Die genetischen Informationen zu sämtlichen biologischen Lebensformen der Welt sind in den wie eine Wendeltreppe geformten Doppelhelix der DNA enthalten. Die Genetik, also die Lehre von den Genen, trägt zu Verbesserungen in der Medizinforschung sowie medizinischer Behandlungsmethoden bei. Sie hat außerdem unser Verständnis von Biologie, Evolution und letztlich von uns selbst revolutioniert.
Als Erfinder einer bedeutenden Technologie zur DNA-Sequenzierung hat der schwedische Wissenschaftler Pål Nyrén entscheidende Beiträge zur Genforschung geleistet, indem er sie effizienter sowie kostengünstiger gemacht und damit ihre weitere Verbreitung gefördert hat. Seine patentierte Sequenzierungsmethode, die sogenannte Pyrosequenzierung, zählt heute zu den am häufigsten angewendeten Verfahren.
Als Postdoktorand an der University of Cambridge ärgerte sich Pål Nyrén oft über das zeitaufwendige und komplexe manuelle Verfahren der DNA-Sequenzierung. Er wandte die Methode nach Sanger an, benannt nach dem Nobelpreisträger Frederick Sanger, der die Technik gut ein Jahrzehnt zuvor entwickelt hatte. Die Methode nach Sanger wird auch heute noch angewandt - allerdings in verbesserter und automatisierter Form -, doch Mitte der 1980er Jahre stellte sie noch eine relativ anstrengende Angelegenheit dar.
Ähnlich wie Newton unter dem Apfelbaum hatte Nyrén die erste Vision von einer neuen Sequenzierungsmethode für DNA, als er mit dem Fahrrad vom Labor nach Hause fuhr - an einem dunklen regnerischen Januarabend im Jahr 1986.
Als Doktorand an der Universität Stockholm hatte Nyrén auf dem Gebiet der Photosynthese geforscht und eine Technik entwickelt, mit deren Hilfe er die Lichtemissionen einer chemischen Reaktion erfassen konnte. Nyrén erinnerte sich daran zurück, und in einem Moment der Erleuchtung beschloss er, dieses Messverfahren auf die Methode der DNA-Sequenzierung anzuwenden.
Nach Abschluss seiner Postdoktorandentätigkeit kehrte Nyrén nach Schweden zurück und versuchte zunächst erfolglos, die erforderlichen finanziellen Mittel zu sichern, um die neue Sequenzierungsmethode Realität werden zu lassen. Seiner Aussage nach erkannte die für die Gewährung von Zuschüssen zuständige Stelle jedoch damals noch nicht die Bedeutung seines Vorschlags.
Trotz dieses Rückschlags setzte er die Arbeit an der Sequenzierungstechnik fort und opferte ihrer Entwicklung häufig seine Abende und Wochenenden. Dennoch war es Nyrén erst 1994 möglich, sich uneingeschränkt seinen Forschungen zu widmen.
Dank der Unterstützung von Kollegen am Royal Institute of Technology (KTH) in Stockholm standen Nyrén endlich die nötige Zeit und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung, um seine neuartige DNA-Sequenzierungsmethode entwickeln und testen zu können. Gemeinsam mit seinen Kollegen Mathias Uhlen und Mostafa Ronaghi meldete er ein erstes Patent über eine Methode zur Sequenzierung von DNA an, das im Jahr 2001 erteilt wurde.
Im Gegensatz zu den vorher bestehenden DNA-Sequenzierungsverfahren beruhte Nyréns Pyrosequenzierungsmethode nicht auf einer radioaktiven Markierung. Bei dieser Technik müssen die Wissenschaftler mit potenziell gefährlichem radioaktivem Material arbeiten. Nyréns Methode ermöglichte außerdem eine einfachere und schnellere Sequenzierung.
Die Bezeichnung Pyrosequenzierung rührt von dem an Feuer erinnernden Lumineszenz-Effekt her, der bei dem Verfahren entsteht und der Biolumineszenz eines Glühwürmchens ähnelt. Bei der DNA-Sequenzierung entstehen im Rahmen einer chemischen Reaktion Lichtsignale, die von empfindlichen Kameras zur Bestimmung der Basenfolgen in der DNA erfasst werden.
Die Methode der Pyrosequenzierung wurde zuerst von dem Unternehmen vertrieben, das Nyrén, Uhlen und Ronaghi 1999 gegründet hatten - Pyrosequencing AB. Sie etablierte sich schnell als eines der gängigsten Verfahren der sogenannten Sequenzierung der nächsten Generation, d. h. Technologien, die das Auslesen von DNA-Sequenzen mit wesentlich höherer Geschwindigkeit und höherem Volumen als herkömmliche Verfahren ermöglichen. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Seit 2003 hat sich die Geschwindigkeit zur Sequenzierung eines vollständigen Genoms alle zwei Jahre mehr als verdoppelt.
Im Jahr 2003 änderte das erfolgreiche Start-up-Unternehmen Pyrosequencing AB seinen Namen in Biotage. Fünf Jahre später wurde die Firma für 53 Mio. USD von Qiagen übernommen, einem Anbieter von Probenvorbereitungs- und Testtechnologien. „Unser technologischer Vorteil, der Markt und unser überzeugendes Patent-Portfolio haben den Ausschlag für die Übernahme gegeben", erinnert sich Nyrén.
Die Methode der Pyrosequenzierung wurde außerdem für 454 Life Sciences lizenziert, einem mittlerweile vom Pharmakonzern Roche übernommenen Unternehmen. Ausgehend von der Methode wurde eine Array-basierte Sequenzierungsplattform entwickelt, mit der die Geschwindigkeit und das Volumen der DNA-Sequenzierung deutlich gesteigert werden können.
Zufälligerweise wurde das Genom von James Watson, der im Jahr 1953 zusammen mit dem Molekularbiologen Francis Crick die Doppelhelixstruktur der DNA entdeckt hatte, mit einem Gerät des Unternehmens 454 Life Sciences sequenziert. Diese Sequenzierung dauerte im Jahr 2007 nur zwei Monate - ein Quantensprung im Vergleich zu den 13 Jahren, die die 2003 fertiggestellte Sequenzierung des ersten menschlichen Genoms in Anspruch nahm.
Zurzeit erzeugt der Sequenzierermarkt einen Jahresumsatz in Höhe von ca. 1,6 Mrd. USD. Für die nächsten vier Jahre wird ein Anstieg auf 2,2 Mrd. USD erwartet. Aufgrund des sehr hohen Preises der einzelnen Testeinheiten beschränkt sich der Verkauf von Sequenzierungsinstrumenten der nächsten Generation größtenteils auf Industrieländer.
Europa macht gut ein Drittel des Gesamtmarktes aus. Dank der sinkenden Preise wird die DNA-Sequenzierung jedoch zweifelsohne bald weiter verbreitet sein.Die anhaltende Nachfrage, verbesserte Sequenzierungsmethoden und damit verbundene technologische Fortschritte haben zu einer Senkung der Kosten für die DNA-Sequenzierung beigetragen. Im September 2001 belief sich der Preis für die Sequenzierung eines Genoms Schätzungen zufolge auf 95.263.072 USD. Bis Oktober 2011 war dieser Betrag auf ca. 7.743 USD pro Genom gefallen.
Dieser Trend hat zu einer wahren Revolution auf dem Gebiet der Genetik beigetragen. Da DNA-Sequenzierung jetzt leichter zugänglich und kostengünstiger ist, haben sich neue Forschungsfelder erschlossen. Wir haben nun sogar die Möglichkeit, die Bausteine des Lebens aus immer größerer Nähe zu betrachten. Die Untersuchung der Gene und ihrer Interaktionen fördert das Verständnis von Erbkrankheiten und fließt in die Erforschung möglicher Behandlungsmethoden ein.
Genetische Analysen von Krebstumoren zeigen beispielsweise, dass diese sich ebenso stark voneinander unterscheiden wie das genetische Profil der jeweiligen Patienten. Eine Krebsbehandlung, die bei einem Patienten wirksam ist, schlägt möglicherweise bei einem anderen Patienten mit derselben Art von Krebs nicht an.
Die genetischen Besonderheiten des Einzelnen und der Krankheiten legen nahe, dass in vielen Fällen eine individuell auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene Therapie am effektivsten ist. Diese Form der personalisierten Medizin wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zukunft der Gesundheitsversorgung sein und ist in hohem Maße von den genetischen Erkenntnissen abhängig, die die DNA-Sequenzierung liefert.
Die weitere Verbesserung der Gesundheit des Menschen sowie andere wesentliche Anwendungsbereiche, z. B. Forensik bzw. Kriminaltechnik, hängen von der Fortführung der genetischen Forschung ab. Für diese Forschungsarbeit wird eine Sequenzierungstechnologie benötigt, mit der größere Mengen genetischen Materials in kürzerer Zeit verarbeitet werden können.
Die von Pål Nyrén und seinem Team entwickelte Methode der Pyrosequenzierung ermöglicht diese wichtige genetische Forschung und wird nicht nur in unser wachsendes theoretisches Wissen über Genetik einfließen, sondern auch zur Bekämpfung lebensbedrohlicher Erkrankungen wie Krebs beitragen.
Die von Nyrén entwickelte Methode funktioniert wie folgt: Zu einem einzelnen DNA-Strang wird Basenpaar für Basenpaar der Gegenstrang synthetisiert - mit einem DNA-synthetisierenden Enzym und einem Substrat, das ein chemilumineszentes Enzym enthält. Dieses zweite Enzym emittiert infolge einer chemischen Reaktion Licht.
Sequenziell werden Lösungen der vier Nukleotidbasen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin hinzugefügt. Die erfolgreiche Paarung eines Basenpaares erzeugt ein Lichtsignal durch Freisetzung eines chemilumineszenten Enzyms, das mittels einer Kamera erfasst und von einer Software zugeordnet werden kann. Der Prozess wird für alle der vier unterschiedlichen Nukleotidlösungen durchgeführt. Durch Kombination der zugeordneten Basen ergibt sich die gesamte DNA-Sequenz.Die Doppelhelixstruktur der DNA wurde 1953 von James Watson und Francis Crick entdeckt. 50 Jahre später konnte das erste menschliche Genom mit erheblichem finanziellen Aufwand innerhalb eines Zeitraums von 13 Jahren sequenziert werden. Seitdem dieser Meilenstein im Jahr 2003 erreicht wurde, haben sich die Geschwindigkeit und die Kosten der Sequenzierung eines vollständigen Genoms bedeutend reduziert. Mittlerweile kann ein Genom innerhalb weniger Wochen zu einem Preis von rund 8.000 USD sequenziert werden – kaum vergleichbar mit den ca. 95 Mio. USD zur Sequenzierung des ersten Genoms. Darüber hinaus hat sich die Geschwindigkeit zur Sequenzierung eines vollständigen Genoms alle zwei Jahre mehr als verdoppelt.