zu ersetzen, doch nur ein weiteres Unternehmen in Australien konnte mit seiner HIsmelt-Anlage (Produktionskapazität: 800.000 Tonnen pro Jahr) seine Technologie der nächsten Generation bis zu dem Punkt erfolgreich kommerzialisieren, an dem ein vollständiger Verzicht auf Hochöfen möglich war.
POSCO rechnet bis Ende 2013 mit einer jährlichen Produktionskapazität im Finex-Verfahren von 4,1 Mio. Tonnen – einem Viertel der Jahresgesamtproduktion.
Die Tatsache, dass POSCO endlich darauf verzichten kann, Kerntechnologien fortschrittlicherer und benachbarter Stahlhersteller zu importieren, gibt dem Unternehmen ausreichend Grund zu der Annahme, dass die neue Technologie ihm für die nächsten Jahrzehnte einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wird.
Eisen ist in der Erdkruste nur in Form von Eisenoxid vorhanden. Diese Erze müssen zur Extraktion des metallischen Eisens aus dem Stein reduziert werden. Beim Verfahren von Joo, Shin und Schmidt durchläuft das feine Eisenerz eine Reihe von Wirbelschichtreaktoren in einem Ofen, in denen es aufgeheizt und durch chemische Reaktionen reduziert wird. Zur Katalyse wird ein spezielles Reduktionsgas eingesetzt, das in die entgegengesetzte Richtung strömt.
Nach dem Verlassen des letzten Reaktors wird das flüssige Eisen in einen sogenannten Schmelzvergaser eingebracht und dort verhüttet. In den Vergaser wird von oben nicht verkokbare Kohle in Pulverform eingebracht und zu Gas reduziert. Dieses Gas wird anschließend zusammen mit Sauerstoff in den Hauptteil des Vergasers geleitet, um den Verhüttungsvorgang zu beschleunigen.
Ein Teil des Gases wird jedoch zu den Wirbelbettreaktoren zurückgeleitet und übernimmt dort die Funktion des genannten Reduktionsgases. Das gesamte Verfahren reduziert die Kosten für die Herstellung von Roheisen um ca. 15 % pro Tonne, da auf den Einsatz teurer, hochwertiger Kokskohle verzichtet werden kann.
Im 19. Jahrhundert bestanden die Gebäude der Stadt Chicago immer noch aus Holz. Sie fielen dem Feuer zum Opfer, als der Große Brand von Chicago 1871 in der Stadt wütete. Die Architekten und Bauarbeiter waren also gezwungen, einen großen Teil der Stadt von Grund auf neu aufzubauen. Für ihre neuen Hochhäuser verwendeten sie nun schwerer brennbare Materialien.
Stein erwies sich als nahezu ungeeignet, denn Steinwände mussten wesentlich dicker sein, um zu verhindern, dass die Gebäude unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen.
Erst 1885 erkannte der Ingenieur William Jenny, dass Gebäudekonstruktionen aus Eisen – und letztlich Stahl – dieselbe Stabilität bieten wie Stein, jedoch ohne dessen einengende Dicke.
Heute entfallen 50 % des globalen Stahlverbrauchs auf die Bauwirtschaft. Im Jahr 2011 erreichte die erzeugte Stahlmenge 1.527 Megatonnen (Mt) – gegenüber 28,3 Mt im Jahr 1990. Weltweit sind mehr als 2 Mio. Menschen direkt in der Stahlindustrie beschäftigt.